Die Besten für die Jüngsten - Qualität der Elementarbildung durch weitere Professionalisierung der Fachkräfte verbessern



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Transkript:

LANDTAG NORDRHEIN-WESTFALEN 14. Wahlperiode Drucksache 14/7342 19.08.2008 Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Die Besten für die Jüngsten - Qualität der Elementarbildung durch weitere Professionalisierung der Fachkräfte verbessern In der frühen Kindheit werden in Verantwortung von Familien und Kindergärten die Grundlagen für die Persönlichkeitsentwicklung und den Bildungserwerb von Kindern gelegt. Deswegen hat die Qualität der Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Tageseinrichtungen eine eminent hohe Bedeutung. Bereits heute wird in der öffentlichen Kindertagesbetreuung engagierte und gute Arbeit geleistet, die in der gesellschaftlichen Anerkennung und bei der Entlohnung zu wenig Würdigung findet. Durch bessere Arbeitsbedingungen und eine weitere Professionalisierung des pädagogischen Personals ist dennoch eine Steigerung der flächendeckenden Qualität von Bildung, Erziehung und Betreuung möglich und nötig. Der Landtag Nordrhein-Westfalen fordert entsprechend internationaler Standards in Zukunft einen Hochschulabschluss für das pädagogische Personal in Kindertageseinrichtungen - zunächst auf der Leitungsebene. Darüber hinaus sind Weiterbildungsmöglichkeiten zu schaffen, um eine höhere Anschlussfähigkeit und Durchlässigkeit der verschiedenen Berufe in der Frühkindlichen und Elementarbildung zu erreichen. Jetzt müssen die Weichen gestellt werden, indem Hochschulen entsprechende Studiengänge und Fachschulen die notwendigen Weiterbildungsangebote einrichten. Kindertagesbetreuung in Nordrhein-Westfalen: Ausbau und Qualitätsentwicklung müssen Hand in Hand gehen Die Entwicklung eines bedarfsgerechten Angebots zur Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern hat in den letzten Jahren eine herausragende Bedeutung gewonnen. Die zurückgegangenen Geburtenzahlen und die nach wie vor vorhandenen Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf haben die Einsicht wachsen lassen, dass die familienpolitischen Rahmenbedingungen dringend verbessert werden müssen. Hinzu kommen die internationalen und nationalen Erkenntnisse aus der Forschung zur Bedeutsamkeit und Wirksamkeit frühkindlicher und Elementarbildung für die Entwicklung individueller Potentiale wie auch zur Wahrung von Chancengleichheit. Datum des Originals: 19.08.2008/Ausgegeben: 19.08.2008 Die Veröffentlichungen des Landtags Nordrhein-Westfalen sind einzeln gegen eine Schutzgebühr beim Archiv des Landtags Nordrhein-Westfalen, 40002 Düsseldorf, Postfach 10 11 43, Telefon (0211) 884-2439, zu beziehen. Der kostenfreie Abruf ist auch möglich über das Internet-Angebot des Landtags Nordrhein-Westfalen unter www.landtag.nrw.de

Quantität reicht nicht Qualität muss sein Nachdem es bei den finanziellen Leistungen für Eltern schon Fortschritte gegeben hat, ist der Ausbau von Angeboten der Familienhilfe und der westdeutschen Betreuungsinfrastruktur dringend erforderlich. Ein bedarfsgerechtes Angebot an Betreuungsplätzen muss an eine gute Qualität gebunden sein, damit Kinder nicht "verwahrt" sondern individuell betreut und gefördert werden, Ein wichtiges Qualitätskriterium ist dabei das Verhältnis der Zahl der zu betreuenden Kinder zur Zahl der pädagogischen Fachkräfte. Weitere Qualitätskriterien betreffen die pädagogische Konzeption und deren Umsetzung, sowie die räumliche und sachliche Ausstattung einer Einrichtung. Von zentraler Bedeutung ist die Ausbildung der pädagogischen, aber auch der pflegerischen Fachkräfte sowie deren Fort- und Weiterbildung. Höchste