BLAISE CENDRARS IM HERZEN DER KÜNSTE



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Transkript:

PRESSE DOSSIER BLAISE CENDRARS IM HERZEN DER KÜNSTE Ausstellung vom 16. November 2014 bis 1. März 2015 Eröffnung um 18 Uhr am Samstag den 15. November 2014 AUSSTELLUNGSEINFÜHRUNG... 2 AUSSTELLUNGSPLAN... 4 BESUCH DER AUSSTELLUNG... 5 PRESSEBILDER... 12 PRAKTISCHE INFORMATION... 18 KONZEPT UND UMSTETZUNG... 19 IM ZUSAMMENHANG MIT DER AUSSTELLUNG IM MUSEUM... 22 EINE JAHRESZEIT IM HERZEN DER KÜNSTE.... 24 1

EINLEITUNG Mit seinen Romanen und Erinnerungen wie Gold (L or) oder Auf allen Meeren (Bourlinguer) ist Blaise Cendrars als Schriftsteller des Abenteuers und der Reise schlechthin berühmt geworden. Aber weiss man, dass er einer der wichtigsten Abenteurer der modernen Kunst war? Er soll tausend Leben gelebt haben, und diejenige, während denen er sich mit der Malerei, der Musik, der Filmkunst, der grafischen Gestaltung, dem Ballet, der Werbung und der afrikanischen Kunst auseinandergesetzt hat, sind nicht zu unterschätzen. Das Geheimnis ist so gut gehütet worden, weil Cendrars lange die anregenden und glühenden Anfänge den geduldigen Entwicklungen bevorzugt hat. Er hat es den anderen überlassen, das auszuwerten, was er als Pionier entdeckt hatte. Auch wollte er, gemäss dem Namen den er gewählt hatte, immer dort auferstehen, wo man ihn nicht erwartete, aber wo ein frischer Wind die Glut der Schöpfung unter der Asche entfachen konnte. Jede der zwölf Abteilungen der Ausstellung befasst sich mit einem dieser aufeinanderfolgenden oder parallelen Leben Cendrars: zuerst begegnet man dem angehenden Schriftsteller, der vom Symbolismus geplagt und verfolgt ist. Um die Reise und das Exil zu erwähnen, erfindet er schliesslich eine neue Lyrik und revolutioniert mit Sonia Delaunay die Buchkunst. In ganz Europa veröffentlichen die Zeitschriften der Avantgarde seine zahlreichen elastischen Gedichte, die mit den Werken von Chagall, Robert Delaunay, La Fresnaye und Modigliani im Dialog stehen. Dann folgt der traumatisierende Krieg: Cendrars meldet sich zum freiwilligen Dienst in der Fremdenlegion und kommt 1915 mit einem verstümmelten rechten Arm zurück. Doch wie der Phönix ersteht ein neuer linkshändiger Schriftsteller, Prophet von einem profond aujourd hui, wo der Zauber der frühen Kunst und die Wunder der modernen Welt gemeinsam erscheinen. Blaise Cendrars sucht unaufhörlich das Neue und spielt so eine wichtige, wenn auch schwer definierbare Rolle in der Kunstwelt. Er weckt Talente und Ideen, die nur auf ihn zu warten schienen, um ans Licht zu kommen. So träumt er von Musik mit Honegger, Milhaud, Satie und Stravinsky, vom Film mit Fernand Léger und Abel Gance, oder von Werbung und Typografie mit dem Plakatgrafiker Cassandre. Der grosse Erfolg des Romanciers und Reporters der 30er Jahre rückt paradoxerweise diese stürmische künstlerische Aktivität in den Hintergrund. Bis diese nach einer neuen Verwandlung des Schriftstellers wieder auftaucht: in seinen Erinnerungen, die Erinnerungen sind, ohne Erinnerungen zu sein, wird sie, in der Dunkelkammer der Fantasie verwandelt, zum Stoff des literarischen Werks. An Hand der 400 ausgestellten Bilder, audiovisuellen Auszüge und seltenen Dokumente, zeigt die Ausstellung das Zusammentreffen der verschiedenen Kunstformen im stetigen Dialog mit dem Schriftsteller. KURATOR Gabriel Umstätter In Zusammenarbeit mit dem Schweizerischen Literaturarchiv (Schweizerische Nationalbibliothek) und Miriam Cendrars. 2

