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2 SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Der Fluch der braunen Bohnen Kaffeeernte auf der Finca San Jaime Autor: Redaktion: Andreas Boueke Ralf Kröner Sendung: Wiederholung: 20.10.10 um 10.05 Uhr in SWR2 27.08.12 um 10.05 Uhr in SWR2 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Mitschnitte der Sendungen SWR2 Tandem auf CD können wir Ihnen zum größten Teil anbieten. In jedem Fall von den Vormittagssendungen. Bitte wenden Sie sich an den SWR Mitschnittdienst. Die CDs kosten derzeit 12,50 Euro pro Stück. Bestellmöglichkeiten: 07221/929-26030. Einfacher und kostenlos können Sie die Sendungen im Internet nachhören und als Podcast abonnieren: SWR2 Tandem können Sie ab sofort auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. Mit dem Infoheft SWR2 Kulturservice sind Sie stets über SWR2 und die zahlreichen Veranstaltungen im SWR2-Kulturpartner-Netz informiert. Jetzt anmelden unter 07221/300 200 oder swr2.de 1

MANUSKRIPT Atmo Kaffeeernte Reporter: Como te llamas tu? Wie heißt Du? Reporter: Y los chiquitos aquí, que edad tienen los más chiquitos? Die Kleinsten hier, wie alt sind die? Siete anos y el 10, 11 anos. Aquí por temprana edad. Sieben Jahre, zehn und elf. Hier arbeiten schon die ganz Kleinen. Während der Erntezeit ist es in Guatemala kein Problem, Kinder zu finden, die auf Kaffeefeldern arbeiten. Auf den größeren Plantagen sind oft Hunderte Jungen und Mädchen beschäftigt. Von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang stehen sie zwischen den Pflanzen und pflücken die roten Kaffeekirschen. Sehr viel schwieriger ist es, unter ihnen einen geeigneten Gesprächspartner für Interviews zu finden. Viele der Kleinen sind so schüchtern, dass sie kein Wort rausbringen. Oder sie verstehen kein Spanisch, weil sie nur eine der 22 verschiedenen Mayasprachen sprechen. Manche haben wohl Angst vor mir, weil ich so groß bin. Womöglich haben sie noch nie zuvor einen Ausländer gesehen. Aber der vierzehnjährige José ist anders. Auch er ist anfangs schüchtern, doch schnell wird deutlich, dass er Lust hat zu reden. Er will von seinem Leben berichten, von der Armut, der Ausbeutung. Als ich dann auch noch seinen kleinen Bruder Miguel kennenlerne - pfiffig und charmant - ist klar, dass ich meine Reportage über diese beiden Jungs machen werde. Por la necesidad. Nosotros nos levantamos a las tres de la manana y nos venimos como a las siete de la manana y cortamos. Wir müssen arbeiten, wegen der Armut. Wir stehen um drei Uhr morgens auf und kommen um sieben her, um Kaffee zu pflücken. Reporter : Tu sabes quien es el patron, el dueno de esta finca aqui? Weißt Du, wem diese Finca gehört? Don Jaime. Reporter: Que crees, como es la vida de los hijos de Don Jaime, o los nietos? Was meinst Du, wie ist das Leben der Kinder von Don Jaime oder das seiner Enkel? Viven manejando aviones y carros, viendo sus terrenos. Die fliegen mit Flugzeugen und fahren Autos, um ihre Ländereien anzuschauen. 2

