Gibt es etwas Neues oder bleibt alles beim Alten?



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Transkript:

Simone Spangenberg Expertenstandards in der Pflege Dekubitusprophylaxe 1. Aktualisierung 2010 Gibt es etwas Neues oder bleibt alles beim Alten?

Definition Dekubitus Die Aktualisierung legt folgende Definition zugrunde: Ein Dekubitus ist eine lokal begrenzte Schädigung der Haut und/oder des darunter liegenden Gewebe, in der Regel über knöchernen Vorsprüngen, infolge von Druck oder von Druck in Kombination mit Scherkräften. Es gibt eine Reihe weiterer Faktoren, welche tatsächlich oder mutmaßlich mit Dekubitus assoziiert sind, deren Bedeutung ist aber noch zu klären (NPUAP/ EPUAP 2009) 1. Problem benannt Risiko erkannt? oder: Die Bewertung von Assessment und Assessmentinstrumenten Hier müsste die erste Frage eigentlich lauten: Was hat sich nicht verändert? Denn deutlich wird (im aktualisierten Expertenstandard ebenso wie in diversen Kommentierungen), dass die Risikoeinschätzung den zentralen Stellenwert behält, den sie auch in der ersten Auflage (und in der pflegerischen Praxis!) hat. Ganz unumstritten ist so auch die zentrale An-Forderung: Eine systematische Risikoeinschätzung ist nötig. Bleibt die Frage: Was ist unter systematisch zu verstehen und wie ist das in der Praxis umzusetzen? Systematisch kann in diesem Kontext doch nur heißen: a) Die zu beurteilenden Kriterien sind eindeutig und allen Anwendern bekannt: Da die Entstehung eines Dekubitus im wesentlichen durch den einwirkenden Druck und/oder die Wirkung der so genannten Scherkräfte zu erklären sind, sind all jene Einflüsse Risikofaktoren, die zu einer Erhöhung der Druckwirkung (durch stärkeren Druck oder längere Einwirkzeit ) führen. Bei der Entwicklung dieser Risikofaktoren wiederum spielen Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit 2 eine zentrale Bedeutung. Inhaltlich wird der klinischen Einschätzung durch die Pflegefachkraft (DNQP, 2010, S. 24) hohe Bedeutung zugemessen. Auch in entsprechend kommentierenden Veröffentlichungen wird diese Einschätzung als maßgeblich für das Erkennen und Beurteilen vorliegende Risikofaktoren (Balzer et al., 2011) bezeichnet. Hier ist die Pflegefachkraft aufgefordert, den Einfluss der unmittelbaren Kriterien (Druck und/oder Scherkräfte in Abhängigkeit zu der einwirkenden Zeit) und mittelbaren Faktoren, wie Ernährungs- und Hautzustand, Durchblutungssituation u.a. (bei denen die Kausalitäten häufig noch ungeklärt sind) in die Beurteilung mit aufzunehmen. Man kann zur systematischen Risikoerfassung standardisierte Hilfsmittel nutzen, wie sie in Form der mehr oder weniger bekannten Risikoskalen vorliegen. Die der Aktualisierung des Expertenstandard zugrunde liegende Literaturrecherche - und die entsprechende Auswertung - haben allerdings keine Ergebnisse ergeben, die einen Zusammenhang zwischen dem Anwenden solcher Skalen und der Zahl der Dekubitus-Entstehung belegen können. Außerdem ist 1) NPUAP = National Pressure Ulcer Advisory Panel; EPUAP =European Pressure Advisory Panel 2) Die Definition ist den clinical practice guidelines entnommen. Zitiert nach: Deutsches Netzwerk für Qualitätssicherung in der Pflege (Hrsg.): Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege. 1. Aktualisierung 2010. Osnabrück 2010. S. 19 2 Hierbei wird im Sinne der o.g. Leitlinie zwischen Aktivität (= Fähigkeit, sich von einem Ort zum anderen zu bewegen) und Mobilität (= Fähigkeit, seine Körperpositionen zu verändern) unterschieden. (vgl. DNQP, 2010, S. 22ff.) seite 2

