Rhein. 3.2 Rhein und Nebenflüsse. 3.2.1 Rheinstrom



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Transkript:

Rhein 3.2 Rhein und Nebenflüsse Prof. Dr. Günther Friedrich, Dr. Wolfgang Schiller, Marlies Pohlmann, Brigitte Schwenke (LUA) & Susanne Seuter (umweltbüro essen) Auf seinem 1.25 km langen Weg von den Alpen bis zur Nordsee durchfließt der Rhein mehrere Staaten und nimmt aus seinem 185. km 2 umfassenden Einzugsgebiet eine große Zahl von Zuflüssen auf. Dabei verändert er seinen Charakter mehrfach. Von den Quellflüssen bis zum Bodensee, Alpenrhein genannt ist er ein alpiner Fluss. Vom Bodensee bis zum Dreiländereck bei Basel wird er Hochrhein genannt. Dann tritt er in die Oberrheinebene ein, zugleich wird hier über den Grand Canal dàlsace der überwiegende Teil des Wassers abgezweigt und gelangt erst unterhalb Straßburg wieder in das alte Bett zurück. Der Oberrhein tritt dann mit dem Durchbruch durch Hunsrück und Taunus in die romantische Mittelrheinstrecke ein, die seinen Ruf als romantischer Strom begründet hat. Am nördlichen Ende liegt das Siebengebirge, das zugleich in etwa die Eintrittspforte des Stroms in die Niederrheinebene markiert. Der Niederrhein ist zugleich der nordrhein-westfälische Anteil am Strom, der direkt hinter der deutsch-niederländischen Grenze bei Bimmen/Lobith durch die Verzweigung in mehrere Arme zum Deltarhein wird. Nordrhein Westfalen hat mit 22 km Strecke einen beträchtlichen Anteil, allerdings auch in bezug auf die Nutzung und Belastung dieser Flussstrecke. Duisburg als größter Binnenhafen markiert die überragende Rolle des Rheins als Schifffahrtsweg. Von Bonn bis Kleve liegt eine lange Kette bedeutender Städte, die schon in der Römerzeit überregionale Bedeutung hatten. Der Rhein gehört zu den wasserreichsten Flüssen des europäischen Kontinents. Deshalb kann er nicht nur eine gewaltige Ballung an Industrie sondern auch insgesamt ca. 2 Millionen Menschen mit Trinkwasser versorgen. Nicht nur der schon fast sagenhafte Rheinsalm gehört zur der reichhaltigen Lebewelt des Flusses, der z. Zt. in einer international konzertierten Aktion zu weiterer Qualitätsverbesserung gelangen soll. In Nordrhein-Westfalen strömen ihm als rechte Zuflüsse Sieg mit Agger, Wupper, Ruhr, Emscher und Lippe zu. Linksrheinisch ist eigentlich nur die Erft als bedeutender Fluss zu nennen. Die übrigen linksrheinischen Flüsse gehören dem Einzugsgebiet der Maas an. Nicht nur der Rhein selbst, auch die genannten Nebenflüsse in Nordrhein-Westfalen sind von großer Bedeutung für die Geschichte des Landes, seine wirtschaftliche Entwicklung und damit auch für die Wasserwirtschaft und den Gewässerschutz. Nachfolgend wird darüber in einigen Kapiteln berichtet. Der Rhein ist wasserwirtschaftlich gesehen Europas wichtigster Strom mit vielfältigen z. T. miteinander konkurrierenden Nutzungsansprüchen. Diese vielfältigen Nutzungen sind auch in Nordrhein-Westfalen alle mit mehr oder weniger schwerwiegenden Eingriffen in das natürliche ökologische Gefüge der Flüsse im Einzugsgebiet des Rheins verbunden. Die wasserbaulichen Maßnahmen zur Schiffbarmachung, zur Landgewinnung und zum Hochwasserschutz haben zum Wegfall amphibischer Lebensräume, Absenkung des Grundwasserspiegels, erhöhter Sohlenerosion und Veränderungen der Uferstruktur geführt. Punktuelle Einleitungen der kommunalen und industriellen Abwässer sowie die diffusen Einträge der Landwirtschaft, aber auch die thermische Belastung stellen bedeutende Einflusskomponenten auf die Ökossteme dar. Folgen dieser Veränderungen sind die Verarmung und Umstrukturierung der Lebensgemeinschaft in den Flüssen in unserem Jahrhundert (TITTIZER et al. 199). 