Geothermie aus Grubenwasser - regenerative Energie aus stillgelegten Steinkohlenbergwerken



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Transkript:

Geothermie aus Grubenwasser - regenerative Energie aus stillgelegten Steinkohlenbergwerken Kurt Schetelig, Michael Heitfeld, Mark Mainz 1), Thomas Hofmann 2) Michael Eßers 3) 1) 2) 3) Prof. Dr. K. Schetelig, Dr.-Ing. M. Heitfeld, Dr.-Ing. M. Mainz, Ingenieurbüro Heitfeld-Schetelig GmbH, D - 52074 Aachen Dipl.-Ing. T. Hofmann Geschäftsführer der EBV GmbH, D - 41836 Hückelhoven M. Eßers M.A. Wirtschaftsförderungsgesellschaft Kreis Aachen mbh, D - 52146 Würselen

Geothermie aus Grubenwasser - regenerative Energie aus stillgelegten Steinkohlenbergwerken 1 Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis...1 1 Einführung...2 1.1 Reserven konventioneller Energie-Rohstoffe...2 1.2 Warum geothermische Energie?...4 2 Grundlagen der Erdwärmegewinnung aus stillgelegten Bergwerken...6 3 Hydraulische und thermische Fragestellungen...8 4 Chemie des Grubenwassers...10 4.1 Schwefel...11 4.2 Eisen...11 4.3 Barium...12 4.4 Salz, Kohlensäure, Schwermetalle...12 4.5 Flözgas - Methan...12 5 Grundlagenuntersuchungen zur Nutzung der Erdwärme aus den gefluteten Gruben des Aachener Steinkohlenreviers...13 6 Das European Minewater Project - Erdwärme aus Grubenbauen des Südlimburger Steinkohlenreviers (NL)...16 7 Wirtschaftlichkeit von Geothermie-Anlagen und Ausblick...18 Literatur...20

2 Schetelig, K. et al. 1 Einführung 1.1 Reserven konventioneller Energie-Rohstoffe Die zunehmende Verknappung und Verteuerung konventioneller fossiler Energien, insbesondere von Öl und Gas, zwingt dazu, eine neue, zukunftsfähige und nachhaltige Energieversorgung zu entwickeln. Verstärkt wird dieser Druck durch die zunehmende Diskussion um den Klimawandel bzw. den Treibhauseffekt, auf den hier aber nicht näher eingegangen werden soll. Besonders deutlich wird diese Entwicklung am Beispiel der Erdölreserven und der Neufunde, die in Abb. 1 dargestellt sind. Mrd. Barrel/Jahr 60 50 40 30 20 10 Neufunde* Produktion 2008 Prognose 0 1930 1950 1970 Jahr 1990 2010 2030 Erdöl-Optimisten: Bedarf wird gedeckt Erdöl-Pessimisten: Produktion bleibt hinter Bedarf zurück * Nachträgliche Reservenkorrekturen existierender Felder wurden auf das Jahr der Erschließung rückdatiert; ab 2004 Schätzungen. Quellen: BP/IEA/Aspo Abb. 1: Erdölreserven. Produktion und Neufunde sowie deren Prognose (nach LANDESAMT FÜR BERG- BAU, ENERGIE UND GEOLOGIE DES LANDES NIEDERSACHSEN, 2005) Daraus lassen sich drei Feststellungen ableiten: a) Die Reserven, also die sicher nachgewiesenen und mit heute verfügbarer Technik gewinnbaren Ölvorkommen, sind über lange Zeit mehr oder minder konstant geblieben, da die jeweilige Produktion durch Neufunde ausgeglichen oder gar überkompensiert wurde.

Geothermie aus Grubenwasser - regenerative Energie aus stillgelegten Steinkohlenbergwerken 3 b) Neufunde haben nach 1980 stark abgenommen. Es ist kein einziges neues und ergiebiges Ölfeld mehr gefunden worden. Die ausgewiesenen Neufunde beruhen auf verbesserter Erkundung und Erschließung bekannter Vorkommen. c) Für die Zeit ab 2008 liegen unterschiedliche Prognosen vor. Die Optimisten hoffen, dass auch weiterhin die Produktion gesteigert werden kann und der Bedarf für einige Zeit noch gedeckt werden kann. Die Pessimisten, zur Hauptsache Geologen und Erdölingenieure, befürchten, dass in Kürze die Produktion hinter dem Bedarf zurückbleiben wird. Gegenwärtig beträgt die Welterdölproduktion etwa 30 Mrd. Barrel (s.a. Abb. 1). Die meisten Fachleute glauben, dass eine Produktion von 40 Mrd. Barrel niemals erreicht werden wird. Es gibt zwei wichtige Ursachen für diese unterschiedlichen Prognosen: Die Erfahrung zeigt, dass nach Überschreitung des sogenannten mid-point, also nach Gewinnung von etwa der Hälfte des Lagerstätteninhaltes zwangsläufig ein zunehmender Anteil von Salzwasser gefördert wird und damit der eigentliche Ölanteil abnimmt. Dies ist inzwischen in wichtigen Fördergebieten wie der Nordsee, im Golf von Mexiko, in Texas und Alaska der Fall. Die zweite Ursache ist die Ungewissheit, ob, wann und zu welchen Bedingungen sogenannte nichtkonventionelle Erdölressourcen wie Ölsande oder Ölschiefer in großem Umfang genutzt werden können. Dabei spielen neben technischen vor allem auch ökologische und wirtschaftliche Gesichtspunkte eine Rolle. Für Erdgas stellt sich die Situation im Grunde ähnlich, wenn auch etwas zeitverschoben dar. Hinzu kommt die Abhängigkeit von verfügbaren Leitungsnetzen oder der Möglichkeit der Verflüssigung. Für die Kohle ist die Situation wesentlich günstiger. Hier stehen Lagerstätten noch für einige Jahrhunderte zur Verfügung. Noch günstiger sind die Ressourcen an Uran einzuschätzen, vor allem wegen des sehr geringen Anteils des Brennstoffpreises an den Gesamtkosten. Gegenwärtig werden in Deutschland rd. 70 % des Primärenergieverbrauchs durch Erdöl und Erdgas gedeckt. Dieser Anteil muss noch in diesem Jahrhundert durch einen neuen Energiemix ersetzt werden.