festzustellen, dass für viele der Skalen die Validität (= misst die Skala, was sie messen soll?) und Reliabilität (= kommt man bei gleichen Bedingungen zur gleichen Ergebnissen?-Verlässlichkeit, Übereinstimmung der Ergebnisse bei verschiedenen Beurteilern) nicht ausreichend untersucht sind (Dassen, 2011) 3. Zur systematischen Erfassung können auch Instrumente wie Pflegediagnosen, die internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) genutzt werden. Ebenso können auch Einschätzungen aus allgemeineren Verfahren (z.b. Pflegeabhängigkeitsskala) hinzugezogen werden. b) Die Einschätzung erfolgt zu definierten Zeiten und regelmäßig: Hierzu gibt der Expertenstandard zum Teil eindeutige Angaben, zum Teil sind die Vorgaben in der konkreten Situation der Einrichtung (oder auch des einzelnen Klienten) jeweils zu konkretisieren. Initial (also zu Beginn des Pflegeauftrages) muss auf jeden Fall geprüft werden, ob ein Dekubitusrisiko ausgeschlossen werden kann. Ist dies nicht sicher zu bewerten, muss eine systematische Erfassung erfolgen, die dann regelmäßig zu wiederholen ist. Die Regelmäßigkeit ist nicht pauschal zu beziffern, sondern richtet sich nach dem Risikoprofil des Klienten. c) Die Einschätzung ist nachvollziehbar: Das Ergebnis muss also Bestandteil der Pflegedokumentation sein. Aus der Dokumentation müssen die relevanten Risikofaktoren zu ersehen sein. FAZIT (zur Risikoeinschätzung): Das Risiko muss erfasst werden (bzw. nachvollziehbar ausgeschlossen werden). Standardisierte Instrumente (wie zum Beispiel die Braden-Skala) können in jedem Fall hilfreich sein, ihre Anwendung muss in den Kontext passen (z.b. zu der jeweiligen Klientengruppe). Insbesondere muss die Anwendung von einer Risikoskala akzeptiert und eingeübt sein, sie sollte nicht als stumpfe Pflicht abgearbeitet werden, da sonst die Gefahr sowohl falsch positiver als auch falsch negativer Ergebnisse zu hoch ist. Mindestens bei jeder Veränderung (des Zustands des Klienten oder der Rahmenbedingungen) ist die Risikoeinschätzung zu erneuern / zu wiederholen. Die Hautinspektion ist Bestandteil der Risikoeinschätzung: Hierbei ist vor allem auf Hauterscheinungen zu achten, die auf Durchblutungsprobleme oder bereits bestehende Einwirkungen von Druck bzw. Scherkräften hinweisen. Rötungen, die sich nach Entlastung nicht direkt zurückbilden, sind zum Beispiel durch den Fingertest nach Philips zu beurteilen: Bei einer Rötung, die nicht durch Druck entstanden ist (also z.b. ein Exanthem entzündlichen oder allergischen Ursprungs), wird bei sanften Druck mit einer Fingerspitze ein weißlicher Rand rund um die Fingerspitze entstehen und der Fingerabdruck auch nach Entlastung noch als weißer Fleck für einen Augenblick zu sehen sein: Die Rötung wird als wegdrückbar beschrieben, und der Fingertest ist als negativ (im Sinne von `ohne Befund ) einzustufen. Führt man dagegen diesen Test an einer druckbedingten Rötung aus, wird die Rötung bestehen bleiben, ist also nicht wegzudrücken. In diesem Fall spricht man von einem positiven Ergebnis des Fingertests. 3) Zumindest in den deutschen Übersetzungen seite 3

