Wenn Wahrnehmung und Handlung zusammengehen: Ein Handlungskonzept-Modell der Reiz-Reaktions-Kompatibilität



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Transkript:

Wenn Wahrnehmung und Handlung zusammengehen: Ein Handlungskonzept-Modell der Reiz-Reaktions-Kompatibilität Bernhard Hommel Max-Planck-Institut für psychologische Forschung, München Von Reiz-Reaktions- oder S-R-Kompatibilität ist dann die Rede, wenn bestimmte Zuordnungen von Reiz- und Reaktions-Alternativen bessere Leistungen erlauben als andere. Kompatibel sind vor allem solche Zuordnungen, bei denen Reiz und Reaktion einander ähnlich sind: Wenn etwa links oder rechts dargebotene Reize mit einer linken bzw. rechten Taste beantwortet werden, erlaubt dies erheblich schnellere Reaktionen als die umgekehrte Zuordnung von linkem Reiz zu rechter Taste und rechtem Reiz zu linker Taste. Gängige Erklärungen von Kompatibilitätseffekten rekurrieren auf die interne, kognitive Repräsentation von Reizen und Reaktionen: Wenn Reiz- und Reaktionskodes übereinstimmen, kann der Reiz schneller in eine Reaktion übersetzt, und die Reaktion daher schneller ausgeführt werden. Bislang blieb jedoch offen, wie diese Kodes vor allem Reaktionskodes beschaffen sind, welche Funktion sie erfüllen und wie sie entstehen. Zur Schließung dieser theoretischen Lücke hat Hommel (1996a) ein Handlungskonzept-Modell vorgeschlagen. Das Modell bietet nicht nur eine Erklärung der Genese und Funktion von Handlungsrepräsentationen, es erlaubt auch die Vorhersage neuer Arten von Kompatibilitätseffekten und überraschender Eigenschaften bekannter Effekte. Das Handlungskonzept-Modell Das Modell basiert auf frühen Überlegungen von Lotze (1852) und Harleß (1861) zur Entstehung der kognitiven Grundlagen intentionalen Handelns. Das von diesen Autoren fokussierte Grundproblem besteht darin, daß das kognitive System über keinen direkten Zugang zum motorischen System verfügt, Bewegungen also zunächst nicht intentional steuern kann. Motorische Kontrolle entsteht nach und nach durch Selbstbeobachtung und unter Einsatz eines Lernmechanismus, der kognitive Kodes und motorische Muster weitgehend automatisch assoziiert. Eine Person vollzieht zunächst unwillkürliche Bewegungen durch zufällige Aktivierung motorischer Muster. Bewegungen erzeugen wahrnehmbare Effekte, die intern durch Effektkodes repräsentiert sind. Diese Kodes werden nun mit dem aktuell aktivierten motorischen Muster assoziiert. Dadurch erhält das kognitive System eine Möglichkeit des Zugriffs auf das betreffende motorische Muster: Jede Aktivierung eines der zugehörigen Effektkodes aktiviert auch das assoziierte motorische Muster. Motorische Aktivität wird also intentional kontrollierbar und zwar durch die Antizipation ihrer Effekte. Das Handlungskonzept-Modell erweitert die Grundkonzeption von Lotze und Harleß um spezifische struktur- und prozeßbezogene Annahmen. Die Strukturannahmen berücksichtigen u.a. nicht nur körpernahe Reafferenzen, sondern auch sehr entfernte, beliebig komplexe Bewegungs- bzw. Handlungseffekte, wie z.b. ein Echo im Bergmassiv oder einen Kraftwerkunfall. Insofern die Person einen Zusammenhang zwischen Bewegung und Effekt wahrnehmen kann, wird der Kode des betreffenden Effektes in die kognitive

