Empfehlungen zum Einsatz von Elektrokautern bei Patienten mit Herzschrittmachern und implantierten Defibrillatoren



Ähnliche Dokumente
Herzschrittmacher und ICD-Fehlfunktionen Wie erkennt man das? Was gibt es für Optionen im Rettungsdienst?

Das ICD-Patientenzufriedenheitsbarometer

AGROPLUS Buchhaltung. Daten-Server und Sicherheitskopie. Version vom b

Wenn Sie am Grauen Star leiden, haben wir die Linse für Sie mit der Sie wieder ohne Brille in die Ferne UND Nähe sehen können!

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

DRINGEND Medizingeräte-Korrektur Philips HeartStart MRx Monitor/Defibrillator

Handbuch Programmierung teknaevo APG

Anleitung über den Umgang mit Schildern

1 Einleitung. Lernziele. automatische Antworten bei Abwesenheit senden. Einstellungen für automatische Antworten Lerndauer. 4 Minuten.

Pflege Ihrer implantatgetragenen Krone

7. Kardiovaskuläres Forum

Thermoguard. Thermoguard CIM Custom Integration Module Version 2.70

Implantate. Modernste Zahnmedizin für perfekte Ästhetik. Lust auf schöne Zähne

Rundung und Casting von Zahlen

Wie ist das Wissen von Jugendlichen über Verhütungsmethoden?

Stellvertretenden Genehmiger verwalten. Tipps & Tricks

Technical Note Nr. 101

s.beat DAP-10X White Paper USB Stromversorgung am Apple Macintosh und deren Auswirkung

Ein neues System für die Allokation von Spenderlungen. LAS Information für Patienten in Deutschland

Simulation LIF5000. Abbildung 1

Neomentum Coaching. Informationsbroschüre für Studienteilnehmer

Der Brustaufbau nach Krebs ein Thema für Frauen jeden Alters. Eine Information von pfm medical

Handbuch. NAFI Online-Spezial. Kunden- / Datenverwaltung. 1. Auflage. (Stand: )

Patienteninformation. AcrySof IQ Toric. GraueN star UND Hornhautverkrümmung

Anleitung für die Online-Bewerbung über LSF auf Lehrveranstaltungen aller Lehramtsstudiengänge

Pädagogik. Melanie Schewtschenko. Eingewöhnung und Übergang in die Kinderkrippe. Warum ist die Beteiligung der Eltern so wichtig?

Downloadfehler in DEHSt-VPSMail. Workaround zum Umgang mit einem Downloadfehler

Lehrer: Einschreibemethoden

InVo. Information zu Verordnungen in der GKV. Herstellung von Arzneimitteln durch Ärzte Anzeigepflicht bei Bezirksregierungen. Stand: Februar 2010

104 WebUntis -Dokumentation

UMSTELLUNG DER RÖNTGEN-SCHNITTSTELLE DÜRR-DBSWIN AUF DÜRR-VDDS

teamsync Kurzanleitung

Lichtbrechung an Linsen

Medizinische elektrische Geräte und Systeme

Langfristige Genehmigungen

Elexis-BlueEvidence-Connector

Dominik Stockem Datenschutzbeauftragter Microsoft Deutschland GmbH

Was sind die Gründe, warum die Frau, der Mann, das Paar die Beratungsstelle aufsucht?

Version White Paper ZS-TimeCalculation und die Zusammenarbeit mit dem iphone, ipad bzw. ipod Touch

Häufig gestellte Fragen zum elektronischen Stromzähler EDL21

PV-Anlagen vor Blitz und Überspannungen schützen

Stellen Sie getrennte Anträge für inhaltlich nicht zusammenhängende Änderungsvorschläge!

SCHRITT 1: Öffnen des Bildes und Auswahl der Option»Drucken«im Menü»Datei«...2. SCHRITT 2: Angeben des Papierformat im Dialog»Drucklayout«...

1) Farbsteuergerät in der Nikobus-Software unter Modul zufügen hinzufügen.

