Jugendbeteiligung in der Kommune stärken aber wie?

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Transkript:

Jugendbeteiligung in der Kommune stärken aber wie? Ergebnisse aus dem Projekt Meine.Deine.Unsere.Stadt/ Moje.Tvoje.Naše.Město Wie sind die Empfehlungen entstanden? Aktuelle Basis ist ein Jahr Beteiligungsarbeit mit fünf verschiedenen Jugendgruppen in Bilina und Chemnitz sowie mit einer Schulklasse in Chemnitz; Alle Projektmitarbeiter haben langjährige Erfahrungen in der Jugendarbeit, Medienpädagogik oder Beteiligungsarbeit in der Stadtentwicklung und haben als interdisziplinäres und binationales Team einen intensiven fortlaufenden Austausch gepflegt; Bei einem Abschlusstreffen des Teams wurden die Ergebnisse der Projektarbeit zusammengefasst und erste Empfehlungen formuliert. Bei der Abschlussveranstaltung des Projekts am 03.12.2013 in Bilina wurden diese Empfehlungen während eines World Cafés mit Fachleuten aus Jugendarbeit, Schule und Kommune sowie mit Jugendlichen diskutiert und erweitert. Für wen und wofür sind die Empfehlungen gedacht? Sie richten sich an alle, die sich mit Jugendbeteiligung beschäftigen und verstehen sich als Diskussionsbeitrag. Unsere Arbeit hat sich an zwei Zielen orientiert: einer nachhaltigen Stärkung der Beteiligungskultur in den Kommunen und mehr sozialer Gerechtigkeit in Beteiligungsprozessen. Jugendbeteiligung verstehen wir als Schule fürs Leben. Deswegen steht bei unserer Arbeit die Befähigung der Teilnehmer im Mittelpunkt. Sie sollen nach Projektende fit sein für eigene Beteiligungsaktionen, und sie sollen den Gedanken weiter tragen, als Multiplikator wirken. Jugendbeteiligung ist für uns ein Ansatz, der unabhängig von Milieu- und Schichtzugehörigkeit, Nationalität und Bildungsniveau funktionieren muss. Beteiligung darf nicht zu einer elitären Netzwerkveranstaltung werden, durch die sich die soziale Schere weiter öffnet.

Und was sind für uns Jugendliche? Wir konzentrieren uns hier auf die Kerngruppe der 15- bis 18-Jährigen, also alle, die gerade ein politisches Bewusstsein entwickeln und die wir mit unserer Arbeit dazu anregen wollen, die Möglichkeiten der demokratischen Mitbestimmung zu entdecken und aktive Bürger zu werden. Wie kann nachhaltige und sozial gerechte Jugendbeteiligung aussehen? 1. Wie kann Jugendbeteiligung in der Kommune gut organisiert werden? Kein Beteiligungsangebot erreicht alle Jugendlichen. Umso wichtiger ist es, eine Vielfalt an Beteiligungsmöglichkeiten anzubieten. Es reicht nicht, isolierte Formate bereit zu stellen und die dort angesprochenen Jugendlichen als die Jugend zu betrachten. Wenn Jugendbeteiligung ernst genommen wird, sollte auf einen Methodenmix gesetzt werden, der Vorlieben und Fähigkeiten bestimmter Gruppen nutzt und Barrieren gezielt abbaut. Kurzer Ausblick: Auf welchen Wegen können Jugendliche überhaupt beteiligt werden? Die Formate der Jugendbeteiligung können in fünf Gruppen unterteilt werden: Verbale Formate: hier wird geredet und debattiert, oft mit direktem Anschluss an politische Entscheidungsprozesse in der Kommune. Beispiele sind Jugendparlamente oder Demokratiekonferenzen. Auch die gängigen Erwachsenenformate wie Bürgersprechstunden oder Stadtteilforen gehören dazu. Problem: hier bestehen sehr hohe Anforderungen an Redegewandtheit, Bildung, Mut. Das heißt im Umkehrschluss: viele bleiben außen vor. Hier diskutieren die, die es können, und zwar oft auf beeindruckend hohem Niveau. Alle anderen bleiben außen vor, deswegen sind derartige Formate unbedingt durch andere, massentauglichere zu ergänzen, wenn Jugendbeteiligung wirklich auf eine breite Basis gestellt werden soll. Multiplikatorenformate: nicht die Jugendlichen selbst beteiligen sich, sondern Fachleute aus der Jugendarbeit, die die Interessen ihrer Klientel in den kommunalen Entscheidungsprozess einspeisen. Das kann sinnvoll sein, ist aber keine Jugendbeteiligung im engeren Sinne. Aufsuchende Formate: die Jugendlichen werden da aufgesucht, wo sie sind, also vor allem in der Schule oder in Jugendklubs. Besonders die Schulen sind gute Orte, um einen breiten Querschnitt von Jugendlichen zu erreichen. Es steht ein großes Methodenspektrum zur Verfügung, das rein Verbale kann durch bildgestützte Verfahren, Arbeit vor Ort etc. ergänzt werden. Da

