Und dann kommt noch ein besonders makaber anmutender Aspekt der modernen Geschichte hinzu:



Ähnliche Dokumente
Papa - was ist American Dream?

Anleitung über den Umgang mit Schildern

ONLINE-AKADEMIE. "Diplomierter NLP Anwender für Schule und Unterricht" Ziele

Predigt Salvenmoser: Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe.

Mein persönlicher Lerncheck: Einen Bericht schreiben

Mehr Geld verdienen! Lesen Sie... Peter von Karst. Ihre Leseprobe. der schlüssel zum leben. So gehen Sie konkret vor!

Persönliche Zukunftsplanung mit Menschen, denen nicht zugetraut wird, dass sie für sich selbst sprechen können Von Susanne Göbel und Josef Ströbl

Kulturelle Evolution 12

L10N-Manager 3. Netzwerktreffen der Hochschulübersetzer/i nnen Mannheim 10. Mai 2016

Kreativ visualisieren

Lineargleichungssysteme: Additions-/ Subtraktionsverfahren

Gutes Leben was ist das?

Örtliche Angebots- und Teilhabeplanung im Landkreis Weilheim-Schongau

Grünes Wahlprogramm in leichter Sprache

DAVID: und David vom Deutschlandlabor. Wir beantworten Fragen zu Deutschland und den Deutschen.

Ein Ausflug in die Vergangenheit Checkpoint Charlie und die Berliner Mauer

Welches Übersetzungsbüro passt zu mir?

Alle Schlüssel-Karten (blaue Rückseite) werden den Schlüssel-Farben nach sortiert und in vier getrennte Stapel mit der Bildseite nach oben gelegt.

Verband der TÜV e. V. STUDIE ZUM IMAGE DER MPU

AGROPLUS Buchhaltung. Daten-Server und Sicherheitskopie. Version vom b

Erst Lesen dann Kaufen

Nachts in der Stadt. Andrea Behnke: Wenn es Nacht wird Persen Verlag

Platinen mit dem HP CLJ 1600 direkt bedrucken ohne Tonertransferverfahren

Situa?onsbeschreibung aus Sicht einer Gemeinde

Outlook. sysplus.ch outlook - mail-grundlagen Seite 1/8. Mail-Grundlagen. Posteingang

Qualität und Verlässlichkeit Das verstehen die Deutschen unter Geschäftsmoral!

1. Standortbestimmung

AUSBILDUNG eines OBEDIENCE HUNDES

Zwischenablage (Bilder, Texte,...)

O du fröhliche... Weihnachtszeit: Wie Sarah und ihre Familie Weihnachten feiern, erfährst du in unserer Fotogeschichte.

1. Was ihr in dieser Anleitung

Gymnázium a Střední odborná škola, Rokycany, Mládežníků 1115

B: bei mir war es ja die X, die hat schon lange probiert mich dahin zu kriegen, aber es hat eine Weile gedauert.

Erfahrungen mit Hartz IV- Empfängern

Rohstoffanalyse - COT Daten - Gold, Fleischmärkte, Orangensaft, Crude Oil, US Zinsen, S&P500 - KW 07/2009

einen Vibrator benutzt; wie man bei einem Kredithai einen Kredit zu 17 Prozent aufnimmt, der in 30 Tagen zur Rückzahlung fällig wird; wie man seinen

Info zum Zusammenhang von Auflösung und Genauigkeit

Geld Verdienen im Internet leicht gemacht

Versetzungsgefahr als ultimative Chance. ein vortrag für versetzungsgefährdete

Evangelisieren warum eigentlich?