LEIHGEBER Bibliothèque Nationale Suisse ( Fonds Blaise Cendrars, Archives littéraires suisses), Berne; Bibliothèque d art et d archéologie (Musées d art et d histoire), Genève ; Bibliothèque du Conservatoire de musique, Genève ; Bibliothèque Jean Bonna, Genève ; Bibliothèque de la Ville, La Chaux-de-Fonds; Bibliothèque publique et universitaire, Neuchâtel ; Centre Pompidou, Musée national d art moderne / Centre de création industrielle, Paris; Cinémathèque française, Paris; Collection de l Art Brut, Lausanne ; Collections d art de la Confédération, Berne ; Collection François Ditesheim, Neuchâtel; Dansmuseet, Stockholm; Fondation Beyeler, Bâle; Fluxum Foundation, Genève ; Kunsthaus, Zurich; Kunstmuseum, Soleure; Kunstmuseum Fondation Im Obersteg, Bâle; Lobsters Films ; Matik SA, Etagnières; Merzbacher Kunststiftung; MK2, Paris ; M.T. Abraham Foundation, Paris ; Musées d art et d histoire, Genève; Musée d histoire naturelle, La Chaux-de-Fonds ; Musée du Petit Palais, Genève; Musée Picasso, Paris; Pathé, Paris ; SKF Machine Tools Competence Center, Fribourg; Société des amis du Musée des beaux-arts, La Chaux-de- Fonds; Collections et fondations privées 3

AUSSTELLUNGSPLAN Raum 8 Einleitung: Leben und Gesichter von Blaise Cendrars Raum 9 1. Vor Cendrars Raum 10/11 2. Im Käfig der Meridiane Raum 12 3. Die Avantgarde und Publikation Raum 13 4. Elastische Gedichte Raum 14 5. Ich tötete 6. Der Eubage 7. Das ABC der Filmkunst 8. Entartete Sonnette Raum 15 9. Die Schöpfung der Welt 10. Das gefährliche Leben 11. Die sieben Wunder der modernen Welt 12. Die Dunkelkammer der Fantasie Epilog. Von Breite Null Eingangshalle Unter dem Zeichen von Orion 4

BESUCH DER AUSTELLUNG 1. Vor Cendrars Die Kindheit von Frédéric Sauser, dem zukünftigen Blaise Cendrars, wird von den Ungewissheiten der Unternehmerkarriere seines Vaters bestimmt. Seine Geschäfte, die sehr unterschiedlich sind und sehr oft unglücklich scheitern, zwingen die Familie, häufig umzuziehen: so sind sie stets zwischen La Chaux-de-Fonds, Neapel, Bern und Neuenburg unterwegs. Um ihren jüngsten Sohn vor dieser Unsicherheit zu schützen, lehrt ihn die Mutter, die selbst an dieser Unsicherheit erkranken wird, lesen und Klavier spielen. Er wird ein begabter Organist und träumt eine Zeit lang von einer Karriere als Komponist, bevor die Leidenschaft für die Bücher wichtiger wird. Der Beginn dieser Leidenschaft führt zu den illustrierten naturwissenschaftlichen Bildbänden seiner Mutter zurück, dann wird sie durch die Bücher der väterlichen Bibliothek entfacht. Als er später mit einer dreijährigen Lehre als kaufmännischer Angestellter bei einem Juwelier in Sankt Petersburg seine kosmopolitische und ungeordnete Ausbildung beendet, erhalten die Werke der kaiserlichen Bibliothek diese Leidenschaft lebendig. 1907 kommt er als lernender Schriftsteller in die Schweiz zurück und beschliesst, auf die Universität Bern zu gehen, wo er unter anderem Medizin studiert. Ist es sein Interesse für die Psychiatrie die ihn dazu führt, das Institut der Waldau zu besuchen? Dort begegnet er einem noch unbekannten Künstler der Art Brut, Adolf Wölfli, der in vieler Hinsicht an den Helden des späteren Romans Moravagine erinnert. Jedenfalls lernt er an der Philosophischen Fakultät die junge Polin Féla Poznanska kennen, die seine Gefährtin der ersten Bohème- Jahre sein wird und die ihn schon zu einigen Gedichten inspiriert, die noch stark vom Symbolismus geprägt sind. Sie wird auch einen Einfluss auf seinen malerischen Geschmack haben, wie es noch 1912 die Beschreibung einer Theaterdekoration für ein unveröffentlichtes Stück zeigt. 2. Im Käfig der Meridiane Blaise Cendrars ist eigentlich in New York geboren, wo er nach mehreren Monaten der Armut und des Vagabundierens zwischen Brüssel, Paris und Sankt Petersburg seiner Gefährtin Féla nachgereist ist. Die Einsamkeit und Entmutigung der Osternacht 1912 inspirieren ihn zu einem Gedicht mit einem neuen Tonfall, Ostern (Les Pâques). Es erscheint im gleichen Jahr bei seiner Rückkehr in Paris unter dem Namen Blaise Cendrars und öffnet ihm schnell die Türen zum Kreis der Pariser Avantgarde. Bei Apollinaire begegnet er den Malern Robert und Sonia Delaunay. Aus ihrer Freundschaft und ihren animierten Gesprächen entstammt Die Prosa von der Transsibirischen Eisenbahn und der kleinen Jehanne von Frankreich (La Prose du Transsibérien et de la petite Jehanne de France) erstes simultanes Buch, in dem auf einer Länge von zwei Metern freier Vers und bunte Rhythmen im Dialog stehen. Hat Cendrars während seiner russischen Jugend wirklich die Gelegenheit gehabt, die legendäre Reise in der Transsibirischen Eisenbahn zu machen? Mit seiner berühmten Antwort an Pierre Lazareff weicht er endgültig dieser Frage aus: Das kann Dir doch egal 5