4 Schetelig, K. et al. 1.2 Warum geothermische Energie? Die Temperatur der Erdkruste steigt mit zunehmender Tiefe um durchschnittlich 3 C pro 100 m an. In rund 3 km Tiefe wird dementsprechend im Mittel eine Temperatur von rund 100 C erreicht (s.a. CLAUSER ET AL., 2005). In aktiven Vulkangebieten, wie am Vesuv oder in Island, werden hohe Temperaturen schon in wesentlich geringerer Tiefe, oft schon knapp unter der Erdoberfläche erreicht. Bei der Gewinnung von Erdwärme steht die Nutzung der im Gestein und im Grundwasser gespeicherten Wärmeenergie im Vordergrund. Der ständige, aus dem Erdinnern erfolgende Wärmestrom ist in Deutschland mit meist 60 bis 80 mw/m² zu gering, um einen nennenswerten Beitrag zu leisten. Die Gewinnung oberflächennaher Erdwärme aus dem Boden, oberflächennahem Grundwasser oder auch aus der Umgebungsluft ist Stand der Technik und wird inzwischen von vielen Handwerksbetrieben angeboten. In der Öffentlichkeit findet die Gewinnung von heißem Wasser oder Dampf aus Tiefen zwischen 3.500 und 5.000 m die größte Aufmerksamkeit. Die ersten beiden Geothermie-Kraftwerke in Landau/Pfalz und Unterhaching bei München haben kürzlich den Betrieb aufgenommen, wenn auch mit geringer elektrischer Leistung. Für die Gewinnung von Erdwärme aus mittleren Tiefen stellen aufgelassene und geflutete Steinkohlenbergwerke besonders geeignete Standorte dar. Das gebrochene Gebirge ermöglicht einen intensiven Wärmeaustausch zwischen Gestein und Grubenwasser; durch die vorhandenen Schächte und Rohrleitungen ist der Bodenschatz Erdwärme in der Regel bereits sehr gut aufgeschlossen. Im Vergleich zu natürlichen Grundwasserleitern weisen Steinkohlenbergwerke daher insbesondere die folgenden Vorteile auf (HEITFELD ET AL., 2006): - großes Volumen an Gestein und Grubenwasser bei ausreichender Gebirgsdurchlässigkeit - günstiges Hohlraumvolumen im nachgebrochenen Karbon

Geothermie aus Grubenwasser - regenerative Energie aus stillgelegten Steinkohlenbergwerken 5 - gut bekannte bergtechnische, geologische und hydrogeologische Bedingungen - Temperatur des Grubenwassers im Allgemeinen zwischen 20 C und 30 C - vorhandene Schächte für Warmwassergewinnung und/oder Infiltration nutzbar Einen Überblick über das Aachener Steinkohlenrevier gibt Abb. 2. 56 65 50 56 35 25 00 NL Heinsberg D Wassenberg NL Erkelenzer Revier Wurm Aachener Revier Alsdorf 15 30 25 45 Schwalm Wegberg Hückelhoven Rur Mönchengladbach Niers Erkelenz Jülich Tgb. Inden Tgb. Garzweiler Erft N Bergheim Tgb. Hambach 56 65 50 56 35 Legende Stadt, Gemeinde Fluss Staatsgrenze Steinkohlenbergbau (stillgelegt) Braunkohlentagebau (aktiv) B 25 00 Aachen D Inde Eschweiler 15 30 Geilenkirchen Deutschland Düren 0 5 10 km 25 45 Abb. 2: Ausdehnung des ehemaligen Steinkohlenbergbaus und der gegenwärtigen Braunkohlentagebaue im Rheinischen Revier Wegen der mäßigen Temperatur sind für die Nutzung der Erdwärme aus Grubenwasser in jedem Falle Wärmepumpen erforderlich. Diese Energiequelle ist im Allgemeinen nur für Niedertemperaturheizungen (z.b. Fußbodenheizung) oder Brauchwasser mäßiger Temperatur geeignet. In dicht besiedelten ehemaligen Bergbaugebieten können die in gefluteten Grubengebäuden vorhandenen Warmwasserreservoirs eine wichtige Alternative bei der Energieversorgung darstellen.