4. Das neue Recht der GmbH ein Überblick

Alle gehören dazu. Vorwort

Gesprächsführung für Sicherheitsbeauftragte Gesetzliche Unfallversicherung

BPI-Pressekonferenz. Statement. Dr. Martin Zentgraf. Geschäftsführer der Desitin Arzneimittel GmbH und Mitglied des BPI-Vorstandes Berlin

Serienbrieferstellung in Word mit Kunden-Datenimport aus Excel

Was ich als Bürgermeister für Lübbecke tun möchte

50 Fragen, um Dir das Rauchen abzugewöhnen 1/6

Grußwort Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Produktpiraterie

Um Ihre Ziele durchzusetzen! Um Beziehungen zu knüpfen und zu pflegen! Um in Begegnungen mit anderen Ihre Selbstachtung zu wahren!

Liebe oder doch Hass (13)

Lernerfolge sichern - Ein wichtiger Beitrag zu mehr Motivation

Informatik Kurs Simulation. Hilfe für den Consideo Modeler

Hohe Kontraste zwischen Himmel und Landschaft abmildern

Primzahlen und RSA-Verschlüsselung

Kreatives Occhi. - V o r s p a n n - Alle Knoten und Knüpfelemente sowie ihre Verwendbarkeit. Die Knoten

geben. Die Wahrscheinlichkeit von 100% ist hier demnach nur der Gehen wir einmal davon aus, dass die von uns angenommenen

Wir machen uns stark! Parlament der Ausgegrenzten

DIE IEDLE VON CATAN THEMEN-SET ZUM ARTENSPIE FÜR ZWEI SPIELER WIND & WETTER. Stefan Strohschneider Stephan Leinhäuser

Also: Wie es uns geht, das hat nichts mit dem zu tun, ob wir an Gott glauben.

Die Giraffe. Leseverstehen. Name: Aufgabe 1. 2 Wie schnell sind Giraffen? 3 Was schmeckt Giraffen am besten? 4 Haben Giraffen gute Augen?

Nina. bei der Hörgeräte-Akustikerin. Musterexemplar

Darum geht es in diesem Heft

Lichtbrechung an Linsen

Gefahr erkannt Gefahr gebannt

Informationen zum Ambulant Betreuten Wohnen in leichter Sprache

predigt am , zu römer 16,25-27

Was ist Sozial-Raum-Orientierung?

Waggonbeleuchtung. Stützkondensatoren

1 Mathematische Grundlagen

Markus 13, Wie ist es, wenn die Welt aufhört? Und wenn die neue Welt von Gott anfängt.

Holiday plans: ein Gespräch über Urlaubspläne

DAS PARETO PRINZIP DER SCHLÜSSEL ZUM ERFOLG

der die und in den von zu das mit sich des auf für ist im dem nicht ein eine als auch es an werden aus er hat daß sie nach wird bei

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Eltern, Freunde,

Krippenspiel für das Jahr 2058

ES GEHT NICHTS ÜBER EX-AZUBIS, Leiter der Fertigung, Produktbereich Blech, bei

Was meinen die Leute eigentlich mit: Grexit?

Zahlenwinkel: Forscherkarte 1. alleine. Zahlenwinkel: Forschertipp 1

Mind Mapping am PC. für Präsentationen, Vorträge, Selbstmanagement. von Isolde Kommer, Helmut Reinke. 1. Auflage. Hanser München 1999

1: 9. Hamburger Gründerpreis - Kategorie Existenzgründer :00 Uhr

Umgang mit Schaubildern am Beispiel Deutschland surft

Unsere Ideen für Bremen!

Dies sind die von Ihnen angeforderten QuantumNews für Kunden und Freunde der Naturheilpraxis * Andreas Frenzel * QuantumTao * Coaching * Paarberatung

Ideen für die Zukunft haben.

Würfelt man dabei je genau 10 - mal eine 1, 2, 3, 4, 5 und 6, so beträgt die Anzahl. der verschiedenen Reihenfolgen, in denen man dies tun kann, 60!.