sein, da ich Euch alle mit auf die Reise genommen habe. Niemand hat ihn jedoch gefragt, was gut vorstellbar ist, ob er tatsächlich mit seinen Eltern in einen der Wagen des berühmten Panorama der Transsibirischen Eisenbahn der Weltausstellung von 1900 in Paris gestiegen ist... Tatsache ist, dass er zehn Jahre später, in Amerika, immer noch von Eisenbahnen träumt: er hat Fahrpläne und Streckenpläne aufbewahrt, mit denen er schliesslich sein drittes wichtiges Gedicht illustriert, Panama oder die Abenteuer meiner sieben Onkel (Panama ou les aventures de mes sept oncles). Hier bezieht die Reiselegende zum ersten Mal seine Familie und die ganze Welt ein. 3. Die Avantgarde in Zeitschriften Lange ist Cendrars nur im Kreis der Avantgarde bekannt. Aber dank den Beziehungen von Apollinaire und dem Ehepaar Delaunay stellt man seine Prosa von der Transsibirischen Eisenbahn in Berlin und Sankt Petersburg vor, während seine Artikel und Gedichte im Inhaltsverzeichnis von Montjoie! oder Soirées de Paris erscheinen, sowie in deutschen expressionistischen Zeitschriften (Der Sturm, Die Aktion). Cendras erlangt schnell internationalen Ruhm und der Krieg unterbricht diese Verbreitung nicht. Ohne dass er es weiss, werden seine Gedichte in zahlreichen Zeitschriften publiziert: in den dadaistischen (Cabaret, Voltaire), den expressionistischen (Der Sturm), den futuristischen oder postfuturistischen (Noi, Valori Plastici). Diese italienischen Futuristen wird Cendrars, der die Rivalitäten zwischen den avantgardistischen Bewegungen dieser Zeit nicht vergessen hat, noch 1949 in seiner Rhapsodie der Nacht (Lotissement du ciel) verspotten... Nach dem Krieg sträubt sich Cendrars jedoch immer mehr gegen gemeinsame organisierte Abenteuer. 1919, in seiner Kunstrubrik der Rose rouge, lobt er seine Maler, alle Individualisten oder Regelwidrige, kündigt aber das Ende der einzigen wichtigen, noch erhaltenen Schule der Vorkriegszeit ( Le Cube s effrite ) an. Seine Freundschaft zu Cocteau, Soupault oder Picabia zieht ihn nicht in den heftigen Kampf zwischen Dadaisten und Surrealisten ein. In den 20er Jahren gibt er weiterhin seine Texte jungen, unabhängigen Zeitschriften, verzichtet dennoch nicht auf die Einkommen, die er mit einigen Veröffentlichungen in luxuriöseren Zeitschriften, zu denen sein Ruhm als Romancier nach und nach Zugang verschafft, erzielen kann. 4. Elastische Gedichte Die Neunzehn elastischen Gedichte (Dix-neuf poèmes élastiques), die fast alle zwischen 1913 und 1914 entstanden sind, sind Gelegenheitsgedichte, mit denen Cendrars in einer avantgardistischen Debatte Stellung nimmt, auf die Entdeckung eines Kunstwerks reagiert, blitzschnell eine Emotion ausdrückt oder den Zeitgeist erfasst. Sie sind in Zeitschriften oder Ausstellungskatalogen erschienen, bevor sie 1919 mit diesem Titel vereint werden. Der Titel unterstreicht ihre grosse Plastizität in Gebrauch und Form, von der intimen Beichte zur literarischen, experimentellen Collage. Zusammengenommen kann man sie wie ein Logbuch lesen, wie es der Titel des Gedichts suggeriert, in dem Cendrars erwähnt, dass er selbst Maler werden wollte. Diese kurze Erfahrung bleibt ohne Folgen, obwohl Delaunay ihn zum Weitermalen ermutigt. Es entstehen ausschliesslich acht erstaunliche Ölgemälde, diejenige eines Amateurs, der über die allerletzten Tendenzen der Avantgarde im Bilde ist. Die Maler bilden ein vorzügliches Thema für seine Gedichte : das Ehepaar Delaunay, La Fresnaye, Léger und vor allem Chagall, einer der allerersten, dem Cendrars in der Ruche de 6

