Roboter in der Intralogistik



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Transkript:

Titelthema Aufsatz Automatisierung, Industrieroboter, Logistik Roboter in der Intralogistik Von der Speziallösung zum wirtschaftlichen Standardprodukt D. Fritsch, K. Wöltje Roboter bieten ein großes Potential zur Steiger ung der Leistungsfähigkeit von Kommissionier systemen. Derzeitige Systeme sind jedoch meist teure Speziallösungen, die unter hohem Customizing-Aufwand an die Anforderungen von Unternehmen angepasst werden müssen. Durch Modularisierung und Standardisierung von Kommissionier robo - tersystem-komponenten sowie durch neue Einsatzstrategien und Planungs verfahren kann deren Wirtschaftlichkeit erheb lich gestei gert werden. Dieses sind die Hauptziele des vom Fraunhofer-Institut für Produktions technik und Automatisierung IPA geleiteten Projekts Branchenunab - hängige Basismodule für ein Kommissionier - robotersystem (KomRob). Bild 1. Komponenten und Schnittstellen von Kommissionierrobotersystemen Robots in logistical applications On the way towards an off-the-shelf technology Robots offer a high potential for the enhancement of the performance of logistical processes like order picking, palletizing or depalletizing. However, present robot systems for logistical applications are often expen sive solutions that have been developed under high engineering and customizing efforts in order to adapt the robot system to the specifi c requirements of enterprises. Through modular design and the definition of adequate interfaces as well as through innovative planning methods the profitability of such system can be increased tremen dously. This is the main objective of the research project Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dennis Fritsch, Dipl.-Ing. Kay Wöltje Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA Nobelstr. 12, D-70569 Stuttgart Tel. +49 (0)711 / 970-1273 oder -1253 Fax +49 (0)711 / 970-1008 E-Mail: dennis.fritsch@ipa.fraunhofer.de oder kay.woeltje@ipa.fraunhofer.de Internet: www.ipa.fraunhofer.de oder http://komrob.ipa.fraunhofer.de Info Das Forschungsprojekt Branchenunabhängige Basismodule für ein Kommissionierrobotersystem (KomRob) wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) inner halb des Rahmenkonzeptes Forschung für die Produktion von morgen gefördert und vom Projektträger Forschungs zentrum Karlsruhe, Bereich Produktion und Fertigungs technologien (PTKA-PFT), betreut (Laufzeit 01.03.2003 31.07.2006). Branchen unabhängige Basismodule für ein Kommissionierrobotersystem - KomRob, i.e. branch independent modules for order picking using industrial robots, which is lead by the and grante d by the German Federal Ministry of Education and Research (BMBF). 1 Ausgangssituation Industrieroboter haben ihre Bewährungsprobe in Produktion und Fertigung bestanden. Dank ständig verbesserter Leistungsdaten der Roboter wie Geschwindigkeit, Handhabungsgewicht oder Arbeitsraum sowie einem günstigen Preis-Leistungs-Verhältnis werden sie heute vielerorts zum Schweißen, Montieren oder zum Bearbeiten eingesetzt [1]. Auch in der Intralogistik ergibt sich eine Vielzahl von Anwendungen für Industrieroboter. Die Hauptanwendungen liegen im Kommissionieren, also im Palettieren, Depalettieren und Sortieren. So werden Roboter mit steigender Tendenz als kostengünstige und flexible Alternative im innerbetrieblichen Materialfluss eingesetzt. Auch bisher rein manuell ausgeführte Prozesse der Intralogistik werden durch die rasanten Fortschritte in der Greif- und Sensortechnik zunehmend automatisierbar. Industrieroboter machen Logistikprozesse schneller, kostengünstiger und effektiver [2]. 2 Stand der Technik und Entwicklungsschwerpunkte in der Kommissionierrobotik Kommissionierrobotersysteme bestehen aus mehreren Komponenten und Schnittstellen. Der Roboter dient als Handhabungseinrichtung für das zu kommissionierende Gut, der Greifer stellt die Verbindung zwischen Gut und Roboter Alle Rechte vorbehalten. Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf wt Werkstattstechnik online Jahrgang 96 (2006) H. 9 623

