Thermografie als Datenbasis für Simulationsrechnungen im Bauwesen



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Transkript:

Thermographie-Kolloquium 2011 - Vortrag 13 Thermografie als Datenbasis für Simulationsrechnungen im Bauwesen Georg DITTIÉ, Schütte Kirchner und Partner Bausachverständige, Bonn Zusammenfassung. Die Bauthermografie ist dafür populär, dass im Winter Bilder von Bauwerken entstehen, je bunter, desto höher ist der Energieverlust. Das ist aber viel zu kurz gegriffen: Die moderne Kameratechnik macht auch quantitative Messungen von Temperaturen möglich, mit denen dann Berechnungen durchgeführt werden können. Das ist dann von besonderem Nutzen, wenn das physikalische Verhalten von Bauwerken zu Zeiten rekonstruiert werden muss, wenn keine Beobachtung oder Messwertaufzeichnung erfolgt. Hierbei liegt es nahe, Thermografie als Temperaturmessverfahren zum Erfassen der Ausgangsdaten für einer weitergehende Simulationsrechnung zu nutzen. Eine Simulation bauphysikalischer Vorgänge wird allerdings erst dann hinreichend genau, wenn auch die Messwertaufnahme durch Thermografie verlässlich genug erfolgt. Die Fragestellung an die Thermografie Eine sehr häufig auftretende Aufgabenstellung an die Thermografie ist die Bewertung einer Wärmebrücke, an der ein Kondensatschaden wie Putzaufquellungen, Farbablösungen oder Schimmelbildung aufgetreten ist. Hier wird die Frage gestellt, wer der Verursacher des Schadens ist, entweder der Nutzer oder das Bauwerk. Diese Art der binären Fragestellung ist in der Praxis aber nicht zulässig, weil in der Regel ein Mischfall aus beiden Ursachen vorliegt und es zu klären ist, welcher Anteil beide Verursacher am schaden haben. Nun erfolgt die Begutachtung eines Schadens an einem einzelnen Termin, dessen Wahl eher von organisatorischen denn von bauphysikalischen Bedingungen abhängt. Zu diesem Begutachtungszeitpunkt liegen aber in den seltensten Fällen gerade die Umweltbedingungen mit Außen- und Innentemperatur sowie der zur Schadensbildung notwendigen Luftfeuchte vor. Es ist also notwendig, das Entstehen des vorgefundenen Schadens aus den real angetroffenen Messwerten durch eine Simulationsrechnung zu rekonstruieren. Hierbei kann die Thermografie als berührungsfreies Temperaturmessverfahren, das gleichzeitig bildgebend ist, sehr nützliche Dienste leisten. Wenn im Innenraum von Bauwerken gemessen wird, liefert die Thermografie genaue Messergebnisse, wenn sie regelgerecht eingesetzt wird. Ein einfaches, bislang übliches Abschätzen des Thermobildes unterschätzt die Möglichkeiten der Thermografie erheblich. Lizenz: http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/de 1

Abbildung 1. Thermogramm einer Raumecke mit Schimmelbefall in einem Schlafzimmer Abbildung 2. Der visuelle Eindruck der schimmelbefallenen Raumecke. Die entfernte Tapete weist auf eine erhebliche Schimmelbildung hin. Bei einer solchen Thermografie wird nun ein Thermogramm der Schadensstelle im Innenraum aufgenommen. Zusätzlich wird die Innentemperatur des Raums gemessen, sowie das Tagesmittel der Außentemperatur erfasst. Die Thermografie liefert dazu dann die lokalen Oberflächentemperaturen. In der nachfolgenden Simulationsrechnung werden die Werte für die Außentemperatur variiert und das real vorliegende Thermogramm so umgerechnet, wie es unter den simulierten Bedingungen aussehen würde. In diesem umgerechneten Thermogramm wird geschaut, ob an einigen Stellen der Taupunkt unterschritten wird oder wenigstens die Oberflächenfeuchtigkeit in gegebener Zeit das Schillwachstum hinreichend begünstigt. Dazu wir für jede Simulation eine Luftfeuchte festgelegt. Die maximal zulässige Luftfeuchte kann man z.b. den Lüftungsnormen oder Datenloggermessungen entnehmen. Setzt in der Simulation Tauwasser- oder Schimmelbildung schon weit innerhalb des zulässigen Bereiches für Temperaturen und Feuchtigkeit ein, so kann von einer bauwerksbedingten Ursache ausgegangen werden. Tritt eine Schadensbildung erst bei extremen Klimabedingungen, hier insbesondere bei unzulässig hohen Luftfeuchtewerten auf (nach Norm), so ist von fehlerhaftem Nutzerverhalten auszugehen. In der Regel kann aber beobachtet werden, dass die kritische Grenze für die Klimawerte mehr oder weniger durch den zulässigen Kombinationsbereich von Luftfeuchte und Temperatur verläuft, das also hier ein Mischfall vorliegt. Schimmelbildung Schimmel sind Pilze, die in geringer Konzentration als feine Sporen in der Luft enthalten und damit allgegenwärtig sind. Um einen Schimmelpilz zu aktivieren, muß auf einer festen, geeigneten Oberfläche Mindestanforderungen an die Feuchtigkeit und an die Temperatur 2

