Grundlagen der Kraftfahrzeugelektronik



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3 Umgebungsanforderungen im Kraftfahrzeug und die Auswirkungen auf die Elektronik 3.1 Allgemeine Bemerkungen Die Verwendung von elektronischen Systemen in Kraftfahrzeugen erfordert erhebliche Schutzmaßnahmen f r diese Ausr stungen, um St rungen oder Fr hausf lle zu vermeiden. Im Gegensatz zu vielen anderen elektronischen Systemen des allt glichen Lebens, wie z. B. Ger te aus der Unterhaltungsindustrie oder der Haushaltselektronik, handelt es sich bei einem Kraftfahrzeug um ein System, das in h chst unterschiedlichen Umgebungssituationen zum Einsatz kommt: von winterlichen Bedingungen in arktischen Bereichen bis hin zur W ste. Hinzu kommt noch ein weiterer Aspekt, der die besondere Situation in Kraftfahrzeugen kennzeichnet: Bei einem Kraftfahrzeug handelt es sich bei Betrachtung der elektrischen Versorgung aller Komponenten um ein kleines,,inselnetz, bestehend aus Generator, Speichereinheit f r elektrische Energie (Akkumulator, Batterie), Verteilung (Bordnetzverkabelung) und Verbraucher (z. B. elektromechanische Systeme). Es ist also hier nicht m glich, wie im Haushalts-Versorgungsnetz, auf ein großes System von Energieverteilungseinrichtungen zur ckzugreifen, die sich gegenseitig elektrisch stabilisieren. Jede Art von Last nderung (Schaltvorg nge z. B.) oder mechanische Einfl sse (wie etwa die Drehzahl nderung des Motors, Temperaturschwankungen) auf den Generator f hren zu dynamischen Vorg ngen auf dem kompletten Bordnetz mit m glichen Folgen f r die Elektronik. Das l sst sich prinzipiell niemals vermeiden. Auch in zuk nftigen neuen Bordnetzen, wie dem angedachten 42-V-Bordnetz (mild Hybridfahrzeug oder dar ber hinaus wie beim full Hybridfahrzeug), wird erheblich mit derartigen Einfl ssen zu rechnen sein. Je nach Art dieser Ereignisse sind die Auswirkungen auf ein Bordnetz sehr unterschiedlich und rufen dementsprechend auch verschiedene elektrische Reaktionen hervor. Im Abschnitt ber die elektromagnetische Vertr glichkeit (Kapitel 4) wird noch n her darauf eingegangen. Insgesamt sollen diese Einfl sse mit,,elektrische Umwelteinfl sse bezeichnet werden. Neben den rein elektrischen Umwelteinfl ssen sind bei der Realisation von Kraftfahrzeugelektroniken zus tzlich noch weitere Einfl sse zu beachten, die ggf. sehr große Auswirkungen auf die Funktionalit t einer Elektronik haben k nnen. Diese,,nicht elektrischen Umwelteinfl sse k nnen je nach Einbausituation sehr unterschiedlich sein. Bez glich der Einbauorte von Kraftfahrzeugelektronik sind dabei grunds tzlich verschiedene Unterscheidungen m glich, meist reicht jedoch die Unterteilung in zwei Klassen aus: der Verbau in einem Bereich, der nicht direkt den Witterungseinfl ssen unterliegt (z. B. innerhalb der Fahrzeugkabine)

26 3 Umgebungsanforderungen im Kraftfahrzeug und die Auswirkungen auf die Elektronik der Verbau im Außenbereich (inkl. Motorraum), der direkten Kontakt zu den Witterungseinfl ssen hat. Allgemein kann man die nicht elektrischen Umgebungsanforderungen f r Elektroniken in Kraftfahrzeugen in folgende Themengebiete unterteilen: mechanische Anforderungen (Schwingung, Stoßbeanspruchung usw.) Anforderungen an die Klimabest ndigkeit (Feuchte, Temperatur) chemische Anforderungen an Elektronik in Kraftfahrzeugen (Salznebel, Kraftstoffe, Schmierstoffe, Reinigungsmittel usw.) Bild 3.1 Die Umweltbedingungen f r Kraftfahrzeugelektronik Diese Anforderungen sind notwendig, um im allt glichen Betrieb einer Kraftfahrzeugelektronik keine St rungen zu erhalten. Das bedeutet jedoch auch einen erheblichen Entwicklungsaufwand und damit Entwicklungskosten. In der heutigen Zeit wird dabei gelegentlich an der einen oder anderen