Supramolekulare Chemie Ulrich Lüning, Institut für Organische Chemie Supramolekulare Chemie und Molekulare Erkennung Die Arbeiten der Lüning-Gruppe beschäftigen sich mit Supramolekularer Chemie und Molekularer Erkennung sowie mit Dynamischer Kombinatorik und Dendrimeren. Supramolecular Chemistry and Molecular Recognition The Lüning group works on supramolecular chemistry and molecular recognition, on dynamical combinatorial libraries and on dendrimers. Konkave Reagenzien Concave Reagents Die hohe Selektivität enzymatischer Reaktionen ist zu einem großen Teil auf die spezielle Struktur um das aktive Zentrum herum zurück zu führen. Diese ähnelt einer Glühbirne (das reaktive Zentrum) in einem Lampenschirm (die sterische Abschirmung). Übersetzt man dieses Lampenmodell in molekulare Dimensionen, so muss zumindest ein Bimakrocyclus synthetisiert werden, in dem ein Makrocyclus den Rand des Lampenschirms darstellt, der dann durch eine Brücke überspannt wird, die die funktionelle Gruppe trägt. Unsere Gruppe hat eine Vielzahl Konkaver Reagenzien synthetisiert: Konkave Säuren, Konkave Basen, Konkave Redox-Reagenzien [1]. Diese Bimakrocyclen können als Reagenzien oder als Katalysatoren verwendet werden. Besonders interessant ist die Klasse der Konkaven 1,10-Phenanthroline (Bild 1), da diese über ihre Stickstoffatome Metallionen binden können. Viele der resultierenden Komplexe sind katalytisch aktiv und zeigen bemerkenswerte Selektivitäten, z. B. in Übergangsmetall-katalysierten Diels-Alder-Reaktionen, in Palladium-katalysierten Allylierungen, Bild 1 / Figure 1 Ein konkaves 1,10-Phenanthrolin als Beispiel für eine bimakrocyclische Konkave Base mit einer Geometrie in Lampenform: Ein Makrocyclus (in rot) wird überspannt durch eine Brücke (in blau), die die funktionelle Gruppe trägt (hier: die Stickstoffatome). A concave 1,10-phenanthroline as an example of a bimacrocyclic concave base having a lamp-like geometry: A macrocycle (in red) is spanned by a bridge (in blue) carrying the functional group (here: the nitrogen atoms). The high selectivity of enzymatic reactions is largely caused by the special geometry around the active site which resembles a light-bulb (the reactive center) in a lamp shade (the steric shielding). If this lamp geometry is translated into molecular dimensions, bimacrocycles have to be synthesized in which at least one macrocycle resembles the rim of the lamp shade and an additional bridge carries the functional group, the light bulb. Numerous classes of concave reagents have been synthesized by our group: concave acids, concave bases, concave redox systems [1]. These bimacrocycles can be employed as reagents or as catalysts. The class of concave 1,10- phenanthrolines (Figure 1) is especially useful because catalytically active metal ions can be bound to the nitrogen atoms of the heterocycle. Many of the resulting complexes are catalytically active and the concave ligand determines the selectivities. Remarkable selectivity enhancements have been found in transition metal ion catalyzed Diels-Alder reactions, in palladium
Supramolecular Chemistry in Kupfer(II)-katalysierten Solvolysen und in Kupfer(I)-katalysierten Cyclopropanierungen [2]. Konkave Pyridine stellten sich als selektive Katalysatoren in der basenkatalysierten Addition von Alkoholen an Ketene heraus. Besonders gute Regioselektivitäten wurden mit Kohlenhydraten erzielt. catalyzed allylations, in copper(ii) catalyzed solvolyses, and in copper(i) catalyzed cyclopropanations [2]. Concave pyridines proved to be selective catalysts for the base catalyzed addition of alcohols to ketenes; excellent regioselectivities have been found with carbohydrates. Dendrimere Die aufwändige Synthese Konkaver Reagenzien lohnt sich nur, wenn die Reagenzien oder Katalysatoren recyclisiert werden können. Darum wurden Konkave Pyridine an Polymere gebunden. Um ein Arbeiten in homogener Phase zu ermöglichen, wurden auch Dendrimere des Fréchet-Typs mit Konkaven Pyridinen beladen (Bild 2). Die resultierenden, nanometergroßen, funktionalisierten Dendrimere [3] können durch Ultrafiltration aus dem Reaktionsgemisch abgetrennt werden. Dendrimers The synthetic effort to obtain concave reagents can only be justified if the reagents or catalysts can be recycled. Therefore we have attached concave pyridines to polymer resins. In order to allow reactions in homogeneous media, concave pyridines have also been attached to dendrimers of the Fréchet type (Figure 2). The resulting nanometer-sized, functionalized dendrimers [3] can be separated from the reaction mixtures by ultrafiltration. Bild 2 / Figure 2 Um eine bessere Abtrennbarkeit Konkaver Katalysatoren oder Konkaver Reagenzien aus einem Reaktionsgemisch zu ermöglichen, können diese an ein Dendrimer des Fréchet-Typs gebunden werden. Das resultierende Dendrimer, hier ein Dendrimer zweiter Generation, das mit zwölf Konkaven Pyridinen beladen ist, kann aus Reaktionsmischungen durch Ultrafiltration abgetrennt werden. To enable a better separation of a concave catalyst or a concave reagent, these can be attached to dendrimers of the Fréchet type. The resulting dendrimer, here a second generation dendrimer loaded with twelve concave pyridines, can be separated from reaction mixtures by ultrafiltration.