vorhanden sein. Dabei sind Substrate wie Lebensmittel oder Textilien optimal, offenporige Baustoffe oder auch Verschmutzungen mittel und geschlossene Oberflächen wie Kunststoffe oder Glas eher schlecht. Je feuchter es ist, desto schneller entwickeln sich die Sporen und desto schneller ist nach der Aussporzeit das Myzelwachstum. Professor Klaus Sedlbauer hat diese Zusammenhänge in seiner Dissertation 2001 am Fraunhofer Institut für Bauphysik in sehr anschaulichen Diagrammen festgehalten, die die Linien gleicher Aussporzeit als Isoplethen in Abhängigkeit von Substrat, Feuchte und Temperatur darstellen. Dabei wurden die am besten wachsenden Schimmelpilzarten berücksichtigt. Bei bauphysikalischen Bewertungen von Schimmelschäden wird in der Regel mit der wesentlich einfacheren, aber sehr pauschalen Regel zum Feuchteschutz aus DIN 4108 gerechnet: Die besagt, dass der kälteste Punkt einer Innenoberfläche nicht weniger als 12,6 C haben darf, wenn innen +20 und außen -5 C vorherrschen. Diese Werte ergeben dann bei 50% rel. Feuchte eine Luftfeuchte von maximal 80% am kühlsten zulässigen Ort. Zeichnet man diese 80%-Grenze in die Isoplethendiagramme nach Prof. Sedlbauer ein, so kann hier eine theoretisch starke Abweichung von der Realität festgestellt werden. Abbildung 3a und 3b. Die Zeiten für die Ausporung von Schimmel auf verschiedenen Substraten ist stark abhängig von Temperatur und Feuchtigkeit. Die DIN 4108 legt aber pauschal einen Gernzwert von 80% Feuchte bei +20 innen und -5 außen fest. Quelle: Professor Klaus Sedlbauer, Fraunhofer Institut für Bauphysik. Messtechnische Grundlagen Die Ergebnisse der Simulationsrechnung kann nur so gut sein wie die Messwerte, auf denen die Simulation beruht. Zur Aufnahme von qualitativ hochwertigen Thermogrammen sei auf die Bauthermografierichtlinien des VATh und die Zertifizierung nach EN 473 Stufe 1 hingewiesen. 3

Neben den Thermogrammen, die hinreichend frei von Störeinflüssen sein müssen, ist auch die Messung der aktuell vorgefundenen Innentemperatur notwendig. Aufgrund der thermischen Trägheit der Bausubstanz ist die momentane Messung der Außentemperatur nicht ausreichend, da sich in der Bausubstanz eine thermische Schwingung um die Tagesmitteltemperatur der letzten 24 Stunden herum aufbaut, die sich auf der Innenoberfläche aber nur noch im untersten Prozentbereich bemerkbar macht. Diese nichtstationären Verhältnisse sind in EN ISO 13786 festgehalten. Für die Außentemperatur ist also das Tagesmittel zu nehmen, dass man entweder selber messen kann oder beim lokalen Wetterdienst erfragt. Beim Wetterdienst ist eventuell eine mikroklimatische Korrektur erforderlich. Wenn an erdberührten Bauteilen gemessen wird, ist der Jahrestemperaturgang zu berücksichtigen, den die thermische Trägheit der Bausubstanz nicht ausmittelt. Abbildung 4. Bei der Aufnahme der Thermogramme muß natürlich berücksichtigt werden, dass es mehr oder minder starke Schwankungen der Außentemperatur gibt, die durch die thermische Trägheit der Bausubstanz über 24 Stunden ausgemittelt werden. Der Jahrestemperaturgang muß aber voll berücksichtigt werden. (eigene Messungen, R. Geiger Das Klima der bodennahen Luftschichten ) Die Klimasimulation mit Thermogrammen basiert nun auf der affinen Abbildung der Thermogramme auf andere nun angenommene innen- und Außentemperaturen. Dabei wird ausgenutzt, dass das Motiv eines Thermogramm nur durch die relativen Unterschiede der Wärmeströme durch jeden Bildpunkt entsteht, nicht aber durch den absoluten Wert der Wärmeströme. Ändert sich die treibende Temperaturdifferenz, so ändert sich der Kontrast und das Temperaturniveau im Thermogramm, während die lokalen Unterschiede der indirekt abgebildeten Wärmeströme nur von Materialeigenschaften und Form abhängen. In Abbildung 5 wir dieser Zusammenhang demonstriert, indem ein Thermogramm, was bei 3,5 C außen und 21,0 C innen aufgenommen wurde, auf die Standardwerte für - 5 C außen und +20 C innen umgerechnet wurde. Lediglich der Kontrast wird wegen der höheren Temperaturdifferenz größer, zudem erscheint das Thermogramm kühler. 4

