Schaffung von Anreizsystemen zum Anbieten und Annehmen von Hilfeleistungen am Praxisbeispiel indago

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Schaffung von Anreizsystemen zum Anbieten und Annehmen von Hilfeleistungen am Praxisbeispiel indago Stefanie Müller, Antonija Mrsic Carl, Peter Klein, Henrik Rieß, Merlin Schuster User Interface Design GmbH Zusammenfassung Neben einer technischen Funktionstüchtigkeit erfordern alle Systeme im Bereich Ambient Assisted Living eine Motivation der Zielgruppe zur Benutzung der selbigen. Vor allem Menschen im fortgeschrittenen Alter müssen häufig davon überzeugt werden, ein assistierendes Gerät anzunehmen. Der folgende Beitrag zeigt Methoden zur Motivationssteigerung von älteren Menschen hinsichtlich der Nutzung eines Mobilitätssystems sowie von jüngeren Menschen hinsichtlich der Leistung eines Hilfsbeitrags für dasselbe System. 1 Einleitung Durch den demographischen Wandel in Deutschland gelangen immer mehr Menschen in Situationen, in denen ihnen Alltagsroutinen schwerfallen und der Bedarf und somit auch die Abhängigkeit von externer Hilfe steigen. Jeder Mensch wünscht sich ein möglichst selbstbestimmtes Leben, vor allem im höheren Alter. Selbstbestimmung bedeutet jedoch nicht Verzicht auf Hilfsmittel, die das Leben vereinfachen. Sie schließt ein, Hilfe aktiv anzunehmen, um das Leben möglichst eigenständig meistern zu können, ohne komplett von anderen Menschen abhängig zu sein. Versuche im Bereich Ambient Assisted Living zielen darauf ab, durch technische Entwicklungen diese unterstützende Hilfe zu erschaffen. Es ist jedoch eine Kluft zwischen technisch äußerst fortgeschrittenen, hypermodernen Hilfssystemen und der oft mangelhaften Akzeptanz älterer Menschen gegenüber modernen technischen Erneuerungen festzustellen. Dies macht einen nutzerzentrierten Entwicklungsprozess (DIN EN ISO 9241-210, 2010) in

Praxisbeispiel indago 2 diesem Forschungsbereich unverzichtbar. Durch Einbeziehung und Fokussierung der Zielgruppe während aller Entwicklungsphasen kann sichergestellt werden, dass das spätere Produkt bestmöglich an die Bedürfnisse der Nutzergruppe angepasst ist. Jedoch kann dieses Vorgehen nicht die Abneigung der älteren Nutzer gegenüber solchen technischen Hilfssystemen vollkommen auflösen. Deshalb ist zu überlegen, wie bei älteren Menschen Vertrauen gegenüber einer modernen Technologie aufgebaut werden kann. Ein weiteres Problem ergibt sich daraus, dass sich hilfsbedürftige Menschen oft ausgeschlossen oder gar abgeschoben fühlen, wenn sie Hilfe in rein technischer Form erhalten. Diese Tatsache verstärkt zusätzlich deren Abneigung gegenüber moderner Technik. Weder ein Fernseher, noch Installationen in einem Smart Home, noch ein Assistenz- Roboter können den enorm wichtigen, menschlichen Kontakt ersetzen. Dieser Beitrag beschreibt, wie in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt Regionale Alltags- und Freizeitmobilität für Senioren am Beispiel der Stadt Darmstadt (indago) 1 das notwendige Vertrauen in ein Mobilitäts-Assistenzsystem aufgebaut wird, indem technische und menschliche Hilfe kombiniert werden. Zudem wird aufgezeigt, wie die helfenden Menschen auf der anderen Seite auch zu unentgeltlicher Hilfe motiviert werden können. 