C. Wolfgang Müller zum 12. November im SPI. Wie ich es sehe...



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1 C. Wlfgang Müller zum 12. Nvember im SPI Wie ich es sehe... Ich will nicht warten, bis ein Dktrand der eine Habilitandin ihre Qualifikatinsarbeiten als Mngrafien über den Beitrag vn C.W. Müller zur Szialen Arbeit schreibt. Das würde dann, s denke ich, eine Arbeit werden, in der mein Verhältnis zu bestimmten wissenschaftstheretischen Psitinen einschätzend untersucht würde. Etwa zu der histrisch-materialistischen Sichtweise vn Dankwart Danckwerts, zu der strukturtheretischen Messlatte, die Luhmann angelegt hat und deren Beachtung Hans-Uwe Ott einfrdert, der zu der lebensweltlichen Alltäglichkeit, die Hans Thiersch mit der Hffnung auf ein gelingendes Leben` verbindet. Ich finde slche Reflektinen wichtig und für unsere Zunft unentbehrlich. Aber ich selber möchte mich an ihnen in der Rückschau auf meine bisherige prfessinelle Tätigkeit nicht beteiligen. Die Geschichte unserer Disziplin hat mich weniger interessiert, als die Geschichte der Berufe, die wir immer nch unsicher tastend mit den beiden Wörtern Sziale Arbeit` bezeichnen. Mich an der realgeschichtlichen nicht an der ideengeschichtlichen Aufhellung dieser Geschichte zu beteiligen und weiterführende Knsequenzen für die Gegenwart abzuleiten, war und ist mir wichtig. Und ich weiß, dass man die Dinge, die einem besnders wichtig sind, selber machen muss. Als will ich Ihnen heute, am 12. Nvember 2003, meine Laudati vrstellen. Dabei werde ich Psitinen berühren, die inzwischen zur Zeitgeschichte gehören. Deshalb ist Hartmut Brcke auf die Idee gekmmen, eine Kllegin und zwei Kllegen zu bitten, sich anschließend zur möglichen Tragfähigkeit meiner Psitinen in heutiger Zeit kritisch zu äußern. Ich bedanke mich im Vraus für diese Mühewaltung und bin gespannt auf ihre Beiträge, die ich wie wir alle nch nicht kenne. Ich glaube drei Grundhaltungen in meiner prfessinellen Entwicklung zu erkennen, die zu Richtsätzen geführt haben, denen ich geflgt bin, genauer: denen ich gerne geflgt sein würde. Denn Sie alle wissen: Bildungsziele (auch die eigenen) sllte man tunlichst im Knjunktiv frmulieren. Ich möchte für Zugangsgerechtigkeiten stehen Menschen in unserem Lande sind nicht nur gleich vr Gesetz und Richter, sie sllen auch im Hinblick auf ihre Zugangschancen zu gesellschaftlichen Ressurcen, die unsere Lebensqualität bestimmen, gerecht behandelt werden. Ich bin in einer szialdemkratischen Familie grß gewrden. Mein Vater war Vlkswirtschaftler und als Bdenrefrmer Genssenschaftler. Er war vm kllektiven, das heißt gesamtgesellschaftlichen Charakter der Wirtschaft und des Wirtschaftens überzeugt, er misstraute dem neliberalen Vertrauen auf die selbstregulierende Kraft der Märkte, wenn ihnen nicht der regulierende Wille eines demkratischen Staates gegenübersteht. Philsphisch gesprchen war er Humanist und Optimist und glaubte an die nahezu grenzenlse Bildsamkeit vn Menschen, wenn ihnen nicht die Zugangswege zu dieser Bildung zu ihrer Bildung und zu ihrer Selbstbildung verstellt würden. Das war damals, ich rede vn den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine entscheidende szialdemkratische Psitin. Sie unterschied uns vn den Beschlusslagen der KPD, die jeden Sektr der Wirtschaft verstaatlichen wllte. Wir