Stelle gespart mit der Folge, dass Fahrzeuge im Extremfall sogar in die Werkst tten zur ckgerufen werden m ssen, um die fehlerhaften Systeme auszutauschen, was noch h here Kosten verursacht. In den n chsten Abschnitten wird n her auf diese Anforderungen eingegangen. Oft ist es sehr schwierig, diese Anforderungen alle mit den zur Verf gung stehenden Bauteilen und Finanzmitteln innerhalb der gesetzten Entwicklungszeiten zu erf llen und berhaupt zu einem befriedigenden Ergebnis zu kommen. Man k nnte das Problemfeld Fahrzeugelektronik folgendermaßen umschreiben:,,schnelle und fehlerfreie Entwicklung von,raumfahrttauglicher Elektronik mit Standardbauteilen zum Konsumer-Preis mit Fertigung in großen St ckzahlen... Diese Punkte widersprechen sich im Grunde genommen alle... Nur durch entsprechende Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von Kraftfahrzeugelektronik kann f r einen Anwender eine in allen Punkten akzeptable L sung erreicht werden.

3.2 Definition von Umwelteinfl ssen f r Kraftfahrzeugelektronik 27 3.2 Definition von Umwelteinfl ssen f r Kraftfahrzeugelektronik Betrachtet man die heutige Situation bez glich der Umwelteinfl sse (elektrisch oder nicht elektrisch), die f r ein elektronisches System in Kraftfahrzeugen vorgesehen werden und damit auch w hrend der Entwicklungsphase gepr ft werden m ssen, so stellt sich die Frage: Wo kommen diese Anforderungen her, wer hat sie aufgestellt und sind sie alle auch sinnvoll? Zur Beantwortung dieser Frage sollte man sich immer vor Augen halten, dass es sich bei dem heutigen Stand um eine Momentaufnahme in einem langen Prozess handelt. In den Anf ngen der Kraftfahrzeugelektronik war die Situation auf den ersten Blick sehr viel einfacher: Fast alle elektronischen Auswirkungen, die sich auf einem Bordnetz ausbilden konnten, waren noch nicht bekannt bzw. konnten sogar noch nicht einmal gemessen werden, da die entsprechenden Messger te am Markt noch nicht verf gbar waren. Als Resultat erhielt man sehr unzuverl ssige Elektroniken, die beim rauen Einsatz im Kraftfahrzeug oft v llig berraschend ausfielen, ohne dass jemand daf r eine Erkl rung hatte. Dadurch hat sich im allgemeinen Verst ndnis bis heute oft der Eindruck gehalten,,elektronik im Auto ist unsicher. Erst in den darauf folgenden Jahren wurde dann bei den verschiedenen Herstellern erkannt, dass es sich hierbei offensichtlich um Effekte handelt, die in der Entwicklungsphase einzeln zu ber cksichtigen sind, um die Qualit t zu verbessern. Das betraf nicht nur die rein elektrischen Einfl sse, sondern auch die brigen nicht elektrischen Umwelteinfl sse. Wie sind nun die Anforderungen im Einzelnen entstanden? Dazu sollte man sich vergewissern, dass es weltweit viele Fahrzeughersteller gab und gibt, die mit dem oben beschriebenen Problem konfrontiert waren und sind. Aus verst ndlichen Gr nden (Geheimhaltung) hatte man in der Anfangszeit Bedenken, diese Erfahrungen untereinander auszutauschen. Dieses hatte zur Folge, dass innerhalb der Fahrzeugherstellerfirmen oder der Zulieferfirmen f r die Entwicklung von Kraftfahrzeugelektronik diese Effekte ber Jahre hinweg parallel untersucht und L sungen bez glich der Umweltanforderungen individuell erarbeitet wurden, um die eigenen Produkte sicher zu machen. Das Resultat ist, dass es heute viele unterschiedliche Anforderungen seitens der Fahrzeughersteller gibt, die im Grunde jedoch eigentlich den gleichen physikalischen Sachverhalt beschreiben sollen. Besonders deutlich werden diese Unterschiede bei Betrachtung der Anforderungen bei Herstellern aus verschiedenen Kontinenten. Anders ausgedr ckt, jeder Fahrzeughersteller hat heute seine eigenen Anforderungen, die meist als,,hausnorm bezeichnet werden. Diese Situation ist f r eine Elektronikentwicklungsabteilung extrem schwierig. Bei jedem Projekt m ssen sich die Entwickler zun chst dar ber im Klaren sein, welche Hausnormen zu ber cksichtigen sind. Bei sog. Querschnittsprodukten, d. h. Systemen, die unver ndert an verschiedene Fahrzeughersteller geliefert werden sollen, ist dieses Problem noch gr ßer. Die sich hier anbietende L sung ist, geeignete Normen zwischen den Fahrzeugherstellern zu erarbeiten, die die Umwelteinfl sse ausreichend genau und f r alle stellvertretend beschreiben.

