Rechenschwäche (Dyskalkulie) Ein Überblick Dr. Michael Schmitz



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Transkript:

Rechenschwäche (Dyskalkulie) Ein Überblick Dr. Michael Schmitz Mathematik ist eine Wissenschaft, die sich mit Zahlen, Formen und Strukturen auf einem oft sehr abstrakten Niveau beschäftigt. Eingeweihte und Interessierte empfinden die Beschäftigung mit Mathematik als spielerische Freude und Freiheit. In der Schule erfahren Schüler 1 die Beschäftigung mit Mathematik jedoch oft als sinnlos [1]. Sie gehen häufig mit Furcht zum Mathematikunterricht, lernen Regeln verständnislos auswendig und bekommen dadurch häufig ein Mathematikproblem, das zu massiven Schulproblemen führen kann. Diese Schüler haben bisher nicht gelernt, die Bedeutung und Schönheit dieses Schulfaches zu erkennen, die auf jedem Niveau sichtbar werden kann. Mathematik ist mehr als nur Rechnen können. In unserem täglichen Leben spielt Mathematik nämlich eine wichtige Rolle, die jedoch nicht immer bemerkt und beachtet wird. Rechenschwäche Was ist das? Je nachdem, wie eng oder wie weit der Begriff der Rechenschwäche definiert wird, schätzt man auf internationaler Ebene 3-7% aller Grundschüler als extrem rechenschwach ein (vgl. [2]). In [3] wird der Anteil der Grundschüler, die eine Förderung bezüglich ihrer Probleme mit dem Rechnen benötigen, mit mehr als 15% angegeben. Trotz dieser Zahlen haben Rechenstörungen bislang nicht die große Aufmerksamkeit erlangt wie z. B. die Störungen beim Erlernen des Lesens oder Schreibens (LRS). Dies liegt sicher einerseits an der größeren sozialen Bedeutung, die dem Lesen und Schreiben gegenüber dem Rechnen zugeschrieben wird und andererseits daran, dass man Rechenschwierigkeiten vor einiger Zeit nur auf Defizite im Spracherwerb zurückgeführt hat. Auch hört man oft bei Problemen in Mathematik, dass die Kinder nicht fleißig genug seien und einfach nicht wollen. Für viele Eltern und Lehrer steht dabei Faulheit bei den Kindern im Vordergrund. Seit ca. zwei Jahrzehnten beschäftigen sich Wissenschaftler aus Psychologie, Pädagogik, Neuropsychologie, Fachdidaktik, Sonderpädagogik und anderen Bereichen intensiv mit dem Phänomen der Rechenschwäche. Viele Fragen sind noch ungeklärt und umstritten. Als gesichert darf jedoch gelten, dass Rechenschwäche keine Krankheit ist und nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun hat. Auch mangelnder Fleiß oder mangelndes Interesse kann nicht immer als Ursache dieser Mathematikprobleme gesehen werden. Das Umgekehrte ist öfter der Fall. Unter dem Begriff Rechenschwäche werden im Folgenden erhebliche und lang andauernde Schwierigkeiten beim Erlernen der mathematischen Grundlagen zusammengefasst, wobei die Ursachen dafür sehr verschieden sein können. An dieser Stelle soll auch darauf hingewiesen wenden, dass Rechenschwäche nicht nur als Teilleistungsschwäche gesehen werden kann. Fasst man nämlich eine Rechenschwäche nur als eine Teilleistungsschwäche auf, dann bedeutet dies, dass nur solche Kinder betrachtet werden, und demzufolge Förderbedarf anmelden können, wenn sie in allen anderen Schulfächern gute und sehr gute Leistungen zeigen, nur eben in Mathematik nicht. Natürlich gibt es solche Kinder, bei denen sich dieses Bild zeigt. Aber andererseits wirken sich langjährige Misserfolge in einem so wichtigen Schulfach wie Mathematik bei vielen Schülern auch auf das Lernen in anderen Fächern aus. Damit wären die Probleme in Mathematik aber keine Teilleistungsstörung mehr. In der Pädagogik spricht man hier vom Teufelskreis der Lernstörungen (Abbildung 1): Die Schüler beginnen sich an den länger anhaltenden Misserfolgen im Mathematikunterricht zu orientieren, halten sich selbst für,,dumm und werden gelegentlich von Mitschülern, 1 Der männlich Genus wird nur der Einfachheit halber durchgängig verwendet.

