Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit und Folgen der Aberkennung



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Transkript:

Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit und Folgen der Aberkennung 2016 Deutscher Bundestag

Seite 2 Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit und Folgen der Aberkennung Aktenzeichen: Abschluss der Arbeit: 11. März 2016 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen.

Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Welche Kriterien muss eine Nichtregierungsorganisation erfüllen, um als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung (AO) anerkannt zu werden? 4 3. Aus welchen Vorschriften in der Abgabenordnung (AO) ergibt sich das Kriterium der unpolitischen Tätigkeit für die Gemeinnützigkeit einer Nichtregierungsorganisation und was wird darunter verstanden? 5 4. Welche Privilegien würde Attac konkret verlieren, sollte ihre Klage abgewiesen werden? 7 4.1. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer 8 4.2. Umsatzsteuer 8 4.3. Erbschaft- und Schenkungsteuer 9 4.4. Grundsteuer 9 4.5. Grunderwerbsteuer 9 4.6. Behandlung von Spenden und Mitgliedsbeiträgen 9

Seite 4 1. Einleitung Steuerbegünstig nach der Abgabenordnung (AO) ist eine Körperschaft, wenn sie ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige ( 52 AO), mildtätige ( 53 AO) oder kirchliche Zwecke ( 54 AO) verfolgt. Gemäß 52 Abs. 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern. Die Steuerbegünstigung für Körperschaften ergibt sich aus 51 ff. AO und setzt die Verfolgung dieser Zwecke voraus. Die steuerliche Begünstigung der Gemeinwohlorientierung einer Körperschaft knüpft an drei Grundprinzipien die Selbstlosigkeit ( 55 AO), die Ausschließlichkeit ( 56 AO) und die Unmittelbarkeit ( 57 AO). Hinsichtlich der Gemeinnützigkeit enthält 52 Abs. 2 AO einen abschließenden Katalog von Tätigkeiten, welche als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen sind. Dazu zählen u. a. nach 52 Abs. 2 Nr. 7 AO die Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe und nach 52 Abs. 2 Nr. 24 AO die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens im Geltungsbereich der AO, die für die o.g. Fragestellung relevant sind. 2. Welche Kriterien muss eine Nichtregierungsorganisation erfüllen, um als gemeinnützig im Sinne der Abgabenordnung (AO) anerkannt zu werden? Gemeinnützig im Sinne der AO ist eine Nichtregierungsorganisation, wenn sie die Kriterien gemäß 52 ff. AO erfüllt. Dazu gehören: selbstlose Förderung der Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet ausschließliche Förderung der in der Satzung festgelegten Zwecke und unmittelbare Verfolgung der steuerbegünstigten Zwecke Alle diese drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um als gemeinnützige Körperschaft anerkannt zu werden. Aktivitäten, die gesetzlich normierte Gemeinwohlziele verfolgen und damit der Verwirklichung normierter öffentlicher Interessen dienen, sind stets gemeinnützig. Unter welchen Bedingungen die Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen ist, wird mit dem Zweckkatalog in 52 Abs. 2 AO konkretisiert. Eine Förderung der Allgemeinheit ist nicht gegeben, wenn der Kreis, dem die Förderung zugutekommt, fest abgeschlossen ist. Es geht auch nicht um irgendeine Förderung, sondern um die selbstlose Förderung der Allgemeinheit. Selbstlos ist ein Handeln dann, wenn nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke erfüllt werden. Die Mittel sind ausschließlich für die in der Satzung festgeschriebenen Zwecke zu verwenden. Unmittelbarkeit heißt, die Körperschaft darf nur die in der Satzung festgelegten Ziele verfolgen. Alle Zwecke müssen in der Satzung festgeschrieben sein und die Nichtregierungsorganisation muss ihre steuerbegünstigten Zwecke selbst verfolgen. Neben der Anwendbarkeit der Regelung nach 52 AO überprüft das Finanzamt auch die Voraussetzungen nach 60 AO (formelle Satzungsmäßigkeit) und 63 AO (tatsächliche Geschäftsführung). Es ist notwendig, dass die Körperschaft in ihrer Satzung die Zwecke und die Art der Verwirklichung so genau bestimmt, dass bereits aufgrund der Satzung die Voraussetzungen für die