Musik: Juan Luis Guerra: Ojala que llueva café... Miguel ist acht Jahre alt. Seine Hose hat mehrere Löcher, eins direkt über der linken Pobacke. Entweder hat er das noch nicht bemerkt oder es ist ihm egal. Wenn er sich reckt und streckt, um an die Kirschen der Kaffeepflanzen zu gelangen, kann man sowieso sehen, dass er keine Unterhose trägt. A veces estamos muy enojados... Manchmal sind wir richtig wütend, aber manchmal ist auch alles gut. Es gibt Tage, da haben wir genug zu essen, und andere, da haben wir nicht genug. Dann schimpfen wir. [lacht..., macht sich über sich selbst lustig...] Wir wollen essen, weil uns der Magen wehtut. Aber es gibt nichts zu essen. Miguel trägt keine Schuhe, dafür aber eine Schirmmütze, auf der in dicken Lettern der Werbeslogan einer politischen Partei steht: Gemeinsam für den Fortschritt! Beim Pflücken hat er sich den rechten Unterarm an einem Ast blutig gekratzt. Nun sitzt er im Schatten eines Kaffeestrauchs und leckt über die Wunde. A veces en la cosecha... Manchmal hängen nur wenige Kirschen am Strauch. Dann strengt man sich fast umsonst an. Ich denke, unser Leben sollte nicht so sein. Miguels Bruder José hat gelernt, bei der Ernte ein Lasso zu Hilfe zu nehmen: Geschickt schwingt er das Seil um die Spitze einer Kaffeepflanze, zieht sie herunter und bindet das Ende an einen Stumpf am Boden. So kann er die Kirschen pflücken, ohne sich allzu sehr recken zu müssen. Viene el dolor... Nachmittags habe ich manchmal Bauchschmerzen, weil wir nicht genug gegessen haben. Wenn ich nach Hause komme, habe ich auch Kopfschmerzen, weil ich so erschöpft bin. Oft bin ich enttäuscht, weil wir nur wenig gepflückt haben. Dann reicht der Verdienst nicht für eine ordentliche Mahlzeit. Wenn abends mein ganzer Körper weh tut, dusche ich nur schnell und esse gar nichts mehr, weil ich so müde bin. Josés Mutter, Doña Marta, steht ein paar Meter von ihren Söhnen entfernt. Schnell und mit offensichtlicher Routine lässt sie die gepflückten Kaffeekirschen in einen Korb fallen, den sie sich vor ihre Hüfte gebunden hat. Für sie ist es normal, dass alle ihre Kinder von klein auf arbeiten. Sie selbst hat auch schon als junges Mädchen gearbeitet. Die Last der Verantwortung steht ihr ins Gesicht geschrieben. 3

Dona Marta: Estamos aqui con ellos... Sprecherin Overvoice: Wir kämpfen mit den Kindern ums Überleben. Es geht ja nicht anders. Die Kleinen müssen das Arbeiten lernen, um Geld zu verdienen. Doña Marta schaut schüchtern auf den Boden. An ihren schmutzigen, mit Risswunden übersäten Füßen, trägt sie einfache Plastiksandalen mit kaputten Riemen. Dona Marta: Yo le dije a mis hijos... Sprecherin Overvoice: Ich sage meinen Kindern, dass sie hart sein müssen. Das tut mir weh, aber so ist das Leben. Doña Marta war 15 Jahre alt, als sie ihre erste Tochter zur Welt gebracht hat. Heute macht sie sich Vorwürfe, weil sie denkt, dass sie von ihren Kindern mehr Unterstützung bekommt, als sie ihnen geben kann. Dona Marta: A mis hijos ni un juguete... Sprecherin Overvoice: Ich habe nie ein Spielzeug gekauft. Kein einziges. Dafür reicht es nicht. Wenn sie spielen wollen, sag ich ihnen, dass sie sich eine Plastiktüte aufblasen sollen. Manchmal sehen sie, wie andere Leute Sachen in den Müll werfen, die noch nützlich sind. Die holen sie sich dann. A veces llora... Manchmal höre ich, wie meine Mutter verzweifelt weint. Dann möchte ich ihr helfen. Heute Abend werden wir uns zusammensetzen und darüber reden, wie wir das Geld, das wir verdient haben, ausgeben wollen. Wir versuchen, ein wenig zu sparen, für Kleider und Schuhe. Ich habe nämlich keine Schuhe. Nosotros compramos hierba con lo poco que ganamos, hierba, ejote y tomate, cebolla. Y solo asi pasamos. Mit dem wenigen Geld, das wir verdienen, kaufen wir meist Gemüse: Mais, Tomaten, Zwiebeln. Damit kommen wir aus. Reporter : Y para ropa? Juguetes? Que juguetes compran? Und Spielzeug? No hay juguetes. Spielzeug gibt es für uns nicht. 4