BaseCamp OS X, Zümo 590 und die unterschiedliche Punkte in einer Route:

Wir machen neue Politik für Baden-Württemberg

DollarIndex? AUD/JPY, AUD/USD? CHF/JPY - EUR/CHF, EUR/GBP, EUR/JPY, EUR/USD -

1 MIO ÖSTERREICHISCHE SKIFAHRER SCHÜTZEN SICH BEREITS MIT HELM - UM MEHR ALS IM VORJAHR

東 京. Tokyo Hallo ihr Lieben! Ich weiß es hat etwas gedauert, aber dafür gibt es eine schöne PDF-Datei.

Nina. 2. Ninas Mutter lebt nicht mit Nina und der Familie zusammen. Warum könnte das so sein? Vermute. Vielleicht ist sie. Möglicherweise.

Statuten in leichter Sprache

Tag der Schulverpflegung 2014

Professionelle Seminare im Bereich MS-Office

Hautkrebsscreening. 49 Prozent meinen, Hautkrebs sei kein Thema, das sie besorgt. Thema Hautkrebs. Ist Hautkrebs für Sie ein Thema, das Sie besorgt?

Mit der Lena, 15er P-Jollenkreuzer Bj haben wir in den letzten 7 Jahren die Region Müritz intensiv besegelt.

Das sogenannte Beamen ist auch in EEP möglich ohne das Zusatzprogramm Beamer. Zwar etwas umständlicher aber es funktioniert

Der Aufenthalt der europäischen Klasse in Berlin

Transkript:

Die Steine der Inkas - Auf den Spuren versunkener Hochkulturen in Peru - Es war sicher eine militärische Glanzleistung, wie die spanischen Eroberer, die Conquistadores, da mit einem vergleichsweise kleinen Heer ein Weltreich besiegten und unterjochten. Einen Staat, der sich zu jener Zeit von Mittel- bis weit nach Südamerika hinunter ausdehnte. Die Eindringlinge mordeten und plünderten mit unglaublicher Brutalität. Wenn auch, wie zu jener Zeit üblich, im Namen der Jungfrau Maria. Und im Auftrag der spanischen Krone. Nicht minder stark getrieben von der Gier nach Schmuck und vor allem Gold, versteht sich, das in unvorstellbaren Mengen geraubt und nach Spanien abtransportiert wurde. Dies alles geschah ohne Verständnis, Pardon und Gnade für die hier lebenden Völker, die unterworfen, erpresst, gemordet und schließlich zum römisch-katholischen Glauben gezwungen, oder neutraler: bekehrt, wurden. Und dies alles geschah ohne jede Kenntnis, geschweige denn Achtung vor der langen Geschichte dieses Landes, seinen Werten, dem Glauben der Inkas, ihren Organisations- und Staatsformen oder den profanen und religiösen Bauwerken der Unterdrückten. Alles oder fast alles wurde vernichtet, zerstört, abgerissen und dem Erdboden gleichgemacht. Damals, vor etwa 450 Jahren. Und dann kommt noch ein besonders makaber anmutender Aspekt der modernen Geschichte hinzu: Die restlichen Steine, Mauern und Ruinen der Inkas, die dennoch der Zerstörungswut der Spanier entgangen sind, werden jetzt nochmal und erneut ausgebeutet! Und zwar von den Nachkommen jener spanischen Eroberer, welche diese Reste als touristisch interessante Objekte vermarkten. Und zwar ausgesprochen erfolgreich. Mit einem Umsatz im Tourismusgeschäft von etwa 50 Milliarden Mark. Pro Jahr, versteht sich. Allein in Peru. Und weiter: auch heute wieder spielen die Indios nur eine untergeordnete Rolle: Als billige Produktionskräfte von Reise-Souvenirs die Kinder. Die Frauen als malerische und photogene Staffage von Indiomärkten. Und als günstige Arbeitskräfte beim Straßenbau über die Anden schließlich die Männer jenes seit Jahrhunderten geschundenen und bis in unsere Tage ausgebeuteten Volkes... Ich denke, man kann nicht durch Südamerika reisen, ohne sich diese Zusammenhänge immer wieder vor Augen geführt zu haben. Was eigentlich nicht schwer fallen sollte. Denn man begegnet derartigen Hinweisen immer wieder und auf Schritt und Tritt. Selbst auf den üblichen ein bis zwei Stunden Stipvisiten bei den sogenannten touristischen Höhepunkten, zu denen man in atemloser Hast durch Peru getrieben wird, bei jenen beliebten alles-enthalten-in-14-tagen-rundreisen. Doch nun zu den Steinen der Inkas. Es sind die wohl am kunstvollsten bearbeiteten Steinquader, die wir jemals gesehen haben. Besonders jener riesige, unregelmäßig-12-eckige Stein, der sich ohne ein Gramm Mörtel millimetergenau in die Mauer auf der Calle Rumiyoc einfügt. In Cuzco, einer der schönsten Städte Südamerikas. Cuzco, in einem Andental gelegen, auf einer Höhe von etwa 3.400 m, war vom 13. bis zum 16. Jahrhundert die Hauptstadt der Inkas. Bis der Spanier Pizarro die Stadt in jenem erwähnten Okkupationskrieg eroberte und zur Hauptstadt des damaligen Kolonialreiches der gesamten Region machte. Die Bauten jener Zeit sind nahezu vollständig erhalten und bilden an der zentralen Plaza de Armas ein unvergleichliches Ensemble des typischen Baustils dieser Epoche mit der Kathedrale, der Jesuitenkirche, den Bürgerhäusern mit Arkaden, holzgeschnitzten Balkons und dem Universitätsgebäude.