6 Schetelig, K. et al. Grundsätzliche Erfahrungen über die Nutzung verlassener Grubengebäude für die Gewinnung von Erdwärme liegen z.b. aus Projekten in Ehrenfriedersdorf (Sachsen) und Springhill (Kanada) vor. Im Rahmen des Programmes Interreg IIIB NWE wird von der Stadt Heerlen (Niederlande) ein Pilotprojekt zur Nutzung von Erdwärme aus stillgelegten Bergwerken (s. Kap. 6) umgesetzt. Auf deutscher Seite führt die Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Kreises Aachen mbh (Wfg mbh) im Rahmen dieses EU- Projektes eine entsprechende Vorstudie durch; die Wfg mbh hat das Ingenieurbüro Heitfeld-Schetelig GmbH mit den erforderlichen Planungsarbeiten beauftragt. In Deutschland sind neben den bergbaulichen und technischen Voraussetzungen für die Umsetzung eines solchen Projektes vor allem auch die genehmigungsrechtlichen Aspekte zu berücksichtigen. Der Bund-Länder-Ausschuss Bergbau hat hierzu im Jahre 2002 Bestimmungen zur Festlegung von Erdwärme-Feldern erarbeitet (BUND- LÄNDER-AUSSCHUSS BERGBAU, 2002). Für das Aachener Steinkohlenrevier hat die EBV GmbH als ehemaliger Bergbautreibender ein Projekt zur Gewinnung von Erdwärme über die noch bestehenden Schachtanlagen initiiert. Hier wurden zunächst die genehmigungsrechtlichen Voraussetzungen für die Nutzung der Erdwärme in den ehemaligen Abbaubereichen geschaffen und Grundsatzfragen einer Erdwärmegewinnung über noch vorhandene Zugänge in gesicherten Tagesschächten im Rahmen einer Machbarkeitsstudie (PROJEKTGRUPPE ERDWÄRME IN AUFGELASSENEN BERGWERKEN, 2004) bearbeitet. Auf dieser Grundlage wird zur Zeit die Ausführung eines Pilotprojektes vorbereitet. 2 Grundlagen der Erdwärmegewinnung aus stillgelegten Bergwerken Zur Gewinnung der Erdwärme aus stillgelegten und gefluteten Bergwerken stehen im Wesentlichen zwei technische Varianten - die Einzelsonde und das Dublettensystem - zur Verfügung. Bei der Einzelsonde handelt es sich um ein geschlossenes Rohrsystem (Erdsondensystem), das in den Schacht eingebaut wird. Die Wärme wird der im Schacht stehenden Wassersäule und dem umgebenden Gebirge durch ein Wärmeträgermedium

Geothermie aus Grubenwasser - regenerative Energie aus stillgelegten Steinkohlenbergwerken 7 entzogen. Ein Beispiel hierfür bietet die Klimatisierung für das Super-C der RWTH Aachen. Beim Dublettenbetrieb wird demgegenüber gezielt ein ausgedehnter Wasser- und Wärmestrom zwischen einer Entnahmestelle und einem oder mehreren Schächten bzw. Brunnen erzeugt, in denen das abgekühlte Wasser wieder infiltriert wird (s. Abb. 3). Druckwasserspiegel im Karbon nach Wiederanstieg Bei der Nutzung aufgegebener Tagesschächte für eine Erdwärmegewinnung besteht, anders als bei einer Neuerschließung der Grubenbaue durch Bohrungen, in der Regel kein signifikantes Fündigkeitsrisiko. Das Grubengebäude ist über den Schacht hydraulisch optimal an das durchlässige Gebirge angeschlossen. Die im Rahmen von Stillle- Grundwasserspiegel Deckgebirge Einzelsonde Pump- und Infiltrationsleitung in einem Schacht Nutzung der Wärme im Schacht und der unmittelbaren Umgebung Mäßige Leistung, aber geringe Investitionskosten wenig durchlässig Karbon aufgelockert Dubletten-System Trennung von Pump- und Infiltrationsleitung - in getrennten Schächten oder - in vorhandenem Schacht und neu zu bohrendem Brunnen großer kontinuierlicher Wärmestrom möglich Außenrand Auflockerungszone Karbon Warmwasser Kaltwasser Abb. 3: Schematisches Bergwerk mit Förderschacht- und Infiltrationsbrunnen, Wärme-/Wasserkreislauf im Dubletten-System (nach ROSNER ET AL., 2006) Das Dubletten-System kann im Vergleich zur Einzelsonde eine größere Energiemenge kontinuierlich bereitstellen und somit auch Gewerbebetriebe und größere Wohnsiedlungen mit der erforderlichen Heizenergie versorgen. Allerdings erfordert dies in der Regel zusätzliche Leitungen übertage zu den Punkten der Wiedereinleitung. Für die langfristige Nutzung der Erdwärme stellt diese Technik trotz der insgesamt höheren Investitionskosten nach dem derzeitigen Kenntnisstand die Variante mit dem größten Potenzial dar.

8 Schetelig, K. et al. gungsmaßnahmen ohnehin einzubauenden Kontrollleitungen (z.b. Pegelleitung, Entgasungsleitung) können für die Gewinnung von Erdwärme genutzt werden. Damit stellt die Nutzung aufgegebener Tagesschächte, insbesondere für den Tiefbergbaubereich mit großer Deckgebirgsüberlagerung, eine wichtige Voraussetzung für die kostengünstige Erschließung der Erdwärme dar. Bei einer frühzeitigen Berücksichtigung der Anforderungen einer Erdwärmegewinnung, schon in der Stilllegungsphase eines Bergwerks, können gegebenenfalls auch die hydraulischen Verbindungen zum Schacht bereits so ausgebildet werden, dass sowohl die Entnahme des Grubenwassers als auch die Re-Infiltration des abgekühlten Wassers über Schächte erfolgen; hierdurch können Kosten eingespart und die Erdwärmegewinnungsanlage wirtschaftlicher betrieben werden. Ein weiterer, wichtiger Aspekt bei der Nutzung von Erdwärme aus stillgelegten Bergwerken ist die Entfernung der potenziellen Abnehmer zur Gewinnungsstelle. Die Steinkohlenbergwerke des Aachener Steinkohlenreviers und z.b. auch des Ruhrreviers liegen vielfach in dicht besiedelten Bereichen mit guter Infrastruktur, wo Wohnsiedlungen, Gewerbe oder auch bereits bestehende Fernwärmenetze als potenzielle Abnehmer in vergleichsweise geringer Entfernung zu einer entsprechenden Gewinnungsstelle für Erdwärme zur Verfügung stehen. Darüber hinaus bieten auch die ehemaligen übertägigen Betriebsflächen im Schachtumfeld, die im Rahmen der Stilllegung für eine Folgenutzung (Ansiedlung von Wohnbebauung oder Gewerbe) hergerichtet werden, ein entsprechendes Abnehmerpotenzial mit kürzesten Versorgungswegen. 3 Hydraulische und thermische Fragestellungen Bei der Gewinnung geothermischer Energie aus gefluteten Steinkohlenbergwerken sind eine Reihe hydraulischer und thermischer Fragestellungen für jeden einzelnen Standort und gegebenenfalls auch für spezifische Betriebsbedingungen zu untersuchen. Am Anfang jeder Planung steht die Festlegung der möglichen Förder- und Infiltrationspunkte für das Grubenwasser in Abstimmung mit einem schon vorhandenen oder noch

