We need a man like that Jack Bauer: Posterboy des War on Terror?



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Transkript:

WISSEN : VERNETZEN : PUBLIZIEREN www.textfeld.ac.at Thomas Riegler We need a man like that Jack Bauer: Posterboy des War on Terror? Zur Darstellung von Terror- und Antiterror in der TV-Serie 24 Paper/Artikel 2008 Downloaden und kommentieren unter http://www.textfeld.ac.at/text/1099 Der gemeinnützige Verein textfeld setzt sich für die Online-Publikation akademischer Texte ein. Mehrmals monatlich läßt textfeld von den interessantesten Beiträgen Rezensionen erstellt, die auf stark frequentierten Online-Medien publiziert werden. Die eigenen Texte können unter www.textfeld.ac.at kostenfrei publiziert werden.

Paper/Artikel: We need a man like that Jack Bauer: Posterboy des War on Terror? Zur Darstellung von Terror- und Antiterror in der TV-Serie 24 Autor: Dr. Thomas Riegler, Wien Feedback: rieglerthomas@hotmail.com Abstract Es ist keineswegs übertrieben zu behaupten, dass kein anderes Produkt der Unterhaltungsindustrie die Sicht auf Terror und Antiterror so sehr geprägt hat, wie die Fox TV-Serie 24. In mittlerweile sechs Serien-Staffeln seit 2001 kämpft der von Kiefer Sutherland verkörperte Agent Jack Bauer gegen ein Sammelsurium von Terroristen, Drogengangstern und Verrätern in den eigenen Reihen. Die Popularität, die 24 in diesen Jahren erlangt hat, erklärt sich aus mehreren Faktoren: Zunächst sind die Bedrohungen absolut monströs und reflektieren ungeniert populäre 9/11-Angstfantasien vor Selbstmordanschlägen, Giftgas, tödlichen Viren und Nuklearterror. Abgesehen von der dunklen Persönlichkeitszeichnung Bauers, die ihn deutlich von bislang gängigen Actionmen absetzt, haben vor allem seine Methoden bei der Bekämpfung dieser apokalyptischen Gefahren für Aufmerksamkeit gesorgt: Für den Agenten zählt stets der Grundsatz vom notwendigen kleineren Übel, sprich Verdächtige sind zu foltern, wenn sie Informationen besitzen, die eine tickende Bombe entschärfen helfen könnten. Jack Bauer: Der bessere James Bond Für die Sonderstellung der Serie spricht auch, dass unter all den neuen Post-9/11-Actionhelden vor allem Jack Bauer zu einer modernen Ikone geworden ist. Der Spiegel fragte sogar nach, ob der Agent der fiktiven Bundesbehörde Counter Terrorism Unit (CTU) nicht mittlerweile der bessere Bond sei, weil er sich von dem klassischen Vorbild durch eine realistisch- zeitgemäße Zeichnung unterscheide. Das Moderne an Jack Bauer liegt in seiner Vielschichtigkeit: Umtriebig, stets mobil und erreichbar hat er den neoliberalen Arbeitsethos zutiefst verinnerlicht. Ständig läuft ihm die Zeit davon (die tickende Uhr wird in 24 jede Viertelstunde eingeblendet); nachdem ein Problem gemeistert ist, kommt mit Sicherheit das nächste. Diese sisyphussche Vergeblichkeit sei das Grundprinzip von 24, meinte Philipp Oehmke: Jack Bauer ist der erste Filmheld, der gegen unsere Zivilisationsängste anrennt. Hinzu kommt, dass er in vielerlei Hinsicht auch ein gebrochener, traumatisierter Held ist, dessen Frau ermordet und Tochter entführt wird, ein Soziopath am Rande des Burnout-Syndroms.