28 3 Umgebungsanforderungen im Kraftfahrzeug und die Auswirkungen auf die Elektronik Die Notwendigkeit derartiger Normen wurde schon vor l ngerer Zeit erkannt und es bildeten sich entsprechende nationale und internationale Arbeitsgremien, die entsprechende Festlegungen erarbeiten sollten. Als Ergebnis sind heute internationale Normen vorhanden, die die Umwelteinfl sse in der Kraftfahrzeugelektronik hinreichend genau beschreiben, so dass eine zielf hrende Entwicklung m glich sein sollte. Dennoch sind oft erhebliche Unsch rfen in den Normen vorhanden, die bei den Fahrzeugherstellern unterschiedlich interpretiert werden k nnen. Hinzu kommt, dass in vielen F llen die Hausnormen der Fahrzeughersteller weiter in Kraft geblieben sind, oft jedoch angepasst und angelehnt an die internationalen Normenwerke. Meist sind jedoch in verschiedenen Parametern f r einzelne Tests Abweichungen vorhanden, die vom Entwickler herausgearbeitet werden m ssen. In diesem Buch k nnen nur die Anforderungen n her ber cksichtigt werden, die sich in den Normen befinden, da die fahrzeugherstellerspezifischen Abweichungen den Rahmen sprengen w rden und meist auch vertraulich sind. In den Normen selbst sind meist nur zu ber cksichtigende Anforderungen und Messverfahren beschrieben. Die Inhalte werden in diesem Buch nur kurz dargestellt, da innerhalb einer Elektronikentwicklung im Einzelfall gepr ft werden muss, ob alle Anforderungen erf llt werden. Außerdem ist festzustellen, dass auch die Normen einem st ndigen Wandel unterliegen. Auf Grund der schnell fortschreitenden Entwicklung auf dem Gebiet der Kraftfahrzeugelektronik ergeben sich zum Teil neue Anforderungen wegen der Einf hrung neuer Systeme. Als Folge davon ist vor allem die Parametrierung der Anforderungen einem st ndigen Wandel unterlegen. F r die Entwickler von Kraftfahrzeugelektronik ist es daher viel wichtiger, zu verstehen, welche physikalischen Ursachen bei einzelnen Anforderungen zu Grunde liegen, um so Ver- nderungen zu erkennen und schnell darauf reagieren zu k nnen. Vor diesem Hintergrund sind die folgenden Abschnitte zu sehen. Zun chst noch eine Bemerkung zu den Hausnormen der Fahrzeughersteller und Zulieferfirmen. Wie bereits erw hnt, unterscheiden sie sich von Fahrzeughersteller zu Fahrzeughersteller zum Teil erheblich. Liest man diese Hausnormen fl chtig, so gewinnt man oft den Eindruck, dass es sich um komplett unterschiedliche Bestimmungen handeln k nnte. Das w rde in der Praxis dazu f hren, dass Produkte, die f r verschiedene Fahrzeughersteller entwickelt wurden (Querschnittsprodukte), h chst unterschiedliche Eigenschaften haben m ssten, um die entsprechenden Anforderungen zu erf llen. Das kann in der Tat in der Praxis gelegentlich so vorkommen. Dennoch ist festzustellen: Auch wenn die Hausnormen unterschiedlich sind, so sind die Pr fungen, die f r eine Systemfreigabe eines Fahrzeugherstellers erforderlich sind, vom Prinzip her in vielen F llen hnlich. Das heißt, oft gen gt es, die Parameter an der Pr feinrichtung (Spannungsverl ufe, Zeiten, Temperaturverl ufe usw.) anzupassen. Nat rlich m ssen diese Bedingungen w hrend der Entwicklungsphase genau bekannt sein und im Gesamtkonzept ber cksichtigt worden sein.

