Das neue deutsche Strommarktdesign Anforderungen und aktuelle Entwicklung Maximilian Faltlhauser, J Faltlhauser Energie GmbH
Inhalt 1. Warum brauchen wir ein neues Strommarktdesign? 2. Aktueller Gesetzgebungsprozess 3. Anforderungen an das Strommarktdesign 4. Kritische Schlussfolgerungen und Ausblick
Warum brauchen wir ein neues Strommarktdesign? 1. Ein hoher Anteil dargebotsabhängiger und volatiler Stromerzeugung (Wind, Photovoltaik) muss in den Markt integriert werden.
Installierte Stromerzeugungsleistung in Deutschland 2015 (Stand 01.06.2015) in GW Erneuerbare Konventionelle Speicher Quelle: Bundesnetzagentur 01.06.2015
Installierte Leistung EEG-Anlagen in Deutschland bis 2018 Min. Max. Spanne Last in Deutschland
Volatile erneuerbare Stromerzeugung Windenergieanlagen und PV-Anlagen: - kann man immer AUSSCHALTEN - kann man aber NICHT immer EINSCHALTEN Konventionelle Erzeugungsanlagen und Biomasse: - kann man immer EIN- und AUSCHALTEN - tragen die Versorgungssicherheit einheitliches und austauschbares Gut???
Neues Herausforderung durch Erneuerbare Energieerzeugung (Wind & PV) Zeiten mit zu wenig Strom Zeiten mit zu viel Strom In Zukunft wird es immer öfters das Phänomen Müllstrom geben. Es wird Strom produziert, für den es keinen Abnehmer gibt. Bzw. Abnehmer bezahlt werden müssen (negative Strompreise).
Warum brauchen wir ein neues Strommarktdesign? 2. Das Marktmodell bei der Strommarktliberalisierung 1998 muss weiter entwickelt werden. Der Staat muss Anreize setzen, damit privatwirtschaftliche Investitionen in die Stromversorgung sicher gestellt sind.
Steigender Bürokratieaufwand für Netzbetreiber 1998 19 Paragrafen, 2013 613 Paragrafen
Paradigmen- und Systemwechsel wirken sich dramatisch auf die großen EVU s aus Entwicklung der Börsenkurse pro Aktie Jan 2008 Jan 2011 Juni 2015 2008/2015 51 23 13-75 % 100 50 20-80 % 60 41 25-58 %
Warum brauchen wir ein neues Strommarktdesign? 3. Seit dem rasanten Anwachsen des EEG-Stroms verhindern die staatliche Preis- und Abnahmegarantie die Funktionstüchtigkeit eines Strommarktes.
ANGEBOT Merit Order Power only market der Strommarkt
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Zwei konzeptionelle Ansätze im Grünbuch des Bundeswirtschaftsministeriums Strommarkt 2.0 Ansatz: Der Markt wird es regeln. Dafür muss den Gesetzen des Marktes alle Freiheit gewährt werden, um sich richtig zu entwickeln. Extreme Preissignale lösen das Problem der Spitzennachfrage und des Spitzenbedarfs. Kapazitätsmarkt Ansatz: Vergütung gesicherter Erzeugungsleistung Der Power-Only-Market bietet nicht ausreichend Anreize um gering ausgelastete Erzeugungsanlagen wirtschaftlich betreiben zu können. Eine eigene Vergütung für gesicherter Leistung muss daher eingeführt werden.
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Der Strommarkt - kein Markt wie jeder andere 1 2 3 4 5 6 Strom muss zeitgleich zum Verbrauch erzeugt werden Keine Lagerhaltung (Speicherung) durch den Handel Produktqualität nicht in der Hand der Produzenten Strom ist de facto nicht substituierbar Im juristischen Sinne: Strom ist keine Sache Gesellschaft und Wirtschaft stünden ohne Strom still
Das Stromnetz ist ein reguliertes Monopol und wird über Verrechnungspreise finanziert Strom- Erzeugung (Markt) Stromverteilung, Netze natürliches Monopol daher reguliertes Geschäft Handel & Vertrieb (Markt) MARKT (ANGEBOT) reguliertes MONOPOL MARKT (NACHFRAGE) Kosten für das Stromnetz werden verbrauchsabhängig auf die Stromkunden umgelegt.
