Einige rechtliche Fragen (z.b. zum Nachteilsausgleich )



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Einige rechtliche Fragen (z.b. zum Nachteilsausgleich ) Eltern, deren Kinder grundsätzlichere LRS-Probleme aufweisen, haben eine ganze Reihe von Rechten. Dies ist auch gut so, denn als Gegenstück zur Schulpflicht sollte so weit als möglich sichergestellt sein, dass die Kinder von ihrem (sinnvollerweise) obligatorischen Schulbesuch auch wirklich etwas haben. Wie freilich im Falle von hartnäckigen Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten diese Rechte genau aussehen darüber herrscht große Unsicherheit. Nicht zuletzt gibt es auch zwischen den einzelnen Bundesländern große Unterschiede, z.b. hinsichtlich des Nachteilsausgleichs, den Eltern für ihre Kinder geltend machen können. Bitte überlegen Sie aber bei alledem, dass das Wohl Ihres Kindes Maßstab Ihrer weiteren Schritte sein sollte. Dies bedeutet zweierlei: Wo immer es geht, sollten Sie sich um eine Abstimmung mit der zuständigen Lehrkraft bzw. dem Beratungslehrer bemühen. Und, nicht zuletzt, sollte nicht allzu viel Zeit mit dem Beginn einer gezielten Förderung verloren werden. Das Schönste wäre doch, Ihr Kind wäre auf einen gesonderten Schutz gar nicht mehr angewiesen weil ihm entscheidend weitergeholfen werden konnte. Der Bundesverband Legasthenie und Dyskalkulie e.v. (BVL) hat als Interessenverband betroffener Eltern hierzu Gutachten erstellen lassen und die Situation in den einzelnen Bundesländern beschrieben. Mit freundlicher Genehmigung des BVL stellen wir hier einige wichtige Ergebnisse dar (Quelle: BVL-Elterninformation Chancengleichheit herstellen - Diskriminierung vermeiden, Hannover 2007). Eine gute Orientierung vermitteln auch die BVL-Antworten auf einschlägige Fragen. Die momentane schulrechtliche Situation Die momentane schulrechtliche Situation der betroffenen Schüler und Schülerinnen ist bundesweit außerordentlich unterschiedlich, da jedes Bundesland seine eigene Regelung zur Berücksichtigung der Legasthenie hat. Diese Bestimmungen der Bundesländer sind auf der Internetseite des BVL unter www.bvl-legasthenie.de ersichtlich. Einen Überblick über die schulrechtlichen Bestimmungen und ihre Unterschiedlichkeiten gibt der Aufsatz von Gabriele Marwege im Sammelband Legasthenie und Dyskalkulie in Wissenschaft, Schule und Gesellschaft zum 15. Kongress des BVL (Winkler-Verlag, Erscheinungsdatum Ende April). In allen Bundesländern ist anerkannt, dass es Schüler und Schülerinnen mit Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens gibt. Deshalb hat sich auch die Kultusministerkonferenz (KMK) damit beschäftigt, wie diese Schüler und Schülerinnen beschult und gefördert werden sollen und im Jahr 2003 die Grundsätze zur Förderung von

Schülern und Schülerinnen mit besonderen Schwierigkeiten im Lesen und Rechtschreiben beschlossen. Viele Bundesländer sind jetzt dabei, ihre schulrechtlichen Vorschriften für diese Kinder an diese Grundsätze anzupassen. In diesen Vorschriften wird überwiegend auch geregelt, ob und wenn ja, welche Veränderungen bei Klassenarbeiten oder anderen Prüfungen bei diesen Kindern zulässig sind, etwa ein Zeitzuschlag bei den schriftlichen Arbeiten oder die Nicht-Bewertung der Rechtschreibung z. B. im Fach Deutsch. Diese Vorschriften werden bestimmt von der Vorstellung, dass die betroffenen Schüler und Schülerinnen durch einen guten Unterricht und eine gute Förderung bis zum Ende der Grundschulzeit in der Lage sind, ihre Schwierigkeiten abzubauen und auf eine mindestens ausreichende Leistung im Lesen und Rechtschreiben zu kommen. Bleiben die Schwierigkeiten nach der Grundschulzeit bestehen, so können die Kinder nach wie vor gefördert werden, diese Förderung muss jedoch langsam abgebaut werden und hört in der Regel mit der 10. Klasse auf, nur in Ausnahmefällen erfolgt eine Förderung auch noch in der Sekundarstufe II, also der Oberstufe (z. B. Hessen, Mecklenburg-Vorpommern). Für die Sekundarstufe II ist eine Berücksichtigung der Legasthenie in der Regel ausgeschlossen, weil man davon ausgeht, dass Schülern und Schülerinnen dieser Schulabschluss nur erteilt werden kann oder darf, wenn sie den allgemeinen Leistungsanforderungen, also auch den Anforderungen im Lesen und Rechtschreiben, genügen. Eine Ausnahmeregelung für Schüler und Schülerinnen mit Schwierigkeiten beim Lesen und Rechtschreiben wird meist nicht gemacht, weil man die Veränderung der Prüfungsbedingungen für diese Schüler und Schülerinnen für ungerecht hält. Wenn in Ausnahmefällen doch eine Berücksichtigung in diesen höheren Klassen möglich ist, dann ist sie davon abhängig, dass der Schüler/die Schülerin vorher mehrjährig gefördert worden ist (z.b. Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen). Die Schüler und Schülerinnen haben aber keinen Einfluss darauf, ob eine solche Förderung stattfindet, weil die Schule selbst entscheidet, ob sie solche Förderungen anbietet und dies natürlich von ihrer finanziellen und personellen Ausstattung abhängig macht. Nur in Bayern ist die Berücksichtigung generell bis zum Abitur vorgesehen. Welche Rechte haben Schüler und Schülerinnen mit Legasthenie im Einzelnen? Schüler und Schülerinnen mit Legasthenie haben das Recht auf Nachteilsausgleich, Schutzmaßnahmen und Förderung. Die schulrechtlichen Regelungen befassen sich in erster Linie mit der Förderung der betroffenen Kinder. Sie verstehen darunter meistens auch den Nachteilsausgleich und/oder die Nicht-Bewertung der Rechtschreibung (sog. Notenschutz). Diese Begriffe müssen jedoch voneinander getrennt werden, weil sie ganz verschiedene Bereiche betreffen. Jede einzelne Maßnahme hat ihre eigenen rechtlichen Voraussetzungen.

a) Nachteilsausgleich Schüler und Schülerinnen mit Legasthenie haben wegen ihrer Behinderung Anspruch auf Nachteilsausgleich. Sinn eines Nachteilsausgleichs ist es, dem behinderten Prüfling die gleichen Möglichkeiten einzuräumen, seine wirklichen Kenntnisse und Fähigkeiten nachzuweisen wie dem nicht-betroffenen Prüfling. Deshalb werden die äußeren Prüfungsbedingungen verändert, um die Nachteile, die sich aus einer Behinderung ergeben, aufzufangen und damit für den Prüfling überhaupt erst die gleichen Bedingungen zu schaffen wie bei den nicht-betroffenen Prüflingen. Formen des Nachteilsausgleichs für jede Form der Leistungsfeststellung sind deshalb z. B. Zeitverlängerung in den Prüfungen Vorlesen der Aufgaben Verkürzung des Aufgabentextes Veränderung des Aufgabentextes, z. B. durch eine größere Kopie Benutzung von technischen Hilfsmitteln Mündliche Abfrage z. B. von Vokabeln Diktieren eines Aufsatzes in ein Diktiergerät Mit dem Nachteilsausgleich wird die Chancengleichheit im Prüfungsverfahren erst hergestellt. Behinderte Prüflinge werden benachteiligt, wenn sie ihre Prüfung unter den gleichen Bedingungen ablegen müssen wie die nicht-betroffenen Prüflinge, denn sie verbrauchen einen erheblichen Teil der Prüfungszeit mit den notwendigen Vorbereitungen (z. B. Lesen) oder technischen Aufgaben (z. B. Schreiben), statt mit der inhaltlichen Bearbeitung der Aufgabe. Deshalb ist es z. B. selbstverständlich, dass sehgeschädigte Prüflinge mehr Zeit für Klausuren bekommen, weil sie für das Erlesen der Aufgaben mehr Zeit benötigen als die anderen Prüflinge. Auch bei Schülern und Schülerinnen mit Legasthenie muss der Nachteil, der sich aus der Legasthenie ergibt, ausgeglichen werden. Ohne einen solchen Nachteilsausgleich können sie die allgemeinen Anforderungen in den Prüfungen (z. B. Zusammenfassung eines Textes, Schreiben eines Aufsatzes) nicht so erfüllen wie ein nichtbetroffener Prüfling. Dagegen wird häufig eingewandt, ein solcher Nachteilsausgleich würde dem Sinn der schulischen Prüfung widersprechen. Das ist nicht der Fall: Bei einer schulischen Prüfung soll die Fähigkeit festgestellt werden, bestimmte Gedächtnisleistungen und/oder Denkleistungen zu erbringen, nicht jedoch die rein technische Fähigkeit des Lesens und Rechtschreibens. Das gilt in besonderem Maße für die Fächer, die keine Sprachfächer sind, wie z. B. Mathematik, Biologie, Erdkunde, Geschichte, und in denen das Lesen und die Rechtschreibung zwar eine Voraussetzung für die Bearbeitung, aber gerade nicht Teil des Faches sind.