Seite 5 steuerlichen Vergünstigungen geprüft werden können. Danach muss sich der Zweck, welchen die Körperschaft verfolgt, bereits aus der Satzung ergeben, dieser ausschließlich und unmittelbar verfolgt werden und somit den Anforderungen der AO entsprechen. Die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft muss auf die Erfüllung der satzungsmäßigen Zwecke gerichtet sein, das heißt, die Körperschaft darf sich weder anderweitig betätigen noch die Erreichung der steuerbegünstigten Zwecke endgültig aufgeben. Der Gegensatz von gemeinnützig ist eigen-, individual- oder partikularnützig. Das Verfolgen singulärer oder partikulärer Interessen ist nicht gemeinnützig. Sonder- oder Eigeninteressen, Einzelvorteile sollen ausgeschaltet werden, auch wenn sie in Vereinsform verfolgt werden. 1 3. Aus welchen Vorschriften in der Abgabenordnung (AO) ergibt sich das Kriterium der unpolitischen Tätigkeit für die Gemeinnützigkeit einer Nichtregierungsorganisation und was wird darunter verstanden? In 52 AO ist der Begriff der unpolitischen Tätigkeit als Kriterium der Gemeinnützigkeit nicht definiert. Sie ist nicht zwingende Voraussetzung für die Anerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus. Vielmehr geht aus dem Zweckkatalog hervor, dass die Art und Weise der politischen Tätigkeit eine Rolle spielt und für die Anerkennung eine Abgrenzung zur allgemein politischen Tätigkeit gefordert wird. Politische Zwecke (Beeinflussung der politischen Meinungsbildung, Förderung politischer Parteien u. dergleichen) zählen grundsätzlich nicht zu den gemeinnützigen Zwecken im Sinne des 52 AO. Eine gewisse Beeinflussung der politischen Meinungsbildung schließt jedoch die Gemeinnützigkeit nicht aus (BFH-Urteil vom 29.8.1984, I R 203/81, BStBl. II S. 844). Eine politische Tätigkeit ist danach unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit nach den Verhältnissen im Einzelfall zwangsläufig mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist und die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung gegenüber der Förderung des gemeinnützigen Zwecks weit in den Hintergrund tritt. Eine Körperschaft fördert deshalb auch dann ausschließlich ihren steuerbegünstigten Zweck, wenn sie gelegentlich zu tagespolitischen Themen im Rahmen ihres Satzungszwecks Stellung nimmt. Entscheidend ist, dass die Tagespolitik nicht Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft ist oder wird, sondern der Vermittlung der steuerbegünstigten Ziele der Körperschaft dient (BFH-Urteil vom 23.11.1988, I R 11/88, BStBl. 1989 II S. 391). Dagegen ist die Gemeinnützigkeit zu versagen, wenn ein politischer Zweck als alleiniger oder überwiegender Zweck in der Satzung einer Körperschaft festgelegt ist oder die Körperschaft tatsächlich ausschließlich oder überwiegend einen politischen Zweck verfolgt. 2 Politische Tätigkeit steht nicht grundsätzlich der Gemeinnützigkeit entgegen. Nur allgemeine politische Tätigkeit (allgemeine politische Meinungsbildung) und Gemeinnützigkeit schließen sich 1 Tipke/Kruse: Abgabenordnung, Kommentar, 52 Rz. 2 2 Anwendungserlass zur Abgabenordnung (AEAO), 52 Nr. 15