Montparnasse begegnet ist, als er nur Russisch sprach, und der ihn darum gebeten hat, seinen ersten wichtigen Gemälden französische Titel zu geben. Die Gedichte sind aber populäreren Kunstarten nicht abgeneigt : von Fantômas, für welchen 1913 Plakate die Kinoverfilmung von Louis Feuillade ankündigen, zu den Riesenwerbungen, die man überall in der Stadt sieht und die Cendrars an die Kalligramme von Guillaume Apollinaire, sein Freund und Rivale in Sachen Modernität, erinnern. 5. Ich tötete Cendrars unterschreibt den Appell an die ausländischen Künstler und meldet sich bei der Fremdenlegion. Bis zum Herbst 1915 erlebt er den Krieg und seine mörderische Absurdität in vorderster Linie. Dann wird er schwer verletzt und verliert seinen rechten Arm. 1916 ist ein schreckliches Jahr, er verbringt viel Zeit mit Modigliani: sie trinken, sind ohne Halt. Im Herbst erscheint Der Krieg im Luxemburg (La guerre au Luxembourg), ein Gedicht voller ernüchterter Ironie, in dem Kinder vorkommen, die Krieg spielen. Moïse Kisling, ein anderer Überlebender, illustriert den Text. Hat Cendrars die Fotografien von Léon Gimpel gesehen, die im Herbst 1915 In Lecture pour tous erschienen sind und ein ähnliches Thema haben? Auf jeden Fall interessiert er sich für die Fotografie, wenn man sich auf Die rote Lilie (La main coupée) (1949) bezieht. In diesem Roman erzählt Cendrars, dass er der Zeitschrift Le Miroir Fotografien von der Front geschickt hat. Er interessiert sich auch für den Film und erhält einen Einblick darin, als er im Kriegsfilm Ich klage an (J accuse) (1918-19) den Statisten spielt und Abel Gance beim Drehen assistiert. Das Projekt für Die rote Lilie (La main coupée) entsteht schon direkt nach dem Krieg, aber Cendrars braucht mehr als dreissig Jahre, um den Roman zu schreiben. Dennoch erscheint schon 1918 ein Text über seine Kriegserfahrung: Ich tötete (J ai tué). Fernand Léger illustriert den Text und lässt sich direkt von Bildern inspirieren, die er an der Front gemalt hat. Cendrars Worte drücken Wut aus, das Buch hat etwas Störendes, ist scharfsinnig und halluzinierend zugleich. Es hat manches mit Le profond aujourd hui (1917) gemeinsam, einem anderen Prosagedicht aus dieser Zeit, in der sich ein neuer Schriftsteller erfindet. Ich tötete schliesst mit folgenden Worten: Ich habe einen Sinn für Realität, ich, der Dichter. Ich handelte. Ich tötete. Wie derjenige, der leben will. 6. Der Eubage Im September 1917, in seiner schönsten Nacht der Dichtung, schreibt Cendrars in einem Zug La Fin du monde filmée par l Ange Notre-Dame und fühlt sich zum linkshändigen Dichter wiedergeboren. Mehrere Doppelgänger streifen um diesen Text umher : der beunruhigende Moravagine, der ihn seit dem Krieg verfolgt und den Cendrars eine Zeit lang als Urheber des Textes betrachtet, aber auch der Eubage, geheimnisvoller Druide, Dichter der Moderne, für den er, Monat für Monat, im Auftrag des Schneiders und Mäzens Jacques Doucet die interstellare Reise zu den Antipoden der Einheit erfindet. Diese Erzählung hat verschiedenartige Quellen, vereint Alchemie und wissenschaftliches Imaginäre, macht Mikrokosmos und Makrokosmos gleich. Er beschreibt eine Reise im Stillstand, einen psychedelischen oder mystischen Trip, wo an einer neuen, widersprüchlichen Identität gebastelt würde. 7