Ein Nachteilsausgleich stellt keine Bevorzugung des betroffenen Schülers dar, weil nur der Nachteil ausgeglichen wird bis die gleichen Bedingungen wie bei den Mitschülern erreicht sind. Er wird dadurch nicht bevorzugt und besser behandelt als seine Mitschüler. Der Nachteilsausgleich steht den Betroffenen aufgrund der Behinderung zu. Deshalb kann er nicht daran geknüpft werden, dass der Betroffene vorher gefördert wurde. Im Bereich anderer Behinderungen ist dies selbstverständlich: Bei Schülern mit körperlichen Behinderungen wird die Aussetzung der Sportnote nicht davon abhängig gemacht, dass der Schüler regelmäßig die notwendige Krankengymnastik absolviert. b) Schutzmaßnahmen Schüler und Schülerinnen mit Legasthenie haben außerdem aus den Grundrechten Anspruch auf Schutzmaßnahmen in der Form, dass sie von allgemeinen Leistungsanforderungen befreit werden. Schutzmaßnahmen sind Maßnahmen, bei denen nicht nur die äußeren Prüfungsbedingungen verändert werden wie beim Nachteilsausgleich-, sondern bei denen auf bestimmte Leistungsanforderungen verzichtet wird. Bei ihnen wird der betroffene Prüfling tatsächlich bevorzugt, weil bei ihm anders als bei nicht-betroffenen Prüflingen z. B. die Rechtschreibung nicht gewertet wird. Schutzmaßnahmen sind z. B.: Nicht-Bewertung der Rechtschreibung in allen Fächern Nicht-Anwendung der Klausel, dass bei vielen Rechtschreibfehlern die Note herabgesetzt wird Veränderung der Gewichtung von schriftlichen und mündlichen Noten für die Gesamtnote Keine Teilnahme an Diktaten Eine solche Bevorzugung von Menschen mit Behinderungen ist nach dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG ausdrücklich erlaubt. Denn mit einer solchen Bevorzugung soll gerade verhindert oder überwunden werden, dass Menschen mit Behinderungen durch rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten ausgegrenzt werden. Schüler und Schülerinnen mit Legasthenie werden durch die Bewertung der Rechtschreibung tatsächlich ausgegrenzt. Wegen ihrer Schwierigkeiten im Lesen und der Rechtschreibfehler sind ihre Noten bereits in den Grundschulklassen und auch später schlechter, als es ihrer Begabung entspricht. Wegen der schlechteren Noten können sie z. B. nicht auf Realschulen oder Gymnasien oder später in die Oberstufe übertreten. Manchen Eltern wird sogar der Wechsel in eine Förderschule vorgeschlagen. Damit bleiben den

Kindern - oft schon ab dem Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule - erhebliche berufliche Möglichkeiten verschlossen. Die einzige Maßnahme, die diese Ausgrenzung auffängt, ist die Nicht-Bewertung der Rechtschreibung. Nur damit wird die Benachteiligung aufgehoben. Durch Förderung kann diese Benachteiligung nicht aufgehoben werden, weil bei Schülern und Schülerinnen mit Legasthenie durch die Förderung allenfalls die Schwierigkeiten gemildert, jedoch nicht vollständig beseitigt werden. Der Nachteilsausgleich, wie er oben geschildert wurde, kann die Benachteiligung ebenfalls nicht ausgleichen, weil damit lediglich die technischen Schwierigkeiten des Lesens und Schreibens ausgeglichen werden. Das inhaltliche Problem, nämlich die Fehler in der Rechtschreibung, wird dadurch r nicht beeinflusst. Dieser Ausgleich der Benachteiligung ist außerdem zulässig, weil Schüler und Schülerinnen mit Legasthenie sonst in erheblichem Umfang von schulischen und beruflichen Möglichkeiten ausgeschlossen werden. Angesichts der Vielzahl von Berufen, in denen das Handicap des Schülers mit Legasthenie durch technische Hilfsmittel wie z. B: PC, Rechtschreibprogramme etc. ausgeglichen werden kann, muss ihnen die Möglichkeit, diese Berufe tatsächlich zu ergreifen und die dafür erforderlichen Abschlüsse zu machen, trotz ihrer Rechtschreibprobleme gegeben werden. c) Förderung Grundsätzlich ist es Aufgabe der Schule, alle Kinder zu fördern. Die Förderung muss da ansetzen, wo das Kind steht und