Guter Rat ist kostenlos Lebenshilfeformate: Ein Überblick. Prof. Dr. Lothar Mikos (HFF) Stefano Semeria (ProSiebenSat.1)



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Transkript:

Guter Rat ist kostenlos Lebenshilfeformate: Ein Überblick Prof. Dr. Lothar Mikos (HFF) Stefano Semeria (ProSiebenSat.1)

Gliederung Ein historischer Überblick Hausfrauen als Zielgruppe Ein aktueller Überblick Familien als Zielgruppe Thesen zur Bedeutung und zum Erfolg von Lebenshilfe Formaten

Lebenshilfe Formate sind so alt wie das Fernsehen Sie dienen der Orientierung in Zeiten der Veränderung Die ersten Lebenshilfesendungen im deutschen Fernsehen gab es in den 1950er Jahren

Bis in die 1960er Jahre hinein war die Hausfrau, die sich vor allem um die Familie kümmert. Das Fernsehen ging damit in den Lebenshilfe- Formaten in pädagogisch ernster Weise um, aber manchmal auch mit einem Augenzwinkern. Clip: Illustrierter Schlager

In der ARD gab Frau Dr. Zander vom Bayerischen Rundfunk Tipps für die Hausfrau. Ihr Assistent war Robert Lembke. Clip: Tipps für die Hausfrau

Sendungstitel der 1950er Jahre waren: Für die Frau Nichts für Männer Schlank und elastisch mit Gymnastik Chirurgische Kosmetik (mit einem Dr. Sommer) Tele-Knigge

Weitere Sendungen der 1950er Jahre: Tanzkurs mit dem Ehepaar Heinrici Leben im Hochhaus Recht Fernsehteestunde mit Eva Baier-Post vom SFB zu Haus und Garten, Mode und Kindererziehung Zeichenkurse mit Werner Knoth Einrichtungsratschläge

In den 1950er Jahren gab es auch die ersten Kochsendungen: Die perfekte Fischköchin Bitte in 10 Minuten zu Tisch mit Clemens Wilmenrod, dem Erfinder des Hawaii-Toast, des Rumtopfes und der Gefüllten Erdbeere Clip: Wilmenrod

In der Sendung Wir helfen suchen, später Vermißtensuchdienst genannt, wurde in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Roten Kreuz nach den Vermissten des Zweiten Weltkrieges gesucht

Die Veränderungen der späten 1950er und der 1960er Jahre, die auch mit einer veränderten Rolle der (Haus-)Frau einhergingen, kündigten sich auch im Fernsehen an. Clip: Frau am Steuer

Die Gründung des ZDF brachte den Lebenshilfe-Sendungen einen neuen Schub. Der erste ZDF-Intendant Karl Holzamer wollten den Zuschauern nicht nur geistige Orientierung in einer sich wandelnden Welt bieten, sondern Lebenshilfe in der Eingewöhnung in die verwandelte technische Welt, in ihren kritischen Gebrauch.

Sendungen in den 1960er Jahren: Magazin für die Frau Meine Groschen, Deine Groschen Aus dem Alltag, für den Alltag Für Haus und Haushalt Das Rasthaus Tips für Autofahrer Der Markt

Sendungen der 1960er Jahre: Gesundheitsmagazin Praxis Der 7. Sinn ARD-Ratgeber (seit 1970) mit Wirtschaft, Recht, Gesundheit und Reise Fernseh-Elternschule (Im ZDF wurden hier Grundkenntnisse in Kinderpsychologie und Pädagogik vermittelt)

Sendungen der 1960er Jahre: Die neue Bibliothek Teleclub Werden Sie schöner, bleiben Sie jung Der Panne an den Kragen Unser blauer Planet mit Heinz Haber Ein Platz für Tiere mit Bernhrad Grzimek Aktenzeichen XY Schulfernsehen Sprachlernkurse

Auch im DDR-Fernsehen gab es zu der Zeit Ratgebersendungen: Tausend Teletips Wirtschaftsforum Verkehrsmagazin Ein Beruf für Dich Regina berät Dich Tele-Doktor Du und Dein Haushalt Was Familien wissen sollen

Magazinsendungen der 1970er Jahre: Das Reisemagazin Teletechnikum Aktion Schaukelstuhl Mosaik Das geht Sie an Bilanz