- 2 - Überall pulsierendes Leben! 250 000 Einwohner hat die Stadt. Daneben über das ganzen Jahr verteilt Touristen aus aller Herren Länder. Auf den Straßen in langer Kette aufgereiht Autobusse, Laster, Taxis und einige wenige private PKWs. Mitten in der Stadt der Flughafen. Freundliche Verkehrs-Polizisten, viele patroullierende Fremden-Polizisten, die vor Taschendieben oder anderen Belästigungen schützen sollen (und damit in der Tat überaus erfolgreich sind). In diesem Zusammenhang: Peru ist heute ein absolut sicheres Reiseland. Sein Präsident Fujimoro hat gegen Banditentum und Räuberei mit aller Konsequenz und Härte durchgegriffen, zuletzt wohl bei jener Botschaftsbesetzung in Lima vor einigen Jahren. Er hatte die katastrophale Auswirkung des zunehmend schlechten Rufes für Peru, ein unsicheres Reise- Land zu sein, auf den recht wichtigen Wirtschaftszweig des Tourismus sehr rasch erkannt und entsprechend gehandelt. Allenthalben stehen Polizeistreifen an den Straßen. Man wird - als Tourist - ohne Ausnahme freundlich behandelt, nie gibt es unangenehme Konfrontationen, nie Ablehnung, gar Aggressionen oder ein böses Wort! Deshalb ist auch jener Absatz in dem Südamerika-Führer von Walther dringend korrekturbedürftig, der da vor der fast 700 km langen Anden-Strecke von Cuzco nach Nazca mit den Worten warnt:...gefährlich, weil die Busse Angriffen von Terroristen und Banditen ausgesetzt sind... Diese Feststellung gehört in das Reich der Fabel. Richtig ist, daß es sich bei eben dieser Route um eine sehr viel befahrene Strecke handelt (wenn nicht um die Trans-Anden-Trasse schlechthin), die zudem (auch im Gegensatz zu den Beschreibungen anderer Führer wie Mai s und APA Guides) jetzt bis auf etwa 120 km um Abancay durchgehend asphaltiert ist und atemberaubende Paßfahrten sowie unvergleichliche Landschaftseindrücke bietet. Ich würde also genau umgekehrt argumentieren! Wer die Anden überquert, etwa von Lima in Richtung Titicaca-See, sollte genau diese Route, also die Nationalstraße 26 wählen. Sie ist von allen sicheren Straßen die allersicherste, die am meisten befahrene und die mit dem kürzesten Anteil von Schotterpiste. Wobei mit Hochdruck an der Fertigstellung der restlichen Abschnitte gearbeitet wird und in absehbarer Zeit ein durchgehender Asphaltbelag die Andenüberquerung zu einem nur noch schönen und nicht mehr zusätzlich anstrengenden Erlebnis werden läßt. Unabhängig von allem bleibt aber natürlich der eigentlich selbstverständliche Rat an jeden Südamerika- Touristen, auf sein Geld und seine persönlichen Dinge aufzupassen und jedes aufreizende Gehabe oder allzu zudringliches Photographieren zu vermeiden... Zur politischen Situation noch ein Wort: Die offensichtlich auch mit militärischen Mitteln wiederhergestellte politische Ordnung, das Erstarken der Wirtschaft und die Anlehnung an die großen Wirtschaftsmächte der Welt lassen zu Gunsten eher konservativer politischer Kräfte notgedrungen nur wenig Raum für Abgrenzungsbestrebungen ethnischer Minderheiten, kultureller Besonderheiten oder ökologische Aktivitäten. Wir kehren zurück zu den Spuren der Inka-Kultur. Auf unserer Fahrt durch Südamerika besuchen wir im heiligen Tal der Inkas unterschiedlich gut erhaltene Anlagen, die uns etwas über ihr Wohnen und Leben berichten