Beteiligung hier in der vertrauten Umgebung stattfindet, können gezielt Barrieren abgebaut und ein größerer Querschnitt von Jugendlichen einbezogen werden. Die Verfahren sind jedoch aufwändig, in Schulen außerdem schwer zu organisieren. Sie können nur punktuell durchgeführt werden, so dass auch das keine Alleinmethode sein kann. Projektarbeit: statt die Lösung bestehender Probleme an die Verwaltung zu delegieren, können Jugendliche selbst Projekte starten und so ihre Lebenssituation zu verbessern. Das funktioniert in seltenen Ausnahmefälle als Selbstläufer. Meistens braucht es aber sehr viel Betreuung und Unterstützung. Mit diversen Mikrofonds stehen Mittel zur Realisierung bereit, allerdings gibt es dort keine Finanzierung der entstehenden Personalkosten. Hier sind zusätzliche Gelder notwendig, denn die Unterstützung solcher Projektgruppen ist zu zeitintensiv, um nebenher von Jugendarbeit oder Schule geleistet werden zu können. Trotzdem lohnt sich die Mühe, denn diese Methode hat mehrere Vorteile, die andere Beteiligungswege nicht haben: sie ist für die Teilnehmenden eine ausgesprochen lehrreiche Erfahrung und befähigt sie zum eigenen Weiterarbeiten, sie bringt sichtbare Erfolge hervor, und die teilnehmenden Jugendlichen werden quasi automatisch zu Multiplikatoren (da bei jedem Projekt Öffentlichkeitsarbeit eine Rolle spielt). Online-Verfahren: eine weitere Möglichkeit, die andere Verfahren gut unterstützen kann. Aber: kommunale Internetseiten werden von Jugendlichen nicht genutzt. Nur über virales Marketing via facebook und Co kann hier der Anschluss geschafft werden. Wer nicht im Jugendparlament sitzt ist faul und desinteressiert! Jugendbeteiligung auf Augenhöhe und für alle Beteiligungsformate sollten offen für alle sein und keine direkten oder indirekten Ausschlussmechanismen aufweisen: das heißt nicht nur, dass jeder und jede mitmachen darf, sondern auch, dass jeder und jede mitmachen kann. Barrieren, die durch sozialen Status, Bildungsstand, Nationalität oder weitere soziale Merkmale entstehen, müssen aktiv beseitigt werden. Und auch das Interesse an Beteiligung und aktiver Bürgerschaft muss aktiv geweckt werden, wenn es in breiten Schichten verankert werden soll. Barrieren abbauen und Interesse wecken gelingt nicht durch das bloße Einführen neuer Beteiligungsmöglichkeiten und auch nicht durch Öffentlichkeitsarbeit, sondern nur durch die persönliche Arbeit mit Jugendlichen. Noch immer kein Multiplexkino im Stadtteil?! Jugendbeteiligung muss ernst genommen werden Die Ergebnisse von Beteiligungsprozessen müssen von allen ernst genommen werden. Das ist nicht nur eine Forderung an die Verantwortlichen in Stadt, Schule oder Jugendarbeit, sondern vor allem auch an diejenigen, die