Repräsentation der Bewegung ein sogenanntes Handlungskonzept integriert. Handlungskonzepte repräsentieren sowohl perzeptive Ereignisse (die sensorischen Effekte einer Bewegung) als auch motorische Ereignisse (das effekterzeugende motorische Muster) und erübrigen somit den Aufbau spezieller, rein perzeptiver oder reaktionsbezogener kognitiver Kodes. Gleiche Merkmale von wahrgenommenen Ereignissen (Reizen) und zu produzierenden Ereignissen (Handlungen) werden also durch identische Kodes repräsentiert. Wahrnehmungen und Handlungspläne haben demnach keine prinzipiell unterschiedliche Grundlage; nur daß eine Wahrnehmung einen bereits realisierten Effekt einer Wahrnehmungshandlung darstellt, während sich ein Handlungsplan auf erst noch hervorzurufende Effekte bezieht. Neben diesen und weiteren Strukturannahmen sieht die aktuelle Version des Handlungskonzept-Modells vier sehr einfache Prozeßannahmen vor. Erstens wird angenommen, daß die Wahrnehmung eines Ereignisses zur Aktivierung der entsprechenden Effektkodes führt (automatische Aktivierung), d.h. derjenigen Kodes, die die Merkmale des wahrgenommenen Ereignisses kognitiv repräsentieren. Zweitens führt die Aktivierung eines Effektkodes zur Aktivierung des mit ihm assoziierten motorischen Musters. Drittens zerfällt diese Aktivierungen spontan nach sehr kurzer Zeit (< 1 sec; automatischer Zerfall). Der Zerfall kann nur durch die interne Unterstützung des betreffenden Kodes vermieden werden (Aufrechterhaltung), wenn z.b. die kodierte Information aufgabenrelevant ist und verfügbar gehalten werden muß. Viertens schließlich unterliegt ein Effektkode nach Gebrauch (in Wahrnehmung oder Handlungskontrolle) einer Refraktärphase, hervorgerufen durch automatische Selbst-Hemmung. Auch wenn künftige Untersuchungen sehr wahrscheinlich Konkretisierungen oder Erweiterungen dieser Prozeßannahmen erfordern, erlauben die aktuellen vier Annahmen doch eine recht befriedigende Erklärung der momentan verfügbaren Evidenz. Anwendung auf Phänomene der Reiz-Reaktions-Kompatibilität Das Handlungskonzept-Modell erklärt Effekte der (S-S-, S-R-, oder R-R-) Kompatibilität durch die partielle Identität der kognitiven Repräsentationen der betreffenden Elemente. Im Falle räumlicher S-R-Kompatibilität enthalten z.b. sowohl Reiz- als auch Reaktions-Repräsentationen räumliche Kodes. Insofern diese Kodes dieselben Eigenschaften repräsentieren, wie etwa eine linke relative Position, sind sie notwendigerweise auch identisch, denn das Modell unterscheidet ja nicht zwischen Reizund Reaktionskodes. Mit anderen Worten, die Repräsentationen eines linken Reizes und einer linken Reaktion enthalten zumindest ein identisches Element: eben denjenigen Kode, der die Eigenschaft links zu sein repräsentiert. Das aber bedeutet, daß die Wahrnehmung eines linken Reizes notwendig auch zur Aktivierung der Repräsentation der linken Reaktion führt. Im kompatiblen Fall wenn also die linke Reaktion auch die korrekte ist bewirkt dies eine beschleunigte Ausführung der Reaktion. Im inkompatiblen Fall wenn die rechte Reaktion ausgeführt werden muß bedeutet es jedoch eine Voraktivierung der inkorrekten Reaktion, was wiederum einen zeitintensiven Reaktionskonflikt nach sich zieht. Diese Erklärung gilt nicht nur für Aufgaben, in denen die Reizposition reaktionsrelevant ist; sie kann auch auf Aufgaben angewandt werden, in denen zwar auch die räumliche