Aber einen besonderen Wunsch hat José doch. Una bicicleta... Ich hätte gern ein richtiges Fahrrad. Früher hatte ich mal ein Auto, ein kleines aus Holz. Mein Vater hat manchmal Schleudern gebastelt oder einen Kreisel. Mit solchen Sachen spielen wir. Josés Vater, Edgar Tec, ist ein kleiner, dürrer Mann mit hagerem Gesicht. Er sieht aus wie Ende vierzig, ist aber erst sechsunddreißig Jahre alt. Edgar Tec: Todos los dias... Jeden Tag, jede Nacht denke ich darüber nach, was wir am nächsten Tag machen können. Wie kann ich meine Kinder unterstützen? Aber ich kann ja nicht. Wir sind nicht reich wie andere. Wir haben kein Geschäft, mit dem wir viel Geld verdienen könnten. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als durchzuhalten. Der kleine Miguel hat mir erzählt, dass er manchmal die Enkel des Besitzers der Finca San Jaime beobachtet, wie sie auf den Wegen zwischen den Feldern spielen. A veces nos hablan mal... Sie sehen, wie wir arbeiten und reden schlecht über uns. Es hat auch schon Probleme gegeben. Wenn sie uns 'arme Schlucker' nennen, antworten wir, dass wir zwar Hunger haben, aber dass wir arbeiten können. Nos traten como ladrón... Sie nennen uns Diebe und behandeln uns wie Hunde. Aber in Wirklichkeit sind alle Menschen gleich in diesem Leben. Als ältester Sohn fühlt sich José für seine Familie verantwortlich. Seinem alkoholkranken Vater traut er nicht zu, einen Weg aus der Armut zu finden. El estaba tomando mucho... Wenn er viel getrunken hat, kommt er erst spät nach Hause. Ich habe gesehen, wie er meine Mutter schlägt. Ich habe geweint, als er meine Mama am Hals gepackt hat und sie geschlagen hat. 5

Edgar Tec: Eso es muy duro... Für die Kinder ist das sehr schwer. Es macht sie traurig, wenn sie ihren Vater betrunken sehen. Mit dem Alkohol spürt man nicht mehr, was man tut. Manchmal ist die Verzweiflung so groß, dass man nur trinkt, um nichts mehr zu spüren. Dann vergisst man seine Sorgen. Aber nachher ist alles noch schlimmer, weil das Geld weg ist. Außer den beiden Jungen Miguel und José hat Edgar Tec noch zwei Töchter. Rosa ist elf Jahre alt und Aura dreizehn. Aura: El empezaba a tomar, venia del trabjajo... Sprecherin Overvoice: Wenn mein Vater mal wieder getrunken hat, kommt er von der Arbeit betrunken nach Hause. Manchmal haben wir nicht genug zu essen. Dann schimpfen wir mit ihm. Er streitet sich mit meiner Mutter und schlägt sie und wenn mein Bruder versucht, sie zu verteidigen, bekommt auch er Schläge. Aura arbeitet seit ihrem siebten Lebensjahr in einer kleinen Schneiderei. Für sie ist es selbstverständlich, dass sie ihren Teil zum Lebensunterhalt der Familie beiträgt. Aura: Como mi mama no tenía el dinero suficiente, yo lo quería algo para comprar y trabajando yo necesitaba el dinero y compraba lo que yo podía... Sprecherin Overvoice: Meine Mutter hat ja nicht genug Geld. Wenn ich etwas haben will, muss ich arbeiten, um es mir kaufen zu können. Wieviel verdienst Du mit deiner Arbeit? Auro -Sprecherin Overvoice: Vierhundertfünfzig Quetzales. Das sind vierzig Euro. Im Monat? Auro - Sprecherin Overvoice: Ja, im Monat. Doña Marta ist froh und dankbar, dass ihre Kinder sie unterstützen. Trotzdem hat sie dunkle Ringe unter den Augen. Sie wirkt müde. Etwas Trost findet sie in der Bibel. Dona Marta: Como dice la biblia... Sprecherin Overvoice: Dort steht geschrieben: Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen. Daran halten wir uns. Es bleibt uns auch nichts anderes übrig. Musik: Juan Luis Guerra 6