Anforderung der richtigen Anreizsetzung bei einem Haushalt mit Speicher und PV-Anlage Verbrauch Erzeugung Speicher Ziel: möglichst verträglich für das Stromnetz = Minimierung der Lastspitzen
Netzspitzen bei Erzeugung und Eigenverbrauch ohne Speicher - IST Zustand Quelle:
Minimierung der Netzspitzen mit Speicher durch ökonomische Anreizsetzung IST Zustand Quelle:
Minimierung der Netzspitzen mit Speicher durch ökonomische Anreizsetzung SOLL Zustand Quelle:
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4. Kritische Schlussfolgerungen und Ausblick 1. Smart Grid DMS (Demand Side Management) 2. Schattenkraftwerke Kapazitätsmarkt neues Marktdesign 3. Stromspeicherung 4. Netzausbau 5. Müllstrom 6. EEG Garantien
1. Smart Grid und Verbraucherflexibilität Der Strommarkt 2.0 verlangt, dass Preissignale direkt beim Endverbraucher ankommen. Nur dann kann ein hoher Preis Verbrauch mindern und ein niedriger Preis den Verbrauch anregen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Endabnehmer ihren Verbrauch flexibel Anpassen können. Kochen, Wäschewaschen, Föhnen, wenn Strom billig ist (also Wind weht und/oder die Sonne scheint) Gerade stromintensive Industrie ist in Ihren Prozessen nur sehr begrenzt flexibel (Eisenhütten, Glasproduktion, Chemische Industrie). Zum Standortnachteil teurer Strom kommt der Standortnachteil komplizierte Strombeschaffung mit Planungsunsicherheit
2. Schattenkraftwerke und wo man diese baut Die Strommarktliberalisierung brachte die eigentumsrechtliche Entflechtung von Erzeugung und Netz. Beim Bau eines Kraftwerkes spielen die Kosten für das Netz keine Rolle mehr. ( Externalisierung externer Effekte ). => kein volkswirtschaftliches Optimum Die Grundannahme der Kupferplatte Europas ist insbesondere mit Blick auf die aktuellen Stromtrassenstreitigkeiten unangebracht. Gerade bei Schattenkraftwerken, die die Versorgungssicherheit gewährleisten sollen, ist ein regionaler Faktor notwendig. Dem Strommarkt 2.0 fehlt eine regionale Komponente völlig. Netz und Erzeugung interagieren. Baut man zuerst Stromtrassen bedeutet dies eine Vorfestlegung für den Kraftwerksbau.
3. Stromspeicher Aktueller Stand: Der Regulierer kennt keinen Stromspeicher! Stromspeicherung ist aber technisch als Gegenpol zu einer volatilen Stromerzeugung aus Wind und Sonne essentiell. Da der Stromhandel nicht speichert und bevorratet, ist ein Ausweitung des Stromhandels allein nicht Ziel führend. Es gibt keine Ansätze volatile Stromerzeuger zunehmend zur Speicherung zu verpflichten. Es gibt keine Ansätze Verbrauchsglättungen beim Endabnehmer durch Speicher zu belohnen. EEG-Umlage auf Eigenverbrauch ist sogar kontraproduktiv. Initiative zur regulatorischen Speicherdefinition ist auf dem Weg. Das Ergebnis ist noch offen.