S-R-Kompatibilität variiert, wo aber auf ein nicht-räumliches Reizmerkmal wie Form oder Farbe reagiert wird (sog. Simon-Aufgabe). Auch auf die räumliche Domäne ist das Handlungskonzept-Modell nicht beschränkt; analog zum genannten Beispiel lassen sich auch andere Kompatibilitätseffekte erklären, wie etwa der Stroop-Effekt. Repräsentation von Handlungen durch Kodes beliebiger Effekte Im Gegensatz zu herkömmlichen Modellen postuliert das Handlungskonzept-Modell, daß Handlungen durch Kodes beliebiger Handlungseffekte oder Handlungseffekt-Ketten repräsentiert sein können. Diese Annahme ist von erheblicher Bedeutung, denn ein erhebliches Manko ähnlicher Modelle (z.b. von Greenwald, 1970) bestand in der engen Fokussierung auf körpernahes, reafferentes Feedback. Daß sie auch empirisch tragfähig ist, zeigen Untersuchungen, in denen Probanden mit neuen, arbiträren Handlungseffekten konfrontiert wurden, um durch deren Erwerb neue Kompatibilitätseffekte zu erzeugen oder alte zu verändern. In der Studie von Hommel (in Druck) führten Probanden einfache binäre Wahlreaktionen aus, indem sie z.b. einen roten oder grünen Reiz mit einem ein- bzw. zweimaligen Tastendruck beantworteten. Jede Reaktion führte zu einem bestimmten Handlungseffekt, wie z.b. der Präsentation eines Tones auf der linken bzw. rechten Seite. Das Modell nimmt nun an, daß diese Effekte in die Reaktionsrepräsentation integriert werden: 1x Drücken wird also mit der Eigenschaft links, 2x Drücken mit rechts assoziiert. Wenn das zutrifft, sollte die 1x-Reaktion automatisch aktiviert werden, sobald ein linker Reiz dargeboten wird, und dasselbe sollte auch für die Kombination 2x-rechts gelten. Tatsächlich wurden 1x-Reaktionen schneller initiiert, wenn der Farbreiz auf der linken statt auf der rechten Seite erschien, während die 2x-Reaktionen von der Darbietung auf der rechten Seite profitierten. Vergleichbare Effekte dieser Art von Reiz-Handlungseffekt-Kompatibilität traten auch in anderen Aufgaben mit anderen Reizen, Reaktionen und Handlungseffekten auf. Das Modell sagt also zuverlässig die Entstehung neuer Kompatibilitätseffekte durch den Erwerb arbiträrer, reaktionskontingenter Handlungseffekte vorher. Dem Handlungskonzept-Modell zufolge sollten sich auch alte, bekannte Kompatibilitätseffekte modifizieren lassen. Tatsächlich kann man das Ausmaß eines räumlichen Kompatibilitätseffektes systematisch reduzieren, indem man jeden Tastendruck mit einem auffälligen Effekt (z.b. einem Ton) auf der gegenüberliegenden Seite paart (Hommel, in Druck). Das Modell nimmt an, daß dies die Integration der Effekte in die entsprechenden Handlungsrepräsentationen zur Folge hat, was zu räumlich mehrdeutigen Handlungskonzepten führen sollte: Der Druck einer linken wie der einer rechten Taste erzeugt sowohl linke als auch rechte Ereignisse. Dementsprechend ist ein linker oder rechter Reiz nicht mehr eindeutig kompatibel oder inkompatibel, er sollte vielmehr stets beide Reaktionen aktivieren, wenn auch nicht unbedingt in gleichem Maße. Der Effekt räumlicher Kompatibilität sollte also tatsächlich kleiner werden oder sogar verschwinden. Durch die Manipulation der Handlungsintention läßt er sich sogar in sein Gegenteil verkehren: Wenn Probanden instruiert werden, ihre Intention auf den erworbenen Handlungseffekt zu richten (statt auf die jeweils gegenüberliegende Taste), können sie bei räumlicher Kompatibilität von Reiz und Handlungseffekt schneller reagieren als bei