3.2.1 Rheinstrom "Wir sind vorüber dem stattlichen Kreise der herr- lichen sieben Berge, dem schönsten Punkte des Rheins mit seinen weitausblickenden Höhen, seinen heimlichen Thälern, und wenden uns nach Norden, wo der breite Strom S nicht mehr eingeengt, zwischen flachen Ufern dahinzieht,..." (S( TIELER et al. 1875). Die Vulkankegel des Siebengebirges bilden die Eintrittspforte des Rheins bei Bonn in das Flachland der Niederrheinischen Bucht. Ihr hochgelegenes Hinterland wird westlich von der Eifel, östlich vom Bergischen Land und vom Sauerland begrenzt. Nach Norden hin verbreitert sich das Rheintal in das Flachland. Die Stromlandschaft des Niederrheins 55

wurde ursprünglich durch eine junge Stromaue mit vielen Altarmen, Inselterrassen und Flugsanddünen bestimmt. Bereits im Mittelalter begann die Einengung des Niederrheins durch Deiche, Ufer wurden befestigt, Seitenarme verbaut und Inseln an das Ufer angeschlossen. Seit dem letzten Jahrhundert erfolgte die Mittelwasserregulierung durch den Bau von Buhnen. Die ursprünglichen Auwälder sind heute als Folge der Eindeichungen und der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung der Überschwemmungsgebiete weitgehend verschwunden. Für den Niederrhein charakteristisch sind heute auch die vielen, z. T. sehr großen an den Rhein angeschlossen Vorlandauskiesungen. Chrysophyceen wie Dinobryon sertularia und vereinzelten Cryptomonaden (FRIEDRICH 199). 3.2.1.1 Leben im Rhein Die Lebensgemeinschaft des Rheins wird wesentlich durch seine Wasserqualität und die Art und Vielfalt der morphologischen Strukturen des Lebensraumes geprägt. Die Besiedlung mit Tieren und Pflanzen spiegelt entsprechend die Gewässergüte des Stroms wider und gibt Auskunft über seinen ökologischen Gesamtzustand. Zur Ermittlung der Gewässergüte des nordrhein-westfälischen Rheinabschnittes werden daher im Rahmen der Gewässerüberwachung des Landes seit 3 Jahren biologische Untersuchungen durchgeführt. Das Leben im Rhein spielt sich sowohl im strömenden Wasserkörper, der Fließenden Welle als auch an der Sohle und am Ufer ab. Entsprechend den völlig unterschiedlichen Lebensbedingungen leben dort ganz unterschiedliche Organismengruppen, die mit entsprechenden Methoden untersucht werden. Abb. 1: Asterionella formosa Infolge des vermehrten Nährstoffeintrags und der längeren Verweilzeiten des Wassers in Seen und Flussstauen hat die Trophie des Rheins in der Vergangenheit deutlich zugenommen. Heute ist der Niederrhein ein planktonreicher, eutropher Fluss, in dessen fließender Welle eine kräftige Planktonvermehrung stattfindet, die oberhalb von Nordrhein-Westfalen in den Stauhaltungen des Stroms und den gestauten, planktonreichen Zuflüssen Neckar, Main und Mosel beginnt. Auf der zwei- bis dreitägigen Fließzeit in Nordrhein- Westfalen vermehrt sich das Phytoplankton weiter (Abb. 2). 4 35 Plankton Phytoplankton Die im Wasser schwebenden oder sogar frei beweglichen, mikroskopisch kleinen Pflanzen und Tiere werden als Plankton bezeichnet. Anfang des Jahrhunderts war das Phytoplankton individuenarm und bestand aus Algen, die vom Bodensee, weiteren Zuflüssen und Altarmen in den Niederrhein gelangten. Die mikroskopisch kleinen, im Wasser schwebenden Algen gehörten im wesentlichen zu den Kieselalgen (Diatomeen) wie Cyclotella bodanica, Asterionella formosa, Fragilaria crotonensis, Diatoma elongatum, Synedra acus und Chlorophyll a [µg l -1 ] 3 25 2 15 1 5 6.1.98 3.2.98 3.3.98 31.3.98 28.4.98 26.5.98 23.6.98 Abb. 2: Jahresgang der Chlorophyll a-gehalte an den nordrhein-westfälischen Rheinmessstellen (1998) 21.7.98 18.8.98 15.9.98 13.1.98 1.11.98 Honnef Düsseldorf Duisburg Bimmen 8.12.98 56