Geothermie aus Grubenwasser - regenerative Energie aus stillgelegten Steinkohlenbergwerken 9 zu erstellenden Fernwärme- bzw. Anschlussnetz. Falls neben der Gewinnung von Warmwasser im Winter auch umgekehrt Überschuss-Wärme aus der Klimatisierung im Sommerhalbjahr im Untergrund gespeichert werden soll, so können Schächte oder Brunnen auch wechselweise zur Förderung oder zur Infiltration dienen. Dies führt naturgemäß zu komplexen Strömungsverhältnissen untertage. Das gezielte Ansetzen von Förder- oder Infiltrationsbrunnen auf bergbauliche Strecken, also auf voraussichtlich noch sehr wasserwegsame Stollen, gewährleistet im Erfolgsfall eine hohe Förderrate bei geringer Absenkungstiefe bzw. eine hohe Wasseraufnahme bei der Infiltration. Dies erhöht andererseits das Risiko eines hydraulischen oder thermischen Kurzschlusses nach relativ kurzer Betriebszeit. Eine Entscheidung über die optimale Vorgehensweise kann nur anhand einer sorgfältigen Analyse des Grubenbildes in Verbindung mit der geologischen Struktur und regionaler Bergbauerfahrung getroffen werden. Pumpversuche, auch solche über längere Zeiträume, sind nützlich; das dabei umgesetzte Wasservolumen bleibt aber zwangsläufig weit hinter den im Dauerbetrieb bewegten Mengen zurück. Die Aussagekraft von Pumpversuchen im Hinblick auf die thermische Nutzung ist daher begrenzt. Im Hinblick auf den Chemismus des Grubenwassers (s. Kap. 4) ist es von großer Bedeutung, ob sich untertage eine Schichtung des Wasserkörpers in stärker und schwächer mineralisierte Zonen ausbildet oder nicht. Hierzu liegen unterschiedliche Beobachtungen vor. Diese Frage wird von den geologischen und hydraulischen Bedingungen, dem Chemismus der verschiedenen Wässer und der aus verschiedenen Herkunftsbereichen zufließenden Wassermengen bestimmt. Eine gegebenenfalls vorhandene Schichtung des Grubenwassers würde durch eine Erdwärmegewinnung zwangsläufig gestört. Solange sich das Grubenwasser in der Wiederanstiegsphase befindet und der Grubenwasserspiegel noch in Tiefen über 100 m liegt, wie dies im Aachener und dem angrenzenden Südlimburger Revier (Niederlande) noch für einige Jahre der Fall sein wird, muss zwar erhebliche Pumpenergie aufgewendet werden, andererseits steht ein hoher Vorlaufdruck für die Infiltration zur Verfügung. Mit fortschreitendem Grubenwasseranstieg werden beide Effekte zurückgehen. Auf Dauer werden die Druckverhältnisse zwischen dem Grundwasser im Deckgebirge und dem Grubenwasser im Karbon sowie

10 Schetelig, K. et al. eventuelle Austauschvorgänge zwischen diesen Wasserkörpern sorgfältig beobachtet werden müssen. 4 Chemie des Grubenwassers Bei der Förderung des Grubenwassers können innerhalb des großen Wasserkörpers im Grubengebäude, durch Wechselwirkungen zwischen Grubenwasser und Gestein, in den Rohrleitungen nach und von übertage sowie in sämtlichen Betriebsanlagen übertage diverse chemische oder auch mikrobiologische Prozesse stattfinden, die hauptsächlich von folgenden Parametern gesteuert werden: - Druck - Temperatur - Redox-Potenzial bzw. Sauerstoffgehalt - ph-wert bzw. Säuregrad bzw. Säure-/Basen-Gleichgewicht Ziel der hydrochemischen Untersuchungen und der darauf aufbauenden Verfahrenstechnik ist es, nach Möglichkeit Ausflockungen oder Ausfällungen von Stoffen aufgrund von Änderungen der o.g. Parameter bzw. möglicher Mischungsvorgänge zu vermeiden. Besonders gefährdet durch solche Vorgänge sind alle Rohrleitungen, Armaturen, die Wärmetauscher und Wärmepumpen. Es gilt also, den Chemismus über die Betriebsbedingungen so zu steuern, dass das Löslichkeitsprodukt nicht überschritten wird und damit Ausflockungen oder Ausfällungen unterbleiben. Dabei ist auch zu berücksichtigen, ob abweichend vom gegenwärtigen Zustand bei langdauerndem Betrieb der Chemismus des Grubenwassers sich ändern kann bzw. ändern wird. Möglichkeiten hierfür sind verstärkte Zuflüsse bestimmter Wässer oder auch deren Abdämmung infolge des zunehmenden hydrostatischen Druckes im Grubengebäude. In Tab. 1 sind die wichtigsten möglichen chemischen Prozesse und die daran