Die Finca San Jaime gehört einem der wohlhabendsten Großgrundbesitzer im Westen Guatemalas. Zu den Ländereien von Don Jaime Bonifaz zählen noch andere Fincas. Er ist 64 Jahre alt, hat graues Haar und einen auffällig dicken Bauch. Aber er ist fit und unternehmungslustig. Auf seinen Reisen nach Europa und in die USA verhandelt er mit Geschäftspartnern und genießt das Nachtleben von Miami und Rotterdam. Seine Familie wohnt in einem exklusiven Viertel der guatemaltekischen Hauptstadt. Er selbst verbringt seine Zeit lieber auf dem Land. Der kleine Miguel hat den Mann, für den er arbeitet, schon öfter gesehen. Don Jaime es bien enojado... Don Jaime ist ein zorniger Mann. Er schimpft mit den Leuten und manchmal tritt er nach ihnen. Wer ihn um Arbeit bittet, den nennt er einen Dieb. Wenn er glaubt, jemand habe ihn bestohlen, dann bedroht er ihn mit einem Gewehr. Der Großvater von Jaime Bonifaz war zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts aus Spanien in die Ortschaft Santo Tomas gekommen. Dort hatte er vor bald hundert Jahren die erste Kneipe der Gegend eröffnet. Diese Geschichte hat José schon oft gehört. Don Jaime, todas esta tierra... Der alte Don Jaime hat den Leuten das Land weggenommen. Er hat Bier verkauft, aber weil die meisten nicht zahlen konnten, haben sie sich verschuldet. Auf diese Weise hat er sich sehr viel Land angeeignet. Atmo: Geländewagen auf Steinweg An keiner der vielen Zufahrten zur Finca San Jaime steht ein Schild, ein Hinweis auf Privatbesitz, eine Warnung, die den Zutritt verbieten würde. Trotzdem wissen die Leute, dass hier das Hoheitsgebiet von Jaime Bonifaz beginnt. Ich fahre ich kilometerweit über holprige Sandpisten, vorbei an scheinbar endlosen Feldern: Kaffeepflanzen soweit das Auge reicht. Doch plötzlich öffnet sich der Blick auf eine große Wiese. Atmo: Fußballspiel auf Landebahn Zwischen den Kaffeefeldern liegt eine neunhundert Meter lange Graspiste. Die frisch gemähte Rasenfläche wird während der Mittagspause von einigen Jungen zum Fußballspiel genutzt. Ab und zu landet hier Don Jaimes jüngster Sohn mit seinem Privatflugzeug. Don Jaime selbst kommt während der Erntezeit oft auf die Finca, um mit einem seiner Geländewagen auf verschlungenen Wegen durch die Kaffeefelder zu fahren und die knapp tausend Tagelöhner zu kontrollieren.sein Wohnhaus, die Hacienda, liegt hinter Stacheldraht, umgeben von Kaffeepflanzen. Miguel hat mir erzählt, er habe seinen Vater schon ein paar Mal auf das Anwesen begleitet. 7

Es grande, tiene piscina... Es ist riesig, mit einem Schwimmbad. In dem Garten stehen viele Bäume mit Bananen, Mandarinen und Orangen. Dort lebt auch ein großer Hund und es gibt viele Autos. Die Wächter lassen niemanden ohne Erlaubnis rein. Sie haben Gewehre und verstecken sich. Wochenlang bemühe ich mich erfolglos um ein Gespräch mit Jaime Bonifaz. Auch zahllose Telefongespräche mit seiner freundlichen Privatsekretärin in einem Bürogebäude der Hauptstadt bleiben ohne Ergebnis. Ich entschließe mich, in Santo Tomas auf ihn zu warten. Stunden vergehen. Endlich fährt er in einem blitzsauberen, neuen Geländewagen an mir vorbei. An einer