PFT Produktionsforschung Bild 2. Beispiele von Elementartypen für Kommissionierrobotersysteme Produktion von morgen. Das Forschungsprojekt wird vom Projektträger Forschungszentrum Karlsruhe, Bereich Produktion und Fertigungstechnologien (PTKA-PFT) betreut. Zum Projektkonsortium gehören neben dem die Kuka Roboter GmbH, die J. Schmalz GmbH, die ISRA Vision Systems AG, die PARTEC Automatisierungstechnik und Handlingsysteme GmbH sowie die Dematic AG. her. Über die Sensorik wird sowohl das zu entnehmende Gut identifiziert und lokalisiert als auch geeignete Abgabeorte (beispielsweise freie Plätze auf einer Palette) erkannt. Die Steuerung plant die Bewegungen des Roboters und des Greifers, wertet die Sensordaten aus und enthält Algorithmen zum Beispiel zur optimalen Palettierung von Gütern. Über Schnittstellen sind Kommissionierrobotersysteme zum einem mit der IT (Informationstechnologie) des Unternehmens verbunden, zum anderen mit der umgebenden Förder- und Lagertechnik [3]. Bild 1 veranschaulicht die Komponenten und Schnittstellen eines Kommissionierrobotersystems. Aufgrund der Vielfalt des zu kommissionierenden Artikelspektrums ergeben sich viele Anforderungen an das Robotersystem. So haben beispielsweise die Verpackungsart, die Abmessungen oder das Gewicht einen großen Einfluss auf die Auswahl eines geeigneten Greifers. Häufig werden Komponenten speziell für konkrete Aufgabenstellungen eines Unternehmens entwickelt, sodass Kommissionierroboterzellen nicht selten teure Speziallösungen darstellen. Um die Komplexität der Planung und Entwicklung zu verringern, ist es sinnvoll, Kommissionierrobotersysteme zu modularisieren und entsprechende Schnittstellen sowohl zwischen den Modulen als auch zwischen dem System Kommissionierroboter und dessen Umwelt zu standardisieren. Dies sind die Hauptziele des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekts Branchenunabhängige Basismodule für ein Kommissionierrobotersystem (KomRob) im Themenfeld Schlüsselkomponente Handhabungstechnik des Rahmenkonzepts Forschung für die Um eine hohe Praxisrelevanz sicherzustellen, wurde im Rahmen des KomRob-Projekts zunächst ein Kreis potentieller Anwender von Kommissionierrobotersystemen aus den unterschiedlichsten Branchen (wie Lebensmittelhandel, Baustoffoder Buchhandel) zusammengestellt. Im Rahmen von mehreren Workshops wurden Defizite derzeitiger Kommissioniersysteme sowie Anforderungen an Kommissionierrobotersysteme aufgenommen und analysiert. Ergebnis dieser Analyse ist ein Lastenheft, in dem diese Anforderungen zusammengefasst sind. Dabei wurden zusätzlich wichtige Trends im Bereich des Kommissionierens identifiziert. So wurde beispielsweise festgestellt, dass ein Bedarf an hochflexiblen Greifern existiert, mit denen sowohl unterschiedliche Mengen als auch unterschiedliche Produkte gegriffen werden können. Im Anschluss an diese Analyse wurden sowohl Methoden und Tools zur Planung von Kommissionierrobotersystem als auch Hardware- und Software-Komponenten für Kommissionierrobotersysteme konzipiert und entwickelt. Diese Entwicklung deckt alle in Bild 1 beschriebenen Komponenten von Alle Rechte vorbehalten. Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf wt Werkstattstechnik online Jahrgang 96 (2006) H. 9 3 Vorgehensweise im Projekt KomRob 624