2 Anreizsysteme zur Nutzung eines Assistenzsystems Ziel des Projekts indago ist die Entwicklung eines intelligenten Navigationssystems, welches ältere Menschen im Bereich der Alltags- und Freizeitmobilität unterstützt und ihnen trotz alterstypischer Einschränkungen komfortable Routen zu Fuß sowie mit öffentlichen Verkehrsmitteln ermöglicht. Die indago-infrastruktur beinhaltet speziell auf Fußgänger zugeschnittenes Kartenmaterial, angereichert mit Live-Informationen über die Fahrzeiten des öffentlichen Personen-Nahverkehrs. Diese Daten werden in die Berechnung des Routings integriert, in die außerdem persönliche Einstellungen des Nutzers, wie zum Beispiel körperliche Einschränkungen oder die Nutzung eines Rollators, miteinbezogen werden. So wird die für den Nutzer bestmögliche Route berechnet und er zu seinem Ziel geleitet. Um die Einschätzung der Nutzergruppe gegenüber der Produktidee einzuholen, wurden zu Projektbeginn Fokusgruppen mit 28 Vertretern der Zielgruppe durchgeführt (Krueger & Casey, 2000). Diese geführten Gruppendiskussionen zeigten eine generell abwehrende Haltung sowie ein Misstrauen der Senioren gegenüber solchen Systemen. Sie präferieren die Hilfe von Mitmenschen anstatt von Maschinen. Deshalb wurde als weitere Komponente eine Hilfe-Funktion in das indago-system integriert. Über diese Funktionalität kann der Nutzer 1 Regionale Alltags- und Freizeitmobilität für Senioren am Beispiel der Stadt Darmstadt (indago) wird vom BMBF unter der Fördernummer 16SV5716 gefördert und ist Teil des Programms Mobil bis ins hohe Alter nahtlose Mobilitätsketten zur Beseitigung, Umgehung und Überwindung von Barrieren. Weitere Informationen zum indago-projekt finden sich unter www.indago-projekt.de.

Praxisbeispiel indago 3 eine Vertrauensperson, ein Call-Center oder ein Mitglied eines zertifizierten Helfernetzwerkes kontaktieren, um Hilfe anzufordern. Diese Funktionalität kombiniert humane und technische Hilfe. Für die älteren Nutzer wird somit deutlich, dass hinter dem technischen Endgerät reale Menschen stehen, was das Vertrauen in das gesamte System steigert. Sie fühlen sich nicht alleingelassen, da im Bedarfsfall jederzeit menschliche Hilfe eingefordert werden kann. Sie können selbstständig mit ihrem Assistenzgerät individuelle Reisen unternehmen, ohne von anderen abhängig zu sein, und zwar in dem Wissen, theoretisch immer Hilfe bekommen zu können. Diese Gewissheit vermittelt ein gesteigertes Sicherheitsgefühl, welches motivierend wirkt, alleine Ausflüge zu unternehmen, und daher die Mobilität fördert. Das Auslösen der Hilfefunktion ( HelpMe ) ist für Situationen vorgesehen, in denen die rein technische Hilfe, die durch das indago-gerät bereitgestellt wird, dem Nutzer nicht ausreicht. Beispielsweise sind folgende Szenarien denkbar: Eine Seniorin wird von plötzlich einbrechender Dunkelheit überrascht, da sie sich in der Zeit verschätzt hat. Da sie im Dunkeln schlecht sieht und ängstlich ist, ruft sie einen Helfer, der sie nachhause begleitet. Ein Senior muss an einem Zentralen Busbahnhof umsteigen, findet aber nicht den Bussteig, an dem sein Bus abfährt. Er ruft einen Helfer, der ihn zum richtigen Bussteig führt. Eine Seniorin hat viele Einkäufe getätigt. Auf dem Nachhauseweg fängt aufgrund der schweren Taschen ihr Arm an zu schmerzen. Sie ruft einen Helfer, der ihr beim Tragen der Einkaufstaschen hilft. In diesen Situationen kann der Nutzer über sein indago-gerät (umgesetzt in Form einer intelligenten Uhr) die HelpMe-Funktion aufrufen und Hilfe anfordern (siehe Abbildung 1). Bei erfolgreicher Helfersuche sendet das System dem Nutzer ein Feedback, so dass dieser weiß, welcher Helfer aktuell auf dem Weg und wann seine Ankunft zu erwarten ist. Der Helfer wird über GPS-Ortung zu dem Hilfesuchenden geführt. Falls kein Helfer in der Nähe des Hilfesuchenden gefunden wird, verbindet das System den Nutzer mit einem Call-Center, womit auch in diesem Fall Hilfe durch einen menschlichen Kontakt gewährleistet wird. Abbildung 1: Screenflow der indago-helferfunktion auf dem Assistenzgerät