3.2 Definition von Umwelteinfl ssen f r Kraftfahrzeugelektronik 29 Oder anders ausgedr ckt: Wenn man bei einer Entwicklung die hier beschriebenen Anforderungen einh lt und sich mit den elektrischen Parametern nicht zu dicht an die Funktionsgrenzen eines elektronischen Systems legt (Sicherheitsabstand), so zeigt die Erfahrung aus der Praxis, dass man damit bereits eine sehr gute Basis hat, die Hausnormen der Fahrzeughersteller zu erf llen. Sollten dennoch sehr unterschiedliche Anforderungen an ein System gestellt werden, ergeben sich folgende L sungsm glichkeiten: Entwicklung einer Abart f r jeden Fahrzeughersteller oder Entwicklung einer Abart, die aber die maximalen Anforderungen jedes m glichen Kunden ber cksichtigt. W hrend die erste Variante die zu fertigenden St ckzahlen pro Abart in der Regel drastisch reduziert (Umr stkosten) und damit die Fertigungskosten anhebt, kann die zweite M glichkeit zu erh hten Ger te-st ckkosten f hren, da in der Hardware f r alle Kunden der ung nstigste Fall ber cksichtigt werden muss, was in der Regel die Kosten f r die elektronischen Bauteile ebenfalls anhebt. Daf r sind meist die Fertigungskosten geringer. Die Entscheidung, welcher Weg zu beschreiten ist, h ngt also von verschiedenen Faktoren ab, wie z. B. den zur Verf gung stehenden Fertigungseinrichtungen bzw. der zu erwartenden Abartenvielfalt, und wird in der Regel im Entwicklerteam unter Beachtung der Kostensituation entschieden. In einigen F llen kann diesem Problem auch durch Softwareanpassungen begegnet werden, indem man in der Fertigung zwar eine identische Hardware (z. B. Leiterkarte) bereitstellt, jedoch die Software im steuernden Mikrocontroller anpasst. Dann h tte man eine sog.,,end- Of-Line -Programmierung (EOL), auf die in einem sp teren Abschnitt noch ausf hrlich eingegangen wird (Abschnitt 10.3.2). Eine weitere M glichkeit w re in einigen F llen die Mehr- oder Minderbest ckung einer einzigen, voll getesteten Leiterkarte (meist in Verbindung mit einer EOL-Programmierung), um speziellen Kundenw nschen entgegenzukommen. In jedem Fall ergibt sich eine aufw ndigere Ablaufsteuerung in einer Fertigung. Es folgen nun die elektrischen Anforderungen auf Basis der Normen, wie oben erw hnt. Dabei werden nur die wichtigsten Aspekte dargestellt. Im konkreten Fall einer Entwicklung sollte der komplette Normentext zu Grunde gelegt werden. Diese Anforderungen k nnen in zwei große Gruppen unterteilt werden: Einfl sse, die sich nur auf die Bereitstellung der Betriebsspannung beziehen (Lastsituation). Damit sind in erster Linie Schwankungen des Bordnetzes gemeint, wie sie auf Grund der Lastsituation (Batterie/Generator) im Normalbetrieb auftreten. Einfl sse, die sich auf Effekte beziehen, die durch dynamische Vorg nge anderer Systeme am Bordnetz oder extern auftreten; die elektromagnetische Vertr glichkeit, EMV (auch: Electromagnetic Compatibility, EMC).