PFT Produktionsforschung Bild 3. Beispiele von Gesamtsystemvarianten Kommissionierrobotersystemen ab. So wurden beispielsweise ein modularer Greiferbaukasten, mehrere Verfahren und Systeme zur Objektlokalisierung sowie ein Verfahren zur artikelangepassten Roboterbahnplanung entwickelt. 4 Neue Methoden und Tools zur Planung von Kommissionierrobotersystemen Um neue Methoden und Tools zur Planung von Kommissionierrobotersystemen erarbeiten zu können, wurde zunächst eine Morphologie zur Beschreibung solcher Systeme erstellt, auf deren Basis Elementartypen von Kommissionierrobotersystemen entwickelt wurden. Aus diesen wiederum entstan- Alle Rechte vorbehalten. Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf den mehrere Gesamtsystemvarianten, die anschließend einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung unterzogen wurden. Parallel dazu wurde auf Basis einer Klassifizierung mehrerer Faktoren (wie Greifern, Verpackungen, Bereitstellungsarten und so weiter) ein Tool zur Unterstützung der Planung von Kommissionierrobotersystemen entwickelt. 4.1 Entwicklung einer Morphologie für Kommissionierrobotersysteme und Identifikation von Elementartypen Die VDI-Richtlinie 3590 zeigt eine ausführliche Morphologie zur Beschreibung von Kommissioniersystemen. Sie geht wt Werkstattstechnik online Jahrgang 96 (2006) H. 9 625

PFT Produktionsforschung Bild 4. Screenshots des Tools zur Bewertung der Wirtschaftlichkeit von Kommissionierrobotersystemen Dematic jedoch nicht auf die Besonderheiten des Kommissionierens mit Robotern ein. So lassen sich beispielsweise die beiden grundlegenden Verfahren Ware-zu-Mann und Mann-zu- Ware nicht ohne Weiteres auf den Roboter übertragen. Zwar lässt sich der Fall eines Transports von Gütern zu einem Roboter, der diese Güter anschließend palettiert, analog als Warezu-Roboter bezeichnen; das Szenario eines Portalroboters, der Produkte von einer sortenreinen Palette greift und diese auf einer gemischten Palette in seinem Arbeitsraum ablegt, kann mit dieser Systematik aber nicht abgebildet werden. Daher wurde im Rahmen des Projekts KomRob eine Morphologie zur Beschreibung von Kommissionierrobotersystemen, basierend auf Knickarm-Kinematiken und Portal-Kinematiken, entwickelt. Diese Morphologie dient als Basis zur Entwicklung von Elementartypen von Kommissionierrobotersystemen. Bild 2 zeigt Beispiele dieser Elementartypen. Alle Rechte vorbehalten. Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf wt Werkstattstechnik online Jahrgang 96 (2006) H. 9 626

PFT Produktionsforschung Bild 5. Beispiel zur Klassifizierung von Objekten nach Handhabungsgesichtspunkten 4.2 Entwicklung von Gesamtsystemvarianten und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen 4.3 Entwicklung eines Tools zur Unterstützung der Planung von Kommissionierrobotersystemen Aus diesen Elementartypen wurden in Verbindung mit anderen Kommissioniersystemen und -technologien (zum Beispiel mit Fördertechnik, Lagertechnik und so weiter) Gesamtsystemvarianten gebildet. Bild 3 zeigt zwei Beispiele für solche Gesamtsystemvarianten. Beide Gesamtsystemvarianten sind mehrstufige Kommissioniersysteme. In der oberen Variante werden sortenreine Paletten über Fördertechnik und drei Verteilwagen an mehrere Kommissionierplätze verteilt. Drei Portalrobotersysteme depalettieren im Einzelgriff Güter von diesen Paletten und legen diese auf einem zweiten Fördertechnik-Kreislauf ab. Dort werden die Güter über drei Knickarm-Roboter im nächsten Schritt palettiert. Die untere Variante zeigt ein Kommissioniersystem, das sowohl auf manuellem Kommissionieren als auch auf Robotersystemen basiert. Die Roboter dienen zum lagenweisen Depalettieren. Sie greifen eine ganze Lage und können auch Produkte einzeln wieder an die Fördertechnik abgeben. Alternativ könnte diese Vereinzelung durch die Fördertechnik erfolgen. Die Depalettierung von Produkten, die nicht (wirtschaftlich) automatisiert handhabbar sind, sowie die Palettierung aller Produkte werden in dieser Variante manuell durchgeführt. In einem weiteren Schritt wurden diese Gesamtsystemvarianten einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung unterzogen. Dazu wurde ein spezielles Tool der Firma Dematic AG verwendet. Bild 4 zeigt zwei