Der Jüdische Friedhof Rappenau Folge 3



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Transkript:

Der Jüdische Friedhof Rappenau Folge 3 Abb. 1 Grabstein Elias und Julie Ottenheimer In der dritten und letzten Folge über den Jüdischen Friedhof Rappenau stellen wir einige besonders bemerkenswerte Grabsteine vor, die jeweils ihre eigene Geschichte erzählen. I ELIAS UND JULIE OTTENHEIMER Der erste ist der Grabstein für Elias und Julie Ottenheimer aus Bonfeld. Bereits die Inschrift auf dem Grabstein verrät eine Menge über die Hintergründe. Sie lautet: Hier ruht mein lb. Vater Elias Ottenheimer Bonfeld * 26.4.1847 + 23.9.1940 Zum Gedenken meiner lb. im KZ Lager verstorbenen Mutter Julie Ottenheimer geb. * 12.12.1866 + 22.10.1942 Es war also eine der Töchter von Elias und Julie Ottenheimer, die ihren Eltern diesen Grabstein nach Ende der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten setzen ließ welche, ist mir nicht bekannt. Bemerkenswert ist weiterhin, dass außer Hedi Grötzinger aus Siegelsbach 1936 niemand sonst aus Rappenau oder den umliegenden jüdischen Gemeinden nach 1933 auf dem Friedhof bestattet wurde. (Ottilie Steil aus Siegelsbach berichtete mir, dass ihr Großonkel Anton Schweikert um 1936 eine/n Verstorbene/n der jüdischen Gemeinde mit dem Pferdefuhrwerk zur Beerdigung nach Bad Rappenau überführt hat, woraufhin dessen Tochter Hilda in der Schule dafür gemobbt wurde. Wahrscheinlich handelte es sich bei der Verstorbenen um Hedi Grötzinger.) Unter welchen Umständen 1940 die Bestattung von Elias Ottenheimer auf dem Jüdischen Friedhof überhaupt noch möglich war, entzieht sich meiner Kenntnis. Wissen Zeitzeugen darüber noch etwas? Elias Ottenheimer war Handelsmann. Seine erste Ehe schloss er am 08.12.1875 in Heilbronn mit Hannchen geb. Kahn; Zwei Kinder stammten aus dieser Ehe: Herrmann (1876-1924) und Thekla, die schon bald nach ihrer Geburt verstarb (1878-1879). Am 05.01.1897 heiratete Elias dann in Heidelberg

Das Bild kann nicht angezeigt werden. Dieser Computer verfügt möglicherweise über zu wenig Julie (genannt Julchen) geb.. Dieser Ehe entsprangen drei Kinder: Sophie *1897, Adelheid *1901, Erna *1908. Abweichend von den Angaben auf dem Grabstein ist im Central Data Base Yad VaShem vermerkt: Julie *12.02.1867, gest. in Theresienstadt 04.10.1942. II DIE FAMILIEN HERBST UND MAYER IN RAPPENAU Eine bedeutende Rolle innerhalb der Rappenauer jüdischen Gemeinde haben die beiden sfamilien und Mayer gespielt. Das Lebensmittelgeschäft, das sie gemeinsam betrieben, befand sich in der Kirchenstraße (heute Derzapf, vormals Ries nah und gut ). Die ens hießen deshalb s Herbschda-Maiärs. Die folgende grafische Darstellung zeigt den gemeinsamen Stammbaum : Leopold Mayer Hauptlehrer Rosa Weil Salomon *1833 +1896 Jette Reinganum aus Neckarsulm *1835 +1885 Isak *1828 +1883 Lena Stein *1834 +1901 Ludwig Mayer *1860 +1932 Lina *1869 +1909 Eugen (Isak) Gründer der felina +1949 Sophie *1865 Thekla *1868 +1881 Julie *1871 +1890 Friederike 1890 Heinrich Engländer Das Wohnhaus der Familie befand sich in der Kirchstraße. Arbeitsspeicher, um das Bild zu öffnen, oder das Bild ist beschädigt. Starten Sie den Computer neu, und öffnen Sie dann erneut die Datei. Wenn weiterhin das rote x angezeigt wird, müssen Sie das Bild möglicherweise löschen und dann erneut einfügen. ú1885 sah es so aus. Heute befindet sich an seiner Stelle das Geschäft nah und gut Derzapf, vormals Ries. Abb. 3 Wohnhaus 1885 Auf dem Friedhof finden sich von den beiden Herbschda -Ehepaaren und dem Ehepaar Mayer diese Grabsteine: Abb. 2 nah und gut Derzapf vormals Ries Abb. 6 Grab Salomon und Jette Abb. 4 Grab Ludwig und Lina Mayer Abb. 5 Grab Isak und Lena Die folgenden Angaben über die Geschichte der Miederwarenfabrik felina sind einem Artikel von Barbara Ritter entnommen (http://www.rhein-neckar-industriekultur.de/objekte/128/felina- Miederwarenfabrik-in-Mannheim.html):