Kreuzung muss er halten. Ich klopfe an sein Fenster, stelle mich vor und bitte ihn um ein Interview. Was bringt mir das? fragt er zurück und sagt dann, das interessiert mich nicht. Edgar Tec, der Vater von Miguel und José, wundert sich nicht, dass Don Jaime keine Zeit für mich hat. Edgar Tec: Son personas que se preocupan... Diese Leute sind nur am Geld interessiert. Wenn sie keinen Vorteil für sich sehen, bist du ihnen egal. Der Verwalter der Finca San Jaime, Don Camilo, sieht das anders. Er spricht mich an, als ich mit dem Mikrofon in der Hand über die Sandpiste zwischen den Kaffeefeldern hin und herlaufe. Ich stelle mich als Journalist aus Deutschland vor, woraufhin er mir bereitwillig Auskunft gibt. Für den rüden Charakter seines Chefs zeigt er Verständnis. Camilo: Muy estricto, muy serio, exigente... Er ist sehr streng, sehr ernst, anspruchsvoll. Wenn er umgänglicher wäre, würde er die Kontrolle über seine vielen Geschäfte verlieren. Er muss sich durchsetzen und kompromisslos sein, um die Fäden in der Hand zu behalten. Atmo: Feldarbeit Auf der Finca San Jaime bekommen die Tagelöhner 36 Quetzales für vier Kisten gepflückter Kaffeekirschen. Das sind etwa drei Euro für hundert Pfund. Soviel kann ein ausdauernder Arbeiter an einem Tag pflücken; aber nur, wenn die Bedingungen günstig sind. Mit der Hilfe seiner Kinder schafft er natürlich mehr. Doña Marta und ihre beiden Söhnen haben an diesem Tag nur knapp zwei Euro verdient. José ist enttäuscht. 8

Serian como veinteycuatro... Es werden so 24, 26 Quetzales sein, obwohl wir zu dritt gepflückt haben. Aber zum Essen brauchen wir fast 30, 40 Quetzales. Es reicht also nicht. Ein Liter Milch kostet in Guatemala fast einen Euro. Auch Fleisch ist teuer. Das kann sich Doña Marta nur selten leisten. Dafür sind frisches Obst und Gemüse günstig. Aber der Warenkorb für eine ausreichende Ernährung, so wie ihn das Kinderhilfswerk UNICEF beschreibt, steht Doña Marta nie zur Verfügung. Sie verdient ja nicht einmal den gesetzlich vorgeschriebenen Mindestlohn, und selbst der liegt weit unter dem Existenzminimum. Edgar Tec weiß, dass Don Jaime gesetzwidrig handelt. Edgar Tec: El dia del trabajador... Eigentlich müssten sie am Tag fünfzig Quetzales zahlen. Aber auf der Finca zahlen sie nur dreißig. Selbst der Verwalter Don Camilo muss zugeben, dass er den Tagelöhnern nicht den Lohn aushändigt, der ihnen gesetzlich zusteht. Camilo: Es menos que el salario minimo... Es ist weniger als der Mindestlohn und sie bekommen das Geld auch nur während der Erntezeit. Den Rest des Jahres gibt es keine Arbeit. So gesehen geht es ihnen hier noch gut. Richtig hart wird es erst wieder, wenn die Ernte vorbei ist. Don Camilo kontrolliert fünfzehn Ernteaufseher, die "Corporales" genannt werden. Sie teilen den Pflückern die Feldabschnitte zu. Einer von ihnen ist Jacobo Maroquín Jacobo Maroquín: Yo soy el que manda aqui... Hier habe ich das Sagen. Ich beaufsichtige und kontrolliere. Wir passen auf, dass die Leute keinen Kaffee stehlen und ich löse ihre Probleme. Die "Corporales" sind meist selbst arme Landarbeiter. Sie führen die Anweisungen der Finca-Verwaltung aus und geben Produktionsziele vor. José hat schon häufig schlechte Erfahrungen mit den Aufsehern gemacht. 9