30 3 Umgebungsanforderungen im Kraftfahrzeug und die Auswirkungen auf die Elektronik 3.3 Elektrische Anforderungen, Lastsituationen (angelehnt an die internationale Norm ISO/DIS 16750-2) Der Inhalt dieser Norm beschreibt die elektrischen Vorg nge, die in den Versorgungsleitungen und den Signalleitungen eines Kraftfahrzeugbordnetzes auftreten k nnen, wie z. B. Betriebsspannungsschwankungen oder St rimpulse. 3.3.1 Allgemeines Um die Beschreibung zu vereinfachen, werden folgende Definitionen eingef hrt: Betriebszust nde Mode 1: ohne Betriebsspannung 1.1: keine Verbindung mit dem Kabelbaum 1.2: volle Verkabelung mit dem Fahrzeugkabelbaum Mode 2: voll verkabelt, voller Betrieb mit Nennspannung bei stehendem Generator 2.1: System im ausgeschalteten Zustand (inkl. Sleep-Mode) 2.2: System im Nennbetrieb Mode 3: voll verkabelt, voller Betrieb mit laufendem Generator 3.1: System im ausgeschalteten Zustand (inkl. Sleep-Mode) 3.2: System im Nennbetrieb Funktionszust nde CLASS A: volle Funktionalit t w hrend und nach dem Test mit allen Spezifikationen. CLASS B: volle Funktionalit t w hrend des Tests. Kleine Toleranzabweichungen erlaubt, die nach dem Test wieder verschwinden. Keine Speicherverluste. CLASS C: Teilweiser Funktionsausfall. Die St rungen verschwinden automatisch nach dem Test. CLASS D: Teilweiser Funktionsausfall ohne automatische R ckkehr zum Normalbetrieb. Einfacher RESET erforderlich. CLASS E: Teilweiser Funktionsausfall, Sch digung des Systems, Reparatur bzw. Ersatz erforderlich. Allgemeine Testbedingungen (sofern vom Test selbst nicht anders definiert) Temperatur: + 23 C 5 C Luftfeuchte: 25 bis 75 % rel. Tabelle 3.1 Elektrische Spannungen w hrend der Tests (Betriebsmodi 2 und 3, s. o.): Testspannung 12-V-Bordnetzsystem 24-V-Bordnetzsystem Mode 3, U A 14 0,2 V 28 0,2 V Mode 2, U B 12 0,2 V 24 0,2 V 3.3.2 Betrieb an einer Gleichspannung Mit diesem Test wird der Normalbetrieb des Systems berpr ft und festgestellt, ob die geforderten Funktionen und Toleranzen eingehalten werden.