4. Stromnetze Dem bestehenden Strommarktdesign fehlt jegliche regionale Komponente bei der Standortwahl von Kraftwerken. Es wird von der Allokationssubstanz vor der Marktliberalisierung gezehrt. Die Bezugsgröße Arbeit (kwh) zur Vergütung der Stromnetze hat sich durch dezentrale Eigenerzeugung überlebt. Eine passende, verursachungsgerechte Bezugsgröße wäre die Kapazität (kw). Wind- und Sonnenstrom reichen nicht um Frequenz- und Spannung im Stromnetz durchgehend konstant zu halten. Mindestens die Schattenkraftwerke zur Versorgungssicherung müssen regional und verbrauchsnah geplant werden. Das Netz braucht gesicherte Erzeugung regional sinnvoll verteilt. Schattenkraftwerke müssen als Teil des Netzes gesehen werden.
5. Müllstrom Dem neuen Zustand des Stromüberangebotes (Müllstrom) wird nicht angemessen berücksichtigt. Müllstrom mit allen Steuern und Abgaben zu belasten macht eine sinnvolle Weiterverwertung (Speicherbeladung) nahezu unmöglich. Müllstrom ist besonders kostenintensiv für das Stromnetz, da er regelmäßig zu Lastspitzen auftritt und einen unwirtschaftlichen Netzausbau vorantreibt. Es ist nicht sinnvoll Müllstrom quer durchs ganze Land zur Weiterverwertung zu leiten. Dezentrale Erzeugung und dezentraler Verbrauch muss möglichst dezentral aufeinander abgestimmt werden um das Stromnetz zu schonen. Müllstrom muss möglichst dezentral entsorgt werden. Müllstrom muss billig und planbar sein um Geschäftsmodelle zu ermöglichen.
6. EEG-Garantien Das EEG bietet umfassende Preis- und Abnahmegarantien für die Stromerzeuger. Ein bedarfsorientierte Erzeugung findet nicht statt. Auch der 24 EEG (ab 01.01.2016) ändert an dieser grundsätzlichen rechtlichen Übervorteilung des EEG-Stroms nichts. EEG-Strom stellt einen wachsenden planwirtschaftlichen Fremdkörper im Markt dar, der die Funktionsfähigkeit untergräbt. Der Bestand an EEG-Anlagen mit EEG-Garantien stellt eine enorme Altlast für die Funktionsfähigkeit eines neuen Strommarktdesign dar. Ohne EEG-Garantien ist derzeit ein Bau neuer Wind- und PV- Anlagen wirtschaftlich nicht darstellbar. EEG-Garantien müssen als Altlasten entsorgt werden. Dies wäre über eine Fondlösung möglich.
4. Ausblick Das neue Strommarktdesign verspricht keine glaubhafte langfristige Planungssicherheit private Investitionen. Der marktstörende Fremdkörper EEG bleibt vollkommen unberücksichtigt. Die grundsätzliche Kompatibilität volatiler Wind- und PV-Erzeugung zum Power-Only-Markets wird nicht in Frage gestellt. Ein regionaler Ausgleich zwischen Erzeugung und Netzausbau wird im System vernachlässigt und führt zur volkswirtschaftlichen Fehlallokation. Die Flexibilisierungsmöglichkeiten von Industrie und Haushalten werden überschätzt. Damit verbundene Bürokratie wird ausgeblendet.
4. Ausblick Das neue Strommarktdesign als ökonomische Ausgestaltung der Energiewende entwickelt sich zunehmend zu einem Standortnachteil für Deutschland. Besserung ist nicht in Sicht, da in Gesetzen und nicht im System gedacht wird.