Lehrern und Eltern als solche hingestellt. Auf dieser Grundlage ist es nicht selten, dass sich dann Angst vor dem Mathematikunterricht bis hin zur allgemeinen Schulangst und Schulverweigerung entwickeln kann. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden, damit auch Kinder mit Problemen beim Lernen von Mathematik dieses Schulfach (und damit ihre Schullaufbahn) erfolgreich meistern. Die Wissenschaftler sind sich darüber einig, dass es keine eindeutig bestimmbare Ursache für eine Rechenstörung gibt. Es gibt eine Vielzahl von Faktoren, die eine Rechenschwäche auslösen können. Nicht alle diese Faktoren liegen,,im Kind selbst. Auch die Schule kann ein solcher wesentlicher Faktor sein, wenn man z. B. an häufigen Lehrerwechsel, Zeit- oder Notendruck oder Mängel im Unterricht selbst denkt. Auch eine überzogene, formale Arbeitsweise im Unterricht, die kaum konkrete und anschauliche Hilfsmittel zulässt, kann Auslöser für Verständnis- und somit auch für Lernprobleme werden. allgemeines Schulversagen allgemeine Schulunlust Probleme in anderen Fächern? Und dann? Angst Teufelskreis Teilleistungsstörung Misserfolge in einem Fach Vermeidung gemindertes Selbstwertgefühl Abbildung 1: Teufelskreis kein Lernen schlechte Leistung Damit Kinder mit einer Rechenschwäche den Teufelskreis der Lernstörungen durchbrechen können, brauchen sie Hilfe. Diese Hilfe ist innerhalb der Schule oft nicht zu leisten. Neben psychologischer Betreuung benötigen diese Kinder eine einfühlsame Unterstützung, die keine Nachhilfe ist, sondern an den Ursachen der Probleme beim Lernen von Mathematik ansetzt. Besser wäre es jedoch, wenn solche Rechenstörungen möglichst vermieden werden könnten. Dies setzt aber ein zeitiges Erkennen der Rechenprobleme sowie eine individuelle und gezielte Hilfe, und damit eine entsprechende Aus- bzw. Weiterbildung insbesondere der Grundschullehrer, voraus. Strafe Was können Ursachen für Rechenschwäche sein? Wie oben bereits angedeutet, besteht hier keine einheitliche Meinung. Nach [5] kann man davon ausgehen, dass es zu extremen Lernschwierigkeiten im Mathematikunterricht kommen kann, wenn Verzögerungen in der kindlichen Entwicklung vorliegen. Entscheidende Fähigkeiten für das Rechnenlernen konnten noch nicht genügend ausgeprägt werden, es mangelt also an den notwendigen Voraussetzungen zum Rechnen. Diese Überlegungen schließen eng an die Untersuchungen des Schweizer Psychologen Jean Piaget (1896-1980) zur Intelligenzentwicklung bei Kindern an. In seiner Entwicklungstheorie beschreibt er Etappen der Intelligenzentwicklung, die von allen Kindern in fester Reihenfolge durchlaufen werden (Zusammenfassung nach [4]). Dabei entwickelt sich das Denken der Kinder, die sich von Geburt an bis etwa zum zweiten Lebensjahr im sensomotorischen Stadium befinden weiter vom anschaulichen Denken (etwa von zwei bis sieben Jahren) über das konkret-operative Denken (etwa von sieben bis elf Jahren) hin zum formal-operativen Denken (etwa von elf bis fünfzehn Jahren). Da sich die Altersangaben zum Erreichen der einzelnen Entwicklungsetappen von Kind zu Kind unterscheiden können, sind Unterschiede in der kindlichen Entwicklung nicht unnormal und können zum Zeitpunkt der Einschulung mehrere Jahre betragen. 2