Pränatales Screening auf Chromosomenstörungen. Pränatales Screening. Leitfaden für werdende Mütter und Väter. Leitfaden für werdende Mütter und Väter

M e r k b l a t t. Neues Verbrauchervertragsrecht 2014: Beispiele für Widerrufsbelehrungen

Scheper Ziekenhuis Emmen. Tel.: + 31 (0) Fax: + 31 (0) Web:

Zahlenwinkel: Forscherkarte 1. alleine. Zahlenwinkel: Forschertipp 1

Kurzanleitung der Gevopa Plattform

Zukunft der Implantate

SCHLESWIG-HOLSTEINISCHER LANDTAG Drucksache 17/ Wahlperiode der Abgeordneten Dr. Marret Bohn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Windows-Sicherheit in 5 Schritten. Version 1.1 Weitere Texte finden Sie unter

GSM Scanner Bedienungsanleitung

B 2. " Zeigen Sie, dass die Wahrscheinlichkeit, dass eine Leiterplatte akzeptiert wird, 0,93 beträgt. (genauerer Wert: 0,933).!:!!

Reinigung Normale Reingung der CheckStab Leitfähigkeitselektrode Gründliche Reinigung der Leitfähigkeitselektrode... 2

Moni KielNET-Mailbox

1.1. Aufschriften auf der Außenseite von ME-Geräten oder ME-Geräte-Teilen

ECO-Manager - Funktionsbeschreibung

iphone- und ipad-praxis: Kalender optimal synchronisieren

Ablauf einer Bruststraffung. Am Beispiel von Bettie Ballhaus

Unterrichtsmaterialien in digitaler und in gedruckter Form. Auszug aus: Abi-Retter-Strategien: Texterörterung. Das komplette Material finden Sie hier:

Bedienungsanleitung GYMplus

Die Post hat eine Umfrage gemacht

LEITFADEN ZUR SCHÄTZUNG DER BEITRAGSNACHWEISE

Unfallkasse Nord Träger der gesetzlichen Unfallversicherung Körperschaft des öffentlichen Rechts

Handbuch ECDL 2003 Modul 2: Computermanagement und Dateiverwaltung Der Task-Manager

Screening Das Programm. zur Früherkennung von Brustkrebs

Informationen für Enteignungsbetroffene

MARCANT - File Delivery System

Zahnl cke? Legen Sie doch mal einen Zahn zu... mit Implantaten!

Vertrag zwischen. der AOK Berlin - Die Gesundheitskasse - und der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin (KV)

Kurzanleitung für die Abgabe der Abrechnung über das Mitgliederportal der KV Sachsen

Dokumentenverwaltung im Internet

Wann ist eine Software in Medizinprodukte- Aufbereitungsabteilungen ein Medizinprodukt?

Jedes Umfeld hat seinen perfekten Antrieb. Individuelle Antriebslösungen für Windenergieanlagen.

Implantate. Modernste Zahnmedizin für perfekte Ästhetik. Lust auf schöne Zähne

Scheper Ziekenhuis Emmen. Tel.: + 31 (0) Fax: + 31 (0) Web:

Hygiene und Infektionsvorbeugung

Testament Muster, Testament Vorlage, Testament Vordruck kostenlos

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

Richtlinien der Osteopathie Schule Deutschland zur Abschlussarbeit für die Erlangung der Ausbildungsbezeichnung D.O.OSD.

Die Zukunft der Zukunftsforschung im Deutschen Management: eine Delphi Studie

Installationsanleitung Maschinenkonfiguration und PPs

Arbeitsgruppen innerhalb der Website FINSOZ e.v.

A Closer Look. Boston Scientific ICD und CRT-D Indikatoren für den Austausch von Geräten ZUSAMMENFASSUNG

Ergänzungsbericht zum Tätigkeitsbericht 2013 über die Ergebnisse der externen vergleichenden Qualitätssicherung

Bedienungsanleitung: Onlineverifizierung von qualifiziert signierten PDF-Dateien

Einweiserbefragung Ihre Meinung ist uns wichtig! Sehr geehrte/r Frau/Herr Dr. med.

IHR PATIENTENDOSSIER IHRE RECHTE

Würfelt man dabei je genau 10 - mal eine 1, 2, 3, 4, 5 und 6, so beträgt die Anzahl. der verschiedenen Reihenfolgen, in denen man dies tun kann, 60!.