Seite 6 aus. Eine Einwirkung im parteipolitischen Sinne, die ideelle Unterstützung einer Partei, ist nicht erlaubt. Eine Beeinflussung der politischen Meinungsbildung in speziellen Fragen schließt die Gemeinnützigkeit jedoch nicht aus. Deswegen ist die Stellungnahme zu tagespolitischen Themen, die mit dem eigentlich geförderten gemeinnützigen Zweck in Zusammenhang stehen, nicht verboten. 3 Der Zweck der gemeinnützigen Körperschaft darf nicht auf die (partei-)politische Agitation gerichtet sein, sondern muss dazu dienen, die Bürger aufzuklären und in die Lage zu versetzen, sich selbst eine politische Meinung zu bilden. 4 Es ist zu unterscheiden zwischen Verfolgung überwiegend politischer Zwecke (sozusagen als politischer Verein) und satzungsmäßiger Zwecke der Körperschaft. Wenn die Körperschaft ihre Auffassung der Öffentlichkeit nahebringt, folgt noch nicht die Einstufung als politischer Verein. Erst wenn die satzungsmäßigen Zwecke in den Hintergrund treten und die Einwirkung auf die politischen Parteien und die politische Willensbildung vorrangig betrieben wird, ist die Körperschaft als politischer Verein zu bewerten und damit nicht mehr gemeinnützig. Die Förderung der eigenen satzungsmäßigen Zwecke muss im Mittelpunkt der Handlungen stehen, die verfolgten politischen Ziele müssen der Vermittlung der satzungsmäßigen Zwecke dienen und überparteilich und von grundsätzlicher Bedeutung sein. Nach den geäußerten Ansichten aus der Rechtsprechung und im Schrifttum sind politische Äußerungen und Tätigkeiten einer gemeinnützigen Körperschaft zulässig, wenn sie nicht Selbstzweck der politischen Agitation sind, sondern im größeren Zusammenhang der jeweiligen, gemeinnützigen Zweckverfolgung stehen. 5 Fazit hieraus ist, dass kein absolutes Verbot politischer Betätigung für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit besteht und auch nicht gefordert wird. Ausschlaggebend für die Beurteilung ist, ob sich die politische Betätigung in einen größeren, sachlich fundierten Zusammenhang einbetten lässt, der sich wiederum auf einen der in 52 AO genannten Zwecke zurückbeziehen lässt. 6 Eine Beurteilung der Tätigkeiten der Körperschaften hinsichtlich ihrer Zuordnung zur Gemeinnützigkeit ist kompliziert, da häufig die gemeinnützigen Betätigungsfelder auch Gegenstand der politischen Diskussion sind. Die gesetzlich anerkannten gemeinnützigen Katalogzwecke nach 52 Abs. 2 AO Nr. 7 die Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe und Nr. 24 die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens, die den Aspekt politischer Tätigkeit beinhalten können, werden in der Literatur und der Rechtsprechung wie folgt diskutiert und kommentiert: 3 Schauhoff: Handbuch der Gemeinnützigkeit, 6 Rz. 40, S. 272 4 Schauhoff: Handbuch der Gemeinnützigkeit, 6 Rz. 40, S. 273 5 Weitemeyer/Kamp: Zulässigkeit politischer Betätigungen durch Gemeinnützige, ZRP 2015, 72, S. 4 6 Weitemeyer/Kamp: Zulässigkeit politischer Betätigungen durch Gemeinnützige, ZRP 2015, 72, S. 5/6

Seite 7 Die Förderung des demokratischen Staatswesens ist in der Praxis eng mit der politischen Bildungsarbeit verbunden. 7 Nr.7: die Förderung der Erziehung, Volks- und Berufsbildung einschließlich der Studentenhilfe Bildung und Erziehung umfasst sowohl die Allgemeinbildung als auch die Berufsausbildung. Bei der Bildungsarbeit muss das Allgemeininteresse dadurch gewahrt werden, dass die Vermehrung der Kenntnisse und nicht die Verbreitung einer bestimmten Lebensanschauung die gemeinnützige Tätigkeit prägt. 8 Politische Bildungstätigkeit gehört auch zur Volksbildung. Bildung muss nicht in theoretischer Unterweisung bestehen, sondern kann auch durch den Aufruf zu konkreter Handlung ergänzt werden. 9 Allgemein-politische Meinungsäußerungen gehören dagegen nicht zur staatsbürgerlichen Bildung und können demzufolge zum Verlust der Gemeinnützigkeit führen. Nr.24: die allgemeine Förderung des demokratischen Staatswesens Die Förderung des demokratischen Staatswesens steht im Gegensatz zur nicht gemeinnützigen Verfolgung politischer Zwecke. 10 Eine Förderung des demokratischen Staatswesens liegt nur vor, wenn die Körperschaft sich umfassend mit den demokratischen Grundprinzipien befasst und diese objektiv und neutral würdigt. 11 Bestrebungen, die dagegen nur auf bestimmte Einzelinteressen staatsbürgerlicher Art gerichtet oder auf den kommunalpolitischen Bereich beschränkt sind, sind nicht gemeinnützig. Die Förderung des demokratischen Gemeinwesens muss allgemeinen Charakter haben, die Ziele müssen überparteilich sein und nicht im Interesse kommunaler Wählervereinigungen liegen. Aus dem von Hübschmann/Hepp/Spitaler aufgelisteten ABC gemeinnütziger Zwecke wird diese Auffassung nochmals bestätigt: Politische Zwecke sind nicht gemeinnützig, unschädlich sind hingegen Äußerungen zur Tagespolitik, sofern sie nicht den Mittelpunkt der Tätigkeit ausmachen, sondern der Vermittlung gemeinnütziger Ziele dienen. 12 4. Welche Privilegien würde Attac konkret verlieren, sollte ihre Klage abgewiesen werden? Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit hätte einen Wegfall der steuerlichen Vergünstigungen zur Folge. Nach der Satzung ist Attac ein Verein, der sich ausschließlich und unmittelbar 7 Hüttemann: Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, Köln 2015, Kapitel 3, Rz. 3.144, S. 211 8 Schauhoff: Handbuch der Gemeinnützigkeit, 6 Rz. 54, S. 282 9 Hüttemann: Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, Köln 2015, Kapitel 3, Rz. 3.144, S. 211/212 10 Schauhoff: Handbuch der Gemeinnützigkeit, 6 Rz. 70, S. 289 11 Schauhoff: Handbuch der Gemeinnützigkeit, 6 Rz. 70, S. 290 12 Hübschmann/Hepp/Spitaler: Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, AO 52, Rz. 260, S. 83