3.3 Elektrische Anforderungen, Lastsituationen 31 Testparameter Einzustellende Betriebsmodi: Mode 2 und Mode 3, s. o. Die Spannungsbereiche sind durch sog. Codes gekennzeichnet, die vereinfacht gesprochen,,sch rfegrade darstellen oder Anforderungsklassen: Tabelle 3.2 Sch rfegrade f r die Betriebsspannungsbereiche, 12 V 12-V-Bordnetz: Betriebsspannung Code: U min U max A 6V 16V B 8V 16V C 9V 16V D 10,5 V 16 V Tabelle 3.3 Sch rfegrade f r die Betriebsspannungsbereiche, 24 V 24-V-Bordnetz: Betriebsspannung Code: U min U max E 10 V 32 V F 16 V 32 V G 22 V 32 V Alle zu testenden Elektronikteile m ssen w hrend der Tests in der Funktionsklasse CLASS A verbleiben (s. o.). Die entsprechenden Daten zum neuen 42-V-Bordnetz liegen noch nicht endg ltig vor. Als vorl ufige Werte f r das angedachte neue 42-V-Bordnetz k nnen die in Tabelle 3.4 zu Grunde gelegt werden: Tabelle 3.4 Betriebsspannungsbereiche f r das 42-V-Bordnetz: Maximale dynamische berspannung (Load Dump) U max, dyn =58V Maximale Betriebs-Dauerspannung inklusive Bordnetzwelligkeit U max, stat. =50V Maximale statische Effektivspannung U eff-max, stat. =48V Nominalspannung U N =42V Minimale Betriebs-Dauerspannung U min, stat. =30V Minimale Startspannung U min, start =21V Absolute Minimalspannung im Bordnetz U min =18V Verpolspannung U verp = 2Vf r max.100 ms

32 3 Umgebungsanforderungen im Kraftfahrzeug und die Auswirkungen auf die Elektronik 3.3.3 Betrieb bei berspannung Dieser Fall tritt in der Regel ein, wenn der Regler des Generators ausf llt und der maximale Ladestrom in die Batterie eingespeist wird. Testparameter T max ist die maximal zul ssige Betriebstemperatur des Systems. Tabelle 3.5 Testparameter ( berspannung) 12-V-Bordnetz 24-V-Bordnetz Temperatur T T = T max 20 C T = T max 20 C Testzeit t t = 60 min 10 s t = 60 min 10 s Betriebsspannung U B U B =18V 0,2 V U B =34V 0,2 V Tabelle 3.6 Testergebnis ( berspannung) Funktionszustand: normale Anforderung mind. CLASS C mind. CLASS C versch rfte Anforderung CLASS A CLASS A 3.3.4 Start mit erh hter Spannung (Jump Start, nur 12-V-Systeme) Dieser Test simuliert den Fall, dass ein 12-V-System mit einer 24-V-Batterie gestartet wird. Testparameter Temperatur: 23 5 C (Raumtemperatur) Betriebsspannung: 24 V 0,2 V Testzeit: t = 60 s 10 % Testergebnis Funktionszustand CLASS D, normale Anforderungen Funktionszustand CLASS C, erh hte Anforderungen 3.3.5 berlagerte Schwingung (Voltage Ripple Test) Bei einem Generator im Kraftfahrzeug handelt es sich in erster Linie um eine 3-phasige Klauenpol-Maschine mit einem Drehstrom-Vollwellen-Gleichrichter. Dieser Generator ist ber ein Kabel mit einer Batterie verbunden. Obwohl diese Batterie den gr ßten Teil des Wechselanteils der Generatorspannung gl ttet, ist davon auszugehen, dass ein Restbetrag dieser berlagerten Wechselspannung immer im Bordnetz vorhanden ist. Die Gr ße dieser Restwechselspannung richtet sich nach der Qualit t der Batterie, nach dem Innenwiderstand des Verbindungskabels zwischen Generator und Batterie und der Lastsituation im Fahrzeug. Bei einem Fahrzeug mit vorn liegender Batterie (im Motorraum) werden in der Regel die weiteren Großverbraucher (elektronische Systeme) direkt an der Batterieklemme abgenom-