Handbuch. Artologik EZ-Equip. Plug-in für EZbooking version 3.2. Artisan Global Software

Glaube an die Existenz von Regeln für Vergleiche und Kenntnis der Regeln

Diese Broschüre fasst die wichtigsten Informationen zusammen, damit Sie einen Entscheid treffen können.

Meinungen der Bürgerinnen und Bürger in Hamburg und Berlin zu einer Bewerbung um die Austragung der Olympischen Spiele

SCHÖNE ZÄHNE. Lebensqualität mit Zahnimplantaten 1

Matrix42. Use Case - Sicherung und Rücksicherung persönlicher Einstellungen über Personal Backup. Version September

Speicher in der Cloud

IMPLEMENTIERUNG VON GOOD PRACTICE ZUR REDUZIERUNG VON MEDIKATIONSFEHLERN IN SPITÄLERN

A. Ersetzung einer veralteten Govello-ID ( Absenderadresse )

Transkript:

Kardiologe 2010 DOI 10.1007/s12181-010-0295-x Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.v. Published by Springer Medizin Verlag - all rights reserved 2010 B. Nowak 1 C.W. Israel 2 S. Willems 3 D. Bänsch 4 C. Butter 5 N. Doll 6 L. Eckardt 7 J.C. Geller 8 T. Klingenheben 9 T. Lewalter 10 B. Schumacher 11 C. Wolpert 12 1 CCB, Cardioangiologisches Centrum Bethanien, Frankfurt a.m. 2 Klinik für Innere Medizin Kardiologie und Angiologie, Ev. Krankenhaus Bielefeld 3 Klinik für Kardiologie mit Schwerpunkt Elektrophysiologie, Universitäres Herzzentrum, Hamburg 4 Abteilung für Kardiologie, Universitätsklinikum Rostock 5 Kardiologie, Herzzentrum Brandenburg in Bernau, Bernau 6 Sana Herzchirurgie Stuttgart 7 Med.Klinik Poliklinik C, Universitätsklinikum Münster 8 Abteilung Rhythmologie und invasive Elektrophysiologie, Zentralklinik Bad Berka 9 Praxis für Kardiologie in Bonn, Bonn-Lengsdorf 10 St.-Marien-Hospital, Bonn 11 Klinik für Kardiologie, Herz- und Gefäßklinik, Bad Neustadt/Saale 12 Klinikum Ludwigsburg Empfehlungen zum Einsatz von Elektrokautern bei Patienten mit Herzschrittmachern und implantierten Defibrillatoren 1. Präambel Diese Empfehlungen sind eine Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie Herz- und Kreislaufforschung e.v. (DGK), die den gegenwärtigen Erkenntnisstand wiedergibt und allen Ärzten und ihren Patienten die Entscheidungsfindung erleichtern soll. Es werden bisher publizierte, relevante Studien herangezogen, gelöste Fragen beantwortet und ungelöste aufgezeigt. Es wird eine Empfehlung abgegeben, für welche Patienten das vorgestellte (diagnostische und/oder therapeutische) Verfahren infrage kommt. Der Zusammenhang zwischen der jeweiligen Empfehlung und dem zugehörigen Evidenzgrad ist gekennzeichnet (. Tab. 1, 2). Diese Empfehlungen ersetzen nicht die ärztliche Evaluation des individuellen Patienten und die Anpassung der Diagnostik und Therapie an dessen spezifische Situation. 2. Einleitung Jedes Jahr werden in Deutschland nahezu 100.000 Herzschrittmacher, implantierbare Defibrillatoren (ICD) inklusive kardialer Resynchronisationssysteme (CRT) implantiert [1, 2]. Meist handelt es sich hierbei um ältere, teils multimorbide Patienten, die sich gehäuft unterschiedlichen operativen Eingriffen unterziehen müssen. Hierbei ist eine Vielzahl von Störbeeinflussungen von Herzschrittmachern und implantierten Defibrillatoren durch den Einsatz von Elektrokautern bekannt Tab. 1 I II IIa IIb III Empfehlungsgrade [3, 4, 5, 6, 7, 8, 9]. Diese sind in. Tab. 3 aufgeführt. Daher sollte der Einsatz von Elektrokautern bei Patienten mit implantiertem Herzschrittmacher oder ICD jeweils kritisch hinterfragt werden. Sofern ein Elektrokauter eingesetzt werden muss, sollte ein bipolarer Modus des Kauters bevorzugt werden [5, 6, 10], wenngleich auch unipolare Kauter eingesetzt werden können. Vorliegende Empfehlung soll praktische Hinweise zum perioperativen Management bei diesen Patienten geben [5, 6, 10, 11]. Kontrollierte Untersuchungen Evidenz und/oder allgemeine Übereinkunft, dass eine Therapieform oder eine diagnostische Maßnahme effektiv, nützlich oder heilsam ist Widersprüchliche Evidenz und/oder unterschiedliche Meinungen über den Nutzen/die Effektivität einer Therapieform oder einer diagnostischen Maßnahme Evidenzen/Meinungen favorisieren den Nutzen bzw. die Effektivität einer Maßnahme Nutzen/Effektivität einer Maßnahme ist weniger gut durch Evidenzen/Meinungen belegt Evidenz und/oder allgemeine Übereinkunft, dass eine Therapieform oder eine diagnostische Maßnahme nicht effektiv, nicht möglich oder nicht heilsam und im Einzelfall schädlich ist 1