Geothermie aus Grubenwasser - regenerative Energie aus stillgelegten Steinkohlenbergwerken 11 beteiligten Ionen zusammengestellt. Die wichtigsten Stoffkreisläufe werden im Folgenden kurz angesprochen. Tab. 1: Wichtige Begleitstoffe im Grubenwasser Salinität Schwefel Eisen Barium Kohlensäure Schwermetalle Methan und andere Gase vor allem Natriumchlorid Sulfid, Sulfat, amorpher Schwefel, Gipsbildung zwei- und dreiwertig, Oxide, Hydroxide Gefährdung durch Ausfällung von Schwerspat freies Gas, gebunden, gelöst Blei, Kupfer, Zink, Cadmium 4.1 Schwefel Schwefel kommt in der Kohle und im Nebengestein verbreitet als Pyrit (FeS 2 ) vor. Durch den Zutritt von Luftsauerstoff über die Bewetterung oder oberflächennahes Grundwasser wird Pyrit oxidiert und gelöst. Es entstehen Fe 2+ - und SO 2-4 -Ionen. Durch mikrobiologische Prozesse kann Sulfat unter Sauerstoffmangel reduziert werden und je nach Oxidationsgrad können Schwefelwasserstoff bzw. Sulfid, amorpher oder kolloidaler Schwefel und gegebenenfalls auch Zwischenstufen wie Sulfit entstehen. In sulfathaltigen Wässern kann in Gegenwart von Calcium-Ionen Gips ausfallen. 4.2 Eisen Während das zweiwertige Eisen leicht löslich und damit hochmobil ist, flockt bei Sauerstoffzutritt Eisenhydroxid (Fe(OH) 3, Rost) oder auch Eisenoxid (Fe 2 O 3 ) aus. Dieser Vorgang wird als Verockerung beschrieben. Beeeinflusst wird dieser Prozess weiter durch das Redox-Potenzial und das Vorhandensein bzw. die Konzentration von Kohlendioxid. Da Schwefel und Eisen in verschiedenen Ausbildungen in praktisch allen Steinkohlenbergwerken vorkommen, gilt diesen beiden Elementen besondere Aufmerksamkeit.

12 Schetelig, K. et al. 4.3 Barium Falls in ein Bergwerk bariumhaltiges Wasser zutreten kann, so besteht wegen der allgegenwärtigen Sulfat-Ionen praktisch immer die Gefahr, dass angesichts des niedrigen Löslichkeitsprodukts das schwerlösliche Bariumsulfat (BaSO 4 ) ausfällt. Solange dies im Bergwerk selbst geschieht und keine Leitungen betroffen werden, ist dies unbedenklich. Sollte Barium auch in den Wasserkreislauf einbezogen sein, so muss versucht werden, durch die Gewährleistung eines ausreichenden Druckniveaus die Ausfällung von BaSO 4 zu verhindern oder bei Druckentlastung übertage die Ausfällung von Schwerspat gezielt an einer geeigneten Stelle zu konzentrieren. 4.4 Salz, Kohlensäure, Schwermetalle Natriumchlorid (NaCl) findet sich im Grubenwasser in nahezu allen Bergwerken, wenn auch in sehr unterschiedlicher Konzentration. Hohe Salzkonzentrationen können den Wert des Löslichkeitsprodukts verändern und sonst schwerlösliche Stoffe in Lösung halten. Kohlensäure kann als freies Gas, in gelöster oder gebundener Form auftreten. In allen Fällen ist wegen des Korrosionsvermögens das Kohlensäure-Gleichgewicht zu beachten. Dies gilt vor allem im Hinblick auf Eisen in seinen verschiedenen Wertigkeiten. Schwermetalle wie Blei, Kupfer, Zink oder Cadmium können wegen ihrer Toxizität besondere Untersuchungen notwendig machen. Uran findet sich weltweit in sehr vielen Steinkohlen- und Braunkohlenlagerstätten in deutlichen Anreicherungen, nicht aber im Aachener Revier. Hier lagen offenbar während der Bildung der Steinkohle keine uranhaltigen Gesteine im Einzugsgebiet vor. 4.5 Flözgas - Methan Methan kann als Gas adsorptiv an die Kohle oder an den Tonanteil im Nebengestein gebunden sein und aus dem unverritzten Gebirge, aus dem gebrochenen Gebirge oder längs Störungen aus der Tiefe in das Grubengebäude eintreten. Das Gas kann in die Atmosphäre entweichen und stellt dann ein unerwünschtes Treibhausgas dar. Das Flöz-