Praxisbeispiel indago 4 Das HelpMe-System wurde in einem Prototypen auf Akzeptanz und Gebrauchstauglichkeit geprüft. Es wurden Usability Tests mit 7 Nutzern, welche Teilnehmer bei der ersten Studie gewesen waren, durchgeführt. Obwohl sie zu Beginn dem Gesamtprojekt gegenüber abgeneigt waren, bewerteten alle die Hilfefunktion abschließend positiv und hilfreich. 3 Anreizsysteme zur Unterstützung eines Assistenzsystems In dem Helfernetzwerk können sich Personen freiwillig als Helfer registrieren. Sie benötigen keine berufliche Ausbildung im Pflege- oder Medizinbereich als Voraussetzung, jedoch wird über eine Authentifizierung und Zertifizierung ein Missbrauch des Systems ausgeschlossen. Danach erhält der Helfer Zugriff auf die Smartphone-Applikation HelpMe-App, worüber er Hilferufe der Senioren empfängt (siehe Abbildung 2). Abbildung 2: Screens der HelpMe-Applikation Diese Applikation spricht eine Zielgruppe von körperlich mobilen und sozialen, hilfsbereiten Menschen an. Es wird von einer tendenziell eher jüngeren Nutzergruppe ausgegangen, da Nicht-Smartphone-Nutzer ausgeschlossen sind. Eine wichtige Frage ist: Reichen soziale Attribute wie Hilfsbereitschaft, soziales Engagement und Verantwortlichkeitsgefühl gegenüber Mitmenschen aus, um ohne jegliche Art von Vergütung seine Freizeit für fremde Menschen zu opfern? Studien zeigen, dass sich alleine durch innere ( intrinsische ) Motivation viele Menschen nicht zu solchen Taten bringen lassen. Die Applikation muss daher sowohl intrinsische als auch extrinsische (äußere) Motivation ansprechen das heißt, der Nutzer muss von sich aus daran interessiert sein, Hilfe zu leisten, jedoch auch durch äußere Faktoren hierzu motiviert werden (Kapp 2012). Die bei indago fehlende Möglichkeit, durch materielle Belohnung die extrinsische Motivation der Helfer anzusprechen, ließ die Herausforderung aufkommen, wie durch die Gestaltung einer Applikation Menschen zum freiwilligen Engagement motiviert werden können.

Praxisbeispiel indago 5 Es wurde ein Interaktionskonzept für die HelpMe-App entwickelt, das auf einige Gamification-Methoden zurückgreift. Gamification bezeichnet den Einsatz von Spiele- Designelementen in einem nicht-spielerischen Kontext (Deterding 2011). Es werden Anreize erschaffen, auf spielerischer Art Hürden zu überwinden, Ziele zu erreichen und sich mit anderen Mitspielern zu messen. So wird durch den Gamification-Ansatz eine extrinsische Motivation ohne materielle Vergütung, ausschließlich durch virtuelle Gewinne, erschaffen (Zichermann & Cunningham 2011). Zahlreiche Praxisbeispiele von Zichermann & Linder bestätigen, dass Gamification Menschen zu Taten bringen kann, zu denen sie ohne diese spielerischen Anreizsysteme nicht bereit wären (Zichermann & Linder 2013). Der Helfer bekommt in der HelpMe-Applikation für erfolgreiche Hilfseinsätze Punkte, wodurch er mit der Zeit einen immer höheren Level erreicht. Dadurch ist er motiviert, permanent im Level aufzusteigen sowie immer mehr Punkte zu gewinnen bzw. Abzeichen, sogenannte Badges, zu erlangen. Auch können Helfer-Gruppen in der HelpMe-App gebildet werden. So entwickelt sich ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Helfern, welches den Nutzungsanreiz noch erhöht. 