3.1 Arzneimittel bei säurebedingten Magenbeschwerden. H 2 -Blocker Magenschleimhaut. Rezeptorblockade Schleimhautschutz. Säurepumpe H+/K+ ATPase



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Transkript:

52 Kapitel Arzneimittel in der Selbstmedikation Im folgenden pharmazeutischen Teil werden die in der Selbstmedikation bei Magen-Darm-Beschwerden gängigen Arzneimittel besprochen. In Steckbriefen wird wichtiges Wissen zu Dosierung, Neben- und Wechselwirkungen zusammengestellt. Auf die Darstellung seltener Neben- und Wechselwirkungen wird wegen der Übersichtlichkeit und der geringen Praxisrelevanz verzichtet, es sei denn, es handelt sich um gefährliche bzw. gefährdende Wirkungen. Grundlage der Steckbriefe sind die jeweiligen Fachinformationen der Arzneimittel, gültig in der Zeit zwischen Januar und April 2011..1 Arzneimittel bei säurebedingten Magenbeschwerden Bei den säurebedingten Magenbeschwerden gibt es verschiedene Strategien. Die aggressive Salzsäure des Magens kann gebunden, neutralisiert oder die Produktion reduziert werden. Die Schutzmechanismen der Schleimhaut können dadurch aktiviert bzw. verstärkt werden. Bei Helicobacter-pylori-Infektionen sind verschreibungspflichtige Tripel- oder auch Vierfachtherapien leitliniengerecht (Leitlinie 021-001 Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit). Die Angriffspunkte der unterschiedlichen Medikamentengruppen (Antazida, H 2 -Blocker, Protonenpumpenhemmer) sind in Abb..1 gezeigt. H 2 -Blocker Magenschleimhaut Rezeptorblockade Schleimhautschutz Antazida Rezeptor- (Bindungsstelle) Mageninnenseite Enzymblockade Säurepumpe H+/K+ ATPase Säure Säurebindung Protonenpumpenhemmer Magenzelle Keimbeseitigung Helicobacter pylori Abb..1 Möglichkeiten die Salzsäure-Konzentration im Magen zu beeinflussen (Mit freundlicher Genahmigung der Firma Hexal)

5.1 Arzneimittel bei säurebedingten Magenbeschwerden.1.1 Antazida Bei Magenbeschwerden kommen Patienten oft zur Selbstmedikation in die Apotheke. Hier ist vom pharmazeutischen Personal zunächst zu klären, ob ein Fall zur Eigenbehandlung vorliegt oder ein Arztverweis erfolgen muss. Zur Selbstmedikation eignet sich Sodbrennen, besonders nach üppigen Mahlzeiten, und saures Aufstoßen, beides mögliche Zeichen einer akuten Gastritis. Wenn aber nach zweiwöchiger Selbstmedikation keine Besserung eintritt, sollte ein Arzt zur Diagnoseabklärung aufgesucht werden. Mögliche Erkrankungen, die keine Selbstmedikation erlauben, sind in Abschn. 4.1., K.o.-Kriterien für die Selbstmedikation, zu finden. Zur schnellen Linderung von säurebedingten Beschwerden bieten sich zunächst die altbewährten Antazida an. Dies sind basische Aluminium-, Kalzium-, Natrium- oder Magnesiumverbindungen, die die Magensäure neutralisieren. Sie wirken schnell, aber nur relativ kurze Zeit. Ein Kriterium zur Bewertung der Fertigarzneimittel ist ihre Säureneutralisationskapaziät (SNK) (Braun 2010). Die Säureneutralisationskapazität sollte pro Einzeldosis etwa 20-25 mval betragen, d.h. pro Einzeldosis Antazidum sollten 20-25 mmol Salzsäure neutralisiert werden. Als Tagesdosis sollen 80-180 mval, bei Al-, Mg- Silikaten 200 mval (=mmol) Salzsäure neutralisiert werden. Tab..1 gibt eine Übersicht über Antazida und ihre Inhaltsstoffe. Viele Fertigarzneimittel werden als Kau-, Lutschtabletten oder Suspension in Beuteln angeboten. Kautabletten eignen sich weniger für Gebissträger, da die kleinen Partikel Druckstellen erzeugen können, wenn sie sich unter dem Gebiss festsetzen. Sollte Saccharose (Disaccharid aus Glukose Bei der Selbstmedikation von Magenbeschwerden ist die Überprüfung der Eigendiagnose des Patienten unabdingbar. Tab..1 Antazida Verbindung Al-Mg Hydroxidkarbonathydrat (Hydrotalcid), Schichtgitterstruktur Al-Mg-Hydroxidsulfathydrat (Magaldrat), Schichtgitterstruktur Al-Oxid (Algeldrat), Mg-hydroxid Al-Phosphat Al-, Mg-Silikat Na-Hydrogenkarbonat Ca-, Mg-karbonat Na-Alginat, Na/K-Hydrogenkarbonat, Ca- Karbonat Fertigarzneimittel (Auswahl) Talcid, Ancid, Progastrit Riopan, Gastripan, Marax, Simagel extra Maaloxan, Maalox Phosphalugel Gelusil, -Lac, Simagel, Megalac Almasilat Bullrich Salz, Kaisernatron Rennie Gaviscon Antazida eignen sich zur Behandlung der akuten Beschwerden und nicht zur Prophylaxe. Al Aluminium, Mg Magnesium, Na Natrium, Ca Kalzium