sollte es ihm ermöglichen, den Anschluss an die Klasse und die allgemeinen Anforderungen zu finden. Die Förderung ist unabdingbar notwendig, um den betroffenen Kindern die Grundfertigkeiten im Lesen und Schreiben beizubringen. Die Förderung ist allerdings nicht alles. Sie steht gleichberechtigt neben dem Nachteilsausgleich und den Schutzmaßnahmen und ist nicht etwa höherwertig oder vorrangig. Die Grenzen der schulischen Förderung, meist im Rahmen des Unterrichts in der Klasse, sind jedenfalls da erreicht, wo eine individuelle Förderung des Kindes erforderlich ist, die ein normal ausgebildeter Lehrer /Lehrerin nicht leisten kann. Die Schule muss in der Lage sein oder in die Lage versetzt werden, diese Grenze zu erkennen und zu akzeptieren. Es ist allgemein bekannt, dass die Möglichkeiten der Schule, zu fördern, sehr stark durch die finanzielle und personelle Ausstattung der Schule begrenzt sind. Weder der Schüler noch die Eltern haben einen einklagbaren Anspruch auf Förderung. Häufige Fragen Welche gesetzlichen Regelungen gelten für die Berücksichtigung der Legasthenie?

Zunächst gelten die schulrechtlichen Bestimmungen Ihres Bundeslandes (Erlasse, Verwaltungsvorschriften etc.). Wenn diese Bestimmungen nicht ausreichen, dann ist das Grundgesetz maßgeblich. An wen muss ich mich wegen der Berücksichtigung der Legasthenie zuerst wenden? Sprechen Sie zuerst mit dem Klassenlehrer Ihres Kindes und, falls erforderlich, mit dem Schulleiter/der Schulleiter, evtl, auch mit dem Beratungslehrer oder dem Schulpsychologen über die Legasthenie und darüber, dass Sie eine Berücksichtigung der Legasthenie beantragen wollen. An wen muss ich den Antrag richten? Darauf gibt es leider keine eindeutige Antwort. Weil die Zuständigkeiten je nach Bundesland und Schulart sehr unterschiedlich sind, müssen Sie selber recherchieren, wer die zuständige Stelle ist. Fragen Sie dazu Ihren LVL oder auch den Elternbeirat Ihrer Schule. Die Schule sagt, für mein Anliegen gäbe es keine Vorschriften des Kultusministeriums. Deshalb könne meinem Antrag nicht stattgegeben werden. Stimmt das? Weil viele schulrechtliche Bestimmungen sich nur auf bestimmte Klassenstufen oder auch Schulzweige beziehen, ist es gut möglich, dass es für Ihr Anliegen (z.b. Berücksichtigung in einer Abschlussklasse) keine Vorschrift des Kultusministeriums gibt. Dann ist es aber Pflicht der Schule, die Legasthenie auf der Grundlage von Art. 3 GG zu berücksichtigen. Der Anspruch ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil es dafür keine Regelung gibt. Welche Unterlagen oder Bescheinigungen brauche ich für einen Antrag? Am besten ist es, wenn die Legasthenie durch eine aktuelle Bescheinigung eines Kinderund Jugendpsychiaters oder einer entsprechenden Fachkraft nachgewiesen wird. Wenn Unterlagen über die bisherige schulische Förderung des Kindes vorliegen, dann sollten auch diese beigefügt werden. Muss die Legasthenie von einem Amtsarzt bescheinigt werden? Im Schulrecht muss die Legasthenie nicht durch ein amtsärztliches Attest bescheinigt werden. Ist es gut, noch ein Gutachten der Schulpsychologin /des Schulpsychologen beizufügen? Ein Gutachten eines Schulpsychologen ist nicht erforderlich. Die Diagnostik durch einen Kinder- und Jugendpsychiater oder eine entsprechende Fachkraft reicht aus. Muss für das Kind ein Behindertenausweis beantragt werden? Nein, ein solcher Behindertenausweis muss nicht beantragt werden. Der Erteilung eines Behindertenausweises liegen andere rechtliche Grundlagen zugrunde als der