Seite 8 gemeinnützigen Zwecken widmet. Im Folgenden werden die steuerlichen Vergünstigungen aufgelistet, die bei Anerkennung der Gemeinnützigkeit nach 52 AO einem Verein gewährt werden können. Wird der Status der Gemeinnützigkeit aberkannt, fallen diese weg. 4.1. Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer Gemeinnützig anerkannte Körperschaften unterliegen grundsätzlich nicht der Körperschaft- und der Gewerbesteuer ( 5 Absatz 1 Nr. 9 Satz 1 KStG und 3 Nr. 6 GewStG). Das Körperschaftsteuergesetz ( 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 KStG) und das Gewerbesteuergesetz ( 2 Abs. 3 GewStG) schließen jedoch die Steuervergünstigung insoweit aus, als die Körperschaft einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, soweit dieser kein Zweckbetrieb ist. Nach 65 AO ist ein Zweckbetrieb gegeben, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb in seiner Gesamtrichtung dazu dient, die steuerbegünstigten satzungsmäßigen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen. Im Fall des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs ist 64 Abs. 1 AO zu beachten. Nach 14 AO ist ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb eine selbständige nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht. Die Absicht, Gewinn zu erzielen, ist nicht erforderlich. Übersteigen die Einnahmen einschließlich Umsatzsteuer aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben, die keine Zweckbetriebe sind, insgesamt 35.000 Euro im Jahr, so unterliegen sie der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer ( 64 Absatz 3 AO). Alle steuerbegünstigten Körperschaften, deren Einnahmen einschließlich Umsatzsteuer aus wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben die Freigrenze in Höhe von 35.000 Euro überschreiten, können bei der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer einen Freibetrag von 5.000 Euro jährlich in Anspruch nehmen ( 24 KStG und 11 Abs. 1 Nr. 2 GewStG). Verbleibt nach Abzug des Freibetrags ein zu versteuerndes Einkommen, so beträgt die Körperschaftsteuer hierauf nach 23 KStG 15 Prozent dieses Betrages (zzgl. Solidaritätszuschlag in Höhe von 5,5 Prozent der Körperschaftsteuer). Die Höhe der Gewerbesteuer hängt vom jeweiligen Hebesatz der Gemeinde ab. Inwieweit Attac e.v. als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb tätig ist, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden. 4.2. Umsatzsteuer Gemeinnützige Körperschaften können als Unternehmer auftreten, wenn sie entgeltliche Lieferungen oder entgeltliche sonstige Leistungen nachhaltig ausführen. Die Steuerbefreiungen von der Umsatzsteuer sind im 4 Umsatzsteuergesetz (UStG) geregelt. Nach 4 Nr. 22 UStG kann die Körperschaft von der Umsatzsteuer befreit werden, wenn sie Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art durchführt, die gemeinnützigen Zwecken oder dem Zweck eines Berufsverbandes dienen und wenn die Einnahmen überwiegend zur Deckung der Kosten verwendet werden bzw. andere kulturelle Veranstaltungen durchgeführt, soweit das Entgelt in Teilnehmergebühren besteht.