Seit den 1980er und 1990er Jahren haben sich durch die Dynamik des dualen Fernsehmarktes nicht die Themen, aber die Art der Aufbereitung verändert: Reality TV (Notruf, Retter etc.) Daily Talks (Arabella, Fliege, Meiser etc.) Suchsendungen (Bitte melde Dich, Spurlos) Boulevardmagazine und Reportagen

Aber nicht nur die Aufbereitung der Themen änderte sich, sondern auch die Zielgruppe. Mit den Sendungen wurden nicht mehr nur die (Haus-)Frauen angesprochen, sondern die gesamte Familie und deren Leben von der Wiege bis zur Bahre.

Serienfamilien

Familie in fiktionalen Genres Die Familienserie stellt mit ihrer Thematik der Familie im Mittelpunkt der Erzählungen szenische Arrangements dar, in denen der ganze Komplex familiärer Interaktionsstrukturen als Übertragungsangebote fungiert. Sie sind symbolische Objektivationen realer Familienverhältnisse. Mikos, 1994

Familie als Kreativpool im TV Serienfamilien so alt wie das Fernsehen Familien in nichtfiktionalen Sendeformen zunächst selten und beschränkt auf Unterhaltungsshows / Game Shows Talkshows der 1990er Jahre entdecken die dysfunktionale Familie als Dauerthema (Themenfelder Beziehung und Familie bestücken 1998 rund ein Drittel aller deutschen Daily Talks) Erst mit Aufkommen des Formatfernsehens zur Jahrtausendwende wird Familie jenseits von Reportagen, Talkshows und Docu-Soaps weiter in die verschiedensten Genre-Facetten aufgefächert

Familie als Kreativpool im TV Heute sind fast alle Lebensbereiche durchleuchtet und trotzdem hat das Thema Familie seine Faszination nicht verloren Innovation besteht vor allem in immer neuen Blickwinkeln auf eine scheinbar allzu bekannte Erzählvorlage Krise, Umbruch und Herausforderung sind heute die zentralen Themen

Familie im Formatfadenkreuz Schule des Lebens Lernen und Erziehung zum sozialen Leben Normverletzung Super Nanny Erziehung Teenager außer Kontrolle Wissenschaft/Sozial-Experiment Steinzeit (Schul)Wissen Das weiß doch jedes Kind Gemeinschaftsbildung Big Brother Soziales Leben Das Experiment (30 Tage Moslem) neue Familienstrukturen We are family Generationenvertrag Familie gesucht Haushalt Die Superhausfrau Ernährung/Kochen Besser essen Putzen Hausputz Wohnen/Umzug/Hauskauf Unser Traum vom Haus Hauswirtschaft Raus aus den Schulden Umwelt No waste like home / Wasted / Galileo Service Familie als Dienstleistungseinheit FAMILIE Rekreation vom Home zum Life Improvement Urlaub Mein Traumhaus am Meer (Um-)Bauen/DIY div. (inkl. Garten ) Haustiere Wildes Wohnzimmer Erholung/Urlaub Deutschland macht Urlaub / Die Skischule/VOXtours Familienleben Frauentausch/ We are family 15-Minuten-Ruhm Casting Shows / Stunde der Wahrheit Help TV Helfer mit Herz / Engel im Einsatz Familiengründung Bauer sucht Frau Hochzeit Wedding Planner ( ZELLTEILUNG ) Geburt Mein Baby Arbeit Deine Chance Auswandern Mein neues Leben Sexualität div. (in Magazinen) Gesundheit Liebling, wir bringen die Kinder um! Beziehung/Scheidung Familienhilfe mit Herz Krankheit/Pflege Wishkids Tod My last words Reproduktion Familie als (Über-)Lebensgemeinschaft

Thesen Fernsehen hatte von Beginn an u.a. die Funktion, Lebenshilfe zu bieten Diese Sendungen werden umso wichtiger, je mehr sich der Alltag der Zuschauer verändert (neue Technik, neues Recht, neue Arbeitsverhältnisse, neue Anforderungen) Zuschauer suchen im Fernsehen Orientierung und Unterhaltung

Thesen Fernsehen bietet Orientierung in einer unüberschaubaren Welt Fernsehen löst keine Probleme, zeigt aber Wege auf, wie Problemlösungen gesucht und aktiv gestaltet werden können