Los corporales, para nosotros somos choleros... Für die sind wir Pack. Wir sind die einfachen Arbeiter. Aber es bleibt uns nichts anderes übrig. Wie sollen wir sonst etwas zu Essen bekommen? Atmo: Lachen von Frauen und Kindern Der Tag geht zu Ende. Doña Marta, José und Miguel haben sich in einem alten Schuppen neben anderen Familien auf den Boden gesetzt, um die gepflückten Kirschen zu sortieren. Sie kippen die Ernte des Tages auf eine alte Wolldecke und picken die grünen Kirschen heraus. Nur die roten kommen in den Sack. Die Schatten sind länger geworden, die Luft kühler und die Kinder ausgelassener. Die Familien kennen sich seit Beginn der Ernte und nutzen jetzt die gemeinsame Zeit, um ein bisschen rumzualbern. Doña Marta aber ist enttäuscht über die Ausbeute des Tages. Dona Marta: Ahorita ve mi hijo va a ir a pesar, pero tal vez solo unos tres cuarto. Sprecherin Overvoice: Mein Sohn gibt gleich den Kaffee ab. Aber es wird wohl nur für drei Kisten reichen. Kurz bevor die Sonne untergeht, schleppen die Tagelöhner ihre gefüllten Säcke von den zum Teil weit entfernten Feldern zu einer Wegkreuzung. Dort stellen sie sich in eine Warteschlange hinter einen Lastwagen. Auf der Ladefläche steht Don Camilo mit einem Schreibblock. Darin sind alle Familien registriert, die auf der Finca arbeiten. Hinter den Namen trägt er die jeweiligen Ernteergebnisse ein. Atmo: Tres cincuenta y nueve......dos cincuenta y dos. Meist bestimmt Don Camilo das Gewicht der Kaffeesäcke nach Augenmaß. Aber wenn er es genau wissen will, werden die Kaffeekirschen in eine Holzkiste gefüllt, in die angeblich genau 25 Pfund passen. Don Camillo räumt ein, dass er nicht immer das exakte Gewicht in sein Heftchen einträgt. Don Camilo: Depende si se portan... Wenn sich jemand nicht ordentlich benimmt, schreibe ich nicht alles auf. Zum Beispiel versuchen manche, mich reinzulegen, so wie der Mann dort drüben. Er hat gesagt, in seinem Sack seien fünf Kästen. Wir haben das überprüft. Es waren nur vier. Er wollte uns also bestehlen. Atmo: Diez con uno. Vos bajaste.... Kindermunkeln... Säcke fallen Ein Pflücker nach dem anderen wirft seinen Sack auf die Ladefläche und wartet, bis Don Camilo verkündet, welches Gewicht er notiert hat. 10

José beobachtet die Szene mit großer Skepsis. Reporter : Pienses tu que siempre pasan bien? Glaubst du, die wiegen immer richtig? No, a veces nos quitan guacales. Nos quitan guacales. Una cajita de un cuarte es esto. Es muy grande la caja. Nein. Manchmal nehmen sie einen Teil weg. Außerdem ist die Kiste zu groß. Da sollen nur 25 Pfund reinpassen. Aber dafür ist sie viel zu groß. Pagan muy poco, y se sufre mucho. Hay que cargar el cafe para traerle aqui a la pesa. Die bezahlen nur sehr wenig. Dafür müssen wir viel leiden. Wir müssen den Kaffee bis hierher tragen, bis zum Wiegen. Pesa mucho. Reporter: Y como te sientes con eso? Wie fühlst Du Dich dabei? Mal, porque nosotros sufrimos por eso y ellos nos roban. Si, enganado. Si le hablo y eso, ya no nos pagan. Mejor después, sí. Wir müssen uns sehr anstrengen und werden dann auch noch bestohlen. Ich fühle mich betrogen. Aber wenn sie hören, dass ich Ihnen das sage, dann bezahlen sie mir gar nichts mehr. Sprechen wir lieber später weiter. Ja? Atmo: Beim Wiegen "Cuanto al Juan..." Don Camilo macht sich keine Sorgen darüber, dass er die Ernteergebnisse der Arbeiter fehlerhaft berechnen könnte. Wenn er am Ende der Woche die Summe bekannt gibt, protestiert nie jemand. Die meisten Pflücker können weder lesen noch rechnen. Außerdem wissen sie, dass es