Tab. 2 A B C Evidenzgrade Daten aus mehreren ausreichend großen, randomisierten Studien oder Metaanalysen Daten aus einer randomisierten Studie oder mehreren großen, nicht randomisierten Studien Konsensusmeinung von Experten, basierend auf Studien und klinischer Erfahrung Tab. 3 Mögliche Störbeeinflussung implantierter Schrittmacher und ICDs durch Elektrokauter Inhibierung der Stimulation Asynchrone Stimulation Triggerung einer schnellen Stimulation Inadäquater Mode-Switch Abnorme Frequenzanstiege durch Beeinflussung von Atemminutenvolumensensoren Inadäquate Tachykardiedetektion Inadäquate Tachykardietherapie (Stimulation oder Schock) Inhibierung einer adäquaten Tachykardietherapie Umprogrammierung/Reset Backup-Stimulation Aktivierung des End-of-life-Indikators Reizschwellenanstieg Induktion von ventrikulären Tachykardien oder Kammerflimmern Aggregatdefekte/Aggregatausfall liegen zu diesem Thema nicht vor. Daher entsprechen alle Empfehlungen dem Evidenzgrad C. 3. Physikalische Grundlagen des Einsatzes von Elektrokautern Bei dem Einsatz von Elektrokautern wird Wechselstrom mit Frequenzen oberhalb von 300 khz angewandt. Hierdurch entsteht ein thermischer Effekt, der keine mechanische Kraft erfordert. Gleichzeitig erfolgt eine Hämostase, einhergehend mit einem Gefäßverschluss. Elektrokauter werden daher sowohl zum Schneiden als auch zur Blutstillung eingesetzt. Beim Schneiden ist das Risiko einer Interferenz höher als beim Koagulieren [10, 12]. Es stehen unipolare und bipolare Geräte zur Verfügung. Bei unipolarem Einsatz ist die Messerspitze die Kathode und die Neutralelektrode die Anode. Die Neutralelektrode hat die Aufgabe, den Stromkreis zwischen Hochfrequenzchirurgiegerät und aktiver Elektrode zu schließen. Der Hochfrequenzstrom, der die Neutralelektrode durchfließt, ist nahezu identisch mit dem Strom, der an der aktiven Elektrode fließt. Deshalb muss die Fläche einer Neutralelektrode ausreichend groß sein, um eine Erwärmung und dadurch eine thermische Schädigung des Gewebes durch hohe Stromdichten zu vermeiden. Bei bipolarem Modus fließt der Strom über 2 Pole eines Gerätes, z. B. die beiden Spitzen einer Pinzette. Jeder durch den Körper fließende Strom kann einen Schrittmacher oder ICD beeinflussen [13]. Wenn ein Hochfrequenzstrom zwischen Elektrokauter und indifferenter Elektrode fließt, kann ein Teil dieses Stromes über die implantierten Elektroden abfließen, wodurch es zu thermischen Läsionen am Myokard kommen kann. Dies kann durch protektive Bauteile im Aggregat wie Zener-Dioden verstärkt werden, da diese Strom vom Aggregat wegleiten [3]. Grundsätzlich sinkt das Risiko einer Interaktion mit zunehmendem Abstand zwischen Aggregat samt Elektroden und Elektrokauter. Interferenzen sind bei Eingriffen am Thorax und Abdomen am wahrscheinlichsten. Ein Elektrokauter sollte mit einem Mindestabstand von 15 cm vom Schrittmacher bzw. Defibrillator eingesetzt werden [3, 10]. 