Anforderungen an die Arbeit mit den Jüngsten Die Arbeit mit Kindern im Frühkindlichen- und Elementarbereich stellt höchste Anforderungen an die Erzieherinnen und Erzieher, die Kinderpflegerinnen und Kinderpfleger. Sie sollen Kinder individuell bilden, erziehen und betreuen und dabei besondere Stärken, Schwächen, Begabungen und Neigungen identifizieren, befähigt sein, eine fachgerechte Entwicklungs- und Bildungsdokumentation der Kinder zu erstellen, den Spracherwerb der Kinder fördern, Kinder an mathematische, naturwissenschaftliche und musische Felder sowie an Umweltbildung und Medienbildung heranführen, soziale und interkulturelle Kompetenz vermitteln, die körperliche und motorische Entwicklung fördern sowie Ernährungs- und Gesundheitsbildung vermitteln, kultursensibel mit Kinder und Familien mit Zuwanderungsgeschichte arbeiten, geschlechtersensible Kompetenzen aufweisen und in der pädagogischen Arbeit umsetzen, die Integration von Kindern mit Behinderungen umsetzen bzw. Entwicklungsstörungen und aufkommende Behinderungen frühzeitig erkennen und entsprechende Fördermaßnahmen vermitteln, die eigene pädagogische Arbeit und das pädagogische Konzept der Einrichtung erstellen, kritisch reflektieren und fortentwickeln, in Zusammenarbeit mit den Eltern eine Erziehungspartnerschaft entwickeln und Angebote zur Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern machen, Praktikantinnen und Praktikanten anleiten und ausbilden, über Kenntnisse in den Bereichen Selbstevaluation und Qualitätsmanagement verfügen, den Übergang zur Grundschule vorbereiten und kooperativ unterstützen, Kooperationen mit anderen Hilfs- und Beratungseinrichtungen etablieren und nutzen. Hinzu kommt eine Vielzahl weiterer Aufgaben wie pflegerische und hauswirtschaftliche Tätigkeiten, die Erledigung der anfallenden Bürokratie bis hin zu Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. Nicht zuletzt verlangt der Beruf des Erziehers/der Erzieherin für die soziale Arbeit mit Kindern und Eltern typische und unverzichtbare personale und soziale Kompetenzen wie Sensibilität, Geduld, Verantwortungsbewusstsein, Einfühlungsvermögen und Belastbarkeit. Trotz dieser hohen Anforderungen an die fachliche Qualifikation und die persönliche Eignung von Erzieherinnen und Erziehern, sind diese augenblicklich unterbezahlt. Dies steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der geringen Wertschätzung und geringen gesellschaftlichen Anerkennung, die in Deutschland der frühkindlichen Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern zukommen. 2

Gleichwohl steigen die bildungspolitischen Anforderungen an die Elementarerziehung, ohne dass die Rahmenbedingungen für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen wesentlich verbessert würden: Es ist allgemeiner Konsens, dass im frühkindlichen Bereich das wesentliche Fundament für das Gelingen der weiteren Bildungsbiographie gelegt wird. Dabei wird der Bildungserwerb inzwischen nicht mehr als isolierter Abschnitt im Lebensverlauf verortet, stattdessen wird von einem lebenslangen Prozess ausgegangen. Tief greifende Fortschritte sind im Bereich der Neurophysiologie, der Entwicklungs- und der Bildungsforschung zu verzeichnen, die zwangsläufig zu erhöhten Anforderungen und Ansprüchen an die pädagogischen Konzeptionen führen. Die Integration von Kindern mit Migrationshintergrund gelingt nicht von allein. Interkulturelle Kompetenz sind für das pädagogische Personal unverzichtbar. Die vorschulische Sprachförderung, nicht nur für Kinder mit Migrationserfahrung, erfährt einen großen Bedeutungszuwachs. Kinder wachsen heute in völlig anderen technischen und sozialen Umfeldern auf als früher, wobei