- 3 -. Zunächst bummeln wir über einen der bekanntesten Märkte in dieser Region, nämlich den des Ortes Pisaq. Nach dem Einkauf einiger typischer Decken und Kleidungsstücke führt uns der Weg auf den im Hintergrund gelegenen Berg zu einer präkolumbianischen Ansiedlung. Sie ist durch gewaltige Terrassenanlagen ausgezeichnet. Wir erkennen Gräberfelder, Wachttürme und Häuserreste. Man kann sich sehr gut die beherrschende Rolle dieser Stadt in den vergangenen Jahrhunderten vorstellen... Am Urubambafluß geht es weiter zur gleichnamigen Stadt und etwas weiter dann nach Ollantaytambo, mit einem weiteren monumentalen Festungsbau, der sich vom Fuß des Berges weit hinauf zieht. Mit Bewässerungsgräben unten, Stufen- und Treppen-Anlagen etwas weiter bergan, Tempeln, Wachttürmen, Plätzen und Wohnhäusern auf verschiedenen Höhen. Riesige Steinquader sind wieder exakt zueinander passend zu gewaltigen Mauern aufgetürmt. Monolithen, Opfersteine, Tore und gewaltige Terrassen zeugen von unglaublichem architektonischen Ideenreichtum und großem technischen Können der Baumeister des Inkareiches jener Tage. Von hier, von Ollantaytambo, sollte uns am folgenden Tag die Eisenbahn zum Machu Picchu bringen... Kein Zweifel: Die Inkastadt Machu Picchu stellt den absoluten Höhepunkt einer Reise durch das Gebiet der Inkas dar (selbst dann, wenn es den ganzen Tag regnet, wie beispielsweise bei unserem Besuch!). Das Besondere an dieser Stadt auf einem Berggipfel ist, daß sie der Zerstörungswut der spanischen Eroberer entgangen ist: Wie durch ein Wunder haben die Conquistadores sie damals nicht gefunden! Vielleicht war diese Stadt im Urwald auf einem häufig wolkenverhangenen Berg eben doch zu gut versteckt! Sie wurde erst Anfang unseres Jahrhunderts neu entdeckt! Daher ist alles hervorragend erhalten. Man braucht sich lediglich vorzustellen, daß die Häuser wieder Dächer bekommen, und schon könnte man wieder hier hausen. Da die Inkas keine Schrift kannten, stehen den Wissenschaftlern wesentliche und überall sonst vorhandene Möglichkeiten, über das damalige Leben Informationen zu erhalten, nicht zur Verfügung. Es fahren von Ollantaytambo morgens drei Züge zum Machu Picchu ab. Zunächst der für Autotouristen. Er ist eingerichtet für die Besucher, die sehr früh in Cuzco mit dem Bus gestartet sind. Da gerade die Eisenbahner streiken, gibt es keinen Zubringer auf Schienen aus Cuzco hierher zum Startpunkt des eigentlichen Machu Picchu-Zuges. Sie dürfen nun hier als erste einsteigen. Denn dieser wichtige devisenbringende Zug wird aus sehr vordergründigen Überlegungen eben nicht bestreikt. Etwa 30 Minuten später folgt der offizielle Touristen-Zug mit Pullmanwagen. Für den haben wir Karten ergattert. Er ist nicht ganz voll: denn zur Zeit ist keine Saison! Wieder eine halbe Stunde später folgt der Zug für die Indios. Er ist wieder überfüllt. Alle nehmen Unmengen von Gepäck mit; eine andere Transportmöglichkeit auf den Berg gibt es nicht. Natürlich gibt es Preisunterschiede bei diesem Transportsystem: Im ersten Zug darf man für 55 $ Platz nehmen. Die zweite Passage ist trotz identischer Ausstattung für nur 14 $ pro Person zu haben. Im dritten Zug ist man gar für 20 Soles, also lediglich 7 $ für die Hin- und Rückfahrt mit dabei! Die Fahrt dauert etwa 2 Stunden. Die Geleise folgen dem jetzt durch viele Regengüsse randvollen, wild dahinströmenden Urubamba-Fluß talabwärts. Auf einer Strecke von etwa 40 km geht es etwa 1000 Höhenmeter hinunter. Wir sehen nun eine fast tropische Vegetation. Alles grünt und blüht. Besonders auffallend die rot und gelb blühenden Bromelien und Orchideen.