Ein so entdeckter und beschriebener Dekubitus der Kategorie I (=Grad 1) ist als deutlicher Indikator für das Risiko des Betroffenen anzusehen. Risiko erkannt Gefahr gebannt? Die realistische Risikoerfassung ist sicher die solideste Grundlage zu einer guten Pflege, aber natürlich ersetzt sie nicht die pflegerischen Interventionen. Was können wir also tun, was müssen wir tun? Anhand des Risikoprofils (und auch hier macht sich dann eben eine systematisch dokumentierte Erfassung bezahlt ) ist optimaler weise mit dem Klienten festgelegt, welche Interventionen eingesetzt werden. Der wesentliche Zugang muss entsprechend der Entstehung in den Möglichkeiten der Druckreduktion bzw. Druckverteilung liegen. Als Maßnahme der Wahl ist dabei wie könnte es anders sein die Aktivierung und Mobilisation zu nennen. Alternativ oder ergänzend ist der Einsatz von Lagerungshilfsmitteln zu betrachten. Zu beachten und zu bedenken ist, das Mobilisation meint, den Klienten `in Bewegung zu versetzen. Mobilisation bedeutet in diesem Sinne nicht den passiven Transfer oder die Umlagerung, da hier der Patient/ Bewohner bewegt wird und nicht sich selbst bewegt. Nur wenn eigene Bewegung (wie minimal auch immer) nicht möglich ist, sind passive Positionsveränderungen sinnvoll (nicht nur im Sinne der Druckreduktion!). Und hier schließt sich die alt bekannte Frage nach dem richtigen Intervall an: Leider ist auch diese Frage nicht eindeutig, und schon gar nicht mit einer immer gültigen Lösung zu beantworten. Lange galten die berühmten zwei Stunden 4 als sicherer Wert. Die Ischämietoleranz (also die Zeit, die Gewebe eine Minderversorgung aushält ) ist jedoch zu unterschiedlich, wiederum abhängig von dem Risikoprofil des Patienten, um hier zu einer verlässlichen Aussage zukommen. Es bleibt also nur, einen Ausgangswert festzulegen (und den im Team sofern vorhanden zu kommunizieren) und dann bei jeder Bewegung/ Positionsveränderung zu überprüfen, ob Zeichen von Druckeinwirkungen auftreten oder nicht (siehe oben). Je nach Befund muss dann das Intervall verkürzt werden, möglicherweise kann es aber auch verlängert werden, insbesondere wenn dies z.b. auch dem Ruhebedürfnis des Klienten entgegen kommt. Ergänzend im Einzelfall auch ersetzend können Lagerungshilfsmittel also druckverteilende Matratzen oder Unterlagen - eingesetzt werden. Die Studienlage belegt hier einmal eindeutig, dass spezielle Matratzen Standardschaumstoffmatratzen vorzuziehen sind, allerdings können nicht einzelne Systeme bzw. Wirkprinzipien konkret benannt werden. Erstmalig wird zum Thema Einsatz von Hilfsmitteln der besonderen Situation in der ambulanten Pflege Rechnung getragen, wenn es in der Kommentierung zum Strukturkriterium 3 (Einsatz druckverteilender Hilfsmittel) heißt: Aufgabe der Pflegefachkraft ist es daher, die Pflegekasse bzw. bei Zuständigkeit der Krankenversicherung den behandelnden Arzt über die Notwendigkeit und Dringlichkeit des Einsatzes eines Hilfsmittels zur Dekubitusprophylaxe zu informieren und eine entsprechende Verordnung bzw. Bereitstellung anzuregen. 4) Ob sich dieser Mythos tatsächlich durch die Größe des Krankensaals von Florence Nightingale erklären lässt, oder es eine andere Erklärung dafür geben mag, ist wohl für den Anwender letztlich nicht entscheidend. seite 4

Der Zeitraum, in dem ein entsprechendes Hilfsmittel für den pflegebedürftigen Patienten/ Bewohner zur Verfügung steht, ist aufgrund dieser strukturellen Gegebenheiten durch die Pflegefachkraft in der ambulanten Pflege nur bedingt zu beeinflussen. (Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege, 2010, S. 32; Hervorhebung durch die Autorin). Was ist außerdem noch zu tun? Die Information und Beratung des Klienten (und der Angehörigen) zum Risikoprofil und seinen Konsequenzen sowie zu den vorgesehenen bzw. eingeleiteten Interventionen (Kriterienebene 4) sind hier ebenso zu nennen wie die Sicherstellung des Informationstransfer an mit versorgende Dienste oder Einrichtungen etc. (Ebene 5). Zwei vertraute (und leidenschaftlich diskutierte!) Maßnahmenbereiche, die beim Thema Dekubitusprophylaxe lange vermittelt und umgesetzt wurden, finden in der aktuellen Version des Expertenstandard keine Erwähnung, nämlich die Aspekte Ernährung und Hautpflege. Dabei ist den Mitgliedern der Expertengruppe gewiss wichtig, darauf hinzuweisen, dass sowohl die Gewährleistung einer angemessenen Ernährung als auch die Erhaltung/Wiederherstellung einer gesunden Haut wichtige pflegerischen Aufgaben sind, auf deren Erfüllung die Klienten sicher berechtigten Anspruch haben. Aber die untersuchten Studien liefern eben keinen Beleg für einen direkten Zusammenhang beispielsweise zwischen dem Einsatz hautpflegender Substanzen und der Zahl der neu entstandenen Dekubitus 5. Zusammenfassung: Die aktuelle Version des Expertenstandard bestätigt vieles, was seit Jahren gute Praxis in der Pflege ist. Sie unterstützt die Einrichtungen und auch die einzelnen Pflegenden, die ihren Schwerpunkt darauf legen, aus der Menge von möglichen Interventionen klienten-und/oder situationsbezogen gestützt auf pflegerische Expertise 6 auszuwählen. Der Expertenstandard trägt zur Klarheit auch vor allem dadurch bei, dass er den Blick auf die zentralen Felder Risikoermittlung und Mobilisation/ Druckverteilung legt. Autorin Simone Spangenberg Krankenschwester, Praxisanleiterin, Lehrerin für Pflegeberufe Dem Transfer von Theorie in Praxis mit dem Ziel, die Praxis für die Pflegenden realisierbar und im Ergebnis für die Klienten sinnvoll zu gestalten, gilt mein besonderes Interesse. Dafür engagiere ich mich hauptberuflich bei der Ausbildung des Pflegenachwuchses wie freiberuflich und ehrenamtlich in Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen. simone.spangenberg@arcor.de 5) Der Expertenstandard sorgt auch für philologische Klarheit für uns alte Lateiner, und legt eindeutig den Plural der u-deklination fest (Dinge, die die Welt nicht unbedingt braucht). 6) Die entwickelt und erhalten werden muss! seite 5