54 Kapitel Arzneimittel in der Selbstmedikation und Fruktose) zum Süßen verwendet werden, besteht die Gefahr von Karies. Bei den Suspensionen ist ein kritischer Blick auf die Konservierungsstoffe und das Allergisierungspotenzial zu werfen. Von den Antazida, die in der Selbstmedikation eine wichtige Rolle spielen, wird stellvertretend für je einen Inhaltsstoff ein Fertigarzneimittel- Steckbrief basierend auf den Fachinformationen erstellt. Hydrotalcid In Tab..2 wurden die wichtigsten Informationen für Talcid zusammengestellt. Hydrotalcid neutralisiert die Magensäure und führt so für ca. 2 h zu einem optimalen ph-bereich von -5. Auch in Dosierungen mit geringer Säureneutralisationskapazität haben Al/Mg-Antazida positive Wirkungen. Dies wird auf ein breiteres Wirkungsspektrum zurückgeführt. Durch die ph-erhöhung wird die proteolytische, schleimhautschädigende Aktivität von Pepsin eingeschränkt. Zudem bindet die Aluminiumkomponente Pepsin, Gallensäuren und Lysolecithin. Hydrotalcid besitzt mukosa- und zytoprotektive Eigenschaften. Diskutiert werden eine Stimulation der Synthese von gastroprotektiven Prostaglandinen, eine bessere Durchblutung der Magenschleimhaut und Stimulierung von Schleimhaut-aufbauenden Faktoren. Durch die Adsorption von Gallensäuren wird die Darmpassagezeit verlängert, es kann daher zu Obstipation kommen. Dieser Effekt wird ausgeglichen durch die laxierende Wirkung der Magnesiumkomponente. Hinweise an den Patienten»Halten Sie bitte einen Abstand von 1-2 h zur Einnahme anderer Medikamente ein. Spülen Sie die Kautablette nicht mit säurehaltigen Getränken nach, bewahren Sie sie nicht über 25 C auf. Die Wirkung hält ca. 2 h an, bei Nüchterneinnahme nur ca. 40 min. Sie können bis zu maximal 6 Tabletten pro Tag einnehmen. Kauen Sie gut, sie schmecken angenehm nach Pfefferminz.«Tab..2 Steckbrief Talcid Kautabletten 1.000 mg Inhaltsstoff Indikation Neutralisationskapazität Dosierung KI, Warnhinweise (Auswahl) Schwangerschaft, Stillzeit Hydrotalcid 1.000 mg, Hilfsstoffe u.a.: Pfefferminzaroma, Aspartam (Phenylalaninquelle). Cave: Phenylketonurie Sodbrennen, säurebedingte Magenbeschwerden, Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni 26 mval HCl pro Kautablette Bei Bedarf mehrmals tägl. 1 Tablette. gut kauen, zwischen den Mahlzeiten und vor dem Schlafengehen, max. 6 Stück pro Tag Kinder <12 J., eingeschränkte Nierenfunktion Kurzfristige Anwendung, um Al-Belastung des Kindes zu vermeiden, Al-Verbindungen gehen in die Muttermilch über Abstand von 1-2 h zur Einnahme anderer Medikamente einhalten wegen verminderter Adsorption Bei hoher Dosierung weiche Stühle, in Einzelfällen Diarrhö

55.1 Arzneimittel bei säurebedingten Magenbeschwerden Wirkungen von Al/Mg-Antazida Säureneutralisation Adsorption schleimhautschädigender Substanzen wie Gallensäuren, Lysolecithin, Pepsin Reduktion der Pepsinaktivität Einfluss auf die Bildung von EGF (»epithelial growth factor«), der die Geweberegeneration stimuliert Stimulation der Synthese von zytoprotektiven Prostaglandinen Steigerung der Schleimproduktion mit schützenden Bikarbonat Förderung der Angiogenese in ulzeriertem Gewebe (Ausbildung neuer Gefäße bei Wundheilung) Der Hinweis, zur Einnahme keine säurehaltigen Getränke zu verwenden, will vor erhöhter Aluminiumabsorption schützen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR 0/2007) sieht in einer Bewertung von Aluminium vom Jahre 2007 einen Zusammenhang zwischen einer erhöhten Aluminiumaufnahme auch aus Arzneimitteln und einer Alzheimer Erkrankung als wissenschaftlich nicht fundiert belegt an. Toxische Effekte des Aluminiums manifestieren sich bei Dialyse-Patienten in den Symptomen einer Dialyse-Enzephalopathie. Es gibt Hinweise, dass Aluminium die Blut-Hirn-Schranke passieren kann. Das Gemeinsame Expertengremium für Lebensmittelzusatzstoffe der Welternährungsorganisation (FAO) und der WHO (JECFA) hat 2006 den tolerierbaren wöchentlichen Aufnahmewert (PTWI) für Aluminium aus