Darüber hinaus werden in der Entwicklungspsychologie biologisch bedingte,,kritische Perioden beschrieben, in denen das Kind für bestimmte Erfahrungen in besonderer Weise aufgeschlossen ist. Zu Lernschwierigkeiten kann es dann kommen, wenn die Intelligenzentwicklung über einen längeren Zeitraum verzögert ist oder eine,,kritische Periode zur Aufnahme bestimmter Erfahrungen verpasst wurde. Als mögliche Ursachen für solche Entwicklungsverzögerungen bzw. damit zusammenhängende Lernschwierigkeiten findet man häufig: organische Erschwernisse (z.b. Hör- oder Sehschwierigkeiten, eingeschränkte Bewegung, nicht eindeutig ausgeprägte Seitigkeit...), Anregungsmängel (z.b. mangelnde Raumerfahrung, da das Kind nicht gekrabbelt ist, fehlende Erfahrungen auch durch Vermeidungstendenzen - das Kind hat nur ungern gemalt oder gebaut und hat es daher lieber vermieden), schwere psychische Belastungen und Probleme. Probleme in diesen Bereichen können zu extremen Lernschwierigkeiten führen, wenn das Kind über einen längeren Zeitraum auf eine nicht passende Lernsituation trifft, wenn also durch die Anforderungen im Lernprozess die Voraussetzungen des konkreten Kindes nicht genügend berücksichtigt werden können (vgl. Abbildung 2). körperliche Besonderheiten - Voraussetzungen des Lernenden - Biologische Komponenten Psychische Komponenten Soziale Komponenten Familiensituation Erziehungsstil Gesundheitszustand Reifeprozesse Kind-Umwelt- Beziehung Lehrer-Schüler- Verhältnis kognitive Fähigkeiten und Stützfunktionen psychische Anregbarkeit und Aktivität Selbstkonzept ungenügende Passung Lehrplan Lehrer Lehrstil Lehrbücher Lehrmaterialien - Anforderungen im Lernprozess - Abbildung 2: Ursachen für Lernschwierigkeiten nach [5] 3

Woran kann man eine Rechenschwäche erkennen? Auch hier scheint es keine allgemeinen Regeln und Gesetzmäßigkeiten zu geben. Dennoch gibt es Auffälligkeiten, die besonders bei rechenschwachen Schülern beobachtet werden. Neben allgemeinen Auffälligkeiten werden hier auch spezielle Auffälligkeiten genannt, die sich nach [5] den kognitiven Fähigkeiten Orientieren, Vorstellen und Abstrahieren zuordnen lassen. Als weitere wichtige kognitive Fähigkeit wird hier das Bilden von Analogien ergänzt. Allgemeine Auffälligkeiten: Alles, was mit Rechnen zu tun hat, wird möglichst vermieden. Auch Würfelspiele werden nicht gern gespielt, und das Kind baut mit Bausteinen nicht gern nach Vorlagen. Das Erledigen der Hausaufgaben für Mathematik dauert unangemessen lange. Selbst intensives Üben bringt keinen oder nur kurzzeitig Erfolg. Nach ein paar Tagen ist alles wie,weggeblasen. Die Malfolgen werden z.b. immer wieder vergessen, obwohl die Schüler mit Gedichten keine Probleme hat. Nach dem Üben eines Aufgabentyps beherrschen die Schüler diese Aufgaben. Aber nach kleinen Änderungen in der Aufgabenstellung beginnen die Probleme meist wieder neu. Die Schüler schaffen die gestellten Aufgaben im Unterricht oder in der Mathearbeit oft nicht in der vorgegebenen Zeit. Die Schüler sind unzufrieden mit sich selbst, ihr Selbstwertgefühl ist gesunken.,,in Mathe bin ich doch doof! Psychosomatische Symptome wie Schlaflosigkeit, Kopf- oder Bauchschmerzen oder Übelkeit vor einer Mathearbeit oder vor dem Mathematikunterricht können sich einstellen. Die Schüler haben keine Lust mehr auf Schule, sie haben sogar Angst vor ihr. Dies kann sich bis zur Schulbummelei entwickeln. Spezielle Auffälligkeiten in Bezug auf kognitive Fähigkeiten: Orientieren: Dazu gehören z.b. die Orientierung am eigenen Körper, die Orientierung im Raum und das Erfassen von Richtungen. Beim Arbeiten im Heft wird keine Ordnung gehalten: Oft wird nicht links oben auf dem Blatt, sondern in der Mitte des Blattes begonnen oder es werden leere Seiten gelassen, die später wieder benutzt werden. Die Schüler verdrehen oft Zahlen (93 wird als 39 verstanden oder geschrieben). Die Schüler haben in der Regel Probleme mit Begriffen wie vor und nach, sie verwechseln oft Vorgänger und Nachfolger. Die Schüler haben die Anordnung der Zahlen im Zahlenraum noch nicht verstanden. Die Schüler haben Probleme, Richtungsanforderungen zu erfassen. Dies kann z. B. bei der Subtraktion zu falschen Lösungsstrategien führen: Ein Kind rechnet z. B. 34 5 = 31, weil 5 4 = 1 ist. 4

