ver.di - Bundesverwaltung Zum Bildungsverständnis der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft - Grundlagenpapier -



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Transkript:

1 ver.di - Bundesverwaltung ver.di- Bildungsmaterial Zum Bildungsverständnis der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft beraten und verabschiedet durch die Bundesbildungskommission am 04.05.2005 - Grundlagenpapier -

ver.di Ress. 19 2 Die subjektorientierte Bildung Unter Bildung verstehen wir den Prozess der Selbstentfaltung und Selbstbestimmung der Person 1, also Bildung als vom Individuum selbst betriebene Subjektentwicklung 2. Dieses Papier beschreibt, wie wir mit der ver.di-bildungsarbeit diesen Bildungsprozess anregen, begleiten und unterstützen können und welchen Nutzen ver.di davon hat. Wir - das sind alle, die in der Bildungsarbeit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di aktiv sind - als Planende, Lehrende und politisch Verantwortliche. Zum Lernverständnis Die Motivation zu lernen entsteht in Situationen, in denen Menschen auf Probleme stoßen, ihre Handlungsfähigkeit als unzureichend empfinden und sich entwickeln wollen. Gleichzeitig ist die als unzureichend empfundene Handlungsfähigkeit eingebettet in ein umfangreiches Kompetenzbündel, über das die Lernenden bereits verfügen. In der konkreten Situation reicht es aber nicht aus, um die Problematik subjektiv zufrieden stellend zu bewältigen. Lernen ist ein persönlicher und eigenverantwortlicher Prozess. Lernen findet im sozialen Kontext, im Rahmen gesellschaftlicher Beziehungen und in der Auseinandersetzung mit der Umwelt statt. Lernende setzen sich ganz eigensinnig mit ihrer gesellschaftlichen Umwelt auseinander. Lernhandlungen verlaufen deshalb nicht gleichförmig. Diese Erkenntnis prägt unsere Bildungsarbeit in entscheidender Weise. Daher sind Lernergebnisse auch nicht von außen erzwingbar. Lernen kann jedoch durch entsprechende inhaltliche und methodische Angebote angeregt werden. Ob und wie die Anregungen angenommen werden, entscheidet sich jedes Mal neu. Je mehr Lernende ihre individuellen Zugänge (Deutungen, Fragen, Erfahrungen, Lerninteressen etc.) und Voraussetzungen (Vorerfahrungen mit Lernsituationen, Lerntyp, ideale Lernweise etc.), ins Seminar einbringen können, umso wahrscheinlicher ist es, dass sie erfolgreich lernen. Unser Menschenbild ist von der Vorstellung geprägt, dass Menschen ein Bedürfnis haben, sich (weiter) zu entwickeln, am gesellschaftlichen Leben teil zu haben und ihre Umwelt zu beeinflussen. Ihr Interesse ist auf erweiterte gesellschaftliche Teilhabe gerichtet: im Beruf, in der Politik, in der Freizeit usw. Lernen verstehen wir in diesem Zusammenhang als eine Aktivität, mit der Lernende ihre persönlichen 1 K. Horrelmann 2 E. Meueler

ver.di Ress. 19 3 Interessen realisieren wollen. Das heißt nicht, dass Menschen immerzu eigenmotiviert und selbstbestimmt lernen (können). Oft werden sie durch gesellschaftliche Zwänge am selbstbestimmten Lernen gehindert. Tradierte Formen schulischen oder institutionellen Lernens schrecken häufig eher ab. Lernen verläuft nicht nur rational, sondern ganz wesentlich über Emotionen und Befindlichkeiten. Lernen umfasst Denken, Fühlen und Wollen. Treibende Kraft des Lernens ist die Ahnung oder die Gewissheit, dass es befriedigendere und zielführendere Möglichkeiten gibt als die bisher beschrittenen Wege. Zum Lehrverständnis: Zur Rolle und Haltung von Lehrenden Lehrende sind für den Lehrprozess zuständig. Ihnen kommt die Aufgabe zu, den Lernprozess zu begleiten, zu unterstützen, zu strukturieren, zu organisieren. Lehrende bringen im Lehr-Lern-Prozess ihre Sichtweisen, Erfahrungen, Kenntnisse und ihr Wissen sowie die politischen Ziele und Positionen von ver.di ein. Sie tragen in diesem Prozess die Verantwortung für das Lehrhandeln, aber nicht für das Lernhandeln der Lernenden. Ziele, Interessen und Handlungen von Lehrenden und Lernenden sind nicht zwangsläufig gleich. Lehrende haben im Lehr-Lern-Prozess verschiedene Rollen. Im Auftrag von ver.di leiten sie Seminare. Dabei sind sie - bezogen auf die persönlichen Lerninteressen der Lernenden - Beratende, Lernbegleitende, Moderierende, Expert/-innen und Vermittelnde. Diese Rollen gilt es in ihrer jeweiligen Ausprägung transparent zu machen, zu reflektieren und gemeinsam so zu gestalten, dass ein kooperatives Verhältnis im Lehr- Lern-Prozess und damit auch ein kooperatives Lernen möglich werden. Die subjektiven Lernbedürfnisse, -interessen und -fragen der Lernenden sind Ausgangspunkte für die konkrete Ausgestaltung unseres Lehrhandelns. Die Subjektorientierung in Bildungsprozessen wird also daran sichtbar, in welchem Umfang und in welcher Weise die Lernenden an der Auswahl der Bildungsinhalte und der Gestaltung des Lehr-Lern-Prozesses beteiligt sind. Bedürfnisse, Interessen und Fragen der Lernenden werden im Seminar mit den ver.di-lehrangeboten in Beziehung gebracht und die Inhalte, sowie Lehr- und Lerninteressen in einem kooperativen Prozess immer wieder aufeinander abgestimmt.