Kompatibilität von Reiz und Taste (Hommel, 1993a). Auch wenn also die Integration von Handlungseffekten automatisch erfolgt, so läßt sich doch das relative Gewicht eines Handlungskonzept-Elementes intentional verändern. Identische Kodes in Wahrnehmungs- und Handlungs-Repräsentationen Eine weitere Basisannahme des Handlungskonzept-Modells besteht darin, daß Wahrnehmung und Handlung auf denselben Kodes operieren, daß also perzeptuelle Strukturen und Handlungspläne partiell identisch sein können. Diese Annahme erlaubt u.a. zwei relativ überraschende Vorhersagen, deren Prüfungen bislang erfolgreich verliefen. Eine Vorhersage betrifft die Beziehung zwischen Reaktionsauswahl und S-R-Kompatibilität. Herkömmliche Modelle lokalisieren Kompatibilitätseffekte auf der Stufe der Reaktionsselektion. Reize müssen, so die Annahme, in die zugeordneten Reaktionen übersetzt werden und diese Übersetzung fällt leichter, wenn Reiz und Reaktion einander ähnlich sind. Dies impliziert, daß Kompatibilitätseffekte verschwinden sollten, wenn die korrekte Reaktion bei Reizdarbietung bereits bekannt und daher die Reaktionsauswahl bereits erfolgt ist. Das Handlungskonzept-Modell teilt diese Auffassung nicht. Natürlich erlaubt die Bekanntgabe der Reaktion die Erstellung eines Handlungsplanes, aber das verhindert nicht die Aktivierung dieses Planes (oder die Aktivierung einer Reaktionsalternative) durch den Reiz. Kompatibilitätseffekte sollten also auch nach erfolgter Reaktionsauswahl möglich sein. Tatsächlich fand Hommel (1995) schnellere Reaktionen bei räumlicher S-R-Kompatibilität auch wenn die korrekte Reaktion vorher bekannt war und der (zufällig links oder rechts dargebotene) Reiz nur noch die Funktion eines Go-Nogo-Signals hatte. Vergleichbare Ergebnisse stellten sich ein, wenn nur Go-Signale verwendet, die vorbereitete Reaktion also stets ausgeführt wurde (Hommel, 1996b). Kompatibilitätseffekte ließen sich aber auch bei gewöhnlichen Einfach-Reaktionen nachweisen, in denen die Reaktion während eines längeren Blockes konstant bleibt (Hommel, 1996b). Entgegen der allgemeinen Annahme sind Kompatibilitätseffekte also nicht von der Reaktionsauswahl abhängig. Eine weitere Vorhersage des Handlungskonzept-Modells betrifft umgekehrte Kompatibilitätseffekte, also Effekte reaktionsbezogener Prozesse auf reizbezogene Prozesse. Im Gegensatz zu traditionellen Modellen, die von einer getrennten Verarbeitung von Reizen und Reaktionen ausgehen, legt das Handlungskonzept-Modell die Existenz derartiger Effekte nahe. Hommel und Schneider (1997) untersuchten Wechselwirkungen zwischen der Selektion räumlich definierter manueller Reaktionen und der Selektion eines visuellen Zielreizes aus einer kurzzeitig präsentierten Reizmenge. Während Probanden eine linke oder rechte Tastenreaktion vorbereiteten und ausführten, wurde ihnen die Reizmenge präsentiert, in denen der markierte Zielreiz enthalten war. Nach Abschluß der manuellen Reaktion sollten sie ohne Zeitdruck die Identität des Zielreizes berichten. Interessanterweise hing die Identifikationsleistung von der räumlichen Beziehung zwischen Zielreiz und manueller Reaktion ab: Linke (rechte) Zielreize wurden besser erkannt, wenn sie während der Vorbereitung einer linken (rechten) Reaktion dargeboten wurden. Räumliche S-R-Kompatibilität wirkt also nicht nur in eine Richtung: Wenn die Repräsentationen von Reiz und Reaktion hinreichend überlappen (und damit mutmaßlich partiell identisch sind), profitiert auch die Reizverarbeitung.