Vorstellen: Dazu gehört z.b. das Sich-vorstellen-können früher wahrgenommener Objekte und Situationen und das Operieren mit Vorstellungsbildern. Die Schüler haben wenig entwickelte Vorstellungen von Zahlen, von Rechenoperationen, vom Raum oder von Größen. Das Rechnen mit den Fingern kann nicht überwunden werden. Die Schüler sind,,zählende Rechner. Einfache Additions- bzw. Subtraktionsaufgaben werden durch Vorwärts- oder Rückwärtszählen gelöst. Dabei entwickeln die Kinder für Außenstehende kaum sichtbare Strategien, die eher an Vorgehensweisen und weniger an Verständnis gebunden sind. Die Schüler haben Schwierigkeiten die Hälfte und das Doppelte zu Zahlen anzugeben. Die Schüler haben große Probleme Sachaufgaben sinnvoll zu bearbeiten. Abstrahieren: Dazu gehören z. B. das Erkennen von Merkmalen, Unterschieden und Gemeinsamkeiten von Objekten und das Entdecken von Strukturen. Die Schüler sind meist nicht in der Lage, Strukturen und Zusammenhänge des Zahlenraumes zu erfassen. Die Schüler konnten bisher keine strukturierten Zahlvorstellungen entwickeln. Die Schüler verwechseln oft,,fläche und,,körper. Ein Würfel wird z. B. oft als Quadrat bezeichnet. Analogiebildung: Dazu gehört z. B. das Erkennen von ähnlichen Strukturen in unterschiedlichen Sachverhalten. Aufgaben wie 10 + 4 werden immer wieder neu gerechnet. Zusammenhänge zwischen Aufgaben wie 3 + 4, 13 + 4,... können die Schüler nicht erkennen. Die Schüler können Analogien zwischen Aufgaben, wie 3 4, 30 4,... nicht erkennen und nutzen. Die Schüler können nur selten formale Rechenvorschriften auf Anwendungssituationen übertragen. Die Schüler haben Probleme, ein Lösungsverfahren einer Aufgabenstellung auf ein ähnliches Problem zu übertragen. So kann z. B. die erfolgreiche Berechnung des Gesamtpreises von 12 Flaschen Apfelsaft (á 0,98 e) nicht auf die Bestimmung des Höhenunterschiedes einer Treppe mit 12 Stufen, die jeweils 17cm hoch sind, übertragen werden. Die hier angeführten Auffälligkeiten geben nur einen groben Überblick über die Schwierigkeiten, welche rechenschwache Schüler haben können. Das Bemerken solcher Auffälligkeiten setzt in der Regel eine intensive und individuelle Beobachtung des Schülers in der Schule bzw. zu Hause voraus. Es sei aber auch darauf hingewiesen, dass das vereinzelte Auftreten der hier notierten Auffälligkeiten rechenschwacher Schüler nicht zwangsläufig bei anderen Schülern zu einer Rechenschwäche führen muss. Häufen sich allerdings mehrere dieser Auffälligkeiten bei einem Schüler, so sollte dies schon Anlass zur weiteren Beobachtung geben. Für ein erfolgreiches Lernen von Mathematik müssen die oben aufgeführten geistigen Fähigkeiten noch durch ein gutes Gedächtnis und der Möglichkeit, sich konzentrieren zu können, unterstützt werden. 5