Lebensmitteln von 7 mg/kg Körpergewicht auf 1 mg/kg Körpergewicht reduziert. Das Komitee kam zu dem Schluss, dass Aluminium die Fortpflanzung und das sich entwickelnde Nervensystem bereits in niedrigen Dosen beeinträchtigen kann. Ein wichtiger Hinweis ist daher für Schwangere, auf eine nur kurzfristige, möglichst niedrige Dosierung zu achten, bzw. andere Alternativen zu ergreifen. Das BfR empfiehlt prophylaktisch einen besonnenen Umgang mit der Aufnahme von Aluminium. Da die Einnahme von Aluminium mit säurehaltigen Getränken die intestinale Absorption erhöht, soll sie vermieden werden. Ob diese Empfehlung im Rahmen einer kurzfristigen Selbstmedikation von Relevanz ist, ist noch nicht belegt. Sowohl Magnesium (10%) als auch Aluminium (1%) werden nur zu geringem Anteil resorbiert und renal ausgeschieden. Es besteht bei längerer Anwendung bei Nierenfunktionsstörungen die Gefahr einer Hypermagnesiämie und einer Enzephalopathie durch Aluminiumeinlagerung (Mutschler 2005) Klinisch relevante verminderte Konzentrationen (bis 90%) durch Antazida sind an Tetrazyklinen, Gyrasehemmern (Ciprofloxacin, Ofloxacin, Norfloxacin) und Cephalosporinen beobachtet worden. Geringere Beeinträchtigungen fanden sich bei vielen anderen Arzneimitteln (z.b. NSAR, ß- Blocker, Biphosphonate, Eisen, Levothyroxin, Digoxin), sodass ein 2-stündiger Abstand generell eingehalten werden soll. Der Abstand von 2 h zur Einnahme anderer Arzneimittel soll die Verminderung deren Absorption verhindern.

56 Kapitel Arzneimittel in der Selbstmedikation Magaldrat In den Arzneimitteln mit Magaldrat i st wie in den Hydrotalcidarzneimitteln eine Kombination von Aluminium- und Magnesiumverbindungen enthalten. Der Hauptunterschied liegt in den Anionen, hier sind es Sulfat und Hydroxid. Der Steckbrief liest sich daher sehr ähnlich ( Tab..). Magaldrat besitzt wie Hydrotalcid eine Schichtgitterstruktur. Sie halten den ph-wert des Magensaftes im Bereich -5 und verhindern dadurch einen Säure-Rebound. In Schwangerschaft und Stillzeit sollte das Nutzen-Risiko- Verhältnis bei Antazida mit einer Aluminiumkomponente sorgfältig abgewogen werden. Hinsichtlich der Neben- und Wechselwirkungen gilt das bei Hydrotalcid gesagte und wird hier nicht mehr speziell wiederholt (PZ, OTC-Spezial 2011). Hinweise an den Patienten»Halten Sie einen Abstand von 1-2 h zur Einnahme anderer Medikamente ein, nehmen Sie sie nicht mit säurehaltigen Getränken wie z.b. Fruchtsäften ein. Die maximale Tagesmenge beträgt 8 Tabletten oder 4 Beutel. Sie schmecken gut nach Sahne-Karamell. Denken Sie daran die Tabletten gut zu kauen bzw. die Beutel gut durchzukneten.«tab.. Steckbrief Riopan Magen-Tabletten/Gel Inhaltsstoff Indikation Neutralisationskapazität Dosierung KI, Warnhinweise (Auswahl) Magaldrat, Tabletten 800 mg, Gelbeutel: 1.600 mg Hilfsstoffe Tabletten: Sorbitol Hilfsstoffe Beutel: Simethicon, Chlorhexidingluconat, Cyclamat Sahne-Karamell-Aroma Sodbrennen, säurebedingte Magenbeschwerden, symptomatische Behandlung von Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüren. 22,6 mval HCl (Tabl.), 45,2 mval (Gelbeutel) Bei Bedarf mehrmals tägl. 1-2 Tabletten gut kauen, max. 8 Stück pro Tag, bzw. 1 Beutel, max. 4 pro Tag Kinder <12 J., eingeschränkte Nierenfunktion, Dialysepatienten, Demenzerkrankungen Schwangerschaft, Stillzeit Keine hinreichenden Daten, Al-Anreicherung bei Neugeborenen in den Knochen, Risiko der Reproduktionstoxizität, Risiko der Neurotoxizität bei langer Anwendung, Nutzen-Risiko-Verhältnis sorgfältig abwägen; Aluminium geht in die Muttermilch über, wegen geringer Aufnahme wird kein Risiko angenommen Abstand von 1-2 h zur Einnahme anderer Medikamente einhalten wegen verminderter Adsorption Bei hoher Dosierung weiche Stühle, sehr selten Diarrhö Kombination Aluminiumoxid und Magnesiumhydroxid Wichtiger Stellvertreter dieser Gruppe ist Maaloxan. Der Steckbrief ist sehr ähnlich den beiden vorhergehenden, der Unterschied liegt wieder in den Anionen ( Tab..4). Hier liegt Aluminium als Oxid und Magnesium als Hydroxid vor. Die Neutralisationskapazitäten unterscheiden sich bei den Vertretern der Al-, Mg-haltigen Antazida geringfügig.

