Vorläufige Stellungnahme der Deutschen Krankenhausgesellschaft zum Fragenkatalog "Rezertifizierung von Ärzten" der GMK 27. November 2001
2 I. Allgemeine Anmerkungen Jedem Arzt kommt eine große Verantwortung bei der Ausübung seiner Tätigkeit und dem dafür erforderlichen Kompetenzerhalt zu. Im Krankenhaus ist die ärztliche Tätigkeit ein maßgeblicher Bestandteil der erbrachten Komplexleistung für den Patienten. Aus Sicht der Krankenhausträge besteht deshalb ein hohes Interesse daran, dass die im Krankenhaus Beschäftigten nicht nur hoch qualifiziert sind, sondern auch stetig den Erhalt und die Weiterentwicklung der eigenen Fähigkeiten anstreben. Im Rahmen des Zertifizierungsverfahrens der Kooperation für Transparenz und Qualität im Krankenhaus (KTQ ), einer gemeinsamen Initiative der Selbstverwaltungspartner, werden in ausführlicher Weise die Fort- und Weiterbildung, ihre Finanzierung, die Verfügbarkeit entsprechender Medien und die systematische Personalentwicklung als Qualitätskriterium des Krankenhauses abgefragt und bewertet. Die Krankenhäuser engagieren sich in vielfältiger Weise aktiv in der Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dies beginnt in der Ausbildung der verschiedensten Berufsgruppen. Der Krankenhaussektor ist nicht nur der größte Arbeitgeber im Gesundheitswesen, sondern trägt auch in nennenswertem Umfang zur qualifizierten Ausbildung junger Menschen bei. Allein in der Krankenpflege stehen fast 90.000 Ausbildungsplätze zur Verfügung. In der ärztlichen Ausbildung stehen u.a. mit dem praktischen Jahr und der AiP-Phase bewährte Ausbildungsabschnitte im Krankenhaus zur Verfügung. Fortbildungen sowohl mit fachspezifischen als auch interdisziplinären Inhalten werden den Mitarbeitern durch eigene Veranstaltungen des Krankenhauses oder in Kooperation mit externen Einrichtungen angeboten. In der Weiterbildung haben die Krankenhäuser eine herausragende Funktion für Ärzte und Krankenpflegekräfte. Wohl jeder Facharzt und jede weitergebildete Krankenpflegekraft hat den größte n Teil der Weiterbildung im Krankenhaus absolviert. Dabei werden nicht nur für den eigenen Bedarf, sondern auch in hohem Umfang für andere Bereiche des Gesundheitswesens Qualifikationen ausgebaut. Die Krankenhausverbände begleiten und fördern die Aktivitäten der Krankenhäuser. Die DKG hat über Jahrzehnte ein System von Weiterbildungsempfehlungen für die Krankenpflege aufgebaut. Das Förderprogramm zur Weiterbildung von Allgemeinmedizinern wird für den stationären Sektor von der DKG durchgeführt. In Kooperation mit anderen Verbänden wurden innovative Berufsbilder (z.b. OTA, Kaufmann/-frau im Gesundheitswesen) konzipiert. Für den ärztlichen Bereich ist grundsätzlich festzustellen, dass die Fort- und Weiterbildung in hohem Maße durch das ärztliche Berufsrecht bestimmt ist. Die DKG vertritt die Auffassung, dass die Zertifizierung ärztlicher Fortbildungsaktivitäten auf freiwilliger Basis ausreichend ist. Darüber hinaus wäre zu prüfen, inwieweit entsprechende Anreize (z. B. Praxisrelevanz etc.) für qualitativ hochwertige Fortbildungsveranstaltungen gesetzt werden können. Aufgrund der zunehmenden Bedeutung der Tätigkeiten, die über das rein Medizinische hinausgehen, hält es die DKG für sinnvoll, wenn Krankenhausärzte verstärkt auch interdisziplinäre Fortbildungsangebote wahrnehmen (z.b. Gesundheitsökonomie, Krankenhausmanagement, Personalführung etc.)
