Patienten helfen Der Letter des NÖ Patientenanwalts



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Transkript:

Wie viele Patienten zuerst beeindruckt und dann enttäuscht werden können Dr. Gerald Bachinger NÖ Patienten- und Pflegeanwalt August 2001 Die Zeiten, da kaum ein Patient mit mehr als (s)einem Arzt zu tun bekam, sind lange vorbei. Heute ist es für Patienten der Regelfall, mit vielen Ärzten und vielen fachlichen Spezialisierungen von Medizinern konfrontiert zu sein, und damit auch mit vielen ärztlichen Meinungen, die sich nicht immer decken. Auch deshalb sind die Patientenrechte so wichtig geworden - das Recht auf Selbstbestimmung, auf verständliche und volle Information, auf Integrität, um nur einige anzusprechen. Wie können Patienten mit sicherem Gefühl über sich selbst entscheiden? Sie können das Wissen und Können ihrer Ärzte nicht objektiv überprüfen, es sei denn, sie wären zufällig selbst entsprechend qualifizierter Arzt. Diese große und häufige Frage kann in diesem kleinen Rahmen nicht behandelt werden. Aber dafür, wie man es zum Beispiel nicht machen soll, ist er groß genug. Ich möchte die Wirkung einer Frage von Ärzten an Patienten schildern, über die sehr ernsthaft zu überlegen ist, warum sie gestellt wird, welche Folgen sie haben kann und warum man auf sie verzichten sollte. Impressum Es ist enorm wichtig, permanent von den Patienten zu lernen. Im Letter PATIENTEN HELFEN stellt NÖ Patienten- und Pflegeanwalt Dr. Gerald Bachinger wichtige Erfahrungen von mit Patienten für Patienten und ihre Helfer vor. Dieser Letter ist ein Beitrag der NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft, um vermeidbaren Problemen im Gesundheitswesen vorzubeugen. Er erscheint unregelmäßig, in der >NÖ Edition Patientenrechte<, seit Juli 2001 auf www.patientenanwalt.com zum Download. Herausgeber und für den Inhalt verantwortlich: Dr. Gerald Bachinger, NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft A 3109 St. Pölten, Rennbahnstrasse 29, Tel: 02742/9005-15575, Fax: 02742/9005-15660, E-mail: post.ppa@noel.gv.at Der Letter dieser Reihe repräsentiert die persönliche Meinung des Autors. Daten und Fakten sind gewissenhaft recherchiert oder entstammen Quellen, die allgemein als zuverlässig gelten. Ein Obligo kann daraus nicht abgeleitet werden. Der Herausgeber und Autor lehnt jede Haftung ab. Copyright: Dieser Letter und sein Inhalt sind urheberrechtlich geschützt. Nachdruck oder auch nur auszugsweise Weiterverwendungen nur mit Zustimmung des Herausgebers. Zitate mit voller Quellenangabe sind zulässig. Seite 1 von 5

Stellen Sie sich vor, ein Arzt untersucht einen Patienten, der nach einem langen Leidensweg zum ersten Mal zu ihm kommt. Der Erkrankte hofft, endlich einen Fachmann gefunden zu haben, der ihm weiterhelfen kann. Sein neuer Arzt betrachtet konzentriert seine Operationsnarbe, einen seiner Befunde oder seine Medikamentenliste. Plötzlich weist er mit strengem Zeigefinger auf einen bestimmten Punkt und fragt aufmerkend, erstaunt oder gar empört: Beim Patienten schrillen die Alarmsirenen. Diese Frage in solchem Tonfall kennt er seit seiner Kindheit. Durch sie werden Täter ausgeforscht: Schokoladenklauer, Fensterscheibenkaputtmacher, Böse-Sprüche-auf-die-Schultafel-Schmierer, etc. Doch nun geht es um mehr: um einen medizinischen Fehler, welchen der frühere Arzt verursacht hat! es gibt einen Verdacht (natürlich ohne es auf die große Glocke zu hängen), dass ein Patient, falsch behandelt wurde! Ab diesem Moment gibt es für viele Patienten weder Zweifel, noch Fragen. Es ist für sie durch diese Frage gewiss, dass bei ihrer früheren Behandlung ein Fehler passiert ist. Das weitere Gespräch des Patienten mit seinem neuen Arzt und die weitere Behandlung verlaufen nun in stillschweigender Übereinstimmung. Wissend wird über all das geschwiegen, was davor schief gelaufen ist... Diese Frage ist für den Patienten zum unmissverständlichen Hinweis geworden: die ihn vorher behandelnden Ärzte haben etwas falsch gemacht. Die Behandlung konnte deshalb nicht helfen. Und ab jetzt, mit dem neuen Arzt, wird alles anders, nämlich besser. Wen wundert es, wenn sich dann (nicht gerade wenige!) Patienten an uns in der Patientenanwaltschaft wenden? Für sie bedeutet das zwar eine weitere psychische Belastung, aber sie nehmen sie in Kauf. Sie hoffen, dass ihre Fehlbehandlung aufgeklärt wird. Seite 2 von 5