Anerkennung der Legasthenie im Schulrecht. Das eine hat also mit dem anderen nichts zu tun. Wenn das Kind einen Behindertenausweis bzw. die Anerkennung einer Behinderung hat, dann ist dies ein zusätzliches Argument für den Antrag und sollte dem Antrag beigefügt werden. Muss das Kind im Sinne des Sozialrechts schwerbehindert sein? Nein, eine Schwerbehinderung, also eine Behinderung in Höhe von 50 GdB (Grad der Behinderung) ist nicht erforderlich. Für die schulrechtliche Berücksichtigung reicht jeder Grad der Behinderung aus. Wir haben beim Jugendamt Eingliederungshilfe nach 35a SGB VIII beantragt. Diese wurde abgelehnt, weil unser Kind nicht von seelischer Behinderung bedroht sei. Können wir trotzdem einen Antrag an die Schule stellen? Ja, der Antrag an die Schule stützt sich auf Art. 3 Grundgesetz. Dafür reicht es aus, dass bei dem Kind eine Legasthenie diagnostiziert wurde. Der Behinderungsbegriff des Grundgesetzes ist ein anderer als der der Kinder- und Jugendhilfe. Zählen zu den Prüfungen, bei denen es Nachteilsausgleich und Notenschutz gibt, nur die Abschlussprüfungen? Nein, die Chancengleichheit im Prüfungsverfahren muss in allen schulischen Prüfungen hergestellt werden, also bei Klassenarbeiten, Klausuren, schriftlichen Tests, Abfragen, Lesetests usw. im laufenden Schuljahr und in eventuellen Aufnahmeprüfungen (z.b. für den Übertritt auf Realschule oder Gymnasium). Hat es überhaupt Sinn den Antrag auf Nachteilsausgleich und Notenschutz zu stellen, wenn die Prüfung schon in nächster Zeit (z.b. vier Wochen) ist? Ja, es macht auf jeden Fall Sinn, den Antrag zu stellen. Zunächst dokumentiert man mit einem solchen Antrag die Behinderung des Kindes und kann im Ernstfall die Prüfung anfechten, weil auf die Behinderung keine Rücksicht genommen wurde. Außerdem ist die Schule gehalten, über den Antrag so schnell zu entscheiden, dass die Berücksichtigung in der Prüfung auch erfolgen kann. Entscheidet die Schule nicht rechtzeitig, dann kann in einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht auf Berücksichtigung der Legasthenie in der Prüfung geklagt werden. Wie viel Zeitzuschlag sollte man beantragen? Der Zeitzuschlag soll den Nachteil ausgleichen, den das betroffene Kind durch die Legasthenie im Lesen und im Schreibprozess hat. Deshalb kommt es darauf an, wie stark das Kind tatsächlich beeinträchtigt ist. Je schwerer die Ausprägung der Legasthenie ist, desto höher sollte der Zeitzuschlag sein. Die Grenze liegt vermutlich bei ca. 50 % der normalen Bearbeitungszeit.

Kann man beantragen, dass das Kind keine oder weniger Fremdsprachen lernen muss? Nein, das kann man nicht. Der Nachteilsausgleich und der Notenschutz dienen dazu, dass das Kind in die Lage versetzt wird, die allgemeinen Anforderungen des jeweiligen Schultyps zu erfüllen. Dazu gehören in der Regel eine Fremdsprache an den Haupt- und Realschulen und zwei Fremdsprachen am Gymnasium. Diese Anforderungen müssen auch Kinder mit Legasthenie erfüllen. Würde man ihnen eine Fremdsprache erlassen, dann würden sie unberechtigterweise bevorzugt. Kann man auf die Anerkennung der Legasthenie (abweichende Leistungsfeststellungund bewertung, Notenschutz) wieder verzichten, z. B. weil man Bedenken wegen der Zeugnisbemerkung hat? Ja, auf Rechte, die einer Person zustehen, kann diese Person wieder verzichten. Das sollte jedoch gut überlegt sein, weil man in der Regel endgültig verzichtet und nicht nach einem Jahr die Anerkennung der Legasthenie erneut beantragen kann. Können wir die Berücksichtigung der Legasthenie (abweichende Leistungsfeststellungund bewertung, Notenschutz) in der Schule verlangen, ohne dass dies offiziell vermerkt wird? Nein, jede Berücksichtigung einer Legasthenie ohne offizielle Anerkennung erfolgt allein im pädagogischen Ermessen der Lehrer. Wenn man Rechte aufgrund der Legasthenie einfordert, dann muss man auch offen dazu stehen. Welche Zeugnisbemerkung ist zulässig? Es ist zulässig im Zeugnis zu vermerken, dass das Lesen und die Rechtschreibung nicht gewertet wurden. Es ist nicht zulässig zu vermerken, wie und in welcher Form ein Nachteilsausgleich gewährt wurde. Es darf im Zeugnis also z.b. nicht stehen, dass ein Zeitzuschlag gegeben wurde oder das Aufgaben vorgelesen wurden.