Zusammenfassung Vortrag: Das neue deutsche Strommarktdesign Anforderungen und aktuelle Entwicklung Maximilian Faltlhauser; Geschäftsführer Faltlhauser Energie GmbH Aktuell wird ein neues Strommarktdesign - die ökonomische Ausgestaltung der Energiewende - parlamentarisch diskutiert. Maximilian Faltlhauser, Geschäftsführer der Faltlhauser Energie GmbH fasste in einem Grundsatzvortrag auf dem Bayerischen Energieforum in den aktuellen Stand der Debatte zusammen. Ausgelöst durch die Strommarktliberalisierung, den steigendem Anteil an Wind- und Sonnenstrom sowie der rechtlichen Übervorteilung von EEG-Strom, ist eine Systemanpassung zwingend notwendig. Im Jahre 1998 wurde der Strommarkt in Deutschland liberalisiert. Der Staat hatte sich entschieden, die Stromwirtschaft grundsätzlich privatwirtschaftlich zu organisieren. Das natürliche Monopol des Stromnetzes kontrolliert und steuert er dabei über die Bundesnetzagentur. Für alle übrigen Bereiche hat er einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, um privatwirtschaftliche Investitionen in das System der Stromversorgung zu ermöglichen und damit gleichzeitig sicherzustellen. Die gegenwärtigen Umwälzungen im Zuge der Energiewende haben das System jedoch aus dem Gleichgewicht gebracht und verlangen nach einer Neuausrichtung. Das Ziel eines gelungenen neuen Strommarktdesigns muss darin liegen, dass viele, vom Typ her sehr unterschiedliche Einzelinvestitionen, so orchestriert werden, dass sie sich, einzeln betrachtet, wirtschaftlich rentieren und gleichzeitig in ihrer Summe ein funktionierendes Stromversorgungssystem ergeben. So unterschiedliche Investitionen wie die für konventionelle Kraftwerke, erneuerbare Stromerzeugungsanlagen und Stromspeicher müssen aufeinander abgestimmt werden und dürfen sich gegenseitig nicht unangemessen behindern. Gleichzeitig darf das regulierte Stromnetz nicht zum Auffangbecken für negative technische und ökonomische Effekte werden. Das Stromnetz darf nicht zum Abladeplatz so genannter negativer externer Effekte der übrigen Einzelinvestitionen verkommen. Weiter muss der zu setzende Rahmen eines neuen Strommarktdesigns im Kern auf absehbare Zeit statisch sein. Permanente Änderungen und Anpassungen würden die Planungssicherheit für Investoren untergraben und damit die Investitionsbereitschaft dramatisch herabsetzen. Weil der Staat die Stromversorgung nicht mehr selbst machen will, muss er dafür sorgen, dass die Privatwirtschaft diese Aufgabe für ihn übernimmt. Er muss gewährleisten, dass mit allen notwendigen Einzelbestandteilen der Stromversorgung Geld verdient werden kann. Genau dies ist aktuell jedoch nicht der Fall. Eine Anpassung der Marktregeln ist somit notwendig und wird gegenwärtig im Deutschen Bundestag intensiv diskutiert. Ausgelöst wurde dies vor allem durch zwei Entwicklungen im Zuge der Energiewende: Maximilian Faltlhauser Seite 1 von 5
Das Wetter richtet sich nicht nach unserem Strombedarf Vor allem mit den ertragsreichen Techniken der Windenergie und der Photovoltaik treten neue technisch-physikalische Effekte auf, die im bestehenden Marktmodell des Power-Only-Marktes zu massiven Systemstörungen führen. Die banalen Aussagen, dass eine Windenergieanlage bei Wind und eine Photovoltaikanlage bei Sonnenschein Strom erzeugen, führen zu zwei Zuständen, die im Marktsystem bei seiner Einführung 1998 in ihrer heutigen Dimension noch völlig unbekannt waren. Zum einen, dass trotz installierter Leistung wetter- und tageszeitenbedingt kein Strom