sich nicht lohnt, einen Streit anzufangen. Am Ende des Erntetages bekomme ich unvorhergesehen doch noch die Gelegenheit, Don Jaime näher kennen zu lernen. Ich hatte mein Auto neben einigen Hütten der fest angestellten Arbeiter seiner Finca geparkt. Als ich zum Wagen zurückkomme, fährt mir ein Schreck in die Glieder. Alle vier Reifen sind platt! Wahrscheinlich hat das Don Jaime veranlasst. Er mag es nicht, wenn Fremde Fragen stellen. Außerdem hat er die Zufahrtsstraße mit einem Balken und einem dicken Eisenschloss versperren lassen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als in das Dorf Santo Tomas zu laufen und in den Büroräumen neben den Lagerhallen der Finca nach Don Jamie zu suchen und ihn um Hilfe zu bitten. Ich habe Glück. Er sitzt an einem Schreibtisch und liest Zeitung. Zuerst schimpft er mit mir: Was fällt Ihnen ein, auf meine Finca zu fahren? 11

Ich entschuldige mich und beteuere, ich hätte kein Verbotsschild gesehen. Er befiehlt mir, ihm meine Autoschlüssel auszuhändigen. Ohne viele Umschweife drücke ich ihm den Schlüssel in die Hand. Daraufhin verfliegt seine schlechte Laune. Er fasst Vertrauen und gibt sich freundlich und hilfsbereit. Meine Reifen will er persönlich mit Luft füllen, aber zu einem Interview ist er noch immer nicht bereit. Doch es gelingt mir zumindest, ein paar Gesprächsbrocken aufzunehmen. Reporter: No me deja ir Don Jaime? Darf ich mitkommen, Don Jaime? Don Jaime: No es necesario, pero si quiere, venga. Das ist zwar nicht notwendig, aber wenn Sie möchten, kommen Sie. Atmo: Autofahrt Während wir in seinem Auto zurück zur Finca fahren, erzählt er einen anzüglichen Witz nach dem anderen. Zweimal hält er an, um mit jungen Frauen zu flirten, die am Straßenrand gehen. Offenbar lebt er in Santo Tomas wie ein König. Atmo Don Jaime und junge Frau: Don Jaime Dios. dios. Bien? Grüß Gott, alles klar? Junge Frau: Bien gracias. Sprecherin Overvoice: Danke, ja. Don Jaime: Manana? Dann also Morgen? Junge Frau: Ve como es. Que maloso. Usted no me va a visitar. Sprecherin Overvoice: Ach, Sie sind doch ein Böser. Sie kommen mich nie besuchen! Don Jaime: (lacht) Como no. Un dia voy a llegar. Aber doch. Eines Tages werde ich kommen. Alle kennen den dicken Fincabesitzer, alle machen einen Diener vor ihm. Trotzdem flucht er, das Dorf sei voller Ganoven, die ihm seinen Kaffee stehlen wollen. Wahrscheinlich hat er damit sogar Recht. José jedenfalls kennt einige Jungen, die schon öfters Kaffeekirschen geklaut haben. A veces no hay dinero... Wenn sie überhaupt kein Geld und nichts zu essen haben, dann stehlen sie Kaffee. Aber wer erwischt wird, der wird auf der Finca eingesperrt. Miguel kann von drastischen Strafmaßnahmen berichten. 12

Agarraron a un senor... Letztens haben sie einen Mann geschnappt und ihn bis auf die Unterhose ausgezogen. Alle Leute mussten ihn treten. Die Wächter haben uns gesagt, dass sie diejenigen, die Kaffee klauen, ins Bein schießen werden. Gestern haben sie ganz in unserer Nähe auf einen Mann geschossen. Ich bin sehr erschrocken. Eine solche Strafaktion ist mir erspart geblieben. Don Jaime hat die Reifen wirklich mit seiner elektrischen Pumpe aufgepumpt. Zum Abschied drückt er mir herzlich die Hand und sagt, ich könne ihn jederzeit besuchen kommen, gerne auch zum Kaffee trinken - nur kein Interview. Musik: Juan Luis Guerra Abends gehen Miguel und José zu Fuß nach Hause. Ihre Hütte liegt