Geothermie aus Grubenwasser - regenerative Energie aus stillgelegten Steinkohlenbergwerken 13 gas kann sich aber bei ausreichend dichten Deckschichten oberhalb des Grubenwasserspiegels als nutzbare Gasblase sammeln. THIELEMANN ET AL. (2004) haben Archaebakterien im Ruhrgebiet nachgewiesen. Dies bedeutet, dass unter gewissen Gegebenheiten auch unterhalb des Grubenwasserspiegels Methan durch mikrobiologische Prozesse gebildet werden kann. 5 Grundlagenuntersuchungen zur Nutzung der Erdwärme aus den gefluteten Gruben des Aachener Steinkohlenreviers Im Aachener Revier wurde der Steinkohlenbergbau 1992 durch die EBV Aktiengesellschaft (heute EBV GmbH) endgültig eingestellt. Seit Einstellung der Wasserhaltung in den Jahren 1993/1994 erfolgt auf der Gesamtfläche des Aachener Reviers (rd. 250 km²) und des westlich angrenzenden Südlimburger Reviers (Niederlande, rd. 150 km²) der Wiederanstieg des Grubenwassers. Dabei haben sich zwei Hauptwasserprovinzen, die westliche und die östliche Wasserprovinz, herausgebildet (s. Abb. 4). In der östlichen Wasserprovinz, in deren Bereich bis 1992 Abbau betrieben wurde, wurde bis November 2007 ein Standwasserniveau von rd. -124 mnhn, entsprechend rd. 250 m unter dem Geländeniveau, erreicht. Dabei wurde das Steinkohlengebirge in Teilbereichen bereits vollständig geflutet. In der westlichen Wasserprovinz, westlich der tektonischen Großstörung Feldbiß, wurde der Bergbau sowohl auf deutscher als auch auf niederländischer Seite bereits in den 1970er Jahren eingestellt. Auf deutscher Seite, wo das Steinkohlengebirge im Vorflutniveau zutage tritt, lag das Standwasserniveau im November 2007 bei max. 18 mnhn, d.h. rd. 100 m unter dem mittleren Vorflutniveau. Der weitere Grubenwasseranstieg kann bis zum Erreichen des natürlichen Vorflutniveaus nach dem derzeitigen Kenntnisstand noch mehr als 10 Jahre dauern. Im Einzelnen wird der Grubenwasseranstieg in HEITFELD ET AL. (2005) und ROSNER ET AL. (2006) behandelt.

14 Schetelig, K. et al. 56 45 40 35 Maastricht 56 30 N 24 80 85 90 95 25 00 05 10 15 25 20 Geilenkirchen Linnich Geleen Maas Valkenburg Heerlen Simpelveld Brunssum 56 45 Aldenhoven 40 Würselen 56 Eschweiler 30 Aachen 24 80 85 90 95 25 00 05 10 15 25 20 Städte Standwasserniveau in [mnhn] -124 (Stand 11.2007) Staatsgrenze östliche Wasserprovinz tektonische Störung Bergbauschächte -20 bis 11 Feldbiß Kerkrade A 18 Wurm Übach- Palenberg Alsdorf Herzogenrath westliche Wasserprovinz Profil (s. Abb. 5) -124 A' Sandgewand Rur Diagonal Rurrand - Sprung 35 Abb. 4: Wasserprovinzen im Aachener und Südlimburger Steinkohlenrevier Am Anfang des Projektes der EBV Aktiengesellschaft (heute EBV GmbH) stand eine fachlich fundierte, umfassende Klärung der bergbaulichen, geologisch-hydrogeologischen und technischen Randbedingungen für eine wirtschaftliche Nutzung von Erdwärme. Dazu wurde eine Projektgruppe aus Bergwerkseigentümer, Bergbehörde und kompetenten Fachleuten aller betroffenen Fachrichtungen gebildet. Die Grundlagenuntersuchungen umfassten auch vor Ort-Untersuchungen zur Ermittlung von Temperatur und elektrischer Leitfähigkeit des in den Schächten zusitzenden Grubenwassers sowie Laboruntersuchungen zur Ermittlung repräsentativer Werte für die erforderlichen gesteinsphysikalischen Parameter (s. CLAUSER ET AL., 2005). Einen Überblick über die teufenabhängige Verteilung von Temperatur und elektrischer Leitfähigkeit des Grubenwassers zeigt Abb. 5. Für eine erste Abschätzung des verfügbaren Energiepotenzials wurde ein zweidimensionales, zylindersymmetrisches Modell bearbeitet. Hierfür wurde das numerische Simulationswerkzeug SHEMAT (s.a. CLAUSER, 2003) eingesetzt.

Geothermie aus Grubenwasser - regenerative Energie aus stillgelegten Steinkohlenbergwerken 15 A SW [mnhn] 200 Von-Goerschen-Schacht Grube Gouley-Laurweg Eduard-Schacht, Wurm Grube Anna Schacht I, Grube Emil Mayrisch A' NE [mnhn] 200 0 Deckgebirge 0-200 -200-400 -400-600 20 0 40 ( C) 5 (ms/cm) -600-800 -1.000 Karbon 0 1 2 km 20 0 40 ( C) 5 (ms/cm) 5 20 40 ( C) 10 (ms/cm) -800-1.000 Legende tektonische Störung oberflächennahes Vorflutniveau Standwasserniveau im Karbon (11.2007) Standwasserniveau im Karbon zum Zeitpunkt der Tiefenlogs Ergebnisse Tiefenlogs Temperatur ( C) elektrische Leitfähigkeit (ms/cm) Schacht verfüllt Streckenanschläge Abb. 5: Schematisches Profil aus dem Aachener Steinkohlenrevier mit repräsentativen Tiefenlogs Dem zylindersymmetrischen Finite-Differenzen-Modell wurde eine vereinfachte, vierfach geschichtete Modellstruktur unter Berücksichtigung der generellen geologischhydrogeologischen und bergbaulichen Verhältnisse zugrunde gelegt. Abb. 6 gibt einen Überblick über die vertikale Modellstruktur und die zugehörigen Modellparameter. Die Modellrechnungen zeigten für einen geplanten Wohnpark mit 70 Wohneinheiten (Jahresheizenergiebedarf von 450 MWh bei einer Spitzenleistung von 420 kw) sowie der im Eduard-Schacht in Alsdorf angetroffenen Temperaturverteilung, dass für eine Betriebsdauer von 30 Jahren eine weitgehend konstante Wärmemenge gefördert werden kann und eine Versorgung des Wohnparks mit Erdwärme für Heizzwecke aus geophy-