Screenshots dieses Tools. Dieses ergab beispielsweise, dass je nach konkreter Aufgabenstellung, kombinierte also manuell und automatisierte Systeme eine hohe Wirtschaftlichkeit aufweisen, und Amortisationen von weniger als zwei Jahren erreichen. Daher stellt sich sowohl aus technologischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen die Frage, welche Güter innerhalb eines Artikelspektrums automatisiert kommissioniert werden können beziehungsweise sollten, und welche manuell. Zur Unterstützung dieser Entscheidung wurde ein spezielles Tool entwickelt. Dazu wurden zunächst die im Rahmen der Datenaufnahme erfassten Artikel des Anwenderkreises unter Handhabungsgesichtspunkten analysiert. Mehr als 99 % dieser Artikel werden verpackt kommissioniert. In den Lagerverwaltungssystemen der Unternehmen des Anwenderkreises sind mit relativ hoher Zuverlässigkeit Daten zu den Verpackungen gespeichert, sodass die Verpackung eines Produkts eine gute Basis für die Klassifizierung von Gütern bietet. Bild 5 zeigt beispielhaft eine solche Klasse. Die dargestellte Klasse umfasst alle Güter, deren Verpackung aus einer einzelnen formstabilen Einheit besteht und eine ebene geschlossene Oberfläche besitzt. Beispiele für solche Objekte sind Schachteln oder Kisten, aber auch in Folie eingeschweißte Weithalsgläser auf Trays. Für Objekte dieser Klasse bieten sich Sauggreifer an. Aus den unterschiedlichen Bereitstellungs- und Abgabearten, also zum Beispiel auf einer Palette oder vereinzelt auf einem Förderband, ergeben sich mehrere Formen der Zugänglichkeit zu einem Objekt. Objekte auf einer Palette beispielsweise sind wenn ein einzelnes Objekt gegriffen werden soll, das nicht die gesamte Lage einnimmt sowohl von oben zugänglich als auch von zwei nicht gegenüberliegenden Seiten. Objekte hingegen, die vereinzelt auf einem Förderband bereitgestellt werden, sind von oben, von zwei nicht gegenüberliegenden Seiten, von zwei gegenüberliegenden Seiten, von drei Seiten und von vier Seiten her zugänglich. Des Weiteren wurden unterschiedliche Greifer und Greifmodi (wie Einzelgriff oder Lagenweiser-Griff) untersucht und klassifiziert. Alle Rechte vorbehalten. Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf wt Werkstattstechnik online Jahrgang 96 (2006) H. 9 627

PFT Produktionsforschung Diese vier Klassifizierungen Produkt- beziehungsweise Verpackungsklassifizierung, Bereitstellungs- und Abgabeartklassifizierung, Greiferklassifizierung sowie Klassifizierung der Greifmodi bilden die Grundlage des entwickelten Tools zur Unterstützung der Planung von Kommissioniersystemen. Werden nun die Artikelstammdaten und die Auftragsstammdaten eines Unternehmens oder eines Distributionszentrums in dieses Tool geladen, und wird vorgegeben, dass die Produkte beispielsweise auf Paletten bereitgestellt werden und alle Produkte im Einzelgriff kommissioniert werden sollen, so gibt dieses Tool Gruppen von Artikeln aus, die sich unter Handhabungsgesichtspunkten ähneln und somit von ein und demselben Roboter kommissioniert werden können. Des Weiteren gibt es eine erste Abschätzung, wie viele Produkte mit Robotern kommissioniert oder wie viele Kommissioniervorgänge automatisiert durchgeführt werden können. Bild 6 zeigt einen Screenshot des entwickelten Tools. 5 Neue Technologien für Kommissionierroboter systemen Bild 6. Screenshot des Tools zur Identifikation und Gruppierung potentieller Greifer Von der Firma Schmalz wurde innerhalb des KomRob-Projekts ein Basismodul für einen hochflexiblen Sauggreifer-Baukasten entwickelt (Bild 7). Dieses Basismodul mit der Breite einer Euro-Palette weist eine hohe Flexibilität aus. Es besteht aus zwölf Sauggreifern, die über je einen Vakuumsensor und ein Inlineventil einzeln angesteuert werden. Damit lassen sich sowohl einzelne Artikel auf einer Palette als auch alle Artikel über die gesamte Breite der Palette greifen. Dieses