- 4 - Ankunft am Fuße des Berges, auf dessen Gipfel die Inkastadt liegt. Auf dem Weg vom Bahnhof zu den Kleinbussen, die uns aus dem Tal jetzt wieder nach oben bringen sollen, in einer Serpentin- und Schlangenfahrt, stürzen sich Andenkenhändler, Verkäufer von Decken, Schmuck und Kleidungsstücken erneut auf uns. Sie sind besonders aufdringlich. Vielleicht liegt das daran, daß zur Zeit so wenige Touristen kommen? Die Regenwolken tauchen das, was da oben in der Inkastadt überhaupt erkennbar ist, in ein gespenstischfahles und milchiges Licht. Wir stehen auf einer etwas herausragenden Anhöhe und müßten das ganze Gelände eigentlich herrlich überschauen können. Zunächst erkennen wir aber nur eine gut erhaltene Mauer in unserer unmittelbaren Nähe. Sonst ist nichts zu sehen. Wir sind sehr enttäuscht. Doch dann reißen plötzlich die Wolken auf und der unmittelbar vor uns liegende landwirtschaftliche Sektor mit seinen Terrassen wird sichtbar. Etwas später steigen wir ab in die Stadt und kommen in die Region der Tempel. Die Heiligtümer finden sich auf verschiedenen Ebenen. Der bedeutendste ist wahrscheinlich der halbrunde und auf einem Granitfelsen erhöht stehende Sonnentempel. Seine Mauern sind aus fein geschliffenen Steinquadern zusammengefügt. Später überqueren wir vier weitere ineinander übergehende Ebenen und Plätze und erreichen die Region der Paläste, schließlich die der Wohnhäuser. Abseits am südlichen Rand des Geländes ist die Region der Gräber erkennbar. Zwischendurch jagen immer wieder Wolken wie dichte Nebelschwaden über und durch die Ruinenstadt. Es ist, als würde wie im Theater unvermittelt der Vorhang zugezogen, obwohl man gern noch weiter schauen möchte. Regen peitscht uns ins Gesicht, um wenige Minuten später wieder aufzuhören und erneut einen nun wieder klaren Blick auf bunte Gemäuer, Terrassen oder Plätze frei zu geben. Das ganze Areal umfaßt eine Fläche von etwa 30 bis 40 ha. Man nimmt an, daß zur Blütezeit dieser Inkastadt mehrere Tausend Menschen hier gelebt und gearbeitet haben, auf diesem geheimnisvollen Felsen am Ostrand der Anden. Dieses sagenumwobene Volk der Inka läßt uns auch in den folgenden Tagen nicht los. In Chincheros besuchen wir einen Ruinenkomplex, der aus Terrassen, Gebäuderesten und Kultstätten besteht und einer Kirche im Kolonialstil, die auf eben diesem Grund erbaut ist und sich auf alte Inkamauern stützt. Das haben wir übrigens mehrfach gesehen. Wie alte und kunstvoll zusammengefügte Mauern aus der Inkazeit von den Spaniern als tragfähige Fundamente für neue, eigene Kirchen oder Paläste genutzt wurden. Im Inneren der Kirche von Chinchero, bei der wir uns gerade aufhalten, begeistern uns eine herrlich bemalte Kirchendecke im Schiff und mehrere erstaunlich gut erhaltene wunderschöne Wandbilder, die leider nicht photographiert werden dürfen. Hinter dem etwas ungewöhnlichen Namen Saqsaywaman verbirgt sich - zwischen sanften Hügeln wenige Kilometer oberhalb von Cuzco - ein beeindruckender, gewaltiger Ruinenkomplex mit fast zyklopischen Steinmauern. Wieder ohne Mörtel sind hier Steinquader zusammengefügt, von denen einzelne über 100 Tonnen wiegen. Die Inkas nannten dieses festungsähnliche Bauwerk Haus der Sonne. Es enthielt Türme, Portale, Wasserkanäle und Wohnungen. Wir haben viel Zeit, uns von den bearbeiteten Steinen fesseln zu lassen; sie strömen Ruhe aus, die nur von einer rhythmischen Trommelmusik unterbrochen wird. Wir schauen uns um und erkennen, daß sie von einem jungen Mann herrührt, der mit seinem Instrument ganz oben auf einer der Inkamauern sitzt. Versonnen und hingebungsvoll lauscht er den Tönen, die er unermüdlich seiner Trommel entlockt.