ver.di Ress. 19 4 Dieser Prozess ist zugleich ein Modell für den konstruktiven Umgang mit Unterschieden. subjektiv bedeutsame Lernproblematik Lehrende Lernende Lehrinteressen Qualifizierung Lernbedürfnisse Gesellschaftliche Demokratisierung Individuelle Emanzipation Organisation: Erreichung normativer Ziele Lehrziele Aushandlungsprozess Lernziele subjektive Wünsche Erweiterung der Handlungsfähigkeit beide gehen verändert daraus hervor kooperativer Prozess Quelle: abgewandelt nach Zech, dargestellt in: Herbert Schmidt, Projektbericht zur Weiterentwicklung der zentralen Bildungsarbeit, Stuttgart/ÖTV 2001 Das Modell beschreibt den idealtypischen Aushandlungsprozess, der beeinflusst wird durch gruppendynamische Prozesse und durch das Umgehen der Lehrenden und Lernenden damit. Ziel des Lehrhandelns im Lehr-Lern-Prozess ist es, die Auseinandersetzung mit anderen und neuen Positionen zu ermöglichen, Selbstkritik sowie Gesellschaftskritik zu unterstützen, neue Perspektiven zu eröffnen und Handlungsfähigkeit für die tägliche Praxis zu erweitern. Dabei bringen die Lehrenden auch die Ziele, Positionen und Werte von ver.di ein.

ver.di Ress. 19 5 Zu unserem Selbstverständnis als Lehrende gehört kritische Selbstreflexion. Wir stehen zu eigenen Wissens- und Kompetenzlücken, verstehen uns auch im Lehr-Lern-Prozess als Lernende und bilden uns systematisch weiter. Zum Verständnis von der Gestaltung des Lehr-/ Lernverhältnisses Unser subjektorientierter Bildungsansatz findet sich in der didaktischen Gestaltung und Strukturierung unserer gewerkschaftlichen Bildungsangebote wieder. Besonders geeignete didaktische Modelle sind u.a. die fallbasierte Bildungsarbeit, das Phasenmodell Orientierung-Analyse-Handlung, das exemplarische Lernen, Lehr-Lern- Vereinbarungen oder beratungsorientierte Ansätze. Der Einsatz dieser didaktischen Modelle allein garantiert nicht die subjektorientierte Gestaltung des Lehr-Lern-Prozesses. Die Subjektorientierung verwirklicht sich letztlich in Verstehens- und Verständigungsprozessen zwischen Lernenden und Lehrenden sowie unter den Lernenden. Methoden sollen diesen Prozess unterstützen und anregen und sind kein Selbstzweck. Zu den didaktischen Gestaltungsgrundsätzen Auf Handeln orientieren Wer absichtsvoll und begründet handeln will, benötigt geeignete Kenntnisse und Fertigkeiten und muss in der Lage sein, Wissen, Denken, Fühlen und Wollen zu kombinieren. Ziel ist nicht eine ausschließlich am Eigennutz orientierte Handlungsfähigkeit, sondern die Befähigung, eine solidarische Gesellschaft mitzugestalten. Anschlusslernen ermöglichen Lernende bringen Erfahrungen und Vorwissen, individuelle Einstellungen und Deutungen in die Bildungsveranstaltungen mit. Auftretende Differenzen und eigene Widersprüche (Irritationen, Widerstände) liefern weitere Anlässe für das Lernen. All dies wird aufgenommen und in den Lernprozess einbezogen. Zusammenhänge erarbeiten Es geht darum, sich neues Wissen anzueignen, Zusammenhänge mit bisherigen Erkenntnissen herzustellen und daraus eigene Schlussfolgerungen zu ziehen. Aktivierende Methoden und Materialien können diesen Prozess unterstützen. Gewerkschaftliche Ziele einbringen Die Positionen, Werte und Ziele von ver.di werden in der Diskussion selbst zum Gegenstand des Lernprozesses.