3.3 Elektrische Anforderungen, Lastsituationen 33 men. Die verbleibenden Wechselanteile richten sich in diesem Fall also nur nach der Qualit t der Batterie und sind im Allgemeinen recht klein (s. Bild 3.2). Bild 3.2 Batterieverbau im Motorraum Bei vielen neueren Fahrzeugen allerdings wird die Batterie aus Gr nden der gleichm ßigeren Gewichtsverteilung und bei Platzproblemen im Vorderwagen im Heck des Fahrzeuges verbaut und ber ein langes Verbindungskabel mit dem Generator verbunden. Dieses Kabel hat auf Grund seiner L nge nat rlich einen wesentlich gr ßeren Innenwiderstand, an dem bei h heren Lade-/Entlade-Str men auch ein h herer Spannungsabfall auftreten kann (s. Bild 3.3). Bild 3.3 im Heck Batterieverbau Die Gl ttungsfunktion der Batterie ist kleiner. Das bedeutet, dass die verbleibende Wechselspannung an der Elektronik wesentlich h her sein kann, sofern diese elektronischen Systeme wie bisher ber einen Lastverteiler im Motorraum versorgt werden. Dieser Test verifiziert nun diesen Fall und berpr ft, ob die Elektronik mit der verbleibenden Restwechselspannung umgehen k nnen und keine Funktionsst rungen verursachen. Testaufbau Mittels eines steuerbaren Hochleistungs-Netzteils wird von einem Sweep-Signalgenerator die Wechselspannung dem Gleichspannungssignal berlagert. Testparameter Betriebsspannung: 16 V (12-V-Bordnetzsystem) 32 V (24-V-Bordnetzsystem) Innenwiderstand der Signalquelle: 100 mx Frequenzbereich: 50 Hz bis 20 khz, linearer Sweep Sweep-Dauer: 120 s Zahl der Durchl ufe: 5 Wechselanteil (Spitze-Spitze): 1 V... 4 V (je nach Anforderung)

34 3 Umgebungsanforderungen im Kraftfahrzeug und die Auswirkungen auf die Elektronik Testergebnis: Funktionszustand CLASS A Zusatzbemerkung: Diese Situation stellt ein Problem f r die Elektronik dar, die direkt an der Versorgungsleitung einen Elektrolyt-Kondensator h herer Kapazit t (> 50 lf ) erfordert. Auf Grund der schnellen Lade- und Entladevorg nge im Kondensator ist unbedingt eine schaltfeste Ausf hrung dieses Kondensators zu verwenden, die u. U. nicht beliebig bei den Bauteileherstellern verf gbar ist. 3.3.6 Langsamer Spannungseinbruch bzw. Spannungsanstieg Wenn der Generator eines Fahrzeuges nicht in Betrieb ist (Motor steht) und der Z ndschl ssel in der Betriebsposition (Klemme 15) verbleibt, dann wird die komplette Elektrik des Fahrzeuges aus der Batterie versorgt. Das kann dazu f hren, dass die Bordnetzspannung langsam abf llt und in Bereiche kommt, die im Normalbetrieb selten auftreten (bis hin zur Tiefentladung, d. h. Bordnetzspannung = 0). Es wird mit diesem Test festgestellt, ob die Ausgangstreiberstufen unkontrolliert schalten, was im Fahrzeug zu Fehlersituationen f hren kann. Testablauf Ausgehend von der maximalen Betriebsspannung wird die Versorgung langsam bis auf 0 V reduziert, anschließend wieder langsam angehoben bis zum Ausgangswert. Parameter Abfallrate: 0,5 0,1 V pro Minute Anstiegsrate: 0,5 0,1 V pro Minute Testergebnis Funktionszustand CLASS D (normale Anforderung) Funktionszustand CLASS C (erh hte Anforderung) 3.3.7 Spannungseinbruch Die Energieverteilung innerhalb eines Kraftfahrzeugbordnetzes geht meist von einem Punkt aus, dem Pluspol der Batterie. Von hier aus sind die verschiedenen Systeme in der Regel ber eine Sicherung angeschlossen. Diese Sicherung sch tzt die Kabelverbindung zum elektronischen System im Falle eines Kurzschlusses. Sollte dennoch einmal ein derartiger Fehler auftreten, so dauert es eine gewisse Zeit, bis die Sicherung ausgel st hat und der hohe Kurzschlussstrom nicht mehr fließt. Bis zu diesem Zeitpunkt f hrt jedoch der hohe Kurzschlussstrom zu einem Spannungsabfall im Bordnetz, der sich auf alle anderen Systeme bertr gt. Das darf nat rlich zu keinen St rungen bei diesen Systemen f hren (s. Bild 3.4). Bis zur Ausl sung der Sicherung fließt ein sehr großer Laststrom, der nur durch die Innenwiderst nde der verwendeten Leitungen begrenzt wird. Daher wird das Bordnetz auf einen kleineren Spannungswert zusammenbrechen.