- 5 - Das Gelände dieses archäologischen Parks ist groß. Ich laufe etwas abseits von der offiziellen Route und komme auf einen kleinen Hügel. Er gestattet einen herrlichen Blick auf die schräg unter mir liegende Stadt Cuzco. Sie ist nicht so weit entfernt, als daß ich nicht recht gut nochmal die Plaza de Armas erkennen kann. Mit ihren Grünanlagen, den Bürgerhäusern und der alles überragenden Kathedrale. Cuzco im Licht der Nachmittagssonne, im Hintergrund die Andenzüge. Ein wunderschönes Bild, das ich lange im Gedächtnis behalten möchte! Wir müssen Abschied nehmen von dieser geschichtsträchtigen aber auch geheimnisvollen Region. Sie hat uns besonders durch ihre Steine beeindruckt. Steine, die von Menschen bearbeitet, transportiert und zusammengefügt wurden. Zu Kunst- und Bauwerken geformt in einer Art, die wir heute nicht mehr beherrschen. Steine, die zu einem geringen Teil der Zerstörungswut der Menschen standgehalten haben. Steine, die auch durch Erdbeben nicht verrückt worden sind Wir nehmen Abschied von diesen Steinen. Von den Steinen der Inkas. Mit Bewunderung und großer Hochachtung. 2000, Prof. Eike Uhlich