Dennoch erscheint Bauer, in Summe, wie prädestiniert, es mit monströsen Verschwörungen, Erpressungsversuchen und wahnwitzigem Terrorismus aufzunehmen: In Season 1. liegt es an Bauer, den afroamerikanischen Präsidentschaftskandidaten David Palmer (Dennis Haysbert) vor einem Attentat serbischer Extremisten zu bewahren, die sich für die amerikanische Rolle im Kosovo-Krieg rächen wollen; in Season 2. droht eine undurchsichtige islamische Terroristengruppe namens Second Wave mit der Explosion einer Atombombe in Los Angeles; in Season 3. beabsichtigt ein mexikanisches Drogenkartell einen tödlichen Virus in den USA freizusetzen, falls der inhaftierte Anführer Ramon Salazar nicht freigelassen wird; in Season 4. setzte der terroristische Mastermind Habib Marwan (Arnold Vosloo), Anführer der türkischen Gruppe Crimson Jihad, die USA mit einer Kette sich stetig eskalierender Gewalttaten: Ein Pendlerzug wird von einer Bombe zerrissen, der Verteidigungsminister gekidnappt und in mehreren Kernkraftwerken wird beinahe ein Ernstfall verursacht. Schließlich schafft es Marwan sogar, Air Force One abzuschießen und den Nuclear Football, die Codesammlung des Präsidenten, zu stehlen, um einen Nuklearangriff auf Los Angeles durchzuführen, der jedoch scheitert; Season 5. dreht sich um ein Komplott zwischen einheimischen Verschwörern und einer Gruppe russischer Nationalisten, die beabsichtigen, 20 Kanister VX-Nervengas in Los Angeles freizusetzen. In Season 6. sind es wiederum islamische Terroristen rund um Abu Fayed (Adoni Maropis), die in den USA tödliche Anschläge begehen Selbstmordattentäter sprengen sich in U-Bahnzügen, Bussen und öffentlichen Plätzen in die Luft, in einem Fall gelingt es ihnen sogar, eine sowjetische Nuklear- Kofferbombe zur Detonation zu bringen. Die Explosion zerstört Valencia, einen Vorort von Los Angeles und mehr als 12.000 Menschen sterben dabei, woraufhin amerikanische Muslime in Detention Centres gesperrt werden. Um weitere Attentate zu verhindern verbündet sich Jack Bauer, der gerade zwei Jahre in einem chinesischen Gefängnis geschmachtet hat, ohne zu brechen, ausgerechnet mit einem geläuterten Terroristen Hamri Al-Assad (Alexander Siddig). Dieser hatte versucht seine Ziele nun auf politischem Wege zu erreichen und wurde deswegen von seinem früheren Unterführer Fayed zu Unrecht als Verantwortlicher für die Attentate angeschwärzt. Als ein Kollege nachbohrt, ob es noch etwas bedeute, dass Assad in der Vergangenheit Hunderte Menschen getötet hat, gibt sich Bauer pragmatisch: The playing field has changed. Für Time legte der Agent damit ein besseres Verständnis von Realpolitik an den Tag als die Bush-Administration, die sich weigerte, mit dem Iran und Syrien zu verhandeln: [ ] if conservatives and neocons think 24 is working for them, they don't know Jack. Für zusätzliche Verwirrung und Spannung sorgt zudem, dass sich die Terroristen stets als Handlanger und Marionetten übergeordneter Interessen erweisen: Die Gruppe Second Wave (Season 2) wird etwa insgeheim von einem einheimischen Ölkonsortium manipuliert. Aus Geschäftsinteressen heraus, wollten diese ungreifbaren Schattenmänner die USA durch terroristische Provokation in einen neuen Nahostkrieg stürzen. Genauso ist es ein hochrangiger Regierungsangehöriger, der in Season 5 den russischen Nationalisten das Nervengas zuschanzt, damit es wie ursprünglich geplant auf russischen Boden deponiert, um so den Grund für eine Intervention zur Sicherung weiterer Rohstoffquellen herzustellen. Am Ende wird sich sogar herausstellen, dass US-Präsident Charles Logan (Gregory Itzin) zu den Drahtziehern des Komplotts gehörte und seinen Vorgänger Palmer ermorden ließ.