erzeugt werden kann. Zum anderen, dass Strom erzeugt wird, obwohl kein entsprechender Bedarf hierfür besteht. Letzteres führt im Extremfall zu negativen Preisen an der Strombörse und begründet das neue Phänomen des Müllstroms. Die Stromerzeugung aus Wind und Sonne ist technisch betrachtet nicht regelbar und damit volatil. Im Bezug auf einen Markt nennt man diese Eigenschaft dargebotsabhängig. Diese spezifischen Eigenschaften sind so gravierend, dass sogar prinzipiell in Frage zu stellen ist, inwieweit Windund Solarstrom mit dem bestehenden System des Power-Only-Marktes überhaupt vereinbar sind. EEG-Planwirtschaft verdrängt den Markt Ursprünglich dazu gedacht, erneuerbare Erzeugungstechniken an die Marktreife heranzuführen, gewährt der Staat über das EEG für bestimmte Techniken umfangreiche Preis- und Abnahmegarantien. Solange der Anteil erneuerbarer Erzeugungsarten noch gering war, blieb dies ohne Folgen für die Funktionsfähigkeit des Marktes. Inzwischen ist jedoch der Anteil der erneuerbaren Erzeugung an der Bruttostromerzeugung in Deutschland auf über 25% angestiegen. Vor allem der Einspeisevorrang führt zu einer rechtlichen Benachteiligung konventioneller Erzeugungsarten, die auf diese Weise zunehmend ihrer wirtschaftlichen Grundlage beraubt werden. Konventionelle Anlagen sind inzwischen zum Lückenfüller verkommen. Immer dann, wenn die Erneuerbaren den Strombedarf nicht decken können, müssen sie einspringen. Mangelnde Auslastung ist die Folge. Ein wirtschaftlicher Betrieb wird immer schwieriger. Insbesondere für Spitzenlasterzeugung finden sich unter diesen Voraussetzungen keine privatwirtschaftlichen Investoren mehr. EEG-Planwirtschaft untergräbt gegenwärtig die Funktionsfähigkeit des bestehenden Marktes. Dies ist bedenklich, da genau die konventionellen Anlagen aus dem Markt gedrängt werden, die bisher allein die Versorgungssicherheit gewährleisten. Aktueller Gesetzgebungsprozess Der akute Handlungsbedarf wurde von der Politik erkannt. Die Neuordnung des Strommarktdesigns in Deutschland ist Bestandteil der 10-Punkte-Energie-Agenda des Bundeswirtschaftsministeriums. Ein besonders ausführlicher öffentlicher Diskurs wurde im Oktober 2014 durch die Veröffentlichung des Grünbuches Ein Strommarkt für die Energiewende eingeleitet. Im Juni 2015 soll daraus ein Weißbuch Maximilian Faltlhauser Seite 2 von 5
entstehen, welches zu einem neuen gesetzlichen Rahmen bis August 2016 führen soll. Aus dem Grünbuch und den Eckpunkte-Papier Strommarkt lassen sich zwei grundsätzliche Ansätze ableiten: Dem so genannten Strommarkt 2.0 und der Einführung eines Kapazitätsmarktes. Bei ersterem baut man darauf, dass die Kräfte des Marktes den Strommarkt funktionstüchtig machen werden, wenn man dem Markt und vor allem den Marktpreisen nur genügend freien Lauf lasse. Glaubt man jedoch nicht daran, dass der Markt es alleine richten wird, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, so muss man einen zusätzlichen Anreiz schaffen, um gesicherte Leistung vorrätig zu halten. Dies erreicht man mit dem so genannten Kapazitätsmarkt, der konventionelle Kraftwerke dafür bezahlt, dass diese nach dem Feuerwehrsprinzip einsatzbereit gehalten werden, um bei Bedarf einzuspringen. Die ausführlichen Herleitungen beider Ansätze im Grünbuch sind schlüssig. Gültigkeit besitzen sie jedoch nur für den vorab definierten Betrachtungsrahmen. Dieser erweist sich jedoch als zu eng und mit den real existierenden Rahmenbedingungen nicht vereinbar. Im Folgenden werden