Als indirekte Messgröße für die Biomasse des Phytoplanktons wird der grüne Farbstoff, das Chlorophyll a bestimmt. Die Entwicklung des Phytoplanktons ist wesentlich von Einstrahlung, Abfluss und Trübung abhängig (Abb. 3). Die Chlorophyll a-gehalte steigen daher mit zunehmender Globalstrahlung im Frühjahr an. Hochwasser und schlechtes Wetter führen aufgrund von Verdünnungseffekten und ungünstigen Strahlungsverhältnissen zur Verringerung der Planktonkonzentration. In Jahren mit hohem Abfluss während der Vegetationsperiode, wie beispielsweise 1994, liegen die Planktonkonzentrationen und damit die Chlorophyll a-gehalte deutlich niedriger als in Jahren mit geringerem Abfluss, z. B.1991, 1992 und 1993. 2 ] Globalstrahlung [J/cm Abfluss [m³/s 1 ] 8 7 6 5 4 3 2 1 Chlorophyll Abfluss Globalstr. 1991 1992 1993 1994 Abb. 3: Globalstrahlung (Bocholt), Abfluss (Pegel Rees) und Chlorophyll a-gehalte an der Wasserkontrollstation Kleve-Bimmen in ausgewählten Jahren (1991 1994) Die in Abbildung 4 dargestellten Jahresmittelwerte der Chlorophyll a-gehalte weisen in den letzten 2 Jahren beträchtliche Schwankungen auf. Im Verlauf der 8er Jahre nahmen die Chlorophyll a-gehalte zunächst deutlich ab. Diese Entwicklung verlief parallel zu den im Zuge der verbesserten Kläranlagentechnik sinkenden Nährstoffgehalten. Trotz vergleichsweise geringer Nährstoffkonzentrationen stiegen Ende der 8er Jahre die Chlorophyll a- Gehalte wieder erheblich an. Während der 9er Jahre setzte sich der abnehmende Trend der Phytoplanktonkonzentrationen fort. 16 14 12 1 8 6 4 2 Chlorophyll [µg/l] Die Schwankungen der Chlorophyll a-gehalte, sind nicht allein durch die sinkenden Gehalte des Pflanzennährstoffs Phosphat im Rhein zu erklären, denn auch während der Planktonmaxima bleiben noch genügend Phosphat und Stickstoff als Nährstoffe übrig, um weiteres Algenwachstum zuzulassen. Erheblichen Einfluss auf die Planktonkonzentrationen und damit auf die Chlorophyll a-gehalte hat vor allem das Abflussgeschehen (Abb. 4). Inwieweit die inzwischen massenhaft vorhandenen Muscheln durch ihr Abfiltrieren des Phytoplanktons auf das Phytoplankton im Rhein wirken, kann z. Zt. noch nicht abgeschätzt werden. NH 4-N, PO4-P [mg/l] Abfluss [m³/s],6,5,4,3,2,1 4 3 2 1 Chlorophyll NH4-N PO4-P ges. 79 8 81 82 83 84 85 86 87 88 89 9 91 92 93 94 95 96 97 98 79 8 81 82 83 84 85 86 87 88 89 9 91 92 93 94 95 96 97 98 Abb. 4: Jahresmittelwerte der Chlorophyll a-gehalte und Nährstoffkonzentrationen (Ammonium-N, Gesamtphosphat-P) und Abflussmittelwerte während der Vegetationsperiode an der Wasserkontrollstation Kleve-Bimmen in den Jahren 1979 1998 Während der letzten zwanzig Jahre hat sich die quantitative Zusammensetzung des Phytoplanktons deutlich verändert. Der Vergleich der Jahre 1979 und 1998 (Abb. 5) zeigt, dass die Zelldichte 1998 deutlich niedriger war als 1979. Das Maximum lag 1979 bei 7. Zellen/ml, während 1998 nur noch Zelldichten von maximal 4. Zellen/ml erreicht wurden. Den stärksten Rückgang zeigen die Grünalgen, aber auch die Kieselalgen kommen heute nicht mehr in so hohen Dichten vor wie früher. Im Verlauf eines Jahres weist das Phytoplankton typische Schwankungen auf. Im Niederrhein treten im Verlauf der Vegetationsperiode zwei Maxima auf, ein Frühjahrsmaximum zwischen März und Mai und ein Sommermaximum von Juni/Juli bis Oktober. Das früher vorhandene Sommermaximum ist in den letzten Jahren nicht mehr aufgetreten. Damit geht der starke Rückgang der Grünalgen insgesamt einher, die vor allem das Sommermaximum bildeten. Seit Mitte der 7er Jahre hat die Ermittlung der qualitativen Zusammensetzung des Phytoplanktons kaum Veränderungen ergeben. Die heutige Phyto- 7 6 5 4 3 2 1 Chlorophyll a [µg/l] 57