4. Einsatz bei Patienten mit Herzschrittmachern Präoperativ muss der aktuelle Status des implantierten Systems bekannt sein: Modell, Implantationsdatum, Stimulationsmodus, Eigenrhythmus und Datum der letzten Aggregatkontrolle. Liegt die letzte Kontrolle mehr als 12 Monate zurück bzw. bei vor über 5 Jahren implantierten Aggregaten länger als 6 Monate, ist eine präoperative Kontrolle erforderlich. Das Gleiche gilt für thorakale Operationen in der Nähe des Aggregates (I). Der Inhalt der präoperativen Kontrolle ist in. Tab. 4 wiedergegeben. Eine präoperative Umprogrammierung des Herzschrittmachers dient in erster Linie dazu, Fehlinterpretationen des Überwachungs-EKGs zu vermeiden. Sie ist sinnvoll, sofern Interferenzen durch den Einsatz eines Kauters in Aggregatnähe zu erwarten sind (IIa). Empfehlungen hierzu sind in. Tab. 5 aufgelistet. Allerdings schützt eine Umprogrammierung nicht vor Aggregatschäden. Bei häufiger Schrittmacherinhibierung durch den Kauter und Schrittmacher-abhängigen Patienten kann ebenfalls ein Magnet auf dem Aggregat platziert werden (IIa). Herzschrittmacher schalten im Allgemeinen bei Magnetauflage auf eine festfrequente Betriebsart um. Die entsprechenden Magnetfrequenzen und das Verhalten der Schrittmacher bei Magnetauflage variiert jedoch je nach Hersteller, was zu beachten ist. Auch kann bei Schrittmachern einiger Hersteller bei aufgelegtem Magneten der Telemetriekanal geöffnet werden, sodass das Aggregat technisch noch empfindlicher gegen Störungen wird. Eine postoperative Schrittmacherkontrolle ist in folgenden Situationen so bald wie möglich erforderlich: Kautereinsatz am Thorax, Nachweis intraoperativer Interferenzen, nach präoperativer Umprogrammierung, Hinweise für Aggregatfehlfunktion. Ansonsten sollte sie vor Entlassung des Patienten erfolgen (I). Die Inhalte dieser Kontrolle sind in. Tab. 6 dargestellt. Wichtig ist der Vergleich der postoperativen Werte mit den präoperativen Messwerten [5]. Bei einer etwaigen Verschlechterung müssten dann je nach Situation weitere engmaschige Kontrollen erfolgen. 5. Einsatz bei Patienten mit implantierten Defibrillatoren Die für Herzschrittmacher gegebenen Empfehlungen gelten genauso für ICDs. Bei ICD-Patienten muss zusätzlich die Tachykardiedetektion bzw. -therapie perioperativ deaktiviert werden, um inadäquate antitachykarde Therapien zu vermeiden. Dies geschieht am besten durch Umprogrammierung. Während dieser Zeit sind eine kontinuierliche Rhythmusüberwachung und die Möglichkeit zur externen Defibrillation erforderlich, bis diese Funktionen wieder aktiviert sind (I). Der Patient ist in dieser Zeit bei Tachykardien nicht durch das Aggregat geschützt. Die Reaktivierung des ICD im Rahmen 2 Der Kardiologe 2010