2 setzten damals auf eine allgemeine und plyvalente Menschenbildung, die histrische und intergenerativ weitergegebene Privilegien abbauen sllte. Es war im Grunde die Frtschreibung vn Jhann Ames Cmenius, dass allen alles gelehrt werden sllte und dass alle alles können und machen dürfen. Zum Abbau histrischer und intergenerativ vererbter nicht erwrbener Privilegien gehört auch die Sicherung elementarer Lebensbedingungen, als die Herstellung vn Lebensqualität, sie geht in einer reichen Gesellschaft über die Sicherung vn Grundbedürfnissen hinaus. Die Sicherung dieser Lebensbedürfnisse bedeutet auch die Reduzierung vn Unsicherheit und Existenzangst. Als beispielsweise auch den Abbau vn Arbeitslsigkeit die ja nicht nur ein wirtschaftliches, sndern auch ein szialpsychlgisches Prblem darstellt. Aber nicht nur neliberale Theretiker glauben, dass die Angst um den Arbeitsplatz eine heilsame Triebfeder wäre, um das Krankfeiern zu bekämpfen, den Leistungswillen anzusprnen und den Knkurrenzkampf mit den Mitbewerbern um die rar gewrdenen Arbeitsplätze zu erhöhen. Welche eine Lebensperspektive. Mein Verständnis vn Zugangsgerechtigkeit zu Lebenschancen, meint nicht ntwendig Gleichheit` - snst gäbe es im Sprt kein Handicap`. Diese Zugangsgerechtigkeit darf man, s denke ich, nicht nur frdern, wir müssen sie auch im eigenen prfessinellen Leben zeigen. Ich denke, ich habe den Versuch gemacht, dies zu tun. Ich habe Hunderten vn Studienbewerberinnen hne Abitur den Weg zur Snderreifeprüfung` gezeigt und gebahnt und ihnen ein wissenschaftliches Studium ermöglicht. Unser Institut für Szialpädaggik an PHB und TUB hat hchschuldidaktisch grße Anstrengungen unternmmen, um Studierende, die vn ihren Familien und ihren Schulen nicht darauf vrbereitet wrden waren, anzuleiten, wissenschaftlich zu arbeiten und mit einem wissenschaftlichen Studium hne inhaltliche Kmprmisse zu versöhnen. Aber während andere Studienrte ihre Einserabschlüsse` zählten (und die Studienabbrecher verschwiegen), zählten wir den Anteil unserer erflgreichen Diplmanden, die Arbeitertöchter (und Arbeitersöhne) aus Wedding und Neukölln waren, aus Wanne-Eckel und vn der Schwäbischen Alp. Die Lektüre der WELT AM SONNTAG vm September hat mich belehrt, dass diese unsere Praxis eine falsche, eine gefährliche, eine schädliche war. Ulf Pschardt schreibt drt über die neue sziale Frage`: Jetzt rächt sich, was an falscher Güte und Leistungsfeindlichkeit in den 70er Jahren gesät wurde. Die damals umgarnten Arbeiterkinder sind in ihrem Klassenbewusstsein gestärkt, aber in die Irre geführt wrden. Anstatt Leistungswillen, Fleiß und Disziplin als Ausweg aus Armut und Nt zu prpagieren, wurden Umverteilungsphantasien genährt. Umverteilungsphantasien...?` In der Tat bin ich davn überzeugt, dass der gesellschaftlich erwrbene Reichtum allen gehört, die ihn erarbeitet und erwirtschaftet haben. Aber gerade der Zugang zu einer plyvalenten Allgemein- und Berufsbildung ist in einer Zeit ein Essential, in der die Kapitalverwertungsbedingungen ptimiert und die Preise für die Ware Arbeitskraft gedrückt werden. Mit meiner Haltung gegenüber Allgemeinbildung und Berufsbildung hängt ein zweiter Richtsatz zusammen, dem ich immer flgen wllte:

3 Studieren heißt in der Szialen Arbeit` prfessinell zu handeln lernen Nch immer haben wir in der geisteswissenschaftlichen und szialwissenschaftlichen akademischen Ausbildung jene unselige Trennung in die theretische Aneignung in Vrlesungen und Seminaren und die (ungeliebte) praktische Übung in Hspitatinen und Praktika. Dabei gerät aus dem Blick, dass selbstverständlich auch die theretische Aneignung ihre handwerkliche Seite hat wer lernt an der Uni schn angstfrei denken und blckadefrei schreiben? -, sndern dass auch das in den Praktika zu Übende hne theretische Deduktinen und hne theriegeleitete Reflexinen nur zusammenhanglse Imitate generiert. Deshalb haben wir in unserem Institut in Pädaggischer Hchschule und Technischer Universität vn Anfang an und das heißt seit Beginn der 70er Jahre unser Studium in der Hauptdiplmphase um ein Therie-Praxis-Seminar gruppiert und knzentriert. In ihm sllten Studierende lernen, auf der Basis wissenschaftlicher Kenntnisse und Erkenntnisse vier Semester lang ein zusammenhängendes prfessinelles Prbehandeln zu üben, das nicht flgenls bleiben durfte. Seit der Optin unseres Institutes für die Technische Universität Berlin haben wir 202 slcher Therie-Praxis-Seminare durchgeführt. Wir haben dabei gelernt, Ferienreisende für behinderte Jugendliche zu rganisieren (und dabei unsere Knzepte vn behinderten Jugendlichen zu überprüfen), mit der alltäglichen Gewalt in Jugendzentren umzugehen (und dabei unsere bildungsspezifische Angst vr körperlicher Gewalt zu thematisieren und partiell zu überwinden), mit Kindern in Wald und Feld öklgische Grundbildung zu betreiben, Prstituierten zu helfen, sich zu rganisieren und ein verlassenes nrwegisches Fischerdrf unter dem Plarkreis als internatinales Prjekt der Qualifizierung vn ausbildungsplatzlsen Jugendlichen neu zu beleben. Alls diese Prjekte waren für uns keine Prjekte, praktisch gewendete Nächstenliebe, sndern Aneignungsflächen prfessinellen szialarbeiterischen und szialpädaggischen Handelns in knkreten Situatinen als Aneignungsflächen methdischen prfessinellen Arbeitens. Ich selbst habe mich frühzeitig für die szialhistrischen und zeitgeschichtlichen Ursprünge methdischen Arbeitens in der Szialen Arbeit interessiert. Eine Einladung der englischen Königin und die luxurierenden Bedingungen als Harkness Fellw in den USA haben mir dabei sehr gehlfen und ich erwähne sie mit Dankbarkeit. Meine internatinalen Studien haben mich belehrt, dass unsere Prfessin einen handwerklichen Kern hat, der nicht staatlich auch nicht szialstaatlich verrdnet, sndern der durch viele unterschiedliche sziale Bewegungen abgetrtzt und entfaltet wrden ist. Durch religiöse Bewegungen jenseits der etablierten Kirchen, durch bürgerliche Bewegungen in Kritik am etablierten Bürgertum, durch Frauenbewegungen, Jugendbewegungen, Friedensbewegungen und Öklgiebewegungen und durch die unzähligen Selbsthilfegruppen der letzten Jahrzehnte in unserem Land. S habe ich Gruppenpädaggik vn der bürgerlichen und der prletarischen Jugendbewegung im Berlin der Jahrhundertwende über die recreatinal mvement in den USA bis zur scial grup wrk vn Gisela Knpka und zur Gruppendynamik vn Kurt Lewin verflgt. Auch Gemeinwesenarbeit vn Saul Alinsky in den USA bis zu Pfarrer Duntze in Berlin-Kreuzberg und zu den gegenwärtigen Wiederbelebungsversuchen der Szialen Stadt` durch unsere Bundesregierung. Und Beratung im Gespräch` vn Mary Richmnd über Alice Salmn und Carl Rgers bis hin zu Dra vn Caemmerer und den Klleginnen aus England, den USA und Australien, deren handlungsrientierte Lehrbücher ich in den letzten Jahren für den BELTZ-Verlag ü- bersetzt habe.