Eine der Quellen dieser Reverie ist die junge Filmkunst, wo alles noch möglich scheint: man kann den Lauf der Zeit umkehren, eine neue Wahrnehmung und sogar eine neue Realität können durch den Schnitt entstehen. Im Hinterland des Himmels (L Eubage) ist so zum Teil selbst eine Collage, die mehrere verfremdete Fragmente beinhält, darunter das Projekt für einen Artikel über einen erstaunlichen Film : die Rythmes colorés des Malers Leopold Survage, Projekt für einen abstrakten Film, das 1914 der Akademie der Wissenschaften mitgeteilt worden ist und dessen Realisation der Krieg endgültig unterbrochen hat. Es bleiben jedoch mehr als hundert Schlüsselbilder übrig, die auf der ganzen Welt verstreut sind, und Cendrars Beschreibung, die auf vorbereitenden Bildern basiert, die Survage ihm in der richtigen Reihenfolge gezeigt hat. Diese Schlüsselbilder könnten heute eine der wichtigsten Quellen sein, um endlich eine animierte Filmversion zu realisieren. 7. Das ABC der Filmkunst Der Film ist eine der grossen Leidenschaften von Cendrars gewesen. Er hat ihn zuerst zu neuen literarischen und grafischen Formen inspiriert, wie in La fin du monde filmée par l Ange Notre-Dame (1919), von Fernand Léger illustriert. Er inspiriert ihn auch zu einem Manifest, L ABC du cinéma (1919-1926), in dem die messianische Auffassung einer experimentellen Filmkunst zum Ausdruck gebracht wird, die das Leben und die Kunst revolutionieren könnte. Wo kann man Spuren dieser sehr hohen Ambitionen finden? Im Ballet mécanique (Das mechanische Ballet) (1923), dem berühmten Film von Léger, mit dem er zu dieser Zeit so viele ästhetische Ansichten teilt. In den innovativeren Szenen von La Roue (Das Rad) (1920-1921), Film von Abel Gance für den er dem Regisseur assistiert hat, ohne dass man seine Rolle und Einfluss genau bestimmen kann. Man weiss nur, dass er Abel Gance dazu überredet hat, dem jungen Honegger die musikalische Begleitung zu überlassen von der er später eine seiner berühmten Kompositionen entnehmen wird, Pacific 231 und dass er ein originelles Making-of des Films gedreht hat. Ausser diesem Kurzfilm hat Cendrars auch selbst einen Film in Rom gedreht, La Vénus noire (Die schwarze Venus). Dieser Film war nur sehr kurze Zeit im Kino zu sehen und scheint heute verloren zu sein. Trotz vieler Projekte gelingt es dem Schriftsteller aber nicht, die Filmkarriere, von der er in den 20er Jahren träumt, zu starten. Die Verfilmung von Gold wird ohne ihn realisiert und schliesslich verkörpern seine Doppelgänger in Dan Yack oder Une nuit dans la forêt (Eine Nacht im Wald) am besten seine Träume, die zu schön oder zu störend waren, um den Belanglosigkeiten der Realität zu widerstehen. 8. Entartete Sonnette Die Literatur ist immer der Schwerpunkt des künstlerischen Schaffens von Cendrars gewesen, aber leben konnte er selten davon. Er hat so immer wieder Nebenbeschäftigungen gehabt, die dem Broterwerb dienten, aber trotzdem eine gewisse Qualität aufwiesen. So nimmt Cendrars 1916, bei seiner Rückkehr von der Front, an verschiedenen Unternehmen teil, die aus ihm eine Schlüsselfigur der künstlerischen Szene machen, wo sich schon die neuen Tendenzen der Nachkriegszeit vorbereiten. So ist er Direktor der Literatur- und Kunstsammlung bei dem Verlag La Sirène, wo er Lautréamont neuherausgeben, oder Partituren von Satie und Stravinsky erscheinen lässt. Mit Moïse Kisling organisiert er im Rahmen des Vereins «Lyre et Palette» Konzerte, Lesungen und Ausstellungen im Künstleratelier an der rue Huyghens 6, in Montparnasse. 8