Supramolekulare Chemie Multiple Wasserstoffbrücken Multiple Hydrogen Bonds Eine der wichtigsten supramolekularen Wechselwirkungen ist die Wasserstoffbrückenbindung, da sie reversibel ausgebildet wird und gerichtet ist. Eine einfache Wasserstoffbrücke ist recht schwach, aber die Kombination vieler Wasserstoffbrücken führt zu sehr stabilen Gebilden, wie die Natur zeigt: Proteine, DNA- Doppelhelices, Cellulose. Durch die Richtung enthält eine und vor allem die Kombination mehrerer Wasserstoffbrücken eine Information. Dies nutzen die Nucleinsäuren aus, in denen zwei oder drei Wasserstoffbrücken für die selektive Bildung der Basenpaare verantwortlich sind. Die Verwendung einer größeren Zahl von Wasserstoffbrücken sollte Systeme mit festeren Assoziationskonstanten ergeben, die zusätzlich mehr Information enthalten. Während ein Rezeptor mit zwei Wasserstoffbrücken drei verschiedene Muster besitzen kann (zwei Akzeptoren AA, zwei Donoren DD oder ein Donor kombiniert mit einem Akzeptor DA), führt die Verwendung von vier Wasserstoffbrücken zu zehn verschiedenen Mustern. Zwei davon sind selbstkomplementär (DDAA, DADA), aber acht sind es nicht. Für jeden dieser zehn Rezeptoren gibt es immer nur einen komplementären Partner. Unsere Arbeiten wollen diese Systeme zugänglich machen [4] und versuchen, über kovalente Verknüpfung mehrerer dieser Muster größere supramolekulare Gebilde zu schaffen. So würde zum Beispiel ein kovalent gebundenes DDAD-DAAD-Molekül mit einer AADA-ADDA- Einheit ein supramolekulares Polymer bilden (Bild 3). One of the most important supramolecular interactions is the hydrogen bond because of its reversibility and its directionality. A single hydrogen bond is relatively weak but the combination of many hydrogen bonds leads to very stable ensembles as nature proves: proteins, DNA double helices, cellulose. Due to the directionality of a hydrogen bond, one and especially more than one hydrogen bond contain information. This is exploited in the nucleic acids which use two or three hydrogen bonds for the selective formation of the base pairs. Bild 3 / Figure 3 Multiple Wasserstoffbrückenbindungen (hier: vier) kombinieren große Assoziationskonstanten mit Information. Nur der jeweils komplementäre Partner wird stark gebunden. Wenn verschiedene Rezeptoren kovalent miteinander verbunden werden, führt die supramolekulare Wechselwirkung zu größeren Gebilden, hier zu einem Polymer aus DDAD-DAAD (in blau) und ADDA- ADAA (in rot). Multiple hydrogen bonds (here: four) combine high association constants with information. Only the complementary partner will be strongly bound. If different receptors are attached covalently, the selective supramolecular interaction will lead to larger assemblies, a polymer from DDAD-DAAD (in blue) and ADDA-ADAA (in red) in this case. The use of more than three hydrogen bonds would give systems with larger association constants, which in addition would contain even more information. While a receptor with two hydrogen bonds can have three different patterns (two acceptors AA, two donors DD, or one donor combined with one acceptor DA), the use of four hydrogen bonds gives ten different patterns. Two of these are selfcomplementary (DDAA, DADA) but eight are not. These form four heterodimers with different binding modes. For each of the ten receptors with four hydrogen bonds there exists only one complementary partner. Our research provides these systems [4] and we are trying to construct larger supramolecular entities by combining several of these recognition patterns covalently. Thus, for instance a covalently bound DDAD-DAAD molecule would form a supramolecular polymer with AADA- ADDA (Figure 3).