sechs Kritikfelder dargelegt: 1) Flexibilisierungsmöglichkeiten werden überschätzt Der Strommarkt 2.0 verlangt, dass Preissignale direkt beim Endverbraucher ankommen. Nur dann kann ein hoher Preis Verbrauch mindern und ein niedriger Preis den Verbrauch anregen. Voraussetzung hiefür ist, dass Endverbraucher ihren Stromverbrauch flexibel an das Angebot anpassen können. Gerade bei stromintensiven Industrien wie Eisenhütten, der Glasproduktion oder bei Prozessen der chemischen Industrie ist dies jedoch, wenn überhaupt, nur in sehr begrenztem Umfang möglich. Zudem würde die Strombeschaffung insgesamt deutlich komplizierter werden. Beispielhaft müsse man sich hierfür einen Haushalt vorstellen. Beim Kochen mit einem Elektroherd müsste man permanent den Strompreis im Auge behalten, um nicht aus Versehen in eine Kostenfalle zu tappen. 2) Es fehlt eine regionale Komponente Es fehlt eine Planungsgröße, die die regionale Nähe von Verbrauch und Erzeugung als Aspekt der Netzökonomie und als Aspekt der Versorgungssicherheit widerspiegelt. Erst seit der eigentumsrechtlichen Trennung von Netz, Erzeugung und Vertrieb kann es hier überhaupt zu einer volkswirtschaftlichen Fehlallokation kommen. Die alten Stromversorger mit ihrem integrierten Geschäftsmodell suchten aus ökonomischem Eigeninteresse auch das volkswirtschaftlich Optimum für ihr jeweiliges Versorgungsgebiet. Dies ist heute anders. Da für die Netzdurchleitung die Systemannahme einer Kupferplatte besteht, ist ein Kraftwerk in 1.000 km Entfernung nach geltenden Marktregeln fälschlicherweise genauso versorgungssicher wie eines in unmittelbarer Nähe des Verbrauchers. Auch spiegelt sich eine besonders lange Stromleitung in keiner Weise in den Maximilian Faltlhauser Seite 3 von 5
Gestehungskosten eines verbrauchsfernen Kraftwerkes wider. Kosten für Stromleitungen und höhere Leitungsverlusten werden systemisch ausgeblendet. 3) Eine plausible Speicherintegration fehlt In den meisten Marktsystemen übernimmt der Handel die klassische Funktion der Lagerung und Bevorratung. Da Stromspeicherung technisch aufwendig und kostenintensiv ist, tut dies der Stromhandel mit Strom nicht, sondern verrechnet nur virtuelle Strommengen. Ein neues Strommarktdesign benötigt jedoch aus technischen Gründen als Gegenpol zu volatiler Windund Photovoltaikerzeugung dringend Speichermöglichkeiten. Dies spiegelt sich jedoch noch nicht im anvisiertem neuen Strommarktdesigns wider. Im heutigen System hat ein Speicher keine Sonderstellung und wird sogar regulatorisch benachteiligt. Systemanreize kostenintensive Netzspitzen möglichst dezentral zu glätten und volatile Erzeugung zumindest teilweise zu einer Speicherung zu verpflichten existieren noch nicht und sind offenbar auch nicht geplant. Eine EEG-Umlage auf Eigenverbrauch ist unter diesem Aspekt auf Verbraucherseite sogar kontraproduktiv. 4) Keine verursachungsgerechten Netzentgelte Durch die eigentumsrechtliche Entflechtung von Netz und Erzeugung und dem Fehlen einer regionalen Komponente bei der Erzeugung, muss das Stromnetz immer öfters mit System stabilisierend Maßnahmen eingreifen. Die historische Bezugsgröße Arbeit (kwh) zur Umlagevergütung des Stromnetzes hat sich durch steigende dezentrale Eigenerzeugung überlebt und muss konsequent durch die verursachungsgerechtere Bezugsgröße der Leistung (kw) ersetzt werden. Technische Aspekte wie Frequenzund Spannungshaltung müssen, zumindest für Kraftwerke die die Versorgungssicherheit gewährleisten sollen, Berücksichtigung finden. Anderenfalls würden im großen Stil volkswirtschaftliche Fehlallokationen über das regulierte Stromnetz flächendeckend sozialisiert werden. Ein exzessiver Ausbau von Stromtrassen wäre ein Symptom dieser Fehlallokation, denn Erzeugungsstandorte und Netzausbau interagieren technisch miteinander. Wenn ein Marktmodell den Anspruch erhebt auch ein gesamtwirtschaftliches Optimum anzustreben, muss es diese Kausalität in irgendeiner Form abbilden. 