Abbildung 5. Durch eine affine Abbildung wird das unter real angetroffenen Umweltbedingungen aufgenommene Thermogramm in eins umgerechnet, wie es unter Standardbedingungen -5 außen und +20 innen entstehen en würde. Abbildung 6. Die Zulässigkeit von affinen Transformationen lässt sich auch nachmessen: Hier sind zwei völlig baugleiche Hauseingange am selben Tag, aber mit stark unterschiedlicher Innenbeheizung thermografiert. Wird der Kontrast beider Thermogramme der treibenden Temperaturdifferenz angepasst, so verschwindet jeglicher Unterschied. Die Zulässigkeit der affinen Umrechnung hat sich natürlich einer praktischen Überprüfung zu unterziehen. Dazu kann man entweder Zeitreihenaufnahmen ein und desselben Bauwerks aufnehmen, oder zwei baugleiche Bauwerke mit deutlich unterschiedlicher Temperaturdifferenz aufnehmen und die verschiedenen Thermogramme durch affine Abbildung im Kontrast einander angleichen. Bei hinreichend genauer Messung dürfen sich keine Unterschiede ergeben. Bauphysikalische Simulation und Ergebnisse Im folgenden Beispiel ist die vorliegende Thermografieaufnahme die Ausgangsbasis für vier Klimasimulationen. Dabei wird der Standard-Frosttag von -5 C (Tagesmittel) und eine konstante Innentemperatur von +20 C herangezogen, um die Vergleichbarkeit mit dem Schwellwert aus der DIN 4108 zu gewährleisten. Die in der DIN geforderten 50 % relative Luftfeuchte bei 20 Grad sind dagegen in der Regel etwas unrealistisch. Zum einen wird in der Lüftungsnorm DIN 1946 sowie in den Normen, die den Behaglichkeitsbereich beschreiben bis zu 65 % Feuchte als normal 5

angesehen, von Medizinern sogar empfohlen. Zum anderen sind die Oberflächen heutiger Wohnungen sehr häufig völlig versiegelt, so dass keine Zwischenpufferung von kontinuierlichem Wasserdampf durch zeitweise Absorption stattfinden kann, sich die Innenluft somit mit Wasserdampf anreichert und somit zeitweise deutlich höhere Luftfeuchtewerte auftreten können. Diese Anreicherung wird noch dadurch gefördert, dass sehr viele Wohnungen mit hochgradig dichten Fenstern ausgestattet sind, die im geschlossenen Zustand keinen wahrnehmbaren Luftaustausch und damit auch keine Wasserdampfabfuhr nach außen zulassen. Daher wird ein realistisches Szenario dadurch simuliert, in dem neben der 50 % Standardfeuchte auch Simulationen für 55, 60 und 65 % relativer Feuchte, jeweils bei +20 Grad durchgeführt werden. Das Ergebnis zeigt, dass bei besagter Schadensstelle bei 50% noch sehr wenig passiert. Es könnte zwar Schimmel aussporen, weil die Grenze von 80 % feuchte an der Oberfläche überschritten wird, aber dazu wäre eine anhaltende Frostperiode von -5 C Tagesdurchschnitt über viele Tage erforderlich, ein im mitteleuropäischen Klima sehr unwahrscheinliches Szenario. Betrachtet man jedoch eine angenommene Feuchtegrenze von 90 % relativer Feuchte, so sind nur noch kurze, auch unter unserem Klima realistische Frostverhältnisse gegeben: Nun setzt schon Schimmelbildung ab 55, erst recht bei 60 % ein. Ab 60% und höher kommt es auch zu Kondensatbildung, in der Simulation blau markiert. 60 oedr 65% kommen dem normalen Mitteleuropäer aber noch nicht als ungewöhnlich feucht vor und es wird kein Lüftungsbedürfnis ausgelöst. Abbildung 7. Ergebnis einer Klimasimulation für die in den Feldern angegebenen Luftzustände, alle bei Standardfrost von -5 C außen. Der Beginn von Schimmelbildung ist dabei sehr empfindlich gegen einen Anstieg der Luftfeuchtigkeit. Beim lüftungstechnisch gerade noch zulässigen Limit von 65 % kann es sogar zu Kondensatbildung kommen. 6