1885 gründet Eugen in Bad Rappenau mit ca. 10 MitarbeiterInnen eine Korsettfabrik. Bereits 1890 verlegt er wegen der hohen Nachfrage sein Unternehmen nach Mannheim in die Innenstadt. 1898 kauft er Gelände im Lange-Rötter-Gebiet in der sich entwickelnden Neckarstadt, wo eine pleite gegangene Chemiefabrik stand. Er baut dort ein modernes Fabrikgebäude mit Sandsteinsockeln. Die Korsettfabrik entwickelt sich prächtig und wird zu einer der bedeutendsten der Branche. Der Bruder Hermann steigt in die Fabrik ein, die sich jetzt 'Mieder- und Korsettfabrik Eugen und Hermann ' nennt. Am 17.04.1915 meldet er die Marke "FELINA" für einen Büstenhalter an, damals eine neue Entwicklung. Die Mannheimer Stadtreklame von 1928 beschreibt die Erfolgsgeschichte von felina so: Abb. 7 Mannheimer Stadtreklame 1928

1933 sind im Stammhaus etwa 1.000 MitarbeiterInnen beschäftigt, in der Schuhfabrik noch einmal 300. Die Geschäftsführung liegt jetzt in den Händen der zweiten Generation, Fritz und Walter. Ein Erweiterungsbau für etwa 400 zusätzliche Arbeitskräfte ist im Gange. Die Machtergreifung der Nazis trifft das Unternehmen sofort, weil seine Besitzer "nichtarisch" - jüdischen Glaubens - sind. Sie werden nicht mehr zu Muster-Messen zugelassen und es gelten für Juden Devisenbeschränkungen, was sich z.b. auch auf den Stoffeinkauf auswirkt. Im Oktober 1933 übergeben die Brüder dem Treuhänder der Arbeit die Verantwortung für die Fortführung des Werkes. Der Seniorchef Eugen bleibt bis 1936 faktisch als Geschäftsführer des Betriebes tätig. Die Familie wandert 1936 nach Holland aus, von dort 1940 nach Canada, 1949 stirbt Eugen. 1936: Richard Greiling (geboren 1882), bekannter Zigarettenfabrikant aus Leipzig, bulgarischer Generalkonsul, kauft die Fabrik und die Grundstücke zu einem enorm günstigen Preis. Er benennt sie in Korsettfabrik FELINA Mannheim um. Richard Greiling erwirbt im Zuge der Arisierung noch eine Vielzahl von Fabriken in Süddeutschland. 1944: Im Juni wird ein Teil des Werkes schwer von Bomben getroffen, nachdem bereits 1943 viele Fensterscheiben zu Bruch gegangen waren. Die Produktion geht eingeschränkt weiter. Bei Kriegsende gibt es noch 400 Beschäftigte. Obwohl Richard Greiling kein Parteimitglied war, wird 1946 wegen seiner Arisierungen ein Entnazifizierungsverfahren durchgeführt. Im Restitutionsverfahren zahlt R. Greiling 1949 der Familie eine Abfindung als Wiedergutmachung. 1954: Richard Greiling stirbt als hoch angesehener Industrieller. Seine Söhne Manfred und Lothar übernehmen das Unternehmen, dem inzwischen auch einige Tochterbetriebe angehören. Werke in Worms und Ketsch werden gegründet, 1955 eines in Kaiserslautern. 1968: wird Uschi Glas (bekannt durch den Film "Zur Sache Schätzchen") zur Werbe-Ikone für den neuen Felina-BH Uschis Schätzchen". 1978 Felina braucht Kredite - Verhandlungen mit Banken und der Stadt Mannheim finden statt. 1981: Die Sanierungsbemühungen scheitern. Die Familie Greiling verkauft ihre Anteile. Eine Schweizer Investorengruppe übernimmt FELINA und gründet in Wettingen bei Zürich die FELINA INTERNATIONAL AG. Die FELINA GmbH in Mannheim ist 100prozentige Tochter und operative Zentrale. Schrittweise wird die Produktion in eigene Werke ins Ausland (Ungarn, Polen) verlagert. 2010: Das 125. Jubiläumsjahr ist wirtschaftlich schwierig. Zwei Drittel des Umsatzes werden im Ausland erzielt. FELINA-International hat weltweit ca. 6.500 Händler sowie 1.000 MitarbeiterInnen - 170 davon in Mannheim. Abb. 9 Felina Werbung 2010 Abb. 8 Felina Werbung 1950