Dort trifft und unterstützt er ganz junge Musiker, alle Verehrer seines Freundes Erik Satie. Unter ihnen befindet sich Jean Cocteau, der zu der Zeit in mehreren Punkten den Spuren Cendrars folgt: er wird sein Nachfolger im Verlag La Sirène sein, wird unter dem Namen Groupe des Six die Promotion machen. Die sechs sind Auric, Honegger, Milhaud, Poulenc, Tailleferre und der äusserst diskrete Louis Durey, der Cendrars Gedicht Le Musickissme vertont. Dieses Gedicht ist eines der drei entarteten Sonnette, die Cendrars zu dieser Zeit in der künstlerischen Ader der Dadaisten entwirft und die, wie eine letzte Erinnerung an die elastischen Gedichte der Vorkriegszeit, Jean Cocto, Erik Satie oder dem Zirkus Médrano gewidmet sind. In diesen Zirkus geht Cendrars gern mit dem Dichter Max Jacob oder seinem Komplizen Fernand Léger, der eben von der Front zurückgekehrt ist. 9. Die Schöpfung der Welt Das profond aujourd hui von Cendrars rühmt die technischen Fortschritte der modernen Welt, integriert aber auch einen anderen, überraschenden Aspekt davon: die plötzliche Nähe einer faszinierenden Andersartigkeit, von Afrika bis zum Amerika der Maya, die für das abendländische Publikum noch nie so nah gewesen ist. Diese paradoxe Neuheit braucht einen Vermittler, und Cendrars ist derjenige der afrikanischen Kultur. Mit den Märchen und Legenden seiner Anthologie nègre (1921) macht er deren Reichtum über den visuellen Schock der grossen Fetische hinaus bekannt. Diese Kultur hat sein Interesse geweckt, wie es Gedichte aus dem Jahre 1916 deutlich machen, die er vielleicht zum Anlass einer Ausstellung an der rue Huyghens geschrieben hat. In dieser Ausstellung sah man zum ersten Mal nebeneinander Werke westlicher Künstler und afrikanische Skulpturen, von dem Händler Paul Guillaume geliehen. Paul Guillaume, der ein Spezialist der afrikanischen Kultur sein wird, bittet Cendrars, 1919 ein Negerfest in seiner Galerie zu organisieren, um diesen neuen Markt zu fördern. Auf dem Programm steht ein afrikanischer Tanz ( danse nègre ), erster Entwurf einer Aufführung, die 1923 einen Skandal verursachen wird: La Création du monde (Die Schöpfung der Welt), von den Ballets suédois von Rolf de Maré inszeniert. Diese Schöpfung ist eine Zusammenarbeit zwischen Cendrars, der einer afrikanischen Legende der Ursprünge das Plot entnommen hat, dem Choreografen Jean Börlin, dem Musiker Darius Milhaud und Fernand Léger, der für das Bühnenbild und die Kostüme verantwortlich ist. Folglich ist es nicht erstaunlich, dass Marie Vassilieff einen afrikanischen Fetisch wählt, um Cendrars in ihrer Galerie der Puppenporträts von Künstlerfreunden darzustellen. 10. Das gefährliche Leben In der ersten Hälfte der 20er Jahre fühlt sich Cendrars immer mehr in den Pariser Künstlermilieus eingeengt. Seine Versuche in der Filmkunst sind halb gescheitert, die ideologische Wendung, die die surrealistische Bewegung nimmt, indem sie sich immer mehr der kommunistischen Partei nähert, missfällt Cendrars, der ein fanatischer Individualist ist. Cendrars träumt davon, ein Geschäftsmann zu werden, wie sein brasilianischer Freund Paolo Prado. Und warum nicht in Brasilien, diesem neuen Land, in das sein Freund ihn einlädt. 1924 fährt er nach Brasilien, wo er, weit weg von den Pariser Cliquen, von einer jungen Generation stürmischer Künstler, auf der Suche nach einer spezifisch brasilianischen modernen Kunst, wie ein Held empfangen wird. Es folgt eine Initiationsreise, die Cendrars 9

und seine Gastgeber verwandelt, wie es zwei miteinander verwandte Bücher zeigen: das modernistische Manifest Pau Brasil des Dichters Oswald de Andrade und der letzte Gedichtband von Cendrars, Feuilles de route. Der Maler Tarsila do Amaral, dessen Karrierebeginn Cendrars unterstützt, hat beide Bücher illustriert. Für die Brasilianer ist es der Beginn einer künstlerischen Revolution, die zur Anthropophagie-Bewegung führt. Für Cendrars ist es der Beginn einer langen Liebesgeschichte zwischen ihm und Brasilien: er wird zweimal in dieses Land zurückkehren, das ihn zu zahlreichen Texten inspirieren wird. Zugleich ist es der Beginn einer neuen Karriere des Schriftstellers: nach seiner ersten Reise schreibt und veröffentlicht er den Roman Gold (L or), der ihn bei einem breiten Publikum bekannt macht und ihn zu einer Karriere als Romancier führt, später als Reporter, der das Prestige des Abenteuers und der weiten Ferne geniesst. 11. Die sieben Wunder der modernen Welt 1927 zählt Cendrars die sieben Wunder der modernen Welt auf. Darunter befindet sich kein Kunstwerk, mit der Ausnahme von der Musik von Satie, die man endlich hören kann, ohne sich an den Kopf zu fassen. In Aujourd hui (1931), Textsammlung der zehn vorhergehenden Jahre, die auch eine Art Bilanz ist, fügt er den Artikeln von 1919 über die moderne Malkunst einen Anhang mit dem Titel Pour prendre congé des peintres ( Um sich von den Malern zu verabschieden ) hinzu. Dort drückt er seine Enttäuschung über die Entwicklung der Kunst seiner Zeit aus: Gibt es unter all den Malern der Salons, der kleinen Kreise, der Schulen, der Sammler und der Kunsthändler einen Menschen, einen einzigen, der dazu fähig ist, die rue La Boétie nicht mehr zu betreten und in ein Schiff oder ein Flugzeug zu steigen? Cendrars begeistert sich dagegen für die Werbung, vor allem für die Plakate und die typografischen Werke von Cassandre. 1935 gestaltet Cassandre für Cendrars den Umschlag von Panorama de la pègre und der Schriftsteller rühmt ihn in Le spectacle est dans la rue, luxuriöser Bildband von Werbungsplakaten, vom Drucker Draeger herausgegeben. Vielleicht stammen auch Cendrars Skizzen für ein Werbeprojekt in Zusammenhang mit einem Druckbuchstaben, den Prestige, den Cassandre nicht kennt, aus dieser Zeit. Ihre Zusammenarbeit, die wenig dokumentiert ist, führt mindestens an den Anfang der 20er Jahre zurück: Cendrars hat für die Giesserei Deberny & Peignot an der Gestaltung des Exemplars des Bifur teilgenommen, der emblematische Druckbuchstabe von Cassandre, wahres modernistisches Manifest der französischen Typografie. 12. Die Dunkelkammer der Fantasie Am Ende der 30er Jahre haftet das Abenteurerimage fest an Cendrars, er schreibt Nachrichten und Reportagen für die Presse und befürchtet, sein Werk verfehlt zu haben. Nach der französischen Niederlage lässt er sich diskret in Aix-en-Provence nieder, wo er während drei Jahren nicht mehr schreibt. Dann wird er erneut wiedergeboren, als Schriftsteller von Erinnerungen, die Erinnerungen sind, ohne Erinnerungen zu sein. Die vier Bände, an denen er unaufhörlich von 1943 bis 1949 schreibt, ziehen ihren Stoff aus den Erinnerungen seiner zahlreichen, vergangenen künstlerischen Erfahrungen, aber auch aus neuen Werken, wie die Stiche des Malers Valdo Barbey, Bindestrich zum Roman Bourlinguer (Auf allen Meeren) (1948), oder aus den Fotografien von Robert Doisneau, der 10