3 Eine zusätzliche Fortbildungsverpflichtung, über die Regelungen in der (Muster-)Berufsordnung hinaus, wird demgegenüber von der DKG derzeit für nicht erforderlich gehalten. Die DKG spricht sich gegen die Pflicht einer regelmäßigen Erneuerung der Facharztanerkennung ("Facharzt auf Zeit") aus. Die einzelnen Fragen des von der GMK vorgelegten Kataloges beziehen sich überwiegend auf den Zuständigkeitsbereich der Ärztekammern. Die DKG geht davon aus, dass von dort eine ausführliche Beantwortung erfolgt. Die folgenden Ausführungen zu einigen Schwerpunkten beziehen sich auf die Besonderheiten des Krankenhausbereichs bei der Aus-, Fort- und Weiterbildung von Ärzten. Die ärztliche Tätigkeit im Krankenhaus ist geprägt durch Teamarbeit und vielfältige Lehrtätgkeiten. Deshalb ist hier die Problematik fortbildungsunwilliger Ärzte als vergleichsweise gering einzuschätzen. II. Zu den einzelnen Argumenten Lehrauftrag der Universitätskliniken und der akademischen Lehrkrankenhäuser Universitätskliniken sind durch ihre Forschungstätigkeit Institutionen, die in besonderem Maße den medizinischen Fortschritt beeinflussen und transportieren. Nicht zuletzt die damit verbundenen Entwicklungsmöglichkeiten des einzelnen Arztes scha f- fen auf natürliche Art und Weise ein Umfeld, das zur permanenten Weiterentwicklung des eigenen Wissens animiert, ist hier ein erster und wichtiger Sachverhalt gegeben, der eine verpflichtende Rezertifizierung entbehrlich macht. Das in diesen Einrichtungen gewonnene Wissen fließt sowohl in die Lehrtätigkeit als auch in die praktische Arbeit ein. In Deutschland gibt es insgesamt 37 Hochschulkliniken, an denen etwa 22.000 Ärzte beschäftigt sind. Das sind etwa 20 Prozent der in Deutschland in Krankenhäusern beschäftigten Ärzte. Weiterhin wird der neueste Stand des Wissens ebenfalls an zahlreichen akademischen Lehrkrankenkenhäusern vermittelt, die den Hochschulkliniken angeschlossen sind. Stichprobenartige Untersuchungen haben ergeben, dass die Zahl der angeschlossenen akademischen Lehrkrankenhäuser in einer Bandbreite zwischen 15 und 28 Einrichtungen liegt. Grob geschätzt bedeutet dies, dass in Hochschulkliniken und akademischen Lehrkrankenhäusern zusammen ca. 40% aller beschäftigten Krankenhausärzte tätig sind. Die für die Teilnahme der akademischen Lehrkrankenhäuser an der Durchführung des Praktischen Jahres gestellten Anforderungen an die Ausstattung sind in 4 der Approbationsordnung für Ärzte (AppO) geregelt. Demnach nehmen die leitenden Abteilungsärzte die leitende Funktion bei der klinisch-praktischen Ausbildung der Medizinstudenten wahr. Darüber hinaus betreuen die übrigen Ärzte der Fachabteilung die Studenten auf der Station, im Operationssaal, auf Intensiveinheiten und ggf. in der Ambulanz, überwachen sie bei diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen und stehen für tägliche Lehrgespräche zur Verfügung. Die Lehraufträge sind in der Regel
4 von den leitenden Abteilungsärzten im Einvernehmen mit dem Krankenhausträger bei der zuständigen Hochschule zu beantragen. Krankenhausträger und die an der Lehre beteiligten leitenden Abteilungsärzte haben hierbei grundsätzlich dafür Sorge zu tragen, dass auch die weiteren Ärzte der in die Durchführung des Ausbildungsprogrammes einbezogenen Fachabteilungen ihr Fachgebiet im Rahmen der Studienordnung angemessen vertreten, erforderlichenfalls Lehraufträge und Prüfertätigkeiten übernehmen und den Ausbildungsaufgaben nach besten Kräften nachkommen. Daneben sind Unterrichtsbeauftragte zu benennen, die die wissenschaftliche und fachbezogene Zusammenarbeit zwischen Krankenhaus und Hochschule in ständigem