Jugendbeteiligung durchführen! Beteiligungsergebnisse sind nur dann zu verwerten, wenn sie realitätsnah sind. Deswegen dürfen nicht nur spontane Wünsche formuliert werden, sondern es muss konkreter sein: Um welches Bedürfnis geht es? Was gibt es schon, wie kann ergänzt werden? Wer kann helfen? Was können die Jugendlichen selbst tun? Und wo kann das Geld herkommen? Träumen ist erlaubt, aber es müssen immer umsetzbare Maßnahmen angepeilt werden. Andernfalls droht Frustration und ein völliger Rückzug aus der aktiven Bürgerschaft. Nur Gerede und nichts passiert! Jugendbeteiligung muss sichtbare Erfolge haben Beteiligung wirkt auf vielen Wegen, und oft braucht es sehr viel Zeit, bevor etwas passiert. Manchmal dauert es Jahre, bis genug Geld für die Realisierung einer guten Idee aufgetrieben ist. Selbst für Erwachsene ist das oft nicht nachvollziehbar. Für jugendliche Demokratieneulinge ist es fatal, für sie bleibt der Eindruck, dass Beteiligung sich nicht lohnt, weil sich sowieso nichts ändert. Dem muss unbedingt entgegen gewirkt werden. Bei Beteiligungsprozessen für Jugendliche ist grundsätzlich darauf zu achten, dass auch (nicht nur!) schnell umsetzbare und für Jugendliche wahrnehmbare Maßnahmen im Ergebnis stehen. Hierfür können die Minifonds diverser Stiftungen, aber auch kommunale Verfügungsfonds genutzt werden. Es muss gleichzeitig aber vermieden werden, dass Jugendliche ausschließlich mit Miniprojekten abgespeist werden. Ziel muss es sein, eine nachvollziehbare Kombination aus kleinen Sofortmaßnahmen, und, wenn nötig, größeren und längerfristigen Vorhaben zu entwickeln. Liebe Kinder, vielen Dank für eure Ideen. Wir werden das als Anregung mitnehmen. Jugendbeteiligung muss strukturell eingebettet sein Beteiligung muss Wirkung entfalten können. Dazu muss sie in Verwaltungsstrukturen und Entscheidungsabläufe eingebettet sein. Es geht nicht darum, in isolierten Alibiveranstaltungen pressewirksame Bilder zu produzieren. Jugendbeteiligung muss frühzeitig erfolgen, sie muss parallel zu oder gemeinsam mit anderen Beteiligungsverfahren organisiert werden und ihre Ergebnisse müssen die selbe Verbindlichkeit erlangen. Jugendbeteiligung muss kontinuierlich erfolgen und ständige Ansprechpartner bereit stellen. Sie muss politische Prozesse und Verwaltungshandeln transparent und damit für Jugendliche nachvollziehbar zu machen. Gleichzeitig müssen Strukturen, Gelder und Räume zur Verfügung gestellt werden, die für aufsuchende Verfahren und für Projektarbeit genutzt werden können. Und die Öffentlichkeitsarbeit ist so zu gestalten, dass sie die Zielgruppe auch erreicht.

2. Wie können Beteiligungsprojekte gut unterstützt werden? Unsere Projektarbeit hat sehr schnell gezeigt, dass es ein Beteiligungsformat gibt, das Jugendliche tatsächlich begeistert, das schnelle Erfolge bringt und spürbare Verbesserungen bewirkt: Beteiligungsprojekte. Sie sind unserer Erfahrung nach allen anderen Formaten überlegen, wenn es um die Verbesserung der Lebenssituation von Jugendlichen und die Entwicklung einer aktiven Bürgerschaft geht. Unter Beteiligungsprojekten verstehen wir von Jugendlichen selbst entwickelte Kleinprojekte, die an einem aktuellen Missstand in der Stadt ansetzen und diesen beheben oder abmildern. Konkret haben unsere Jugendgruppen folgende Projekte entwickelt: Das Kulturfestival Nejsme v tisni ( Wir brauchen keine Hilfe ) in Bilina, um gegen die Marginalisierung benachteiligter Jugendlicher aus Roma- Quartieren vorzugehen und zu zeigen, welche organisatorischen und künstlerischen Talente hier vorhanden sind. Das Kreativitätsfestival Arschkreativ in Chemnitz, das den Mangel an selbstbestimmten und kostenlosen Kreativitätsangeboten für Jugendliche in der Stadt angeht und einen Raum für gegenseitige kreative Anregung schafft. Ein Filmprojekt in Bilina gegen die Schuldenfalle, in die viele tschechische Jugendliche durch betrügerische Kreditvermittler geraten. Der Aufklärungsfilm zeigt, wie leicht man in die Falle gehen kann und beleuchtet die Strukturen hinter diesem Geschäft. Das Projekt Mädchen machen sich stark für Mädchen in Chemnitz, in dem Mädchen unter sich und in geschützter Atmosphäre nicht nur wichtige Themen besprechen können, sondern auch Dinge wie Tanz, Selbstverteidigung, Graffity ausprobieren können. Ein Stadtentwicklungprojekt in Bilina, das detaillierte Vorschläge für Errichtung und Betrieb eines Jugendspielplatzes und eines Kulturcafés erarbeitet hat, die dem Stadtrat präsentiert werden. Damit soll dem Mangel an sicheren Aufenthaltsorten für Jugendliche entgegen gewirkt werden. Was brauchen Beteiligungsprojekte, um gut zu funktionieren? Während eines Projektes arbeitet eine Gruppe über einen längeren Zeitraum an einem gemeinsamen Ziel. Wie immer in solchen Fällen gilt es, als Gruppe zu