Zusammengenommen stellen diese (und weitere) Befunde die herkömmliche Konzeption getrennter perzeptueller und reaktionsbezogener Verarbeitungsstufen in Frage und unterstützen damit die Grundkonzeption des Handlungskonzept-Modells. Zeitliche Dynamik von Effektkodes Die vier Prozeßannahmen des Handlungskonzept-Modells wurden mittlerweile zahlreichen empirischen Prüfungen unterzogen. Vor allem die Annahme, daß die Darbietung auch aufgabenirrelevanter Reize zu einer automatischen Aktivierung reiz- und/oder reaktionsbezogener Kodes führt, ist gut belegt: In Simon-Aufgaben (räumliche Reaktion auf nicht-räumliche Merkmale räumlich variierender Reize) ruft z.b. die irrelevante Reizinformation lateralisierte Bereitschaftspotentiale und sogar unterschwellige Bewegungen hervor (Übersicht in Eimer, Hommel, & Prinz, 1995; Hommel, 1996a). Derartige Aktivierungen werden allerdings auch von anderen Modellen postuliert (z.b. Kornblum, Hasbroucq, & Osman, 1990); ihr Nachweis bedeutet daher keine spezifische Unterstützung für das Handlungskonzept-Modell. Modell-spezifisch ist hingegen die Annahme eines spontanen Zerfalls der Aktivierung von Reiz- bzw. Reaktionsrepräsentationen. Diese Annahme erlaubt verschiedene Vorhersagen, vor allem hinsichtlich der Größe von solchen Kompatibilitätseffekten, die auf irrelevante Reizinformation zurückzuführen sind, wie der Simon-Effekt. Wenn die irrelevante Information (hier: die Reizposition) wesentlich schneller verarbeitet wird als die relevante Information (z.b. Form oder Farbe), sollte der Effekt z.b. kleiner sein als bei vergleichbarer Verarbeitungszeit. Zwar löst die irrelevante Information automatisch eine (kompatible oder inkompatible) Reaktionstendenz aus, aber je später die korrekte Reaktion auf Basis der relevanten Information selegiert wird, desto wahrscheinlicher ist diese Tendenz bereits wieder abgeklungen. Tatsächlich führt eine experimentelle Beeinträchtigung der relevanten Information z.b. durch Maskierung, exzentrische Darbietung oder Kontrastverschlechterung zur Abnahme von Kompatibilitätseffekten (Hommel, 1993b). Konvergierende Evidenz ist Analysen der Reaktionszeitverteilungen aus Kompatibilitätsexperimenten zu entnehmen: Kompatibilitätseffekte sind in schnellen Reaktionen wesentlich ausgeprägter als in langsamen Reaktionen (Eimer et al., 1995). Dies ist nicht der Fall, wenn man die irrelevante Information indirekt aufgabenrelevant macht, indem man die Probanden z.b. bittet, nach jedem Durchgang das entsprechende Merkmal zu benennen (Hommel, 1997). Erst kürzlich haben zwei Untersuchungen von Müsseler und Hommel (in Druck a, b) erste Evidenz für die Plausibilität der im Handlungskonzept-Modell vorgesehenen Selbst-Hemmung von Konzepten nach Gebrauch erbracht. Probanden bereiteten eine räumlich definierte Reaktion sorgfältig vor und führten sie anschließend aus. Während der Ausführung wurde ein nach links oder rechts zeigender Pfeil für sehr kurze Zeit dargeboten. Nach Abschluß der Reaktion sollte die Richtung dieses Pfeiles ohne Zeitdruck berichtet werden. Das Modell nimmt an, daß das für die Handlungssteuerung verantwortliche Handlungskonzept nach der Ausführung einer kurzen Refraktärphase unterliegt. Teil dieses Konzeptes sollte derjenige Kode sein, der die relative Position der Reaktion repräsentiert,