Mit der Simulation kann also gezeigt werden, dass die kritische Grenze, ab der es zu Schäden kommt, schon merklich durch den zulässigen Behaglichkeitsbereich führt, dem Bewohner also nicht alleine die Schuld aufgrund fehlerhaften Nutzerverhaltens angelastet werden darf. Der Vergleich zu einer Simulationsrechnung, die auf dem Isopletenverfahren nach Professor Sedlbauer ausgeführt werden, zeigt trotz erheblicher theoretischer Unterschiede kaum wahrnehmbare Unterschiede im Simulationsergebnis. Der Grund ist der, dass bei den real angetroffenen Kombinationen aus Feuchte und Temperatur auf Oberflächen die 80%- Grenze der DIN 4108 sehr in der Nähe der passenden Isoplethenverläufe im Schimmel- Diagramm liegen. Es ist also ohne großen Fehler zulässig beide Verfahrensgrundlagen anzuwenden. Abbildung 8. Dieselbe Situation erneut ausgewertet, diesmal nach den Angaben der Isoplethendiagramme nach Professor Sedlbauer. Der Unterschied im Ergebnis zum starren Schwellwert aus DIN 4108 ist eher gering. Das liegt daran, dass der typische Oberflächenzustand für Schimmelbildung sich in einem sehr engen Bereich im Isopletendiagramm abspielt und die pauschale Schwellwertlinie der Norm durch diesen Bereich hindurch läuft. Auch die oftmals geforderte Langzeitmessung von Innenklima und Außentemperatur per Datenlogger lässt sich mittels der Simulation überprüfen: Man kann jeden Datensatz des Datenloggers damit visualisieren, indem beim Auf- oder Abbau des Datenloggers auch die Schadensstellen thermografiert und dieses Thermogramm dann auf die Datenloggerbedingungen transformiert werden. Im Beispiel erfolgte dabei die Aufzeichnung über 4 Wochen im Februar. 7

Abbildung 9. Stellt man einen Datenlogger auf, der über einige Wochen Außen- und Innentemperatur aufzeichnet und setzt die realen Messwerte in die Simulation ein, so zeigt sich, dass Schimmelbildung in diesem Beispiel nur sehr sporadisch auftritt. Wenn man alle Datensätze durchrechnet und eine Statistik darüber fühlt, wann Schimmelbildung in welcher Wachstumsrate auftritt, so kann man die Datensätze der Langzeitmessung dahingehend bewerten, ob es zu Schimmelwachstum kommt. Das Ergebnis ist, dass es im Beispiel schon echter Frostwettersituationen bedarf, um über den erforderlichen Zeitraum günstige Wachstumsbedingungen für Schimmelwachstum zu erreichen. Dieses Ergebnis zeigt, dass Langzeitmessungen über 4 Wochen eben nicht lang genug sind und nicht immer repräsentativ sein können. Von daher sind Langzeitmessungen alleine sehr kritisch zu sehen. Das Ergebnis zeigt aber auch, wie ein Wärmeschutz zur Abschwächung der vorgefundenen Wärmebrücke wirken muß, um sie schadenssicher zu gestalten. Literatur DIN 4108 Wärme- und Feuchteschutz im Hochbau DIN 1946 Wohnungslüftung DIN ISO 7730 Behaglichkeit Professor Klaus Sedlbauer und M. Krus, "Schimmelpilz aus bauphysikalischer Sicht", Fraunhofer-Institut für Bauphysik R. Geiger, "Das Klima der bodennahen Luftschichten" 8