den Schriftsteller fotografiert hat, bevor er eng mit ihm für den Bildband La banlieue de Paris zusammengearbeitet hat. Aber diese Erinnerungen sind vor allem ein grosses Labor, wo die Erinnerungen, die Epochen und die Orte fusionieren und sich in eine literarische Realität verwandeln, die wahrer sein soll als die ursprüngliche Realität. Dieser Prozess ist zum Beispiel in Lotissement du ciel (Rhapsodie der Nacht) offensichtlich, wenn Cendrars erzählt, wie er, noch Lehrling bei einem Juwelier in Sankt Petersburg, ein schillerndes Bild aus Edelsteinen zusammenstellt, für das er sich von einer Miniatur des Malers Jean Fouquet aus dem 15. Jahrhundert hat inspirieren lassen. Diese Erfahrung erinnert heimlich an andere: ein zweiter Jean Fouquet, Art Deco Juwelier, hat auch Edelsteine nach Bildern seines Freundes Cassandre zusammengestellt... So kann man die Werke unendlich miteinander verbinden, das Wesentliche ist aber die erstaunliche Aussagekraft dieses Bildes, die das Werk des zeitgenössischen brasilianischen Künstlers Vik Muniz auch ausdrückt. Epilog Im Mittelpunkt dieser Ausstellung stehen die künstlerischen Zusammenarbeiten von Blaise Cendrars und seine direkten Einflüsse. Ein ganzer Teil Cendrars Bilderwelt rückt so in den Hintergrund, könnte aber auch das Thema einer ganzen Ausstellung sein: es handelt sich um die vielen Werke, zu denen seine Bücher Künstler inspiriert haben, die er nur wenig oder gar nicht kannte. Die Saison Cendrars, die die Ausstellung begleitet, verschafft einen Überblick darüber und gibt jungen Künstlern die Gelegenheit, sich mit extrem verschiedenartigen Texten des Schriftstellers auseinanderzusetzen. Mindestens ein Werk sollte die anderen vertreten: es handelt sich um das grosse Polyptychon von Pierre Alechinsky, das diese Rolle des Botschafters übernimmt. Mit dem Bilderzyklus, den es vereint, kann man zugleich das Feld erweitern und den Kreis schliessen. Die Inspiration kommt von Versen des Gedichts Volturno, das Cendrars 1912 in ein Notizbuch niedergeschrieben hat, in das er auch einige Skizzen gemalt hat, als er von Amerika nach Europa zurückgereist ist. Die Verse sind einem einfachen Schiff gewidmet, inmitten des Atlantiks verloren, an dessen Bord ein junger Schriftsteller mit einem ganz neuen Namen sich zum ersten Mal als Dichter der Moderne neu erfindet. Aber diese Verse können auch als Echo auf eines seiner ersten Gedichte betrachtet werden, Épitaphe, das ihn erneut zum Blau des Ozeans zurückführt. 11