4 Diese meine handwerkliche Orientierung ist nicht immer auf Gegenliebe unter meinen universitären Kllegen gestßen. Und auch die Studierenden haben nicht immer zustimmend reagiert. In den aufregenden und anregenden Zeiten der Studentenbewegung galt Handwerk` als Handwerkelei`. Auch heute blicken junge, zukunftsfrhe Kllegen eher amüsiert auf die drei alten Methden aus der Zeit vn Dampflkmtive und Dampfradi. Sie verkennen manchmal, dass die klassischen Frmen prfessinellen Handelns in der Szialen Arbeit kmplexe, kmmunikatinstheretisch fundierte sziale Interaktinsprzesse beschreiben. Sie beschreiben die Organisatin vn szialen Lehr- und Lern-Przessen, sind als Snderfrmen einer allgemeinen Didaktik allerdings lebensphasenspezifisch rganisiert und situativ rientiert. Das macht ihren Unterschied zum schulischen Lehren und Lernen aus. Auch in der Szialen Arbeit bis hin zur Szialarbeit im engeren Sinne geht es immer um Lehren und Lernen, als um Bildungsprzesse, die in das Arbeitsgebiet der Erziehungswissenschaft fallen. Das ist die Kernaussage meiner wissenschaftlichen Frschung und Tätigkeit in den letzten vierzig Jahren. Dass diese Kernaussage in meiner Zukunft bisher nicht deutlich wahrgenmmen der gar estimiert wrden ist, das ärgert mich in der Tat. Ich kmme zu meinem dritten Richtsatz: Lehren und Lernen ich betne: Lehren und Lernen ist in der Szialen Arbeit (und nicht nur in ihr) ein ganzheitliches Unternehmen. Zu ihm gehört neben kgnitiven Anstrengungen eine Menge Sinnlichkeit. Ich meine damit zunächst einmal, dass wir unseren ganzen Körper einbeziehen sllten, wenn wir prfessinell mit anderen Menschen kmmunizieren (- ihnen zuhören, sie beraten, sie belehren, ihnen widersprechen, mit ihnen leiden`...) und dass wir gleichzeitig bei unseren Partnern, Klienten, Adressaten... alle Sinne ansprechen der ihnen zumindest Gelegenheit geben sllten, mit allen Sinnen ganzheitlich wahrzunehmen. Das sll kein banaler Hinweis auf die Ntwendigkeit sein, auch den Bauch mit einzubeziehen`. Einmal ist auch der sgenannte Bauch` ein Ort, der an der Prduktin kgnitiver Leistungen beteiligt ist. Zum anderen kann der Hinweis auf den Bauch` zu einer ungemäßen Verteufelung kgnitiven Denkens führen. Du bist mir zu verkpft. Ich kann dich gar nicht richtig wahrnehmen...`ich habe diese Aussage nie verstanden. Als b der Kpf nicht auch zum Körper gehören würde. Und das ist die andere Seite der Medaille: Ich habe die gegen die Verkpfung` gerichtete Reaktin mancher Studierender (und mancher Kllegen) auch als Reaktin auf die blässliche Intellektualität mancher ihrer Gesprächspartner empfunden und gleichzeitig auf den knservativen Fundamentalismus vn Berufspraktikern, die sich in der Attitüde whlfühlen, in der sie sind. Ich zitiere mich selbst in einem Briefing für Szialarbeit aus dem Jahre 1990: Seit Jahren bin ich einer Berufskrankheit vn uns Szialpädaggen auf der Spur, die ich der Anschaulichkeit halber Rumpelstilzchen-Syndrm` nennen möchte (...). Wir verwenden unsere Persn und unseren Körper als entscheidendes Medium, mit dem wir Absichten und Themen transprtieren, auf eine sehr srglse Weise. Wir kleiden uns schlampig, wir sprechen meist nicht deutlich und verständlich, sndern nuscheln vr uns hin. Viele vn uns sehen sich außerstande, ihre Stimme über Zimmerlautstärke hinaus zu erheben. Wir machen immer wieder dasselbe Gesicht, immer wieder dieselben abgehackten Bewegungen mit den ungepflegten Händen... Wir sind halt s, wie wir sind, und unsere Klienten müssen sich damit abfinden. Dafür steckt und jetzt kmmt die eigent-