We need men like that - Darstellung und Legitimation von Folter in 24 In der Konfrontation mit diesen apokalyptischen Bedrohungen und übermächtigen Verschwörern lassen Jack Bauer vor allem seine dunklen Qualitäten obsiegen: Um eine fragile, stets bedrohte Ordnung zu bewahren, nimmt der CTU-Agent weder auf Gesetze noch Bürgerrechte Rücksicht. Dazu gehört auch, dass er ständig ins Visier eigener Leute gerät und nicht zögert, sich auch dieser Verfolger zu entledigen. Kriminell sind vor allem die Verhörtechniken, derer sich Bauer bedient, um unkooperative Verdächtige zum Reden zu bringen: Schläge, Scheinhinrichtungen, Elektroschocks, Drogen, oder die Drohung, Frau und Kinder eines mutmaßlichen Terroristen zu exekutieren. Einmal hält Bauer einem hochplatzierten Maulwurf, der sich weigert auszupacken, ein Messer ans Auge und sagt: You've read my file, eine Anspielung auf den Ruf, alles zu tun. Einem angeschossenen Mädchen, das von islamistischen Terroristen rekrutiert wurde, verweigert Bauer nach einer Schussverletzung Schmerzmittel und drückt kräftig auf die Wunde ( I need to use every advantage I have got ). Auf ganz ähnlich Weise hatte amerikanisches Verhörpersonal versucht, Informationen von einem verletzten Al Qaida- Kommandanten zu erhalten. Spätestens ab Staffel 3 wird dieser Rückgriff auf Folter zu einem zentralen Handlungsmotiv: Eine breite Gruppe von zwölf Personen, die vom unkooperativen Verwandten eines Terrorverdächtigen bis hin zum Sohn des Verteidigungsministers James Heller (William Devane) reicht, wird im Verhör Methoden unterzogen, die sich nur als Folter klassifizieren lassen: The methods portrayed have varied, and include chemical injecton, electric shock and old-fashioned bone breaking, so Adam Green. Selbst eine CTU-Daten-Technikerin Sarah Gavin (Lana Parrilla) wird unter Einsatz einer Elektroschockpistole (Taser) befragt, um zu überprüfen, ob sie ein terroristischer Maulwurf ist. Nach der Behandlung kehrt sie ohne irgendwelche Traumatisierungen umgehend an ihren Arbeitsplatz zurück. Selbst der Sohn des Verteidigungsministers wird einer Form sensorischer Deprivation unterzogen und muss sich danach von seinem Vater schulmeistern lassen, warum die Behandlung zulässig war. Bei einer anderen Gelegenheit hält eben dieser Politiker bezugnehmend auf Bauer fest: That s his job. [ ] We need men like that. Dagegen erscheinen liberale Menschenrechtsanwälte einer Vereinigung namens Amnesty Global wie Kollaborateure der Terroristen, weil sie den Terrorverdächtigen Joe Prado innerhalb von 15 Minuten nach Verständigung durch den Mastermind Marwan aus dem Gewahrsam der CTU befreien, indem sie auf die Rechte des Verdächtigen pochen. Kaum sind die Anwälte verschwunden, bricht Bauer Prados Finger so lange, bis dieser redet. Erneut wird vermittelt, dass sich Folter auszahlt, denn die Befragung Prados weist den Weg zu einem gestohlenen Nuklearsprengkopf. Wenn Widerspruch gegen diese Praktiken laut wird, antwortet Bauer mit dem programmatischen Hinweis auf das Notwendige, das es zu tun gilt, um Schlimmeres zu verhindern - so wischt er die Bedenken eines Vorgesetzen zur Seite: That s the problem with people like you, [ ]. You want results, but you never want to get your hands dirty. Dieses zentrale 24 -Motiv von der Notwendigkeit moralisch und rechtlich fragwürdiger Entscheidungen zugunsten kleinerer Übel findet sich genauso prominent in der Antiterror-Doktrin der

Bush-Regierung wie die Werteverschiebung von Freiheit hin zu Sicherheit insofern eine getreue Abbildung der Antiterrorideologie der Bush-Administration. Für die Nähe zur herrschenden Politik spricht auch ein Bericht des New Yorker, wonach Joel Surnow und andere 24 -Macher zu einem Privatdiner im Wardrobe Room des Weißen Hauses eingeladen waren. Unter den Teilnehmern der Runde befanden sich der Vize-Stabschef Karl Rove, der Pressesprecher Tony Snow sowie Mary Cheney, Tochter des Vizepräsidenten und dessen Frau Lynn, angeblich ein extreme 24 fan. Ein Freund von Surnow witztelte, dass die Serienmacher mittlerweile einen Hollywood annex zum Weißen Haus bilden würden. Dagegen wurde 24 wegen der offenen und wiederholten Zurschaustellung von Folter und ihrer ideologischen Rechtfertigung von liberalen Meinungseliten schwer kritisiert: Am schärfsten fiel der Debattenbeitrag von Slavoj Zizek aus er kritisierte die Helden von 24 als Himmlers of Hollywood, weil die Fernsehserie die verlogene Botschaft aussenden würde, dass man schreckliche Dinge im Namen einer guten Sache begehen und gleichzeitig seine Würde behalten könne. Um ihre Position zu erläutern, spielten die Produzenten von 24 immer wieder auf das Szenario der tickenden Bombe an - genau dieses utilitaristische Argument, wonach man nach einfacher Kosten- Nutzen-Rechnung gezwungenermaßen ein Übel begehen müsse, um ein größeres zu verhindern, ist immer wieder bemüht worden, um Folter zu rechtfertigen. Die Schmerzen eines gefolterten Gegners wurden und werden gegen die Leben von Unschuldigen aufgewogen, die durch die abgepressten Informationen gerettet werden könnten. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass das tickenden Bombe mehr mit einem philosophischen Dilemma zu tun hat und generell realitätsfern ist. Aber auch die Vorstellung, wonach sich Folter stets auszahle und schnell brauchbare Resultate liefere, erregte nicht zuletzt Widerspruch von Experten -Seite: Im November 2006 fand ein Treffen statt, um dass der Dean der Militärakademie West Point, General Patrick Finnegan und eine Gruppe von erfahrenen FBIund Armeeverhörspezialisten angesucht hatten. Ihr Rat an die 24 -Produzenten: Die Folterszenen weniger blutig und dafür realistischer zu machen - durch die Darstellung von psychologischer Manipulation statt roher Gewalt, längerer Prozeduren oder des hohen Risikos Falschinformationen aufzusitzen. Was die Veranschaulichung von Folter angeht, so steht 24 allerdings keineswegs alleine dar: Laut dem Parents Television Council gab es zwischen 1996 und 2001 102 solcher Szenen; alleine in der kurzen Spanne 2002 bis 2005 stieg die Zahl der Folterszenen auf 624. Die ersten fünf Staffeln von 24 kamen insgesamt auf 67 Folterszenen, mehr als in jeder anderen Serie. Es besteht das beträchtliche Risiko, dass die kulturelle Ausschlachtung von Folter als Spannungs- und Unterhaltungsmoment gesellschaftliche Akzeptanz für deren realen Einsatz herstellt - vor allem wenn man bedenkt, dass 24 an einem Wochenende alleine in den USA 13,6 Millionen Zuseher vor den Fernsehschirmen versammelt, ganz abgesehen von weiteren Millionen aufgrund des internationalen DVD-Verkaufs. Als massenkulturelles Produkt lege die Serie nämlich nahe, dass es manche Menschen durchaus verdienen, gefoltert zu werden, wie es Lars-Olav Baier ausdrückt. Genauso schmal ist der Grat hin zu Folter als Spaßfaktor