4 Diskussion und Ausblick In beiden vorgestellten Fällen spielt bei der Motivation von Nutzern die menschliche Komponente eine große Rolle. Besonders für Senioren ist die direkte, von einem anderen Menschen ausgehende Hilfe essentiell. Auch bei der jüngeren Zielgruppe der Helfer ist der Faktor Mensch wichtig. Durch die Applikation HelpMe wird eine Gruppendynamik geschaffen, die auf zwei Arten motivierend wirkt: Einerseits ist es anspornend, sich mit anderen zu vergleichen und zu messen; andererseits ist es motivierend, in einer Gruppe gemeinsam mit anderen zu helfen. Essentiell wichtig für den Erfolg der Applikation und somit des gesamten indago-systems, jedoch schwierig in der Erreichung, ist die kontinuierliche Motivation der Helfer: Wie lange lässt sich ein Nutzer durch die Applikation motivieren? Wird die Motivation nach einem gewissen Zeitraum sinken? Wie könnte diesem Motivationsabfall entgegengewirkt werden? Im Bereich Gamification gibt es eine hohe Anzahl an Spiele-Mechaniken. Es ist zu hoffen, dass durch gleichzeitigen Einsatz verschiedener Methoden und Austausch dieser Methoden die Applikation dynamisch und somit die Helfer-Motivation fortbestehen bleibt. Das Ansprechen von sozialen Faktoren ist nicht die einzige Möglichkeit zur Motivationsförderung. Auch die Eigenschaften eines Gerätes an sich können zur freiwilligen Nutzung beitragen. Die User Experience, das gesamte Nutzererlebnis, welches ein Mensch bei der Interaktion mit einem Produkt erfährt, wirkt motivierend (Moser, Christian, 2012). Zur Erreichung einer positiven User Experience führen sowohl eine einfache, intuitive Nutzbarkeit, ein zum Produkthintergrund passendes, visuelles Aussehen sowie das Gefühl, welches der Nutzer bei der Nutzung erfährt. Beim letzteren spielt der Joy of Use eine große Rolle wenn der Spaßfaktor während der Interaktion mit dem Produkt hoch ist, wird der Nutzer dieses gerne benutzen.

Praxisbeispiel indago 6 Literaturverzeichnis DIN EN ISO 9241-210 (2010). Ergonomie der Mensch-System-Interaktion Part 110: Teil 210: Prozess zur Gestaltung gebrauchstauglicher interaktiver Systeme. Berlin: Beuth. Krueger, R. A.; Casey, M. A. (2000). Focus groups - A practical guide for applied research. Thousand Oaks: Sage Publications. Kapp, K. M. (2012). The gamification of learning and instruction: game-based methods and strategies for training and education. San Francisco: John Wiley & Sons. Deterding, S.; Dixon, D.; Khaled, R.; Nacke, L. (2011). From Game Design Elements to Gamefulness: Defining Gamification. Proceedings of the 15 th International Academic MindTrek Conference: Envisioning Future Media Environments. Tampere: ACM. Zichermann, G.; Cunningham, C. (2011). Gamification by design: Implementing game mechanics in web and mobile apps. Sebastopol: O'Reilly Media, Inc.. Zichermann, G.; Linder, J. (2013). The Gamification Revolution: How Leaders Leverage Game Mechanics to Crush the Competition. New York: McGraw-Hill Education. Moser, Christian (2012). User Experience Design. Berlin, Heidelberg: Springer. Kontaktinformationen User Interface Design GmbH, Wilhelm-Bleyle-Straße 10 12, 71636 Ludwigsburg, www.uid.com Autoren: Stefanie Müller, stefanie.mueller@uid.com Antonija Mrsic Carl, antonija.mrsiccarl@uid.com Peter Klein, peter.klein@uid.com Henrik Rieß, henrik.riess@uid.com Merlin Schuster, merlin.schuster@uid.com