sich schnell wandelnde und zunehmend individualisierte Lebenslagen von Kindern und deren Familien zu einem breiten Phänomen geworden sind. Immer mehr Kinder wachsen in von Armut und langjähriger Erwerbslosigkeit geprägten Milieus auf. Bildung von Anfang an gewinnt in der Wissensgesellschaft individuell wie volkswirtschaftlich eine zentrale Bedeutung. Kindertagesstätten sind ein Teil des Bildungssystems - eine Anpassung der Ausbildung ist notwendig Zur Bewältigung des immer breiter werdenden Aufgabenspektrums und der neuen Herausforderungen im Bildungsbereich bedarf es einer entsprechend qualifizierten Ausbildung. Neben dem Erwerb spezifischer Kenntnisse in diversen Wissens- und Lernbereichen müssen die angehenden pädagogischen Fachkräfte in der Lage sein, ihre praktische Arbeit theoretisch-wissenschaftlich reflektieren zu können. Dazu gehört z.b. auch die fachliche Beurteilung von Erhebungsverfahren und Fördermethoden. Hinzu kommen ebenfalls die organisatorischen Aufgaben, die sich aus der Novellierung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes im Jahr 2004 ("KICK") ergeben haben: Dies betrifft vor allem die Vernetzung der Angebote der Familienhilfe und der Kinderbetreuung ( 22, Absatz a, SGB VIII). Gerade für Leiterinnen und Leiter einer Einrichtung sind Fähigkeiten in der Personal- und Organisationsentwicklung sowie im wirtschaftlichen Management unerlässlich. All dies kann die bisherige Fachschulausbildung nicht hinreichend gewährleisten. Überall im Bildungssystem ist der Hochschulabschluss Voraussetzung für die Arbeit mit Kindern, während er in der Elementarbildung die absolute Ausnahme darstellt. Das muss sich ändern. Die schrittweise Akademisierung bietet jungen Menschen Aufstiegschancen, die bisher kaum vorhanden sind. Insgesamt sind die Berufsbilder in der Elementarbildung und die Arbeitsbedingungen attraktiver zu gestalten, da für die Zukunft ein massiver Fachkräftemangel absehbar ist. Ausbildung auf Hochschulniveau ist internationaler Standard In Europa gibt es kaum mehr ein Land, in dem die Qualifikation von sozialpädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen auf einem formal so niedrigen Niveau angesiedelt ist wie in Deutschland. In vielen europäischen Ländern wird die deutsche Ausbildung deshalb auch nicht anerkannt. Erstaunlich ist, dass Bildung, Erziehung und Betreuung in Tageseinrichtungen dennoch auf einem guten Niveau gehalten werden konnten. Dies ist vor allem der guten Arbeit der Fachschulen und dem großem Engagement der Erzieherinnen und 3

Erzieher zu verdanken. Auf die Dauer ist dies jedoch ein unhaltbarer Zustand. Deshalb fordert die Enquete-Kommission des Landtags Nordrhein-Westfalen "Chancen für Kinder" in ihrem Abschlussbericht einvernehmlich die Weiterqualifizierung der Beschäftigten in Kitas. "Die Aus-Fort- und Weiterbildung von Erzieherinnen und Erziehern ist qualitativ weiterzuentwickeln. Mittelfristig ist eine Bachelorausbildung oder vergleichbare Qualifikation für Leitungspositionen in Kindertagesstätten anzustreben." (vgl. Enquetebericht 2008, Handlungsempfehlung 11.11). Es ist notwendig, auch die internationale Anschlussfähigkeit durch Anhebung des Ausbildungsniveaus herzustellen. Dies erleichtert internationale Kooperationen, Auslandspraktika und nicht zuletzt die berufliche Mobilität von Fachkräften in Europa. Grundsätzlich besteht kein Anlass, im formalen Ausbildungsabschluss einen Unterschied zwischen Lehrkräften an Grundschulen und sozialpädagogischen Fachkräften in Kindertageseinrichtungen zu machen. Es muss bundesweit eine Selbstverständlichkeit werden, dass die pädagogische Arbeit von Bildungseinrichtungen im Wesentlichen von akademisch ausgebildetem