16 Schetelig, K. et al. sikalischer Sicht sichergestellt ist. Darüber hinaus wurde das insgesamt in den Grubengebäuden der östlichen Wasserprovinz zur Verfügung stehende Erdwärmepotenzial unter Ansatz einer Abkühlung des geförderten Wassers um 10 C mittels Wärmepumpe überschlägig mit 4,6 MW abgeschätzt. Modellbereich Permeabilität Porosität Spez. Wärmekapazität Wärmeleitfähigkeit [m²] [-] [MJ m - ³ K -1 ] [W m -1 K -1 ] Deckgebirge 0,05 1,8 2,0 Abbauniveau 2 10-13 0,002 1,8 2,4 Abbauniveau 1 10-13 0,002 1,8 3,5 Ungestörter Gebirgsbereich 10-15 0,001 1,8 4,0 Abb. 6: Hydraulische und thermische Gebirgsparameter für Modellberechnungen (PROJEKTGRUPPE ERDWÄRME IN AUFGELASSENEN BERGWERKEN, 2004) 6 Das European Minewater Project - Erdwärme aus Grubenbauen des Südlimburger Steinkohlenreviers (NL) In der niederländischen Stadt Heerlen wird gegenwärtig ein EU-Projekt zur Gewinnung geothermischer Energie aus gefluteten Steinkohlengruben realisiert. Das Vorhaben wird im Rahmen des Programmes Interreg IIIB NWE von der Europäischen Union gefördert (s. BAZARGAN ET AL., 2008; OP T VELD & DEMOLLIN-SCHNEIDERS, 2007); das Gesamtvolumen dieses Projektes beträgt rd. 16 Mio.. Das Projekt sieht die Gewinnung einer Gesamtleistung von etwa 5 MW vor, womit Wohn- und Geschäftsgebäude an zwei verschiedenen Standorten geheizt und im Sommer auch gekühlt werden sollen.

Geothermie aus Grubenwasser - regenerative Energie aus stillgelegten Steinkohlenbergwerken 17 Das Projekt in den Niederlanden unterscheidet sich von den auf deutscher Seite geplanten Vorhaben in folgenden Punkten: Da in Heerlen keine frei zugänglichen Schächte mehr vorhanden waren, wurden für die Förderung und die Infiltration des Grubenwassers insgesamt fünf Bohrungen zwischen 250 und 700 m Teufe niedergebracht (s. Abb. 7). Die Bohrungen zielten auf noch hinreichend offene Strecken in den Grubengebäuden. Abb. 7: Bohrung HH 2 in Heerlen (PGMI, 2006) Im Rahmen von Voruntersuchungen wurden die vorhandenen Grubenrisse ausgewertet und Bohransatzpunkte ausgewählt, die optimal zu dem im Stadtgebiet geplanten Fernwärmenetz bzw. den Standorten der Verbraucher passten. Anhand der gut bekannten geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse wurden Modellberechnungen zur voraussichtlich notwendigen Pump- und Infiltrationsleistung sowie zur voraussichtlichen Abkühlung im Gebirge und im Grubenwasser durchgeführt.

18 Schetelig, K. et al. Um Ausfällungen oder Ausflockungen von Stoffen zu verhindern, wird das gesamte Grubenwasser durchweg in beschichteten korrosionsbeständigen Druckrohrleitungen geführt. Das Konzept sieht vor, im Winter warmes Grubenwasser aus rd. 700 m Teufe am Standort Heerlerheide zu fördern und das abgekühlte Wasser rd. 4,5 km weiter südsüdöstlich am Standort Stadspark Oranje Nassau wieder in das karbonische Festgestein zu infiltrieren; im Sommer erfolgt die Förderung kalten Wassers aus etwa 250 m Teufe am Standort Stadspark Oranje Nassau und die Re-Infiltration am Standort Heerlerheide. Die Übertage-Installationen werden derzeit errichtet. Noch im Jahre 2008 soll der Betrieb aufgenommen und der Anschluss weiterer Gebäude bis 2010 abgeschlossen werden. 7 Wirtschaftlichkeit von Geothermie-Anlagen und Ausblick Im Jahre 2004 wurde im Rahmen einer Machbarkeitsstudie im Auftrag der EBV GmbH (damals noch AG) eine vergleichende Betrachtung der Kosten für die Errichtung und den Betrieb der Heizung und der Brauchwasserversorgung für eine geplante Wohnsiedlung in Herzogenrath-Merkstein unter Berücksichtigung verschiedener Energieträger (Gas, Strom, Fernwärme, Sonnenkollektoren) durchgeführt (s. Abb. 8). Diese ergab, dass bei den vorgegebenen Randbedingungen unter Berücksichtigung der Investitionskosten für die Förderanlage, die Re-Infiltrationsanlage, die Wärmepumpentechnik und die Hausanschlüsse die jährlichen Kosten bei einer Versorgung des Wohnparks mit Erdwärme ohne Fördermittel rd. 35 % über den seinerzeitigen Kosten für herkömmliche Energieträger (Gas, Strom) lagen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die durch die Erdwärmegewinnungsanlage tatsächlich verfügbare Energiemenge erheblich höher ist als der Energiebedarf des für den Kostenvergleich zugrunde gelegten Wohnparks. Die geothermische Anlage wurde daher nicht ausgelastet. Wirtschaftliche Betriebsbedingungen können dann erreicht werden, wenn heizungsintensive Großgebäude bzw. Gewerbebetriebe als Abnehmer bereitstehen, eine Einspeisung in ein Fernwärmenetz möglich ist oder im Laufe der Zeit weitere Wohneinheiten