PRESSEBILDER 1. FERNAND LÉGER Deux disques dans la ville, 1919 Gouache und Graphit Merzacher Kunststiftung ProLitteris, Zurich, 2014 2. MARIE VASSILIEFF Le Banquet Braque (am 14. Januar 1917), 1929 Mischtechnik auf Karton Privatsammlung Marie Vassilieff 3. BLAISE CENDRARS SONIA DELAUNAY La Prose du Transsibérien et de la petite Jehanne de France, Ed. Hommes Nouveaux, 1913, Werbeumschlag Bibliothèque de la ville de La Chaux-de- Fonds, Suisse Miriam Cendrars / Pracusa S.A. 2014 12

4. BLAISE CENDRARS SONIA DELAUNAY La Prose du Transsibérien et de la petite Jehanne de France, Ed. Hommes Nouveaux, 1913, Detail Bibliothèque de la ville de La Chaux-de- Fonds, Suisse Miriam Cendrars / Pracusa S.A. 2014 5 ÉTIENNE DELESSERT Portrait de Blaise Cendrars, série "Suisse flamboyante", 1997 Acryl auf Holz Kunstsammlung des Bundes, Bern ProLitteris, Zurich, 2014 6. MARC CHAGALL La Naissance, 1910 Öl auf Leinwand Kunsthaus, Zurich ProLitteris, Zurich, 2014 13

7. AMEDEO MODIGLIANI Portait de Blaise Cendrars, 1918 Öl auf Karton Reproduction photoaisa, Esplugues de Llobregat 8. AMEDEO MODIGLIANI Portrait de jeune femme, 1918-1919 Öl auf Leinwand Musée des beaux-arts La Chaux-de-Fonds Sammlung Madeleine und René Junod 9. MAX JACOB Au cirque, 1912 Öl auf Leinwand Musée du Petit Palais, Genève Sammlung Association des Amis du Petit Palais, Genève Abbildungsnachweise : Studio Monique Bernaz, Genève ProLitteris, Zurich, 2014 14

10. MOÏSE KISLING Nature morte aux fruits, 1913 Öl auf Leinwand Musée du Petit Palais Sammlund Association des Amis du Petit Palais, Genève Abbildungsnachweise : Studio Monique Bernaz, Genève ProLitteris, Zurich, 2014 11. SONIA DELAUNAY Maquette originale du catalogue de l'exposition "Sonia Delaunay-Terk, Paris- Stockholm", 1916 Privatsammlung Pracusa S.A. 2014 12. LÉOPOLD SURVAGE Etude des tons, premier Rythme coloré, 1912 Tinten auf Papier Privatsammlung Urheberrechte L. Survage 15

13. HENRI HAYDEN Portrait de Kisling, 1914 Öl auf Leinwand Musée du Petit Palais, Genève Sammlung Association des Amis du Petit Palais, Genève Abbildungsnachweise : Studio Monique Bernaz, Genève ProLitteris, Zurich, 2014 14. VIK MUNIZ Louise Brooks (Pictures of Diamonds), 2005 Fotographie Galerie Xippas, Paris / Vik Muniz Studio, New-York 15. LEONETTO CAPPIELLO OXO 1911 Plakat Musée des arts décoratifs, Paris 16

16. LÉON GIMPEL La guerre des gosses : Les troupes prennent un repos bien gagné tout en savourant les sucres d'orge distribués par l'opérateur, Paris, 5 septembre 1915 Autochrome Société française de photographie, Paris ProLitteris, Zurich, 2014 AUSSCHLIESSLICH FÜR SCHRIFTLICHE PRESSE VERBREITUNG (KEINE INTERNET VERBREITUNG) 17. PIERRE ALECHINSKY Le Volturno, 1989 Tuschmalerei auf Papier / Leinwand Detail Archives P.A. 17

18. PIERRE ALECHINSKY Le Volturno, 1989 Tuschmalerei auf Papier / Leinwand Detail Archives P.A. 19. FERNAND LÉGER L'Horloge, 1918 Öl auf grobem Stoff Sammlung der Fondation Beyeler, Riehen (Basel) ProLitteris, Zurich, 2014 20. BLAISE CENDRARS FERNAND LÉGER J'ai tué, Paris, La Belle Edition, Illustrationen de F. Léger, 1918 Das Pressedossier und Angaben zu den Urheberrechten sind erhältlich ab 30. Oktober 2014 unter www.mbac.ch. 18

PRAKTISCHE INFORMATIONEN Musée des beaux-arts de La Chaux-de-Fonds Öffnungszeiten : Dienstag bis Sonntag 10.00-17.00 Uhr (freier Eintritt Sonntagmorgen 10.00 bis 12.00 Uhr) Rue des Musées 33, CH - 2300 La Chaux-de-Fonds www.mbac.ch e-mail : mba.vch@ne.ch Tél. + 41 32 967 60 76 (Sekretariat, Di-Fr 8h30-12h00) Tél. + 41 32 967 60 77 (Empfang, Di-So 10h00-17h00) Fax +41 32 722 07 63 19

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