ver.di Ress. 19 6 Soziales Lernen gestalten Es findet statt, wenn Zusammenarbeit gefördert wird, wenn Gruppenprozesse offen gelegt und Konflikte, auch solche zwischen den Geschlechtern, transparent gemacht und solidarisch bearbeitet werden. Persönliche Entwicklung fördern Die Lernenden erhalten den Raum, um ihre individuelle Wahrnehmungs-, Ausdrucksund Denkfähigkeit zu steigern und sich als Person weiter zu entwickeln. Beteiligung ermöglichen Die Lehrenden machen die Lehr- und Lerngegenstände transparent und helfen, auftretende Konfliktlagen zu durchschauen - als Voraussetzung dafür,gemeinsam mit den Lernenden die nächsten Schritte planen zu können. Gender Mainstreaming anwenden Die Lehrenden reflektieren eigene geschlechtsspezifische Verhaltenweisen und beachten, dass bei allen Vorhaben die unterschiedlichen Lebensentwürfe und Interessen von Frauen und Männern zu berücksichtigen sind. Den Lernenden wird ermöglicht, ihre Sensibilität für geschlechtsspezifische Zuschreibungen und Diskriminierungen zu stärken und in ihrem jeweiligen Betätigungsfeld mögliche geschlechtsspezifische Auswirkungen zu erkennen und diese im Sinne des Ziels der Geschlechterdemokratie zu verändern. Evaluation durchführen Bildungsprozesse werden laufend evaluiert, um die Qualität verbessern zu können. ver.di und die Bildungsarbeit Zum Politikverständnis in der ver.di- Bildungsarbeit Unter Politik verstehen wir das Entwickeln, Umsetzen und Durchsetzen von Interessen in gemeinsames gesellschaftliches Handeln. In diesen Prozess geht jegliches Handeln und Nichthandeln von Menschen in gesellschaftlichen Zusammenhängen ein. Wer sich der Politik verweigert, wirkt dennoch auf politische Entscheidungen ein. Zentrale Aufgabe von Gewerkschaften ist es deshalb politisches Handeln zu initiieren. Lebenschancen und -risiken der Menschen hängen wegen der vorhandenen Machtund Herrschaftsverhältnisse sowie des gesellschaftlichen Wertesystems in erheblichem Maß von sozialer und kultureller Herkunft, von Geschlecht, Bildungs- und Berufsstatus ab. Dies ist auf den ersten Blick oft nicht mehr zu erkennen. Die Vielfalt

ver.di Ress. 19 7 der individuellen Lebensentwürfe erschwert es, die gemeinsamen Interessen zu entdecken. Daher ist es eine zentrale Aufgabe gewerkschaftlicher Bildungsarbeit, diese gemeinsamen Interessen herauszuarbeiten und ihre Umsetzung in gemeinsames Handeln zu unterstützen. Wir bieten Zeit, Raum und Möglichkeiten, den eigenen Alltag -- beruflich und privat zusammen mit anderen aus einem interessenbezogenen Blickwinkel neu zu betrachten, Zusammenhänge zu entdecken, Unterschiede zu respektieren und gemeinsame Interessen wahrzunehmen. Wir fördern die Erarbeitung individueller und kollektiver Handlungsoptionen. Wir orientieren uns an der gesellschaftlichen Realität sowie an der Lebenswirklichkeit der Lernenden und lassen uns von Utopien und Visionen für eine bessere Welt leiten. Unsere Bildungsarbeit steht in einem gesellschaftlich-gewerkschaftlichen Kontext und ist deshalb immer politische Bildung. Dies gilt für Bildungsangebote zur Stärkung der persönlich-individuellen und sozialen Kompetenzen, zur Auseinandersetzung mit gesellschaftspolitischen Themen, zur Qualifizierung für die Tätigkeit in gesetzlichen Interessenvertretungen, für die betriebliche und örtliche Gewerkschaftsarbeit und die organisationsinterne Gremienarbeit sowie für die gewerkschaftlichen Angebote der beruflichen Weiterbildung. Mit unserer Bildungsarbeit unterstützen wir Menschen sich zu reflektieren, ihre Umwelt kritisch zu analysieren, ihre Kompetenzen zu vertiefen und die eigene Haltung weiter zu entwickeln. Emanzipierte, selbstbewusste Kolleg/innen wirken so an der Ziel- und Weiterentwicklung von ver.di und ihrer gesellschaftlichen Durchsetzungskraft mit. Zum Wechselverhältnis von Organisation und Bildung ver.di hat einen politischen Auftrag als parteiische und gesamtgesellschaftlich wirksame Kraft. So führt Paragraph 5, Abs. 2 und 3 der Satzung aus: ver.di setzt sich (...) für die Sicherung, die Verwirklichung und Weiterentwicklung einer demokratischen und sozialen Gesellschaftsordnung ein. ver.di tritt (...) für die Wahrung und Verwirklichung der Menschenrechte, für die Achtung der Menschenwürde, für den Schutz der natürlichen Umwelt und für eine sozial gerechte Weltordnung (...) ein. Zur Erreichung dieser Ziele dienen insbesondere (...) Förderung und Unterstützung (...) der politischen Bildung sowie der Jugendbildung.