und Unterhaltungswert. Dieses Ineinandergreifen von Fiktion und Realität findet tatsächlich statt: So haben sich US-Soldaten bei Verhören im Irak durch den Konsum von Serien wie 24 inspirieren lassen. Angesichts der immer intensiveren Kontroverse kündigte 24 -Produzent Howard Gordan schließlich an, dass Folter in den restlichen 24 -Folgen der sechsten Staffel eine geringere Rolle spielen werde. Mit der öffentlichen Kritik habe diese Entscheidung nichts zu tun: Unser Appetit darauf ist einfach zurückgegangen. Außerdem sagt meine Frau: Es ist zu viel. Zusammenfassung 24 ist in vielerlei Hinsicht eine besonders einflussreiche Darstellung von Terror und Anti-Terror in der aktuellen Populärkultur. Und Jack Bauer kann als eine Symbolfigur des War on Terror angesehen werden. Genauso ist die Vorstellung vom notwendigen kleineren Übel im Kampf gegen die terroristische Bedrohung mittlerweile im Mainstream angekommen. In vielerlei Hinsicht hat die Fernsehserie ein eigenes Universum entworfen voll von apokalyptischen Bedrohungen, Paranoia, Verschwörungsangst und rastloser Suche nach Sicherheit. Die Schlimmste dieser Plagen ist der radikal-islamische Terrorismus - 24 nicht mehr als verblendeter Fanatismus mit unmenschlichen Zügen: Stets schreien seine Vertreter die Anklage Amerikas lauthals heraus, aber diese Argumente erscheinen mehr als Ausdruck einer verwirrten, psychotischen Geisteslage denn real fundiert. Was seine totalitär gekennzeichnete Agenda betrifft, so steht diese im ultimativen Konflikt mit dem freiheitlichen amerikanischen Traum und ist folglich nicht verhandelbar. Wenn Jack Bauer also der Posterboy des War on Terror ist, dann bringt er auch die Fehlentwicklungen seit 9/11 symptomatisch zum Ausdruck: Von der Aushöhlung des Rechtstaats, über die Proklamierung eines permanenten Ausnahmezustands hin zu extra-legalen Methoden in der Terrorismusbekämpfung. Literatur: Adam Green, Normalizing torture, one rollicking hour at a time, in: The New York Times (22. 5. 2005). Martin Miller, '24' gets a lesson in torture from the experts, in: The Los Angeles Times (13. 2. 2007). Slavoj Zizek, The depraved heroes of 24 are the Himmlers of Hollywood, in: The Guardian (10. 1. 2006). Lars Olav-Baier, Mordsspaß im Schlachthof, in: Der Spiegel (2006), Nr. 30, 128 ff. Jane Mayer, Whatever it takes, in: The New Yorker (19. 2. 2007).