Personal ausgeübt wird. Keine "Verschulung" der Elementarbildung Der Elementarbereich zeichnet sich gegenwärtig durch ein ganzheitliches Erziehungs- und Bildungsverständnis aus. Die Förderung der Kinder findet in dem bewährten Dreiklang von Bildung, Erziehung und Betreuung statt, wie es im Kinder- und Jugendhilfegesetz vorgesehen ist. Ein "Aussortieren" gibt es in der Elementarbildung nicht, im Gegenteil: Kitas arbeiten nach pädagogischen Konzepten, die sehr stark auf Wertschätzung von Vielfalt und Integration setzen (z.b. Kinder mit Behinderungen, Kinder mit Zuwanderungsgeschichte). Bildungsarbeit im Kindergarten muss altersgerecht stattfinden. Jüngere Kinder brauchen verlässliche Bindungen und die Zeit kompetenten Fachpersonals, um spielerisch lernen zu können. Elementarbildung muss altersgemäß sein und darf nicht einer Verschulung unterworfen werden. Die Frühkindliche- und Elementarbildung braucht eigene Studiengänge und Konzepte. Die Kontinuität der Förderung muss durch einen bruchlosen und kooperativen Übergang vom Kindergarten zur Schule gewährleistet werden. Auch hier wäre eine formal gleichwertige Qualifizierung des pädagogischen Personals in Kitas und Schulen hilfreich. Mehr männliche Fachkräfte für das Berufsfeld Für eine geschlechterbewusste Erziehung sind männliche und weibliche Bezugspersonen erforderlich. Ein höherer Anteil männlichen Personals wäre folglich für alle Kinder gut - sie könnten im täglichen Umgang beide Geschlechter als gleichwertig und Männer als ebenso fürsorglich wie Frauen erleben. Hierdurch können Rollenbilder aufgebrochen und eine breitere Definition von Männlichkeit ermöglicht werden. Das Netzwerk Kinderbetreuung der EU formulierte bereits 1996 als Ziel einen mindestens 20% Anteil an männlichen Fachkräften. Die Landesregierung ist aufgefordert, sich für eine Öffnung so genannter Frauenberufe für Männer ebenso einzusetzen wie umgekehrt. Für den Bereich der Kindertagesbetreuung ist eine Erhöhung des Anteils männlicher pädagogischer Fachkräfte durch geeignete Maßnahmen anzustreben. Hierüber sind entsprechende Gespräche mit den Einrichtungsträgern zu führen und andere Institutionen wie z.b. die Berufsberatung der Arbeitsagenturen und die Schulen einzubeziehen. Geschlechterstereotype werden jedoch nicht nur über veränderte Rollenvorbilder aufgebrochen, sondern darüber hinaus ist bei der Konzeptionierung aller Aus-, Fort- und Weiterbildungsinhalte die Vermittlung von Geschlechterkompetenz unabdingbar. 4

Reform der Fort- und Weiterbildung für alle Berufsgruppen in der Kinderbetreuung Eine Reform des Ausbildungswesens mit dem Ziel der Stärkung des Bildungsaspekts in der Frühkindlichen- und Elementarbildung darf keine Berufsgruppen zurücklassen. Ziel ist die Höherqualifizierung aller Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege. Personal mit einem niedrigeren Ausbildungsstand muss durch ein gutes und verlässlich finanziertes System von Nachqualifizierung und Weiterbildung eine Perspektive eröffnet werden. Dabei sind die verschiedenen beruflichen Werdegänge und die vorhandenen beruflichen Erfahrungen zu berücksichtigen. Auch die Konzepte für die Fort- und Weiterbildungsangebote müssen akademisch gestützt sein. Die Durchlässigkeit und die Übergänge zwischen den verschiedenen Ebenen sollen durch das Qualifizierungssystem gefördert werden. Es muss durch Weiterbildung ermöglicht werden, sich vom Kinderpfleger zum Erzieher, von der Erzieherin zur Elementarpädagogin mit Hochschulabschluss zu qualifizieren. Daneben sind nach wie vor Weiterbildungsmaßnahmen notwendig, die innerhalb ein und desselben Berufsbilds zur höheren oder spezielleren Qualifikationen führen. Landesregierung, Träger, Landesjugendämter