5) Das Problem Müllstrom nicht zu Ende gedacht Volatile Stromerzeugung erzeugt zwei Zustände im Stromsystem: Zu-Wenig-Strom bei Dunkelflaute und Zu-Viel-Strom bei dem Strom im Extremfall zu Müllstrom wird. Jede Form eines Kapazitätsmarktes löst den Problemzustand Zu-Wenig-Strom und gewährleistet damit Versorgungssicherheit. Den Zustand Zu-Viel- Strom allein mit Abregelung im großen Stil zu beantworten, bedeutet Energievernichtung im großen Stil. Ein Strommarktdesign Maximilian Faltlhauser Seite 4 von 5
muss somit auch eine befriedigende Antwort auf die Frage: Wohin mit dem Müllstrom? geben können. Es geht dabei um die sinnvolle Entsorgung von Müllstrom. Diesen Müllstrom mit den gleichen Abgaben und Steuern wie normalen Strom zu belasten erscheint nicht sinnvoll. Gleiches gilt für die Vorstellung Müllstrom - auf dann noch weiter auszubauenden - Stromnetzen quer durchs Land zu schicken und nicht möglichst regional zu verwerten. Entsorgungsstellen wie Stromspeicher benötigen zudem ebenfalls Planungssicherheit für ihre Investition. Eine langfristige Müllstromzuteilung wäre hier ein denkbarer Ansatz. 6) EEG-Planwirtschaft mit einem Markt unvereinbar Als bedeutendster Kritikpunkt ist jedoch zu nennen, dass auf die Markt verzerrenden Preis- und Abnahmegarantien des EEG s überhaupt nicht eingegangen wird. Hieran ändern auch marginale Neuregelungen wie die des 24 EEG nichts. Ein wachsender planwirtschaftliche Fremdkörper ist unvereinbar mit dem Vorsatz einen Markt mit fairem Wettbewerbsregeln implementieren zu wollen. EEG-Garantien und ein Strommarkt 2.0 schließen sich gegenseitig kategorisch aus. Wie man den geplanten weiteren Ausbau erneuerbarer Energieerzeugung jedoch umsetzen will, ohne auf EEG-Garantien zurückzugreifen, bleibt die weiterhin offene und ungelöste Frage. Dies im Rahmen des bestehenden Power-Only-Marktes umsetzen zu wollen verspricht auf jeden Fall keinen Erfolg. Zusammenfassend kann festgehalten werden: Die Ansätze zum neuen Strommarktdesign versprechen keine glaubhafte langfristige Planungssicherheit für privatwirtschaftliche Investoren. Flexibilisierungsmöglichkeiten beim Stromverbrauch werden insbesondere bei der stromintensiven Industrie systematisch überschätzt. Ein Lösungsansatz wie mit EEG-Garantien als planwirtschaftlichem Fremdkörper umzugehen ist, fehlt gänzlich. Die grundsätzliche Kompatibilität volatiler Wind- und Photovoltaik- Erzeugung zum bestehenden Power-Only-Market wird nicht in Frage gestellt. Eine regionale Komponente die Erzeugung, Netz und Verbrauch gesamtwirtschaftlich in Einklang bringt, findet ebenfalls keine Berücksichtigung. Die Regulierung lässt einzig den Netzausbau als Lösungsweg zu, um den Herausforderungen der Energiewende zu begegnen. Das neue deutsche Strommarktdesign als ökonomische Ausgestaltung der Energiewende entwickelt sich zunehmend zu einem Standortnachteil für Deutschland. Eine Besserung ist nicht in Sicht, da von den Verantwortlichen in einzelnen Gesetzen und nicht im System gedacht wird. Maximilian Faltlhauser Seite 5 von 5