Seite 9 Eine gemeinnützige Körperschaft braucht keine Umsatzsteuer zu zahlen, wenn die steuerpflichtigen Einnahmen einschließlich der darauf entfallenden Steuer aus ihrer gesamten unternehmerischen Betätigung im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 Euro nicht überstiegen haben und im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich 50.000 Euro nicht übersteigen werden ( 19 Abs.1 UStG). Auf diese sogenannte Kleinunternehmerregelung kann die gemeinnützige Körperschaft gegenüber dem Finanzamt insgesamt verzichten. Macht sie von diesem Verzicht Gebrauch, werden die Umsätze der Besteuerung unterworfen, gleichzeitig ist sie zum Vorsteuerabzug berechtigt. Umsätze von gemeinnützigen Körperschaften, die gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Zwecken dienen, unterliegen grundsätzlich dem ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent. Die Steuerermäßigung gilt jedoch nicht für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, die keine Zweckbetriebe sind ( 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchstabe a UStG), sofern sich ein ermäßigter Steuersatz nicht aus der Art beziehungsweise aus der Tätigkeit des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs selbst ergibt. 4.3. Erbschaft- und Schenkungsteuer Erhält eine gemeinnützige Körperschaft durch Erbanteil, Vermächtnis oder Schenkung Geld oder Sachwerte zugewendet, hat sie Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu entrichten, falls die Zuwendungen den maßgeblichen Freibetrag von 20.000 Euro übersteigen ( 16 Abs. 1 Nr. 7 ErbStG). 4.4. Grundsteuer Gemeinnützige Körperschaften sind von der Grundsteuer befreit, wenn nach dem Grundsteuergesetz (GrStG) folgende Voraussetzungen erfüllt sind ( 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Satz 2 GrStG): 1. Der Grundbesitz muss einer gemeinnützigen Körperschaft gehören. 2. Der Grundbesitz muss von dem Eigentümer selbst oder von einem anderen begünstigten Rechtsträger für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke genutzt werden. Grundstücke einer gemeinnützigen Körperschaft unterliegen der Grundsteuer, wenn sie einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb dienen oder zu Wohnzwecken genutzt werden. 4.5. Grunderwerbsteuer Das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) kennt keine spezielle Befreiung der Grundstückserwerbe von gemeinnützigen Körperschaften. 4.6. Behandlung von Spenden und Mitgliedsbeiträgen Alle als steuerbegünstigt anerkannten Körperschaften sind berechtigt, steuerbegünstigte Spenden entgegenzunehmen und hierüber Zuwendungsbestätigungen auszustellen. Voraussetzung ist, dass die Körperschaft nach 5 Absatz 1 Nr. 9 KStG von der Körperschaftsteuer befreit ist und der vom Finanzamt wegen Förderung der in 10 b Einkommensteuergesetz (EStG) aufgeführten Zwecke als steuerbegünstigte Körperschaft anerkannt wurde.

Seite 10 Spenden zur Förderung steuerbegünstigter Zwecke können bis zur Höhe von 20 Prozent des Gesamtbetrags der Einkünfte als Sonderausgaben abgezogen werden ( 10 b Absatz 1 EStG). Dabei ist zu beachten, dass die Spenden in keinem Fall einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb der steuerbegünstigten Körperschaft zufließen dürfen. Die Ausgaben müssen für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke bestimmt sein. Die empfangende Körperschaft muss eine Zuwendungsbescheinigung nach amtlichen Muster ausfüllen. Mitgliedsbeiträge sind als Sonderausgaben nach 10 b Absatz 1 EStG abziehbar, allerdings nur, wenn die gemeinnützige Körperschaft Kunst und Kultur im Sinne des 52 Absatz 2 Nr. 5 AO fördert. Echte Mitgliedsbeiträge und Spenden unterliegen bei der empfangenden gemeinnützigen Körperschaft weder der Körperschaftsteuer noch der Gewerbesteuer oder der Umsatzsteuer. (Ende der Bearbeitung)