Basismodul ist zusätzlich in verschiedenen Konfigurationen erweiterbar, sodass beispielsweise alle Produkte einer Palette gleichzeitig gegriffen werden können. Des Weiteren wurde von den Firmen Schmalz und Partec ein modularer Greiferbaukasten entwickelt, mit dem sowohl Vakuumsauggreifer als auch mechanische Backengreifer kombiniert werden können. Bild 8 zeigt beispielhaft einen Greifer, der aus Komponenten dieses Greiferbaukastens besteht. Mit diesem Greifer lassen sich ganze Lagen mit seitlicher Klemmung, aber auch einzelne Objekte nur durch die Sauggreifer fassen. Eine ausführliche Beschreibung des modularen Greiferbaukastens befindet sich beispielsweise in [4]. Insbesondere bei der Verwendung von Sauggreifern besteht jedoch noch ein Bedarf an verbesserten Roboterbahnplanungsverfahren. Die heute in Industrierobotern realisierten Verfahren zielen meist auf zeitoptimale Verfahrbewegungen. Die Dynamik des Roboters bildet bei Kommissioniervorgängen aber häufig gar nicht die Grenze bei der Verfahrgeschwindigkeit, sondern das Abreißen der Verbindung zwischen Greifer und gegriffenem Objekt. So muss die Geschwin- Bild 7. Bausteine und mögliche Konfigurationen des Saugerbalkens Schmalz Alle Rechte vorbehalten. Copyright Springer-VDI-Verlag GmbH & Co. KG, Düsseldorf wt Werkstattstechnik online Jahrgang 96 (2006) H. 9 628

PFT Produktionsforschung digkeit der Roboterbewegung häufig herabgesetzt werden, um ein Verlieren des Greifobjekts zu verhindern. Die Taktzeit und damit die Wirtschaftlichkeit des automatisierten Kommissionierens lässt sich deutlich erhöhen, wenn die geplante Bahn des Roboters die auf das gegriffene Objekt wirkenden Kräfte berücksichtigt. Durch die Realisierung einer Bewegung, die der eines Kellners beim Transport eines Tabletts ähnelt, können Objekte schneller und sicherer mit Hilfe von Robotern kommissioniert werden. Kuka hat bereits in mehreren Versuchen die Machbarkeit dieser artikelangepassten Bahnplanung nachgewiesen. Eine detaillierte Beschreibung dieses Verfahrens befindet sich beispielsweise in [5]. Objekte müssen beim Kommissionieren durch das Robotersystem nicht nur gegriffen, sondern auch gesehen werden. Die Entwicklung neuer Verfahren zur Objektlokalisation stellt daher einen weiteren Schwerpunkt im KomRob-Projekt dar. Dazu wurde vom ein Verfahren entwickelt, bei dem ein Lasergitter auf Objekte projiziert und dieses mit Hilfe einer Kamera erfasst wird (Bild 9, oben). Aus dem Kamerabild wird nun das Lasergitter extrahiert und anhand der Unstetigkeiten der Laserlinien sind Kanten und somit Übergänge zwischen den Objekten erkennbar (Bild 9, unten). Vorteil dieses Verfahrens ist die hohe Geschwindigkeit, da im Vergleich zu scannenden Verfahren (wie dem Lichtschnittverfahren) keine Relativbewegungen zwischen Objekt und Kamera notwendig sind. Des Weiteren wurden von ISRA und vom Systeme und Verfahren zur Objektlokalisation mit Hilfe eines Laserscanners durchgeführt. Bild 10 zeigt das System des sowie beispielhafte Ergebnisse von Scanversuchen. Die Bilder zeigen, dass auch bei geringer Höhe des Scanners mit Euro-Paletten große Flächen abgedeckt werden können. Einen Überblick über aktuelle Verfahren der Objektlokalisation und einen tiefer gehenden Einblick in die Entwicklungen auf diesem Bereich im Rahmen des KomRob-Projekts liefern [6] und [7]. Bild 8. Beispiel eines Greifers aus dem Greiferbaukasten Schmalz, Partec einfach kombinierbar, zum anderen wurde bei der Entwicklung darauf geachtet, diese Module nicht auf spezielle Anwendungen auszurichten, sondern auf möglichst branchenübergreifende Applikationen. Das KomRob-Projekt hat somit einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung von Kommissionierrobotersystemen weg von der teuren Speziallösung hin zum wirtschaftlichen Standardprodukt geleistet. Die entwickelten Greifer wurden bereits auf mehreren Messen und Konferenzen