57.1 Arzneimittel bei säurebedingten Magenbeschwerden Tab..4 Steckbrief Maaloxan 25 mval Kautablette/Suspension Inhaltsstoff Indikation Neutralisationskapazität Dosierung KI, Warnhinweise (Auswahl) Schwangerschaft, Stillzeit Aluminiumoxid 200 mg (20 mg in Suspension) Magnesiumhydroxid 400 mg, Hilfsstoffe u.a.: Minzaroma, Sorbitol, Saccharin, Saccharose (in den Tablette) Sodbrennen, säurebedingte Magenbeschwerden, Ulcus ventriculi, Ulcus duodeni 25 mval HCl pro Kautablette/Beutel bei Bedarf mehrmals tägl. 1-2 Tabletten bzw. Beutel zwischen den Mahlzeiten und vor dem Schlafengehen, max. 6 Tabletten/Beutel pro Tag Kinder <12 J., stark eingeschränkte Nierenfunktion, Fruktoseintoleranz (bei den Tabletten), Zucker in den Tabletten fördert Karies Keine hinreichenden Daten, Al-Anreicherung bei Frühgeborenen in den Knochen, Risiko der Reproduktionstoxizität, nur kurzfristig anwenden; Aluminium geht in die Muttermilch über, wegen geringer Aufnahme wird kein Risiko angenommen Hinweise an den Patienten»Halten Sie einen Abstand von 1-2 h zur Einnahme anderer Medikamente ein. Nehmen Sie das Arzneimittel nicht mit säurehaltigen Getränken ein. Die Wirkung hält ca. 2 h an, bei Nüchterneinnahme nur ca. 40 min. Nehmen Sie nicht mehr als maximal 6 Stück pro Tag, die Tabletten sind gut zu kauen. Sie enthalten Zucker. Beachten Sie dies bitte, wenn Sie Diabetiker sind. Die Beutel sind zuckerfrei. Kneten Sie die Beutel vor Gebrauch gut durch. Sie schmecken angenehm nach Pfefferminz.«Abstand von 1-2 h zur Einnahme anderer Medikamente einhalten wegen verminderter Adsorption Bei hoher Dosierung weiche Stühle, in Einzelfällen Diarrhö Weitere Antazida Vertreter von Aluminium-Magnesium-Silikaten sind Gelusil Lac -Kautabletten oder Simagel -Kautabletten. Da hinsichtlich der Nebenwirkungen, Wechselwirkungen und Hinweisen an den Patienten keine anderen Tatsachen gelten, als die schon erwähnten, wird hier auf Steckbriefe verzichtet. Die Dosierung bei Gelusil Lac-Kautabletten beträgt als Einmaldosis Stück, um die Neutralisationskapazität von 20 mval HCl pro Gabe zu erreichen. Eine Kautablette hat eine Neutralisationskapazität von 7-9 mval HCl. Sie enthält Saccharose (Sukrose = Disaccharid aus Glukose und Fruktose) und Milchpulver (Laktose). Hinweis auf Fruktose- und Laktoseintoleranz und Kariesgefahr sollte erfolgen. Bei Milcheiweißallergie oder Laktoseintoleranz auf die Suspension ausweichen. 10 ml Gelusil liquid-suspension haben eine Neutralisationskapazität von 2 bis 28 mval HCl. Hier reicht ein Beutel als Einmalgabe. Als Süßstoff ist Saccharin enthalten. Bei Langzeittherapie wurden in Einzelfällen Silikatsteine in Niere oder Harnblase beobachtet. Die Dosierung bei Simagel -Kautabletten beträgt max. 14 Kautabletten pro Tag, mehrmals täglich 1-2 Kautabletten. Bei der Einnahme nur einer Tablette wird die Neutralisationskapazität von 20 bis 25 mval pro Dosis nicht erreicht (Braun 2010), sodass eine Einmaldosis 2 Tabletten umfassen

58 Kapitel Arzneimittel in der Selbstmedikation Viele Antazida-Kautabletten enthalten Zucker und können bei regelmäßiger Einnahme die Bildung von Karies fördern. sollte. Die Tabletten enthalten Saccharose (Sukrose). Hinweis auf Fruktoseintoleranz und Kariesgefahr sollte erfolgen. Die Bedeutung von Kalzium-, Magnesiumkarbonaten als Antazida ist rückläufig. Karbonate reagieren mit der Magensäure unter CO 2 -Entwicklung, allerdings in geringerem Ausmaß als Hydrogenkarbonate. Bei Niereninsuffizienz bzw. langer Einnahme hoher Dosen besteht das Risiko einer metabolischen Alkalose, Hypophosphatämie oder Hyperkalzämie. Letztere wird verstärkt durch Vitamin D und Diuretika vom Thiazid Typ (z.b. Hydrochlorothiazid), die die Kalziumausscheidung vermindern. Der 2-h-Abstand zur Einnahme anderer Medikamente ist einzuhalten. Ein sehr bekannter Vertreter dieser Klasse sind Rennie -Kautabletten. Die Neutralisationskapazität pro Tablette beträgt ca. 15-16 mval, die Dosierung: -mal täglich 1-2 Tabletten. Die Kautabletten enthalten Saccharose. Ein Hinweis auf Fruktoseintoleranz und Kariesgefahr sollte erfolgen. Ein Unterschied zu den Aluminium-haltigen Antazida besteht in der Möglichkeit der gefahrloseren Einnahme in Schwangerschaft und Stillzeit. Die Anwendung sollte aber möglichst kurzfristig wegen des möglichen Einflusses auf das fetale Skelett (s.u. Natriumalginat) erfolgen. Es findet kein Säurerebound statt (DAZ 1997) Als obsolet wird Natriumhydrogenkarbonat angesehen. Auf Grund der CO 2 -Entwicklung führt es zu Blähungen und Aufstoßen. Es hat einen ausgeprägten Säure-Rebound und kann zu Störungen im Ionenhaushalt führen. Bei vielen Antazida besteht bei längerer Einnahme die Gefahr der metabolischen Alkalose. Hierunter ist der Anstieg des Blut-pH-Wertes über 7,44 zu verstehen. Der Körper versucht mit verstärkter renaler Hydrogenkarbonatausscheidung und Rückhalt von H + -Ionen im Austausch mit K + -Ionen (Hypokäliämie) gegen zu regulieren. Zudem wird die Atmung vermindert. Das Risiko einer metabolischen Alkalose sinkt in folgender Reihenfolge: Natriumhydrogenkarbonat, Kalziumkarbonat, Magnesiumoxid, Aluminiumhydroxid..1.2 Natriumalginat Ein ganz anderes Wirkprinzip wie bei den klassischen Antazida findet sich bei Alginat-haltigen Arzneimitteln (Gaviscon). Das aus der Braunalge Laminaria Hyperborea gewonnene Polysaccharid bildet unter Reaktion mit der Magensäure einen zähen Alginsäure-Gelschaum. Dieser hat einen fast neutralen ph-wert. Der Schaum schwimmt auf dem Mageninhalt und verhindert so den Reflux von Salzsäure, Pepsin und Gallensäuren. Es handelt sich um einen physikalischen Wirkansatz. Natriumalginat wird unverstoffwechselt ausgeschieden. Die Kautabletten oder Beutel eignen sich auch zur Empfehlung während der Schwangerschaft und Stillzeit. Die Einnahme in der Schwangerschaft sollte jedoch nur kurze Zeit betragen, da es aus tierexperimentellen Untersuchungen begrenzte Hinweise gibt, die auf eine Verzögerung der Kalzifikation des fetalen Skelettes oder Knochenanomalien unter Kal-

59.1 Arzneimittel bei säurebedingten Magenbeschwerden Tab..5 Steckbrief Gaviscon Advance Pfefferminz Beutel Inhaltsstoff Indikation Dosierung KI, Warnhinweise (Auswahl) 1.000 mg Natriumalginat pro Beutel (10 ml) 200 mg Kaliumhydrogenkarbonat Kalziumkarbonat, Menthol, Aspartam, Parabene Symptome des gastroösophagealen Refluxes, Verdauungsstörungen nach den Mahlzeiten, während der Schwangerschaft, Symptome bei Refluxösophagitis Erwachsene, Kinder >12 J.: 1-2 Messlöffel (5 ml) nach den Mahlzeiten und vor dem Schlafengehen Kinder <12 J.: nur auf ärztliches Anraten Überempfindlichkeit gegen Wirkstoffe, enthält Natrium, Kalium, Kalzium (106 mg/78 mg/80 mg pro Beutel) Vorsicht bei Herzinsuffizienz, eingeschränkte Nierenfunktion, Arzneimittel, die Kaliumplasmaspiegel erhöhen Hinweise an den Patienten»Nach den Mahlzeiten und vor dem Schlafengehen können Sie ½ bis 1 Beutel einnehmen. Das Medikament bildet einen schützenden neutralen Schaum auf dem Mageninhalt und verhindert so, dass die Magensäure in die Speiseröhre gelangt. Es schmeckt frisch nach Pfefferminz und wirkt in Minuten.«Schwangerschaft, Stillzeit Keine Hinweise auf wesentliche unerwünschte Effekte Keine bekannt Nur sehr seltene NW (Allergische Reaktionen) ziumkarbonat hinweisen. Dies gilt natürlich für alle Kalzium-haltigen Antazida. Auf Grund des anderen Wirkprinzips ist die Neutralisationskapazität hier kein Beurteilungskriterium. Der Kaliumgehalt könnte die Empfehlung bei Patienten, die Kalium-sparende Diuretika oder ACE-Hemmer einnehmen, mit einem Fragezeichen versehen ( Tab..5)..1. H 2 -Blocker Neben Acetylcholin und Gastrin ist Histamin die dritte Substanz, die die Belegzelle zur Säureproduktion