eine knappe Stunde von dem Kaffeefeld entfernt. Das kleine Grundstück hat ihre Mutter von einer Tante geerbt. José ist stolz auf sein Zuhause. Mi casa es de bloc... Unser Schlafzimmer ist aus Stein. Die angebaute Küche aus Lehm. Es ist ein einfaches Haus, ein respektables Haus, mit einem Dach, das uns schützt. Ich danke Gott dafür, dass wir einen Ort haben, an dem wir wohnen können. Andere Leute haben das nicht. Die Wellblechplatten haben leider ein paar Löcher, durch die Wasser reintropft und der Boden wird nass. Das Wasser sammelt sich in schlammigen Löchern. Wir haben Flicken für die Wellblechplatten gekauft, aber die funktionieren nicht. Eigentlich müssten wir die Platten auswechseln, aber dafür ist nicht genug Geld da. Insgesamt wohnen sieben Personen in dem einzigen Raum der Hütte. Sie schlafen auf drei Lagern. Me gustaria tener mas espacio... Ich hätte gerne mehr Platz und ein stabileres Bett. Früher haben wir alle auf Brettern geschlafen oder auf Strohmatten. Letztes Jahr haben wir ein Bett geschenkt bekommen. Auf dem darf ich jetzt mit meinen Geschwistern schlafen. José hat vor Kurzem die vierte Klasse der Grundschule abgeschlossen. Aber obwohl das neue Schuljahr schon begonnen hat, geht er nicht mehr zur Schule. Por eso, mejor me voy a buscar... 13

Es ist besser, wenn ich mir Arbeit suche. Ich werde wahrscheinlich nur wenig Lohn bekommen, aber ich habe meiner Mutter gesagt, dass ich ihr ein bisschen mit den Ausgaben helfen werde. Eigentlich ist die Bildung an den öffentlichen Schulen in Guatemala kostenlos, doch viele Unterrichtsmaterialien müssen bezahlt werden. Für die Mutter von José ist das eine große Last. Dona Marta: El me esta diciendo que... Er will nicht weiter zur Schule gehen, weil wir noch immer Schulden haben, wegen der Materialien vom letzten Jahr. Ich habe ihm gesagt, dass wir das Geld schon irgendwie auftreiben werden. Aber ich habe vier Kinder. Manchmal kann ich nur dem einen Geld geben und dem anderen nicht. Musik: Juan Luis Guerra José ist oft traurig. Er weiß, dass andere Kinder zur Schule gehen können, ohne sich deshalb Sorgen machen zu müssen. Er meint, dass sich etwas ändern muss in Guatemala. Hay muchos campesinos... Es gibt viele Bauern, die protestieren, damit ihre Rechte respektiert werden. Das finde ich gut, weil viele reiche Leute den Armen was wegnehmen. Deshalb schließen sich die Armen zusammen. Ich würde auch gern für die Rechte der Bauern kämpfen. Die Situation hier ist furchtbar, aber irgendwann wird es besser werden. José glaubt nicht, dass sein Vater diesen Kampf unterstützen wird. Edgar Tec ist kein Mann, der sich gegen die Verhältnisse auflehnt. Edgar Tec: Toda la vida hay campesinos... Die Bauern haben schon immer protestiert. Aber sie erreichen nie etwas. Sie demonstrieren bei jeder neuen Regierung, aber keine unterstützt sie wirklich. Die Politiker machen viele Versprechungen, tun aber nichts. Doch auch Edgar Tec hat die Hoffnung noch nicht verloren. Edgar Tec: Algun dia tal vez... 14

Vielleicht werden meine Kinder eines Tages mehr erreichen als ich. Im Moment haben wir nicht einmal genug Geld fürs Essen. Ich habe nichts, weil meine Eltern mir nichts hinterlassen haben. Sie waren genauso arm wie ich. Wir müssen jetzt unsere Kinder unterstützen, damit sie in Zukunft nicht so leiden müssen, wie wir gelitten haben. Musik: Juan Luis Guerra "Ojala que llueva café en el campo" 15