und Fachschulen sind aufgefordert, entsprechende Angebote zu entwickeln und die Zukunft der bereits existierenden Ausbildungsgänge zu klären. Die Landesregierung hat außerdem auch auf Bundesebene für Transparenz und mehr Einheitlichkeit bei der Anerkennung der Aus-, Fort- und Weiterbildungsabschlüsse zu sorgen, damit für die Beschäftigten kein Mobilitätshindernis entsteht. Mit einem ausgebauten Qualifizierungssystem, das für mehr Durchlässigkeit und Anschlussfähigkeit sorgt, wird dem bisher in den Einrichtungen tätigen Personal weder ein Zeugnis ausgestellt, noch darf eine Höherqualifizierung oder Akademisierung zu Verdrängungsprozessen führen. Die Erfordernisse der Arbeit von Kindertageseinrichtungen und von Kinderund Familienzentren - gerade von größeren - erfordern durchaus einen multiprofessionellen Personalmix, der akademisch ausgebildetes Fachpersonal, Erzieherinnen und Erzieher, Kinderpflegehelferinnen und Kinderpflegehelfer sowie hauswirtschaftliche Arbeitskräfte einschließt. Hinzu kommen im Bedarfsfall und je nach Standort therapeutisches Fachpersonal, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sowie andere Professionen, die z.b. im Rahmen von Beratungen oder Projekten in Kindertageseinrichtungen zeitweise tätig werden. Einrichtungsleitungen sollten allerdings in Zukunft in der Regel eine akademische Ausbildung haben. Perspektivisch sollen auch Gruppenleitungen über eine akademische Ausbildung verfügen. Zurzeit tätige Erzieherinnen und Erzieher müssen die Gelegenheit zu entsprechenden, auch nebenberuflichen Nachqualifizierungen erhalten, Praxiserfahrungen sind dabei einzubeziehen. Höhere Fachlichkeit darf keine Berufsgruppe zurücklassen, sondern muss Perspektiven für alle Beteiligten eröffnen. Deshalb sind durchlässige Bildungswege und ein verlässliches System von Nachqualifizierung und Weiterbildung dringend geboten. Hierdurch kann auch ein wichtiger Beitrag zur Steigerung der Attraktivität der Berufe im Elementarbereich geleistet werden. Kindertagespflege - Schritt für Schritt zu mehr Qualifizierung Für Tagesmütter und Tagesväter gelten vollkommen andere Ausgangsbedingungen, da es sich nicht um einen Ausbildungsberuf handelt und eine formale Qualifikation keine Voraussetzung für diese Tätigkeit ist. Im Kinderbildungsgesetz NRW wird zwar eine Qualifikation verlangt, deren Art und Umfang jedoch ins Ermessen des kommunalen Jugendamts gestellt sind. Die Chance auf einen landeseinheitlichen Mindeststandard in der Qualifikation wurde damit vertan. Dies muss aber der erste Schritt sein. Für die Zukunft sollten in der Kindertagespflege und in der Betreuung im Kindergarten gleiche Bedingungen beim Ausbildungsstand und der Bezahlung geschaffen werden. Dies schließt die Verbesserung der Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten ein. Erst wenn Tagesmütter und -väter in Ausbildung und Be- 5

zahlung mit Fachkräften in Tageseinrichtungen gleichgestellt sind, darf die derzeit ausgesetzte Einkommensbesteuerung greifen. Finanzielle Folgen der Professionalisierung sind überschaubar Das Ergebnis der Studie "Die finanziellen Auswirkungen einer Anhebung der Erzieher/innenausbildung" für den 12. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung besagt, dass sich die Kostenfolgen einer Qualifizierung auf (Fach)Hochschulniveau in begrenztem Rahmen halten. Ursachen sind die höheren Platzkosten an Fachschulen gegenüber Fachhochschulen, die rückläufigen Geburtenzahlen und die niedrigeren Arbeitskosten jungen Personals gegenüber dem älteren aktuellen pädagogischen Fachpersonal. Zweifellos muss die Vergütung eines Berufs mit Hochschulabschluss höher ausfallen als für einen Ausbildungsberuf. Anzustreben ist eine Angleichung der Bezahlung pädagogischer Fachkräfte in Kindertageseinrichtungen an die der Grundschullehrkräfte. Mehrausgaben, die bei höheren Gehältern für akademisch ausgebildete Frühpädagoginnen und Frühpädagogen entstehen, werden durch die sinkenden Ausgaben bei rückläufigen Kinderzahlen mehr als ausgeglichen (Peer Pasternack/Arne Schildberg, DJI, 2005). In den Kindpauschalen des nordrhein-westfälischen Kinderbildungsgesetzes sind akademisch ausgebildete Fachkräfte mit einer der Ausbildung entsprechenden Vergütung allerdings gar nicht vorgesehen. Hier sollten möglichst schnell die notwendigen gesetzlichen Anpassungen erfolgen, damit die bereits in einer Hochschulausbildung befindlichen Frühpädagoginnen und -pädagogen auch tatsächlich für nordrhein-westfälische Tageseinrichtungen gewonnen werden können. Langjährigen Prozess der Höherqualifizierung jetzt starten Der Prozess der Höherqualifizierung des Personals in Kindertageseinrichtungen kann nur mittel- und langfristig erreicht werden. Zu gering sind bundesweit die Ausbildungskapazitäten an Fachhochschulen und Universitäten, zu groß die Zahl der künftig durch akademisch ausgebildetes Personal zu besetzenden Stellen. 2006 startete in Köln die erste nordrhein-westfälische Fachhochschule mit einem Bachelor- Studiengang, weitere Standorte in Bielefeld, Paderborn und Bochum sind hinzu gekommen (Aachen folgt zum Wintersemester 2008/2009). In der Regel stehen pro Standort 25 Studienplätze zur Verfügung. Es würde bei diesen Ausbildungskapazitäten Jahrzehnte dauern, bis allein die Leitungsstellen in den 9.700 Kindertageseinrichtungen durch Personal mit Bachelorabschlüssen besetzt werden könnten. Deswegen ist eine deutliche Ausweitung der Ausbildungskapazitäten notwendig. Dies gilt gleichermaßen für die Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung. Die Anstrengungen für eine möglichst hohe Fachlichkeit des nicht akademisch ausgebildeten Personals müssen aufgrund der steigenden Anforderungen noch verstärkt werden. Hierzu gehört ein eigenständiges Fort- und Weiterbildungsprogramm für die pädagogischen Fachkräfte, die mit unterdreijährigen Kindern arbeiten. Das Land ist in der Pflicht, eine rechtlich abgesicherte Finanzierungsgrundlage unter den Bedingungen des Kinderbildungsgesetzes zu schaffen. 6

Der Landtag fordert die Landesregierung auf - die Einrichtung von Studiengängen für Erzieherinnen und Erzieher sowie den Ausbau der Ausbildungskapazitäten an Hochschulen in NRW intensiv zu fördern - auf eine bessere Erforschung des frühkindlichen Bildungserwerbs z.b. durch die Einrichtung von Lehrstühlen für Frühpädagogik hinzuwirken - berufsbegleitende Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für das vorhandene Einrichtungspersonal in Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachhochschulen, den Kindergartenträgern, den Landesjugendämtern und den Fachschulen zu schaffen - sich auch auf Bundesebene für mehr Transparenz und Einheitlichkeit bei der Anerkennung der Aus-, Fort- und Weiterbildungsabschlüsse im Elementarbereich einzusetzen, damit für die Beschäftigten mehr Durchlässigkeit, sowie internationale Anschlussfähigkeit entsteht und Mobilitätshindernisse abgebaut werden. - Maßnahmen zu entwickeln, damit mehr Männer für die Berufe in der Frühkindliche und Elementarbildung gewonnen werden können - in Abstimmung mit den Kommunen und den Einrichtungsträgern die finanziellen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass pädagogisches Personal mit einer Hochschulausbildung eingestellt werden kann. Sylvia Löhrmann Johannes Remmel Andrea Asch Sigrid Beer Dr. Ruth Seidl Horst Becker Barbara Steffens und Fraktion 7