Kontakt vorbereiten, überwachen und auch an der Koordination der organisatorischen Arbeiten für die Durchführung des Ausbildungsprogrammes mitwirken. Lehrtätigkeit im Rahmen der innerbetrieblichen Aus-, Fort- und Weiterbildung Die Mehrheit der deutschen Ärzte führt nach dem Studium eine i.d.r. 5-6jährige Facharztweiterbildung durch. In deutschen Krankenhäusern verfügen etwa 55% aller dort beschäftigten Ärzte über eine Facharztanerkennung. Differenziert man weiter nach leitenden Ärzten, Oberärzten und Assistenzärzten, so stellt man fest, dass mehr als 99% der leitenden Ärzte und Oberärzte über eine abgeschlossene Facharztweiterbildung verfügen. Ferner besitzen etwa 35% Prozent der Assistenzärzte eine abgeschlossene Facharztweiterbildung. Der Großteil der übrigen Assistenzärzte befindet sich in einer entsprechenden Weiterbildung. Die hohe Zahl der in Facharztweiterbildung befindlichen Ärzte (ca. 50.000) verdeutlicht, dass in allen Krankenhäusern in großem Umfang Weiterbildung betrieben wird. In fast allen Krankenhäusern sind Chef- bzw. Oberärzte in die Facharztweiterbildung eingebunden, sodass diese Berufsgruppen es nicht beim im Rahmen der Grundausbildung erworbenen Wissen belassen können. Die ärztliche Weiterbildungsverantwortung beschränkt sich jedoch nicht nur auf die Aus,- Fort- und Weiterbildung des eigenen Berufsstandes, sondern erstreckt sich auch auf andere Berufsgruppen im Krankenhaus. Besondere Bedeutung ist hierbei der Weiterbildung von Krankenpflegepersonen, der größten Berufsgruppe im Krankenhaus, beizumessen. Ärzte sind u.a. in die Krankenpflegeausbildung, in die Weiterbildung von Krankenpflegepersonen und in die Ausbildung von Operationstechnischen Assistenten aktiv als Fachdozenten eingebunden. Im Weiterbildungsbereich nehmen sie nicht selten, zusammen mit einer entsprechend qualifizierten Krankenpflegeperson, die Funktion als Leitung der Weiterbildung wahr. Es kann davon ausgegangen werden, dass auch die insoweit lehrenden Ärzte in besonderer Weise auf den Erhalt und die Weiterentwicklung des eigenen Fachwissens rekurrieren. Medizinisch-technischer und medizinisch-wissenschaftlicher Fortschritt Durch die kontinuierliche Entwicklung neuer diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen ist der Arzt im Krankenhaus angehalten, neben einer eventuellen Weiterbildung, sich permanent fortzubilden. Der Einsatz von hochmodernen und immer
5 leistungsfähigeren Geräten, aber vor allem auch der medizinisch-wissenschaftliche Fortschritt, hat zu einer zunehmenden Differenzierung und Spezialisierung der ärztlichen Behandlungsmöglichkeiten geführt. Die daraus resultierenden, vielfältigen Aufgaben der ärztlichen Versorgung machen es erforderlich, dass neben der abgeschlossenen Ausbildung auch kontinuierlich entsprechende Weiterqualifizierungsmaßnahmen zur Angleichung des Wissens und Könnens an neue Erkenntnisse und Fortschritte in Anspruch genommen werden. Mehraugenprinzip im Krankenhaus Darüber hinaus herrscht in allen Krankenhäusern immanent ein "Mehraugenprinzip", was bedeutet, dass Ärzte in eine dynamische Teamstruktur mit Kollegen und anderen Berufsgruppen eingebunden sind. Stationsbesprechungen, Visiten, Konsile, Klinikkonferenzen etc. sind Ausdruck dessen. Dies bewirkt zum einem ein permanentes "learning on the job" und beinhaltet zum anderen eine "soziale Kontrolle" der geleisteten Arbeit, was nicht zuletzt der Qalitätssicherung dient. Ein wesentlicher Anreiz für den Krankenhausarzt, sein Wissen und seine Fähigkeiten nicht nur zu erhalten, sondern auch ständig weiter zu entwickeln, ist aufgrund des Mehraugenprinzips im Krankenhaus gegeben.