ver.di Ress. 19 8 Wer unter wechselhaften und konfliktreichen gesellschaftlichen Bedingungen wirkungsvoll bleiben will, muss seine Handlungsmöglichkeiten stets weiterentwickeln. Das gilt auch für Gewerkschaften, das fordert sie derzeit besonders heraus. Dies kann nur gelingen, wenn alle verfügbaren Möglichkeiten effektiv genutzt werden auch das Potenzial, das in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit steckt. Unsere Bildungsarbeit ist in die ver.di-strukturen und -Abläufe eingebunden. Sie bietet der Organisation ein breites Leistungsfeld und Gewerkschaftsmitgliedern Gelegenheit, sich am gewerkschaftlichen Diskurs zu beteiligen. Wir unterstützen mit der Bildungsarbeit die Organisationspolitik von ver.di, indem wir gewerkschaftliche Positionen entwickeln und darstellen, Raum für Auseinandersetzungen bieten und Orientierung ermöglichen, Informationsbruchstücke zusammenführen und damit komplexe gesellschaftliche Zusammenhänge und Kontroversen verstehbar machen, gesellschaftspolitische und soziale Heimat bieten, politisches und kritisches Denken fördern, Konfliktfähigkeit, Regelungskompetenz und Durchsetzungskraft verbessern und Möglichkeiten eröffnen, um in individuellen Interessen auch allgemeine zu erkennen und um solidarische Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln und zu nutzen. In unseren Bildungsveranstaltungen nehmen wir Vorschläge und Kritik der Lernenden auf und gewinnen dabei Impulse zur Veränderung der Organisationspolitik. Die Lernenden entdecken und erleben die Möglichkeit, demokratisch und kreativ auf soziale Prozesse Einfluss nehmen zu können und die eigenen Fähigkeiten zu erproben. Daher hat die Vernetzung und Verzahnung gewerkschaftlicher Bildungsarbeit mit anderen Handlungsfeldern der ver.di einen hohen Stellenwert. Unsere Bildungsarbeit ist Forum für interne und externe Öffentlichkeit. Mit unserer Bildungsarbeit positionieren wir uns innerhalb der Gesellschaft und bieten Raum für den freien Austausch von Meinungen, Erfahrungen und Informationen. Vor diesem Hintergrund verstehen wir Bildungsarbeit als Teil der Organisationsentwicklung und der Personalentwicklung der ver.di. Der Beitrag ist damit wesentlich für die Leistungsfähigkeit der Gewerkschaft nach innen und außen.

ver.di Ress. 19 9 Eine tragende Säule der ver.di-bildungsarbeit sind unsere Bildungsstätten. In den Bildungsstätten wird mit dem Angebot, mit Ausstattung, Gestaltung, gewerkschaftlicher Orientierung und mit ihrer besonderen Kultur des Umgangs ver.di erlebbar. Sie sind die Zentren für die Aus- und Fortbildung von Seminarteilnehmenden, Bildungsmitarbeitenden und Hauptamtlichen. Sie sind damit der ideale Raum für die Durchführung unserer Bildungsveranstaltungen. Zum Nutzen für ver.di Durch unsere Bildungsarbeit können Menschen ihre persönliche, fachliche, soziale und politische Kompetenz erweitern. Handlungsfähigkeit und Durchsetzungskraft der Organisation in ihrer Gesamtheit - vor Ort und im Betrieb - können dadurch gestärkt werden. Das solidarische Miteinander fördert das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen und den Mut sie anzuwenden und aktiviert neue Energien. Mit unserer Bildungsarbeit leisten wir Beiträge für alle gewerkschaftlichen Handlungsfelder. Wir stärken das Herausbilden von kritischem Bewusstsein für gesellschaftliche Verhältnisse und deren Ursachen. Lehr-Lern-Prozesse sind auch Denkwerkstätten, hier existiert die Möglichkeit, Alternativen zu entwickeln sowie Ideen zu bündeln, um Zukunft zu gestalten. So entstehen neue Impulse um Mitglieder zu werben, zu binden und für gewerkschaftliche Aktionen, Projektarbeit und nachhaltiges Engagement zu gewinnen. Deshalb ist Bildungsarbeit ein strategischer Baustein zur Organisationsentwicklung von ver.di. Damit die Potenziale der Bildungsarbeit wirksam werden können, müssen entsprechende Ressourcen zur Verfügung gestellt werden.