5 liche Btschaft des Rumpelstilzchen-Syndrms`, dafür steckt unter dieser unansehnlichen Schale ein überaus wertvller Kern. Sind die anderen dch selber schuld, wenn sie diesen Schatz und das in ihm enthaltene Ptential nicht für ihre Zwecke nutzen. Das gilt übrigens für uns alle. Es gilt für Szialarbeit und für Szialpädagginnen. Und es gilt verschärft für Hchschullehrerinnen und für Hchschullehrer. Die Kmmunikatin, für die wir bezahlt werden, ist erst beendet, wenn unsere Gesprächspartner die Taste rger` drücken. Wir sind nicht gut weil wir gut sind, sndern erst dann, wenn wir verstanden wurden. Verstanden zu werden ist wirklich eine Art Leidenschaft bei mir gewrden. Vielleicht habe ich diese kgnitiv-sinnliche Leidenschaft aus zwei Gründen entwickelt: einmal, weil ich gelernter Phillge als Wörterliebhaber bin. Zum anderen, weil ich mein Geld als Student und junger Dktr der Philsphie als Jurnalist verdient habe. Meine Texte mussten vn der Hamburger Redaktin des SPIEGEL s angenmmen und dem Setzer übergeben wrden sein. Snst hätte ich sechs Wchen später nicht gewusst, wvn ich mein Mensaessen würde bezahlen können. Ich habe deshalb in den letzten Jahren im Umfeld der Frankfurter Buchmesse im Institut für Szialarbeit und Szialpädaggik Schreibwerkstätten veranstaltet zuletzt mit meiner Kllegin Dr. Sabine Gieschler -, um Klleginnen und Kllegen aus unserer Zunft zu ermutigen, schlank zu reden und eine schlanke, gleichzeitig aber sinnliche Schreibe zu schreiben. Hauptsätze, Hauptsätze, Hauptsätze` rief Kurt Tuchlsky. Starke Verben` sage ich. Starke Verben`, weil sie das dynamische Element in der Satzaussage sind. Aktiv verwendete Hauptwörter, welche die Täter zeigen und nicht die Opfer, und ein sparsamer Gebrauch vn Adverbien, damit wir uns nicht in missverstandenen petischer Attitüde um Kpf und Kragen schreiben`. Ich bin sehr frh und fühle mich bestätigt, seit alle drei Berliner Universitäten im Wintersemester 2003/2004 Schreibwerkstätten für Studierende, für Mitarbeiter und junge Wissenschaftler veranstalten. Hffentlich kmmen die Richtigen. Hffentlich lehren die Rechten und das ist keine plitische Richtungsbestimmung. Ich erinnere nch einmal: Die drei Richtsätze, die ich für mein prfessinelles Handeln in den letzten Vierzig Jahren für mich selber frmuliert und hffnungsvller weise auch beflgt habe, lauten: Alle Menschen sllen im Hinblick auf ihre Zugangschancen zu gesellschaftlichen Ressurcen, die unsere Lebensqualität bestimmten, gerecht behandelt werden; Alle Studierenden der Szialen Arbeit sllen im Hinblick auf ihr prfessinelles Handeln methdisch rientiert und qualifiziert werden; zum Lehren und Lernen in der Szialen Arbeit gehört, wie für alle Bildungsprzesse, ein Ineinander vn intellektuellen, szialen und emtinalen Anstrengungen. Das können wir vn guten Schriftstellern und Dramatikern lernen. Wenn ich mir diese Sätze als Ertrag einer vierzigjährigen Hchschullehrertätigkeit vr Augen führe, dann erscheinen sie mir entweder altmdisch der banal der vn der rührenden Naivität eines Jungen, der einen Wunschzettel für den Weihnachtsmann schreibt.