Oft wird jedoch gerade bei rechenschwachen Kindern ein mangelndes Gedächtnis beklagt, wenn es z.b. um das Merken mathematischer Begriffe und ihrer Merkmale, das Merken von Umrechnungszahlen bei Größen, oder Ergebnisse von 1 1-Aufgaben geht. Diese Gedächtnisprobleme betreffen damit nur Probleme, die beim Einprägen strukturierter Materialien entstehen. Solche Schwierigkeiten kann man auch feststellen, wenn diese Kinder Würfelbauten aus dem Gedächtnis nachbauen sollen. Andererseits haben diese Kinder, wie oben schon angemerkt, oft keine Probleme beim Lernen von Gedichten oder beim Einprägen von Bildern. Dieses gut entwickelte Gedächtnis hilft ihnen anfangs ihre Lernschwierigkeiten zu verbergen, indem z.b. Grundaufgaben gut beherrscht werden. Probleme entstehen erst dann, wenn z.b. beim Bearbeiten von Textaufgaben ein Verständnis für die im Unterricht behandelten Dinge notwendig wird. Auch nach der Grundschule entstehen an weiterführenden Schulen oft Probleme, wenn der neue Schulstoff auf nicht verstandene Inhalte aus der Grundschule aufgebaut werden soll. Häufig zeigen sich hier erst deutlich Probleme beim Rechnen. Was kann man tun? Auch hier lassen sich keine Rezepte angeben. Kinder mit Lernschwierigkeiten in Mathematik sind im Allgemeinen nicht weniger intelligent als andere Kinder und haben auch die Möglichkeit, Erfolge und Freude in der Mathematik zu erleben. Um dieses jedoch zu erreichen, brauchen diese Kinder eine besondere Unterstützung. Diese ist innerhalb des normalen Schulunterrichts oft nicht zu leisten, da diese Hilfe sehr individuell sein muss und sich nicht nur auf das Einüben des aktuellen Unterrichtsstoffs beschränken darf. Besonders wichtig ist es, dass Lehrer und Eltern Verständnis für die Schwierigkeiten des Kindes zeigen. Kleine Erfolge bei der Bewältigung von Mathematikproblemen müssen bemerkt und gewürdigt werden. Das Kind sollte möglichst viel Unterstützung und Lob bei seinen Anstrengungen, vorhandene Rechenprobleme zu überwinden, erhalten. Darüber hinaus muss die Arbeit mit den Kindern, im oben genannten Sinn, Fähigkeiten (nach-)entwickeln, die für das Lernen von Mathematik wichtig sind. Daher ist eine Zuordnung der Mathematikprobleme der Kinder zu den oben genannten kognitiven Fähigkeiten wichtig. Will man nämlich einem Kind bei der Überwindung eines solchen Mathematikproblems helfen, dann sollte man auch an der Weiterentwicklung der zugehörigen kognitiven Fähigkeiten arbeiten. Natürlich müssen die Kinder auch an den Stellen,,abgeholt werden, die dem aktuellen Stand der Kinder in Mathematik entsprechen. Diese Stellen können manchmal mehrere Schuljahre zurückliegen. In der Arbeit mit rechenschwachen Schülern erlebt man dabei immer wieder die Verwunderung und Freude der Schüler darüber, dass auch sie in der Lage sind, erfolgreich Mathematik zu lernen. Man muss ihnen dabei nur genügend Zeit zum selbstständigen Nachdenken geben. Auch die Einsicht, dass ein Gedankengang nicht immer zu einer Lösung einer Aufgabe führt, ist wichtig für die Schüler. Nach anfänglicher Aufbauarbeit an fehlenden Grundlagen beginnen die Schüler langsam und mit mehr Interesse mathematische Aufgaben zu bearbeiten. Verstandene Inhalte bestärken sie darin, dass auch sie mathematische Dinge begreifen und Probleme lösen können. darin sollten wir sie unterstützen. 6

Literatur [1] Hofe, R. vom: Grundvorstellungen mathematischer Inhalte als didaktisches Modell. JDM 13(92)4, S. 345-364. [2] Lorenz, J. H.: Überblick über Theorien zur Entstehung und Entwicklung von Rechenschwächen. In: Fritz, A.; Ricken, G.; Schmidt, S. (Hrsg.): Rechenschwäche. Beltz Verlag, 2003. [3] Lorenz, J. H.; Radatz, H.: Handbuch des Förderns im Mathematikunterricht. Schroedel, 1993. [4] Miller, P.: Theorien der Entwicklungspsychologie. Spektrum Akademischer Verlag, 1993. [5] Schulz, A.: Lernschwierigkeiten im Mathematikunterricht der Grundschule. paetec, 1995. Dr. Michael Schmitz Friedrich-Schiller-Universität Jena Fakultät für Mathematik und Informatik Abteilung Didaktik Ernst-Abbe-Platz 2 07745 Jena 7