vorgestellt und sind größtenteils jetzt schon fester Bestandteil des Lieferprogramms der Firma Schmalz. Auch die entwickelten Verfahren zur Objektlokalisation wurden vom bereits in mehreren Projekten eingesetzt. Gleiches gilt für die Ergebnisse der anderen 6 Zusammenfassung und Ausblick Weitere F & E-Aktivitäten lagen beispielsweise im Bereich der Definition von Schnittstellen für die einzelnen Module sowie in der Untersuchung und Optimierung von Palettier-Algorithmen. Die Ergebnisse des KomRob-Projekts wurden auf der Tagung Baukastensysteme für Roboter in Service, Produktion und Logistik am 28.06.2006 bei der Kuka Roboter GmbH in Augsburg präsentiert. Weitere Informationen dazu finden Interessierte beispielsweise unter www.ipa.fhg.de oder http://komrob.ipa.fhg.de im Internet. Alle diese Entwicklungen des KomRob-Projekts basieren auf dem Prinzip der Modularität. Die einzelnen Module sind zum einen Dank der Definition geeigneter Schnittstellen Bild 9. Komponenten und Beispielbild der Kamera des Gitter-Verfahrens (oben); Algorithmus zur Detektion von Kanten (unten) wt Werkstattstechnik online Jahrgang 96 (2006) H. 9 629

PFT Produktionsforschung Bild 10. Laserscanner zur Objektlokalisation (links) sowie Scanversuche mit jeweils realer Darstellung und Darstellung des aufgenommenen Höhenprofils (rechts) Projektpartner. Nichtsdestotrotz müssen weitere Entwicklungen in diesen Bereichen stattfinden. Die Logistik bietet eine Vielzahl von Anwendungen für die Robotik, nicht nur im Palettieren und Depalettieren, sondern auch bei der Be- und Entladung von Containern, oder im Bereich der innerbetrieblichen Logistik in der Be- und Entladung von Gitterboxen und im so genannten Griff in die Kiste. Literatur [1] Kinkel, S.: Trends in der Automatisierungstechnik. In: Schraft, R. D.; Westkämper, E. (Hrsg.): Effiziente Planung und Entwicklung von Automatisierungslösungen. Tagungsband zum Workshop F 129, Stuttgart, 2005 [2] Spiekermann, U.: Intralogistik und Automatisierung. In: Schraft, R. D.; Westkämper, E. (Hrsg.): Roboter in der Intralogistik aktuelle Trends, moderne Technologien, neue Anwendungen. Tagungsband zum Technologieforum F 113, Stuttgart, 2005 [3] Fritsch, D.: Kommissionierroboter von der Speziallösung zum wirtschaftlichen Standardprodukt. Logistik für Unternehmen 18 (2004) H. 9, S. 32 35 Ansprechpartner für weitere Informationen Dipl.-Ing. Kay Wöltje, Dipl.-Wirtsch.-Ing. Dennis Fritsch (Kontaktdaten siehe vorne) Dipl.-Ing. Thomas Rosenbusch Forschungszentrum Karlsruhe GmbH Projektträger Forschungszentrum Karlsruhe Bereich Produktion und Fertigungstechnologien (PTKA-PFT) Hermann-von-Helmholtz-Platz 1 D-76344 Eggenstein-Leopoldshafen Tel. +49 (0)7247 / 82-52 73, Fax +49 (0)7247 / 82-54 56 E-Mail: thomas.rosenbusch@ptka.fzk.de Internet: www.produktionsforschung.de [4] Schaaf, W. H.; Mäder, K.-H.: Vacuum layer grippers Applications, system concepts and key issues. In: ISR 2006 - ROBOTIK 2006: Proceedings of the Joint Conference on Robotics, Visions are Reality, München, 15.05. 17.05.2006 [5] Zimmermann, U. et al.: Gentle robotic handling A comparison of different approaches for shear force reduction. In: ISR 2006 - ROBOTIK 2006: Proceedings of the Joint Conference on Robotics, Visions are Reality, München, 15.05. 17.05.2006 [6] Ledermann, T.: Effiziente Bildverarbeitung für die Logistik. In: Schraft, R. D.; Westkämper, E. (Hrsg.): Roboter in der Intralogistik aktuelle Trends, moderne Technologien, neue Anwendungen. Tagungsband zum Technologieforum F 113, Stuttgart, 2005 [7] Wöltje, K.; Fritsch, D.: Branchenunabhängige Basismodule für ein Kommissionierrobotersystem KomRob. In: Schraft, R. D.; Westkämper, E. (Hrsg.): Roboter in der Intralogistik aktuelle Trends, moderne Technologien, neue Anwendungen. Tagungsband zum Technologieforum F 113, Stuttgart, 2005 wt Werkstattstechnik online Jahrgang 96 (2006) H. 9 630