aktiviert. Histamin wird durch Erregung des Nervus vagus aus Mastzellen und ECL-Zellen freigesetzt. Auch Gastrin aus der G-Zelle des Magens beeinflusst die Histaminfreisetzung. Histamin dockt am H 2 -Rezeptor der Belegzelle an und stimuliert die Freisetzung von Säure. H 2 -Blocker (H 2 -Antihistaminika, H 2 -Rezeptorantagonisten) hemmen kompetitiv den Histamin-Rezeptor und unterbinden dadurch diesen Weg der Säurefreisetzung. Nicht beeinflusst werden die Säurefreisetzung durch Acetylcholin und die Menge Gastrin, die über die Blutbahn an die Belegzelle kommt ( Abb..1). Vertreter der meist verschreibungspflichtigen H 2 -Blocker sind: Cimetidin (Generika) Famotidin (Pepdul, Generika) Ranitidin (Sostril, Zantic, Generika)

60 Kapitel Arzneimittel in der Selbstmedikation Hinweise an den Patienten»Nehmen Sie die Tabletten unzerkaut mit einem Glas Wasser ein, unabhängig vom Essen. Oft reicht eine Tablette. Sie wirkt bis zu 12 h. Wenn nach zweiwöchiger Einnahme keine Besserung eingetreten ist, gehen Sie bitte zu einem Arzt, um die Ursache abklären zu lassen. Halten Sie einen Abstand von 2 h zu anderen Säureblockern ein. Die Tabletten enthalten Laktose.«Tab..6 Steckbrief Ranitic 75 mg akut Inhaltsstoff Indikation Dosierung KI, Warnhinweise (Auswahl) schwere Nieren-, Leberfunktionsstörung Cave: Maskierung Magenkarzinom oder Magen-, Zwölffingerdarmgeschwür Schwangerschaft, Stillzeit Ranitidin 75 mg, enthält Laktose Sodbrennen, auch nachts Erwachsene und Jugendliche >16 J.: tagsüber oder nachts je eine Tablette, max. 4 Tabletten in 24 h, unabhängig von einer Mahlzeit, nicht länger als 2 Wochen Ranitidin überschreitet die Plazenta, scheint keine NW auf den Fetus zu haben, geht in Muttermilch über, nicht empfohlen für Stillende Resorption bei gleichzeitiger Sucralfat-, Antazidaeinnahme, Abstand von 2 h einhalten, Verminderung der Resorption von Ketoconazol und Arzneimitteln, deren Resorption ph-abhängig ist Verstärkung der Wirkung von Midazolam, Triazolam Keine häufigen oder sehr häufigen NW, gelegentlich: Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Diarrhö, Obstipation, Übelkeit Ranitidin Ranitidin, mit 75 mg je Darreichungsform, ist für die Kurzzeitanwendung in der Selbstmedikation verfügbar ( Tab..6). Famotidin, mit 10 mg je Darreichungsform, ist als Monopräparat nicht mehr auf dem Markt. Es existiert als Kombinationspräparat (Pepciddual ) mit schnell wirksamen Antazida (Magnesiumhydroxid, Kalziumkarbonat). Die Wirkung der H 2 -Blocker ist systemisch d.h. nach Einnahme müssen sie im Dünndarm resorbiert werden. Die Wirkung tritt nach ca. 0-60 min ein, also deutlich später als bei den Antazida. Dafür hält sie ca. 6-10 h an. Die H 2 -Blocker eignen sich daher für Patienten, die unter nächtlichem Sodbrennen leiden. Generell ist die Wertigkeit der H 2 -Blocker in der Selbstmedikation rückläufig, seitdem es apothekenpflichtige Protonenpumpenhemmer (PPI) gibt..1.4 Protonenpumpeninhibitoren (PPI) Die Protonenpumpenhemmer (Benzimidazolderivate ) wirken systemisch, d.h. sie kommen erst nach Absorption im Dünndarm und Verteilung im Körper am Wirkort, der Belegzelle, im Magen, an. Der entscheidende Schritt zur Salzsäurebildung im Magen ist der Austausch von Kaliumionen (K + ) aus dem Magenlumen gegen Protonen (H + )