z.b. der Kode links. Wenn dieser Kode einer Refraktärphase unterliegt und wenn er zur Kodierung von reiz- und reaktionsseitigen Ereignisse herangezogen wird (s.o.), dann sollte die Refraktärphase mit einer vorübergehenden Blindheit gegenüber reaktionskompatiblen (hier: linken) Reizen einhergehen. Das Modell sagt also u.a. vorher, daß Pfeile besonders schlecht identifiziert werden, wenn sie während oder nach der Ausführung einer kompatiblen Reaktion dargeboten werden. Genau dies konnten Müsseler und Hommel nachweisen. Interessanterweise war nicht nur die Identifikation reaktionskompatibler Reize verschlechtert, sondern sogar ihre Entdeckung. Schlußfolgerungen Das vorgeschlagene Handlungskonzept-Modell erlaubt nicht nur eine befriedigende Integration vorliegender Befunde, sondern auch die erfolgreiche Vorhersage neuer, z.t. unerwarteter Effekte. Zumindest die zentralen Annahmen des Modells sind empirisch gut belegt: Handlungen scheinen in der Tat durch Kodes ihrer Effekte repräsentiert zu sein und es spricht einiges dafür, daß Prozesse der Wahrnehmung und der Handlungssteuerung auf identischen Kodes operieren. Die durch Effektkodes gebildeten Handlungskonzepte werden durch die Darbietung effekt-ähnlicher Reize automatisch aktiviert, aber diese Aktivität zerfällt rasch wieder. Die Nutzung eines Konzeptes ist hingegen mit einer Refraktärperiode verbunden. Viele der vorhergesagten Effekte sind nicht mit herkömmlichen Kompatibilitätsmodellen vereinbar, vor allem nicht mit Stufenmodellen der Informationsverarbeitung. Anders als von Stufenmodellen vorausgesetzt, vollziehen sich Wahrnehmung und Handlungssteuerung offenbar nicht in verschiedenen, nur indirekt kommunizierenden Systemen, sondern stehen in überraschend direkter Wechselbeziehung. Die Implikationen und Konsequenzen dieses Tatbestandes sind noch weitgehend ungeklärt, scheinen aber (u.a.) entlang des vorgeschlagenen Weges empirischen und theoretischen Analysen offen zu stehen. Literatur Eimer, M., Hommel, B., & Prinz, W. (1995). S-R compatibility and response selection. Acta Psychologica, 90, 301-313. Greenwald, A. G. (1970a). Sensory feedback mechanisms in performance control: With special reference to the ideo-motor mechanism. Psychological Review, 77, 73-99. Harleß, E. (1861). Der Apparat des Willens. Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, 38, 50-73. Hommel, B. (1993a). Inverting the Simon effect by intention: Determinants of direction and extent of effects of irrelevant spatial information. Psychological Research, 55, 270-279. Hommel, B. (1993b). The relationship between stimulus processing and response selection in the Simon task: Evidence for a temporal overlap. Psychological Research, 55, 280-290. Hommel, B. (1995). S-R compatibility and the Simon effect: Toward an empirical clarification. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance, 21, 764-775. Hommel, B. (1996a). Toward an action-concept model of stimulus-response compatibility. In B. Hommel & W. Prinz (Eds.), Theoretical issues in stimulus-response compatibility (pp. 281-320). Amsterdam: North-Holland. Hommel, B. (1996b). S-R compatibility effects without response uncertainty. Quarterly Journal of Experimental Psychology, 49A, 546-571.

Hommel, B. (1997). Decay and maintenance of spatial codes under dual-task conditions. Zur Veröffentlichung eingereicht. Hommel, B. (in Druck). The cognitive representation of action: Automatic integration of perceived action effects. Psychological Research. Hommel, B., & Schneider, W.X. (1997). Visual attention and the selection of manual responses. Zur Veröffentlichung eingereicht. Kornblum, S., Hasbroucq, T., & Osman, A. (1990). Dimensional overlap: Cognitive basis for S-R compatibility a model and taxonomy. Psychological Review, 97, 253-270. Lotze, R. H. (1852). Medicinische Psychologie oder die Physiologie der Seele. Leipzig: Weidmann'sche Buchhandlung. Müsseler, J., & Hommel, B. (in Druck a). Blindness to response-compatible stimuli. Journal of Experimental Psychology: Human Perception and Performance. Müsseler, J., & Hommel, B. (in Druck b). Detecting and identifying response-compatible stimuli. Psychonomic Bulletin & Review.