Supramolecular Chemistry Dynamische kombinatorische Bibliotheken Durch beliebige Kombination vieler Ausgangsmaterialien erzeugt die kombinatorische Chemie eine große Zahl verschiedener Moleküle. Gewöhnlich werden dabei neue Bindungen irreversibel gebildet, d.h. die Produktmischung enthält stabile Moleküle. Wenn jedoch die Startmaterialien durch reversible Bindungen miteinander verknüpft werden, stehen Produkte und Ausgangsmaterialien in einem Gleichgewicht, die Bibliothek ist eine dynamische. Das Verhältnis aller möglichen Produkte hängt von ihrer relativen thermodynamischen Stabilität ab. Wenn eine Reaktion oder Reaktionsbedingungen existieren, die eine Reversibilität unterbinden, können die Produkte isoliert und getrennt werden. Wir verwenden die Bildung von Iminen, um eine dynamische kombinatorische Bibliothek aus Dialdehyden und Diaminen zu generieren. Das Gleichgewicht kann eingefroren werden durch Reduktion der Imine zu Aminen. Setzt man zusätzliche Teilchen der dynamischen Bibliothek zu, die mit den verschiedenen Produkten auf unterschiedliche Weise interagieren können, kann es zur Stabilisierung einiger Produkte kommen, und es wird möglich, das Produktgemisch zu nur einem, gewünschten Produkt zu verschieben. Dynamic Combinatorial Libraries Combinatorial chemistry provides large numbers of different molecules (a "library") by combining several starting materials in every conceivable way. Traditionally, the new bonds are formed irreversibly, the mixture of the new products contains stable molecules. However, if the starting materials are connected by reversible reactions, products and starting materials are in equilibrium, the library is dynamic. The ratio of all the possible products is determined by their relative thermodynamical stabilities. If a reaction or reaction conditions exist which stop the reversibility, the products can be isolated and separated. We use the formation of imines to generate a dynamic combinatorial library from several dialdehydes and diamines. The equilibrium can be frozen by reduction of the imines to amines. When additional compounds are added to the dynamic combinatorial library which interact differently with each product and may lead to a stabilization of some products, the product ratio in the dynamic library can be shifted, desirably to only one product. Using metal ions as templates we were able to generate several different macrocycles from the same mixture of starting materials (Figure 4, [5]). Mit verschiedenen Metallionen als Templat-Teilchen waren wir in der Lage, aus ein und derselben Mischung verschiedene Makrocyclen zu generieren (Bild 4, [5]). Bild 4 / Figure 4 Die Mischung verschiedener bifunktioneller Moleküle, z. B. Dialdehyde, als geknickter Stab dargestellt, mit Diaminen, als U-förmige Teilchen verschiedener Längen dargestellt, führt zur Bildung einer Bibliothek von Polyiminen, die Homo- und Heteropolymere aber auch Makrocyclen verschiedener Größe enthält. Ein Zusatz jeweils eines Metallions vorgegebener Größe (farbige Vielecke) stabilisiert genau einen Makrocyclus. Das Gleichgewicht verschiebt sich dadurch zum entsprechenden Komplex und dessen Makrocyclus kann durch Reduktion der Imine zu Aminen fixiert werden. The mixture of different bifunctional molecules, for example a dialdehyde represented by a bent bar in the drawing, and three diamines, represented as U-shapes of varying length, will form a large library of polyimines in which homo- and heteropolymers but also macrocycles of different sizes exist. The addition of one metal ion of a given size (polygons of different colours) stabilizes just one macrocycle. The equilibrium shifts towards its complex and the resulting macrocycle can be fixed by reduction of the imines to amines.
Literaturangaben / References [1] U. Lüning, Concave Reagents, J. Mater. Chem. 7, 175 (1997). [2] M. Gelbert, C. Körber, O. Friedrich, F. Fahrenkrug, M. Keller, U. Lüning, Concave Reagents, 36: Transition Metal Complexes With Concave 1,10-phenanthrolines, Supramolecular Chem. 14, 199 (2002). [3] U. Lüning, T. Marquardt, Concave Reagents, 29: Dendrimer Fixed Concave Pyridines, J. Prakt. Chem. 341, 222 (1999). [4] S. Brammer, U. Lüning, C. Kühl, Multiple Hydrogen Bonds, 3: A New Quadruply Bound Heterodimer DDAD-AADA and Investigations into the Association Process, Eur. J. Org. Chem., 4054 (2002). [5] O. Storm, U. Lüning, How to synthesize macrocycles efficiently using virtual combinatorial libraries, Chem. Eur. J. 8, 793 (2002). Ansprechpartner / Contact: Prof. Dr. Ulrich Lüning Institut für Organische Chemie Christian-Albrechts-Universität zu Kiel Olshausenstr. 40 D-24098 Kiel Tel: 0431-880-2450 Fax: 0431-880-1558 E-Mail: luening@oc.uni-kiel.de URL: http://scholle.oc.uni-kiel.de