61.1 Arzneimittel bei säurebedingten Magenbeschwerden aus der Belegzelle durch das Enzym H + /K + -ATPase (= Protonenpumpe) in das Magenlumen. Die Protonenpumpenhemmer hemmen diese Pumpe irreversibel, d.h. der Austausch H + /K + kann erst wieder nach Neubildung des Enzyms einsetzen ( Abb..1). Das erklärt, wieso trotz kurzer Halbwertszeit der einzelnen Substanzen (ca. 1 h) im Plasma die Wirkung über 24 h anhält. Die Wirkung tritt innerhalb des ersten Tages der Einnahme ein. Protonenpumpenhemmer sind Prodrugs. Erst im sauren Milieu der Belegzelle werden sie in die aktiven Formen (Sulfenamide ) umgewandelt. Damit dies nicht schon im Magensaft geschieht, sondern erst nach Absorption und Transport an die Wirkungsstelle, brauchen die PPIs einen magensaftresistenten Überzug. Vertreter der meist verschreibungspflichtigen Protonenpumpenhemmer sind Omeprazol (Antra, Generika) Pantoprozol (Pantozol, Generika) Lansoprazol (Agopton, Generika) Esomeprazol (Nexium, Generika) Rabeprazol (Pariet ) Omeprazol 20 mg und Pantoprazol 20 mg sind seit 2009 für die kurzfristige Anwendung (2 Wochen) in der Selbstmedikation (Sodbrennen, saures Aufstoßen) zugelassen. Sollten sich danach die Beschwerden nicht gebessert haben, ist ein Arztbesuch anzuraten. Omeprazol, Pantoprazol Omeprazol wird durch das Cytochromsystem P-450 metabolisiert und inhibiert das CYP 2C19 Enzym. Pantoprazol hat eine geringere Affinität zu stoffwechselrelevanten Cytochrom-Enzymen. Dadurch sind bei Omeprazol mehr Wechselwirkungen denkbar, viele scheinen aber keine klinische Relevanz zu haben ( Tab..7). Beispielhaft sei hier auf die Kombination Clopidogrel und PPI eingegangen. Verschiedene Studien (TRITON-TIMI 8 und CONGENT) fanden keine Anhaltspunkte für kardiovaskuläre Wechselwirkungen, die sich negativ auswirkten (Bhatt 2010). Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und die Deutsche Gesellschaft für Koloproktologie (DGK) haben ein gemeinsames Positionspapier zur Interaktion von PPI und Thrombozytenfunktionshemmern verfasst mit folgenden Empfehlungen: Bei Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko, die mit Clopidogrel und ASS behandelt werden, ist der Einsatz von PPI dann obligat, wenn auch ein sehr hohes gastrointestinales Risiko besteht. Er ist sinnvoll bei Patienten mit hohem gastrointestinalem Risiko. Anstatt Omeprazol sollte man aber andere PPI mit geringerem Interaktionsrisiko, wie z.b. Pantoprazol, einsetzen und eventuell einen zeitlich versetzten Einnahmezeitpunkt für den PPI und Clopidogrel festlegen (Bischoff 2010). Bezüglich der Einnahme im ersten Trimenon der Schwangerschaft kommt eine dänische Studie nach Untersuchungen der Datenlage an über

62 Kapitel Arzneimittel in der Selbstmedikation Hinweise an den Patienten»Es genügt, wenn Sie eine Kapsel pro Tag, ½ h vor dem Essen möglichst immer zur gleichen Zeit einnehmen. Kauen Sie die Kapsel nicht. Wenn nach 14 Tagen keine Besserung eintritt, suchen Sie bitte einen Arzt auf. Noch einige Zusatzinformationen für Sie: Die Kapseln enthalten Fruktose und Laktose. Nehmen Sie kein Johanniskraut parallel ein, es vermindert die Wirkung. Die Kapseln halten nach Anbruch Monate, verschließen Sie den Behälter immer gut und lagern Sie die Kapseln nicht über 25 C. Wenn Sie Schwierigkeiten mit dem Schlucken haben, so können Sie die Kapseln öffnen und den Inhalt in Wasser einrühren. Zerbeißen Sie die kleinen Kügelchen nicht, sondern schlucken Sie ganz hinunter.«tab..7 Steckbrief Omep akut 20 mg Kapseln Inhaltsstoff Indikation Dosierung KI, Warnhinweise (Auswahl) KI: Atazanavir Jugendliche <18 J nur mit Arztanweisung, schwere Leberfunktionseinschränkung, Fruktose-, Galaktose-, Laktoseintoleranz Schwangerschaft, Stillzeit Omeprazol 20 mg, Saccharose, Laktose Sodbrennen, saure Aufstoßen 1-mal täglich eine Kapsel, nüchtern, ½ h vor einer Mahlzeit, unzerkaut, möglichst immer zur gleichen Zeit, max. Tagesmenge: 1 Kapsel längstens 14 Tage Die Kapseln können geöffnet und die Pellets in Wasser eingerührt werden. Pellets nicht zerbeißen! Begrenzte Datenlage, daher sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung, bisher keine Hinweise auf Fehlbildungen; geht in die Muttermilch über (ca.6%) Resorption Ketoconazol, Itraconazol : Nicht kombinieren Johanniskraut: Nicht kombinieren, da Omeprazolspiegel Resorption Digoxin (10%), Clarithromycin Orale Antikoagulanzien: Prothrombinzeit enger überwachen