Zusammenfassung Abstract der postoperativen Kontrolle darf keinesfalls übersehen werden. Einzelne Aggregate haben einen temporären Elektrokauter-Modus, bei dem die Tachykardiedetektion ausgeschaltet wird und der Schrittmachermodus auf asynchrone Stimulation (V00 oder D00) bei definierter Stimulationsfrequenz gestellt werden kann. Alternativ zur Umprogrammierung des ICDs kann während der Operation eine Deaktivierung der antitachykarden Funktionen durch eine Magnetauflage erfolgen (IIa). Wie bei Schrittmachern kann auch bei ICDs einiger Hersteller bei aufgelegtem Magneten der Telemetriekanal geöffnet werden, sodass das Aggregat technisch noch empfindlicher gegen Störungen wird und ein erhöhtes Beschädigungsrisiko des ICDs besteht. Allerdings kann die Magnetreaktion in den Aggregaten deaktiviert sein, sodass trotz korrekter Magnetauflage antitachykarde Therapien abgegeben werden können. 6. Intraoperative Maßnahmen Die intraoperativen Maßnahmen sind in. Tab. 7 zusammengefasst. Grundsätzlich sind bevorzugt bipolare Kauter einzusetzen (I). Bei unipolarem Kauter muss der Strompfad so weit wie möglich vom implantierten Aggregat und den Elektroden weg liegen [5, 6, 12]. Durch die Position der Neutralelektrode muss der Strompfad so gelenkt werden, dass der Energiefluss nicht durch das implantierte System führt (I). Sofern Hochfrequenzstrom am Körperstamm eingesetzt wird, muss die Neutralelektrode bei unipolaren Geräten so nah wie möglich an das Operationsfeld und so weit wie möglich vom Aggregat entfernt positioniert werden [3, 6]. Dadurch kann der Strompfad vom Schrittmacher-/ICD-System weggeleitet werden. Sofern möglich, sollte der Bereich, innerhalb dessen der Hochfrequenzstrom fließt, elektrisch vom Thorax separiert sein [14]. Bei einem Eingriff, z. B. an den Extremitäten, kann daher die Neutralelektrode proximal angebracht werden, am besten durch völliges Umschlingen der Extremität. Es wurde vorgeschlagen dies bei Eingriffen im abdominalen Be- Kardiologe 2010 DOI 10.1007/s12181-010-0295-x Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.v. Published by Springer Medizin Verlag - all rights reserved 2010 B. Nowak C.W. Israel S. Willems D. Bänsch C. Butter N. Doll L. Eckardt J.C. Geller T. Klingenheben T. Lewalter B. Schumacher C. Wolpert Empfehlungen zum Einsatz von Elektrokautern bei Patienten mit Herzschrittmachern und implantierten Defibrillatoren Zusammenfassung Der Einsatz von Elektrokautern kann bei Patienten mit Herzschrittmachern oder implantierten Kardiovertern/Defibrillatoren eine Vielzahl von Störungen bis hin zu Aggregatbeschädigungen zur Folge haben. Ihr Einsatz muss daher in jedem Fall kritisch hinterfragt werden. Sofern Elektrokauter bei diesen Patienten eingesetzt werden müssen, werden hier Empfehlungen für die prä- und postoperativen Maßnahmen bei beiden Aggregattypen gegeben. Diese betreffen sowohl die notwendigen Kontrollen als auch erforderliche Umprogrammierungen. Weiterhin werden intraoperative Maßnahmen empfohlen, um Interferenzen zwischen Elektrokauter und implantiertem Aggregat zu vermeiden. Grundsätzlich sollten bevorzugt bipolare Kauter eingesetzt werden, da diese ein geringeres Risiko für Störbeeinflussungen aufweisen. Schlüsselwörter Elektrokauter Hochfrequenzstrom Herzschrittmacher Implantierbarer Kardioverter/ Defibrillator Störbeeinflussung Recommendations for the use of electrocautery in patients with pacemakers and implantable cardioverter-defibrillators Abstract The use of electrocautery in patients with pacemakers or implantable cardioverter-defibrillators may cause a variety of interactions or even device damage. Its use must therefore be scrutinized in each case. This paper gives recommendations if electrocautery is necessary in those patients. These include pre- and postoperative procedures in patients with those devices. They apply to required additional device follow-ups, as well as to required changes of programmed parameters. Additionally, intraoperative measures are recommended to avoid interactions between the electrocautery and implanted devices. Generally, bipolar cauters should be preferred, as they have a lower potential for interference. Keywords Electrocautery High-frequency current Pacemaker Implantable cardioverterdefibrillator Interference 3