Literatur/Quellen: Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.): Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege 1. Aktualisierung 2010, Osnabrück 2010. 13. Netzwerk-Workshop des Deutschen Netzwerks zur Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) am 25.02.2011 von 10.00 bis 17.00 Uhr in der Charité Universitätsmedizin Berlin/Campus Benjamin Franklin Beiträge aus dem Programm Erkenntnisse aus der Literaturstudie Referent: Prof. Dr. Theo Dassen, Institut für Medizin-, Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft, Charité Universitätsmedizin Berlin Der aktualisierte Expertenstandard - Konsequenzen für die Praxis Referent: Gerhard Schröder, Akademie für Wundversorgung, Uslar-Sohlingen Beide veröffentlicht auf der Internetseite des Deutschen Netzwerkes für Qualitätsentwicklung in der Pflege (www.dnqp.de) Schröder, Gerhard: Dekubitusprophylaxe. Was ist praktikabel? Was ist effektiv? in: Die Schwester Der Pfleger, 49. Jhrg. 10/2010, S. 946 ff. Kottner, Jan: Ätiologie. Dekubitus entwickeln sich nicht von oben nach unten, in: Die Schwester Der Pfleger, 49. Jg. 10/2010, S. 950 ff. Balzer, Katrin et al.: Dekubitusrisikoeinschätzung nach dem aktuellen Expertenstandard. Die klinische Einschätzung ist das Maß der Dinge, in: Pflegezeitschrift 2011, Jg. 64, Heft 3, S. 148 ff. Scheffel, Sonja u. Eva-Maria Panfill: Matratzen und Co. Zur Dekubitusprävention. Welche Maßnahmen sind wirksam? in: Pflegezeitschrift 2011, Jg. 64, Heft 3, S. 162 f. seite 6

Impressum 1. Auflage Mai 2011 Herausgeber: Georg Paaßen post@pflegestufe.info Borbecker Platz 3 45355 Essen Warum machen wir die Internetseiten In jedem Bereich der Altenpflege haben die Möglichkeiten und Grenzen der Pflegeversicherung eine große Bedeutung. Die Einstufungen der Bewohner/innen und Patienten bestimmen den Handlungsspielraum der Einrichtungen. Die Informationen und Drucksachen der Pflegekassen sind auch für mich meist schwer verständlich. Wir wollen es besser machen: www.pflegestufe.info In den letzten Jahren ist unser Angebot stetig gewachsen: www.pflegestufe.mobi www.bedarfsgrade.info Aktuelle Neuigkeiten aus der Pflege können Sie unter www.pflegestufe.info/rss/rss.html und www.pflegepolitik.wordpress.com lesen. Wir finanzieren unsere Angebote durch Einnahmen aus individueller Beratung und durch Werbung. Wenn Sie die nötige Software auf Ihrem Mobiltelefon installiert haben, können Sie mit diesem QR-Code unsere Internetseite www.pflegestufe.mobi öffnen. Die Verwendung dieses Textes für den privaten Gebrauch ist erlaubt. Alle weiteren Rechte vorbehalten. Ausnahmen nur mit schriftlicher Genehmigung. Die jeweils aktuelle Fassung dieses Textes steht auf www.pflegestufe.info zur Verfügung. seite 7