Geothermie aus Grubenwasser - regenerative Energie aus stillgelegten Steinkohlenbergwerken 19 im näheren Umfeld, z.b. im Rahmen von Heizungsmodernisierungen oder Neubausiedlungen, angeschlossen werden können. [Euro] 2.000 1.800 1.600 1.400 1.200 1.000 800 600 400 1.151 1.234 Energiekosten je Wohneinheit 1.091 1.169 1.555 1.555 200 0 2006 2004 2004 2006 Gas Strom Erdwärme Abb. 8: Kostenvergleich für einen geplanten Wohnpark für unterschiedliche Wärmeversorgungskonzepte Es wird angenommen, dass an günstigen Standorten und bei geringen Entfernungen zu den Abnehmern bzw. der Einspeisemöglichkeit in ein Fernwärmenetz bis zum Zeitpunkt der Realisierung etwa Kostengleichheit mit anderen Energieträgern besteht. Dabei besteht der Vorteil einer Erdwärmeversorgung darin, dass hier zwar einmalig hohe Investitionskosten anfallen, dann aber die Betriebskosten nicht von zukünftig stets knapper werdenden fossilen Energieträgern wie Gas und Erdöl abhängen. Erste Überlegungen von Bauträgern zielen darauf ab, auf einen Gasanschluss oder eine Öl-Zusatzheizung vollständig zu verzichten. Dann würden die Investitionskosten schon heute auf den Vergleichswert mit konventionellen Versorgungsarten fallen. Ein eventu-

20 Schetelig, K. et al. eller Zusatzbedarf, z.b. bei Ausfall einer Pumpe im Schacht, soll dann über zusätzlichen Wärmepumpenstrom gedeckt werden. Die Gewinnung von geothermischer Energie als Bestandteil eines umweltschonenderen Energiemixes gewinnt weltweit zunehmend an Bedeutung. Die Nutzung von Grubenwasser als regenerative Energiequelle kann dort, wo dieser Standortvorteil vorhanden ist, einen wertvollen und nachhaltigen Beitrag zu diesem Prozess leisten. Literatur BAZARGAN, S.B., DEMOLLIN, E. & VAN BERGERMEER, J. (2008): Geothermal Use of Deep Flooded Mines. Post Mining 2008, 11 S.; Nancy. BUND-LÄNDER-AUSSCHUSS BERGBAU - AD-HOC-ARBEITSKREIS BEMESSUNG VON ERDWÄRME-FELDERN (2002): Erarbeitung von Kriterien für die Bemessung von Bergbauberechtigungen zur Aufsuchung und Gewinnung von Erdwärme. 4 S., 1 Anl. CLAUSER, C. (ED.) (2003): Numerical Simulation of Reactive Flow in Hot Aquifers Using Shemat/Processing Shemat. Springer Verlag, Heidelberg, Berlin. CLAUSER, C., HEITFELD, M. ROSNER, P., SAHL, H. & SCHETELIG, K. (2005): Beispiel Aachener Steinkohlenrevier - Nutzung von Erdwärme in aufgelassenen Bergwerken. in Zeitschrift Beratende Ingenieure des VBI, Heft 06/2005, S. 14-17, 4 Abb.; Verlagsgruppe Wiederspahn, Berlin. HEITFELD, M., ROSNER, P., SAHL, H. & SCHETELIG, K. (2005): Grubenwasseranstieg im Steinkohlenbergbau - Einflussfaktoren, Auswirkungen und Folgenutzung am Beispiel des Aachener und des Erkelenzer Reviers. 5. Altbergbau-Kolloquium, S. 433-452, 10 Abb.; Clausthal-Zellerfeld. HEITFELD, M., ROSNER, P., SAHL, H. & SCHETELIG, K. (2006): Nutzung aufgegebener Tagesschächte des Steinkohlenbergbaus für die Gewinnung von Erdwärme - Ergebnisse einer Machbarkeitsstudie für das Aachener Revier. Zeitschrift Glückauf, Heft 10, S. 432-438, 7 Abb.; VGE Verlag GmbH, Essen. LANDESAMT FÜR BERGBAU, ENERGIE UND GEOLOGIE (2005): Erdölreserven und Neufunde sowie Prognose. Hannover.

Geothermie aus Grubenwasser - regenerative Energie aus stillgelegten Steinkohlenbergwerken 21 MINISTERIUM FÜR WIRTSCHAFT, MITTELSTAND UND ENERGIE DES LANDES NORDRHEIN- WESTFALEN - MWME NRW (2006): Nutzbarmachung geothermischer Energie (Erdwärme) in NRW. Erlass vom 20.01.2006-422-47-04-; Düsseldorf. OP T VELD, P. & DEMOLLIN-SCHNEIDERS, E. (2007): The Mine Water Project Heerlen, the Netherlands - Low Exergy in Practice. ECBCS Annex 49 Low ExergySystems for High-Performance Buildings and Communities, 9 S., 5 Abb.; Japan. PETROGAS MINERALS INTERNATIONAL B.V. (PGMI) (2006): Foto vom 20.04.2006. PROJEKTGRUPPE ERDWÄRME IN AUFGELASSENEN BERGWERKEN (2004): Machbarkeitsstudie zur Gewinnung von Erdwärme im Bereich des Aachener Steinkohlenreviers unter besonderer Berücksichtigung einer Erdwärmeversorgung des Wohnpark Grube Adolf, Merkstein. Unveröffentlichtes Gutachten im Auftrag der EBV Aktiengesellschaft, Aachen. ROSNER, P., SAHL, H. & SCHETELIG, K. (2006): Erdwärme aus gefluteten Steinkohlenbergwerken -Perspektiven einer Nachnutzung. 6. Altbergbau-Kolloquium, S. 26-38, 5 Abb.; Aachen. THIELEMANN, T., CRAMER, B. & SCHIPPERS, A. (2004): Kohleflözgas im Ruhrbecken: fossil oder erneuerbar. Schriftenreihe der DGG, H. 34, S. 193; Hannover.