DIE FAMILIEN GRÖTZINGER UND HOLLAND Dem Besucher des überschaubaren Jüdischen Friedhofs Rappenau fällt beim Gang auf dem Weg zwischen der Reihe Kindergräber und den beiden jüngsten Reihen Erwachsenengräbern auf, dass gleich am Anfang vier Grötzinger-Gräber im Quadrat liegen: Das von Meta Sternberg, geb. Grötzinger, durch eine Gedenkinschrift ergänzt für ihren Bruder Siegfried, der in Russland den Heldentod starb. Beide sind Kinder des Moses Grötzinger und seiner Frau Mina. Diagonal davor liegt Hedi Grötzinger geb. Bloch, die mit Julius, einem weiteren Sohn des Moses Grötzinger, verheiratet war. Von ihrer Bestattung war schon oben die Rede als einer der letzten von jüdischen Gemeindemitgliedern auf dem Friedhof. Neben ihr befindet sich das Grab ihres Schwiegervaters Moses Grötzinger. Die Inschrift auf seinem Grabstein sei hier (die ersten drei Zeilen in Übersetzung des hebräischen Textes) wiedergegeben: Hier ist begraben ein Mann, ohne Fehl und aufrichtig, Vorsteher der Gemeinde. Er ernährte sich von seiner Hände Arbeit. 1 Seine Seele sei eingebunden im Bündel des Lebens. Moses Grötzinger, Siegelsbach geb. 18. Mai 1863 gest. 5. Aug. 1928 An der Inschrift sind zwei Aussagen bemerkenswert: Erstens: Der Inhaber eines blühenden Unternehmens in Siegelsbach genoss so hohes Ansehen, dass er zum Vorsteher der Gemeinde bestimmt wurde. Überhaupt spielte die alteingesessene Familie in Siegelsbach eine bedeutende Rolle. Rudolf Petzold hat sie in Heft 4 des Bad Rappenauer Heimatboten von 1991 detailliert vorgestellt. Die zweite bemerkenswerte Aussage ist das biblische Zitat Er ernährte sich von seiner Hände Arbeit. Was sich wie ein stolzer Hinweis auf seine erfolgreiche unternehmerische Tätigkeit liest, ist in Wahrheit ein Hinweis darauf, dass der Gemeindevorsteher in gut biblischer Tradition sich sein religiöses Amt nicht vergolden ließ, sondern für seinen Lebensunterhalt selbst sorgte. Das galt schon zu Zeiten der großen rabbinischen Gelehrten um die Zeitenwende als eiserne Regel und findet im Zeltmacher Paulus ein weithin bekanntes Beispiel. Und nun ist noch etwas Drittes bemerkenswert: dass nämlich der Grabstein des vierten Grabes im Quadrat, der von Max Holland, mit dem von Moses Grötzinger deckungsgleich ist. Abb. 11 Grabstein Moses Grötzinger Abb. 10 Grabstein Max Holland Die Deckungsgleichheit der beiden Steine ist ein bildhauerisches Programm: Max Holland, aus Rappenau, hat nämlich 1919 durch die Ehe mit Flora, einer Tochter des Moses Grötzinger, in die Familie eingeheiratet und ist wenig später als Mitgesellschafter in die Firma eingetreten. Und beide Granden starben im gleichen Jahr in kurzem Abstand. 1 Tobias 2,19 in der der Übersetzung der lateinischen Fassung

Aufstieg und Niedergang der Süddeutschen Öl- und Fettwarenfabrik J. Grötzinger Söhne in Siegelsbach hat wie schon erwähnt Rudolf Petzold ausführlich dargestellt. Im Briefkopf der zwanziger Jahre kommt noch der ganze Stolz zum Ausdruck: Abb. 12 Briefkopf der Süddeutschen Öl- und Fettwarenfabrik 1928 Welcher Stellenwert der Firma in der Region zukam, lässt sich auch daran ablesen, dass sie die Telefonnummer 3 in Bad Rappenau bekommt! Ab 1933 liest sich die Geschichte der Öl- und Fettwarenfabrik wie die der Felina: Hetze - wirtschaftliche Knebelung Bedrohung von Leib und Leben 1938 Arisierung des Betriebs und Auswanderung der noch lebenden Siegelsbacher Familienmitglieder; nach wenigstens 200 Jahren Existenz im Ort war damit die Familie Grötzinger in Siegelsbach erloschen, konstatiert Rudolf Petzold in seinem lesenswerten Beitrag. Nicht erloschen hingegen ist die Firmengeschichte. Schon 1939 wurde der arisierte Betrieb geschlossen. Rudolf Petzold schreibt: 1947 aber erwachte er wieder aus seinem Dornröschenschlaf, in den alten Gebäuden begann sich neues Leben zu regen. Hannemann & Co. hieß er jetzt und produzierte vor allem Schmierseife. Aber schon 1947 wurde er wieder liquidiert. Hans Schröder, einer der Angestellten, begann unter dem neuen Firmennamen Mann & Schröder KG von neuem. Abb. 13 Firmenlogo Mann & Schröder ca. 1950 Der Betrieb ist kräftig expandiert und über die Ortsgrenzen von Siegelsbach hinausgewachsen.