Tab. 4 Präoperative Aggregatkontrolle Bestimmung des Eigenrhythmus bzw. der Schrittmacherabhängigkeit Bestimmung der Reiz- und Wahrnehmungsschwellen Dokumentation der Messwerte (Stromverbrauch) und der Programmierung zum postoperativen Vergleich Dokumentation des implantierten Aggregates in der Patientenakte, damit im Notfall das richtige Programmiergerät verfügbar ist Tab. 5 Präoperative Programmierung Deaktivierungen eines frequenzadaptiven Sensors (insbesondere Atemminutenvolumensensor) Deaktivierung von Algorithmen wie Hysteresen oder atriale Arrhythmieprävention, da diese perioperativ als Fehlfunktionen missinterpretiert werden können Umprogrammierung auf bipolare Wahrnehmung, falls möglich Bei schrittmacherabhängigen Patienten kann D00/A00/V00 programmiert werden ICD: Deaktivierung der Tachykardiedetektion bzw. -therapie mit anschließendem kontinuierlichem Rhythmusmonitoring und Defibrillationsbereitschaft Tab. 6 Postoperative Aggregatkontrolle Bestimmung der Reiz- und Wahrnehmungsschwellen sowie des Stromverbrauches Vergleich mit den präoperativen Messwerten Bei Änderungen erneute Kontrolle nach 24 48 h sowie ggf. engmaschige Überwachung des Patienten Reaktivierung der präoperativ deaktivierten Funktionen, insbesondere ausgeschalteter Tachykardietherapien bzw. -detektion bei ICDs Tab. 7 Intraoperative Maßnahmen Bevorzugt bipolare Elektrokauter verwenden Bei unipolarem Elektrokauter Strompfad vom Aggregat wegleiten Mindestens 15 cm Abstand zwischen Elektrokauter und Aggregat Elektrokauter auf möglichst niedrige Energie einstellen Elektrokauter nur mit kurzen Bursts (<1 s) einsetzen, mit einer Pause von mindestens 5 10 s zwischen den Bursts Kein Kontakt zwischen der aktiven Elektrode des Elektrokauters und dem implantierten Aggregat Kontinuierliche EKG-Überwachung (häufig durch Elektrokauter temporär gestört) Kontinuierliche Patientenüberwachung mit Pulsoxymetrie oder arterieller Druckmessung Unmittelbare Erreichbarkeit eines aggregatkundigen Arztes mit passendem Programmiergerät Möglichkeit zur Defibrillation Möglichkeit der passageren Stimulation (transvenös oder transkutan) reich z. B. durch einen metallischen Gürtel zu tun, der zur Neutralelektrode parallel geschaltet wird. Dabei sollte der maximal mögliche Abstand zwischen Schrittmacher und Neutralelektrode eingehalten werden [15]. Der Kontakt zwischen Neutralelektrode und Haut muss immer großflächig und gut gegeben sein. Die intraoperative Verschlechterung der Kontaktfläche, z. B. durch Ablösen der Neutralelektrode, kann zur thermischen Schädigung der Haut führen [15]. Ungeeignet für das Anbringen der Neutralelektrode sind knochige oder unebene Oberflächen, Stellen, unter denen ein Implantat liegt, Stellen mit dicken Fettschichten, wie z. B. Bauch oder Gesäß, sowie vernarbtes Gewebe [15]. Sofern Elektroden präpariert werden müssen, kann der Elektrokauter eine sinnvolle Alternative zur mechanischen Präparation der Elektroden sein. Hierzu muss das Aggregat entfernt sein. Allerdings kann es dabei zu thermischen Schäden an der Elektrodenisolation kommen. Der Kauter muss daher in ständiger Bewegung bleiben und mit möglichst niedriger Energie betrieben werden (I). Eine Polyurethanisolierung ist in der Regel hitzeempfindlicher als eine Silikonisolierung [16, 17]. Ein Kontakt der Elektrodenstecker zur Aggregattasche und zum Kauter ist unter allen Umständen zu vermeiden, da dauerhafte Schädigungen des Myokards im Bereich der Elektrodenspitze die Folge sein können. Eine Isolation der Elektrodenstecker mittels geeigneter Silikonkappen schützt vor diesem Risiko während der Anwendung eines Kauters im Bereich der Aggregattasche (I). Zusammenfassung Der Einsatz von Elektrokautern beinhaltet bei Patienten mit Herzschrittmachern und implantierten Defibrillatoren spezifische Risiken und muss daher bei jedem betroffenen Patienten kritisch hinterfragt werden. Sofern ein Elektrokauter bei diesen Patienten eingesetzt wird, sind bipolare Kauter zu bevorzugen, der Einsatz unipolarer Kauter ist jedoch möglich. Die angeführten Vorsichtsmaßnahmen sind zu beachten. Korrespondenzadresse Prof. Dr. B. Nowak CCB, Cardioangiologisches Centrum Bethanien Im Prüfling 23, 60389 Frankfurt a.m. b.nowak@ccb.de Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur 1. BQS-Qualitätsreport 2008: Herzschrittmacher- Implantation. http://www.bqs-qualitaetsreport. de/2008/ergebnisse/leistungsbereiche/herzschritt_erst/index_html 2. Brugada J, Vardas P, Wolpert C (2009) The EHRA Whitebook 2009. http://www.escardio.org/communities/ehra/publications/documents/ehrawhite-book-2009.pdf 3. Pinski SL, Trohman RG (2002) Interference in implanted cardiac devices, Part II. PACE 25:1496 1508 4. Goel AK, Korotkin S, Walsh D et al (2009) Monomorphic ventricular tachycardia caused by electrocautery during pacemaker generator change in a patient with normal left ventricular function. PACE 32:957 958 5. Fleisher LA, Beckman JA, Brown KA et al (2009) 2009 ACCF/AHA focused update on perioperative beta blockade incorporated into the ACC/AHA 2007 guidelines on perioperative cardiovascular evaluation and care for noncardiac surgery. JACC 54:e13 e118 6. American Society of Anaesthesiologists Task Force on Perioperative Management of Patients with Cardiac Rhythm Management Devices (2005) Practice advisory for the perioperative management of patients with cardiac rhythm management devices: Pacemakers and implantable cardioverter-defibrillators. Anaesthesiology 103:186 98 4 Der Kardiologe 2010