Häufig: Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Diarrhö, Verstopfung, Flatulenz, Übelkeit, Erbrechen 5.000 Kindern zu dem Schluss: Es bestand kein signifikant erhöhtes Risiko einen schweren Geburtsfehler zu erleiden, wenn die Mutter im ersten Trimenon der Schwangerschaft PPI eingenommen hatte (Pasternak u. Hviid 2010). Bei Patienten, die Protonenpumpenhemmer länger als 14 Tage einnehmen, ist es wichtig zu wissen, dass dadurch der Gastrinspiegel erhöht wird, der wiederum zu einer vermehrten Säureproduktion anregt. Das bedeutet, dass es nach Absetzen des Medikamentes zu einer überschießenden Säuresekretion ( Rebound Effekt) kommen kann (Ramsauer 2010). Es besteht eine erhöhte Gefahr der Besiedelung mit Bakterien, da diese nicht mehr durch die Magensäure bzw. den niedrigen ph-wert beseitigt werden. Eine längere Einnahme vermindert die Vitamin B 12 -Absorption. Hier kann eine Supplementierung (z.b. 50 μg Vitamin B 12 /Tag) in Kombination mit Vitamin B 6 und Folsäure, gerade bei älteren Patienten, sinnvoll sein (Gröber 2008). Da PPI den ph-wert des Magens bei längerer Einnahme dauerhaft senken, ist die Resorption von Kalziumkarbonat, das nur im sauren Bereich gelöst werden kann, reduziert. Hier wird bei nötiger Kalziumsubstitution das Ausweichen auf Kalziumzitrat empfohlen (Frey u. Wollenberg 2010). Tab..8 zeigt eine Gegenüberstellung von Antazida, H 2 -Blocker und Protonenpumpenhemmer

6.2 Phytopharmaka für den Magen Tab..8 Vergleich Antazida H 2 -Blocker PPI Antazida H 2 -Blocker PPI Wirkung Lokal, kurzfristig Systemisch, bis zu 12 h Systemisch, bis zu 24 h Mechanismus Säurebindung, Säureneutralisation Reversible Histamin-H 2 - Rezeptorblockade Irreversible Enzymhemmung, K + /H + -ATPase Einnahme Mehrmals täglich 2- bis 4-mal täglich 1-mal täglich Eintritt der Wirkung Nach Minuten Nach ca. 0 min Am 1. Tag der Einnahme Säurebedingte Beschwerden Gelegentlich, leicht Bedarfstherapie Auch bei nächtlichen Beschwerden Häufigere, stärkere Beschwerden Komplexbildung mit anderen AM Veränderte Resorption von AM Veränderte Resorption und Elimination von AM Je nach Antazidum: Weiche Stühle, Säure- Rebound, Blähungen, Obstipation Gelegentlich: Kopfschmerzen, Müdigkeit, Schwindel, Diarrhö, Obstipation, Übelkeit Häufig: Müdigkeit, Schwindel, Kopfschmerzen, Diarrhö, Verstopfung, Flatulenz, Übelkeit, Erbrechen.2 Phytopharmaka für den Magen.2.1 Entzündungshemmende, Heilung fördernde Drogen Von der breiten Palette der Phytopharmaka, die für Beschwerden im Magen-Darm-Trakt zur Verfügung stehen, werden in Tab..9 diejenigen aufgelistet, die zur unterstützenden Behandlung säurebedingter Beschwerden verwendet werden können. Sie haben nicht das Potenzial der chemischen Arzneimittel, viele Betroffene möchten jedoch auf natürlichem Weg, z.b. mit Tees, die Behandlung unterstützen. Es gibt Drogen mit positiver Monografie der Kommission E, die entzündungshemmend wirken und die Abheilung der gereizten oder entzündeten Magenschleimhaut fördern, wie z.b. Kamille oder Süßholzwurzel. Andere bedecken die Magenschleimhaut mit einem schützenden Film wie Leinsamenschleim. Leinsamen und Kamille können zu einer Rollkur verwendet werden. Dabei wird der Schleim bzw. der Tee morgens nüchtern getrunken und alle Seiten des Magens damit benetzt, indem der Patient jeweils 2-5 min auf Rücken, linker Seite, rechter Seite und zum Abschluss 2-5 min auf dem Bauch liegt. Die Kur wird 14 Tage lang jeden Morgen und Abend durchgeführt. Ein Fertigarzneimittel, das als Indikationen sowohl funktionelle als auch motilitätsbedingte Magen-Darm-Erkrankungen besitzt und sich zur unterstützenden Behandlung einer Gastritis eignet, ist Iberogast ( Tab..10). Es enthält neben Iberis amara Wirkstoffe von 8 weiteren Pflanzen und hat eine prokinetische, spasmolytische Wirkung. Iberogast erhöht schleim-

http://www.springer.com/978--642-24626-5