Jede Beschwerde wird sorgfältig von uns geprüft. Eine unserer ersten Fragen richtet sich auf den Anlass, warum eine Beschwerde beim Patientenanwalt eingebracht wird. Ja, und hier unterscheiden sich solche Fälle von den anderen: In den anderen Fällen beziehen sich Patienten auf ihre eigene Wahrnehmung. Ihr eigener Verdacht über eine Fehlbehandlung ist die Grundlage für die Beschwerde bei der Patientenanwaltschaft. In den Wer hat denn das gemacht?!- Fällen hören wir aber Erklärungen, die etwa lauten: Ach wissen Sie, mir wäre das gar nicht aufgefallen, aber mein neuer Arzt hat mich Gott sei Dank darauf aufmerksam gemacht. Der versteht was, dem kann ich vertrauen! Selbstverständlich ist dann der nächste Schritt für uns, bei den neuen Ärzten nachzufragen, worauf sich deren Bemerkung genau bezieht. Dann ernten wir oft bares Erstaunen: Wie bitte? Was? Niemals sei diesem Patienten gegenüber Negatives über ärztliche Kollegen, vorbehandelnde Krankenanstalten und/oder angewandte Methoden gesagt worden! Nicht einmal andeutungsweise hätte man derartige Bemerkungen gemacht! Mit dieser Auskunft ist dann oft nicht nur die letzte Stütze einer Beschwerde, sondern vor allem eine letzte Hoffnung des Patienten zerbrochen: die Hoffnung, dass eine korrigierende Erklärung für den mangelnden Heilungserfolg möglich ist. Diese Patienten werden dann gleich von zwei Enttäuschungen ereilt: Erstens, dass keine Aussicht auf eine endgültige Lösung ihres Problems besteht. Zweitens, dass sich der Arzt, in dessen Bemerkung sie alle Hoffnung gesetzt hatten, sich gar nicht mehr erinnern kann, dass er den Patienten mit seiner Frage Wer hat denn das gemacht?! dazu führte, einen Behandlungsfehler anzunehmen. Was anderes hätte man denn als Patient denken sollen, als dass etwas schief gelaufen ist??? Man ergreift doch jeden Strohhalm, an den man sich anhalten kann! Denken Seite 3 von 5

sich denn die Ärzte gar nichts dabei, wenn sie solch unbedachte Bemerkungen machen...? Das sind dann die typischen Reaktionen von enttäuschten Patienten, denen wir vermitteln müssen, dass ihr Verdacht in keiner Weise erhärtet werden kann. Es sind Reaktionen, von denen gelernt werden sollte. Wer hat denn das gemacht...?! mag gar nicht als Frage an Patienten gemeint sein, sondern als kritischer Gedanke eines Mediziners, der beim Denken mithören lässt. Aber sehr viele Patienten beziehen aus ihrer Situation heraus jedes Wort, jeden Ton, jede Geste und auch die kleinste mimische Veränderung ihres Arztes auf sich und ihre Aussichten. Patienten voll zu informieren, bedeutet, ihnen verständlich und verantwortungsbewusst jene Auskunft zu geben, die sie brauchen, um die richtige Entscheidung für sich mit sicherem Gefühl zu treffen. Es bedeutet nicht, sie als Arzt mit jedem persönlichen Impuls zu konfrontieren, und schon gar nicht, sie mit einem solchen zu verunsichern. Das gilt auch für Fachleute in allen anderen Gesundheitsberufen! Wer hat denn das gemacht...?! kann als Kritik verstanden werden. Kritik weist auf Kompetenz hin. Kompetenz verhilft zur Autorität. Ein Arzt, der kritisiert, weiß es besser? Wirklich? Natürlich kann es berechtigte Kritik an Kollegen geben. Dann aber soll sie Patienten gegenüber mit Bedacht, konkret begründet und klar geäußert werden. Als Strategie, sich als Arzt auf dem Markt besser zu positionieren, kann man von dieser Frage auch im Interesse jedes Arztes nur dringend abraten. Die anderen sind schlechter als ich, ist nicht einmal in der Wirtschaft werbewirksam. Diese Art Kompetenz zu vermitteln, wirkt nur kurzfristig vorteilhaft. Mittel- und langfristig führt sie bei Patienten zu unkorrigierbarem Vertrauensverlust. Der Patient wird sich an einen anderen Arzt wenden. Von wem stammt diese Verordnung/dieser Befund? Wer hat diese Seite 4 von 5

Behandlung/Operation/Untersuchung durchgeführt? Solche Formulierungen führen bestimmt zu besseren Ergebnissen, als ich sie hier zu berichten habe. Sie bedürfen nur ein paar Silben mehr, zeugen von wahrhafter Kompetenz und lassen kaum einen bösen Verdacht aufkommen... Seite 5 von 5