7. Cheng A, Nazarian S, Spragg DD et al (2008) Effects of surgucal and endoscopic electrocautery on modern-day permanent pacemaker and implantable cardioverter-defibrillator systems. PACE 31:344 350 8. Lo R, Mitrache A, Quan W, Cohen TJ (2007) Electrocautery-induced ventricular tachycardia and fibrillation during device implantation and explantation. J Invasive Cardiol 19:12 15 9. Wilson S, Neustein SN, Camunas J (2006) Rapid ventricular pacing due to electrocautery: a case report and review. Mt Sinai J Med 73:880 883 10. Gombotz H, Anelli Monti M, Leitgeb N et al (2009) Perioperatives Management von Patienten mit implantiertem Schrittmacher oder Kardioverter/Defibrillator. Empfehlungen der Österreichischen Gesellschaft für Anästhesiologie, Reanimation und Intensivmedizin, der Österreichischen Kardiologischen Gesellschaft und der Österreichischen Gesellschaft für Chirurgie. Anaesthesist 58:485 498 11. Niehaus M, Tebbenjohanns J (2001) Electromagnetic Interference in patients with implanted pacemakers or cardioverter-defibrillators. Heart 86:246 248 12. Rozner MA (2003) Letter to the editor. PACE 26:923 925 13. Volkmann H (2004) Störbeeinflussung von implantierten Herzschrittmachern im medizinischen Bereich. Herzschr Elektrophys 15:65 72 14. Irnich W (1992) Herzschrittmacher Störmöglichkeiten durch medizintechnische Behandlungsverfahren. Dtsch Arztebl 89:B-1880 B-1883 15. Irnich W (2003) Letter to the editor. PACE 26:658 16. Lim KK, Reddy S, Desai S et al (2008) Effects of electrocautery on transvenous lead insulation materials. J Cardiovasc Electrophysiol 20:429 435 17. Kennergren C (2008) Hands on: a European perspective on lead extraction: Part I. Heart Rhythm 5:160 162 5