funktionieren. Das ist schwierig, und die meisten Teilnehmer dürften vor einem solchen Projekt keine Erfahrung in Sachen Gruppenarbeit gesammelt haben. Entsprechend darf hier nichts als gegeben voraus gesetzt werden. Der Teambildung muss am Anfang und dann fortlaufend genügend Aufmerksamkeit gewidmet werden. Hier liegt auch eine der Hauptaufgaben für die Betreuer. Zuverlässigkeit, gegenseitiger Respekt, Achtsamkeit und Durchhaltewillen sind Werte, die gemeinsam entwickelt werden müssen. Die Analyse der Lebenssituation von Jugendlichen in der Stadt/ im Stadtteil kann durch die Gruppenbetreuung mit geeigneten Methoden strukturiert werden, ebenso das Formulieren von Ideen und die Ausarbeitung von Zeitschienen und Arbeitsaufträgen. Es ist wichtig, den Jugendlichen nicht zu wenig zuzutrauen, ihnen aber auch nicht zu viel zuzumuten. Es hilft, wenn sich die Betreuung als Partner und nicht als Projektleiter versteht. Ein gutes Jugendbeteiligungsprojekt ist ein Projekt von Jugendlichen für Jugendliche, die Betreuung unterstützt nur so weit, wie es nötig und nachgefragt ist. Es können Arbeitsmethoden vorgestellt und Hilfestellung bei der Netzwerkbildung gegeben werden. In jedem Fall ist Schaden von den Teilnehmern abzuwenden: Arbeitsüberlastung, Mobbing in der Gruppe oder rechtliche Schwierigkeiten beim Abschluss von Verträgen sind Beispiele. Und es sollte auch darauf geachtet werden, dass das Projekt am Ende funktioniert. Eine inhaltliche Beeinflussung ist jedoch völlig fehl am Platz. Wichtig ist: der Betreuungsaufwand, der für Jugendbeteiligungsprojekte nötig ist, muss organisiert und finanziert werden. Genauso, wie Bürgerbeteiligung im Erwachsenenbereich nicht von Verwaltungsmitarbeitern, Stadtteilmanagern oder Architekten neben ihren eigentlichen Aufgaben quasi im Vorbeigehen erledigt werden kann, können auch die Fachkräfte in Jugendarbeit und Schule nicht nebenher Beteiligung organisieren, durchführen, auswerten und weitertragen. Und auch das Ehrenamt ist keine Lösung, denn hier werden qualifizierte Fachkräfte mit entsprechender Ausbildung und Methodenkompetenz gebraucht. Es ist wie im Erwachsenenbereich: gute Beteiligung kostet Geld. Sie lohnt sich aber auch! Was bringen Beteiligungsprojekte den Teilnehmern? Die Arbeit an einem Beteiligungsprojekt ist eine vielschichtige Lernerfahrung, die so fast nirgendwo anders möglich ist. Die Lerndimensionen erstrecken sich auf die Teamfähigkeit, die praktische Projektarbeit, den Umgang mit Ämtern und Behörden, die Öffentlichkeitsarbeit. Ein erfolgreiches Projekt ist eine gute Referenz bei Bewerbungen. Das Selbstbewusstsein der Teilnehmer wird gestärkt, sie können stolz auf das sein, was sie erreicht haben. Außerdem bringt ein Projekt viele neue Kontakte, nicht nur zu anderen

Jugendlichen, sondern auch in Richtung Erwachsenenwelt. Und nicht zuletzt: es macht jede Menge Spaß. Was bringen Beteiligungsprojekte den Gemeinden? Projekte von Jugendlichen für Jugendliche setzen genau dort an, wo es nötig ist. Und sie erreichen ihre Zielgruppe zuverlässig, weil ihre Macher über ihre alltäglichen Netzwerke für ihre Projekte werben können. So kann mit vergleichsweise kleinem Aufwand eine schnelle und zielgenaue Wirkung erreicht werden. Beteiligungsprojekte wirken aber auch nachhaltig und weit über die beteiligten Jugendlichen hinaus. Die hier erworbenen Fähigkeiten und Kenntnisse können dauerhaft für eine aktive Bürgerschaft genutzt werden. Die Ergebnisse von Jugendbeteiligungsprojekten sind attraktiv für Jugendliche, das liegt in der Natur der Sache, und das zieht andere Jugendliche an. Ein typischer Effekt eines gelungenen Projektes sind Interessenten, die auch gerne mitmachen möchten. Gerade in problematischen Quartieren und Milieus entwickeln solche Projekte eine große Strahlkraft und helfen dabei, Alternativen zu (selbst-)zerstörerischen Lebensmodellen aufzuzeigen. Was darf bei Beteiligungsprojekten nicht passieren? Die größte Gefahr bei dieser Art von Beteiligung sind nicht funktionierende Gruppen bzw. Teilnehmer, die durch ihr Verhalten die Arbeit der anderen zerstören. Beteiligungsprojekte wecken bei den Mitmachern sehr große Erwartungen, sie machen viel Arbeit, und es ist besonders tragisch, wenn sie dann scheitern. Wenn sich diese Art von Enttäuschung nicht verhindern lässt, ist es besonders wichtig, die Erfahrung gemeinsam mit der Gruppe bzw. mit den verbleibenden Mitgliedern aufzuarbeiten.