Zellen/ml Zellen/ml 8 7 6 5 4 3 2 1 8 7 6 5 4 3 2 1 2 4 6 8 1121416182222426283323436384424446485 Woche Diatomeae Chlorophyta Sonstige Gesamtzellzahl 2 4 6 8 1121416182222426283323436384424446485 Woche Diatomeae Chlorophyta Sonstige Gesamtzellzahl Abb. 5: Vergleich der Zusammensetzung des Phytoplanktons der Jahre 1979 (oben) und 1998 (unten) planktonzönose unterscheidet sich jedoch erheblich von der Artenzusammensetzung vor dem 2. Weltkrieg und auch gegenüber der von starken Verunreinigungen geprägten Zeit in den Jahren danach. Beispielhaft wird die Entwicklung im Jahr 1998 dargestellt. Zentrische Kieselalgen (Centrales, Arten mit zylindrischen Zellen) machten den Großteil der Biomasse aus, besonders die vorwiegend als Einzelzellen lebenden Gattungen wie Cyclostephanos, Cyclotella und Stephanodiscus, aber auch die kettenbildenden Skeletonema-Arten. Die bereits im Februar beginnende Entwicklung des Phytoplanktons wurde durch das Hochwasser im März zunächst unterbrochen (Abb. 5). Ende Mai, nach Rückgang des Hochwassers, setzte mit der Zunahme von Vertretern der Gattungen Cyclostephanos, Cyclotella und Stephanodiscus die Vegetationsperiode des Phytoplanktons ein. Anfang Juni stieg auch die Zahl der kettenbildenden Arten Skeletonema potamos und S. subsalsum sprunghaft an (Abb. 6). Nach dem Rückgang der Zellzahlen Ende Juni trat in den Monaten August und September ein zweites überwiegend von Cyclotella und Skeletonema gebildetes Maximum auf. Pennate Kieselalgen waren zahlenmäßig 1998 im Niederrhein nur gering vertreten, zeigten jedoch eine große Artenvielfalt. Im zeitigen Frühjahr waren Asterionella formosa und Zellen des Nitzschia acicularis-typs vertreten, während ab August Diatoma tenuis in hohen Dichten vorkam. Phytoplankton [Zellen/ml] Abb. 6: Häufigkeit zentrischer Kieselalgen (1998) Grünalgen (Chlorophyta) waren 1998 wie auch schon in den letzten Jahren recht individuenarm (maximal 5. Zellen/ml) im Niederrhein vertreten (Abb. 7). Zu den Chlorophyta gehören bewegliche Formen (Phytomonadinae) mit 1 bis 4 Geißeln und unbewegliche Zellen, deren Hauptanteil im Niederrhein die Chlorococcales stellen. Den weitaus größten Anteil an der Gruppe der begeißelten Formen stellt die Gattung Spermatozopsis. Die Chlorococcales sind im Rhein sehr artenreich aber mit vergleichsweise geringen Zellzahlen (maximal 2.65 Zellen/ml) vertreten. Als dominante Formen wurden im Zeitraum von April bis September die Taxa Dictyosphaerium spp./dactylosphaerium spp., Scenedesmus quadricauda, Coelastrum spp. und Pediastrum boryanum festgestellt. Phytoplankton [Zellen/ml] 35 3 25 2 15 1 5 5 45 4 35 3 25 2 15 1 5 18 19 2 21 22 23 24 25 26 27 28 29 3 31 32 33 34 35 36 37 38 Phytomonadinae Spermatozopsis spp. Chlorococcales Chlorophyta ges. Woche 13 14 15 16 17 18 19 2 21 22 23 24 25 26 27 28 29 3 31 32 33 34 35 36 37 38 Woche Abb. 7: Häufigkeit von Grünalgen (1998) Summe Centrales Cyclostephanos spp. Cyclotella spp. Skeletonema spp. Stephanodiscus spp. An Blaualgen (Cyanophyta) wurden 1998 vor allem in der kalten Jahreszeit Zellfäden der Gattungen Limnothrix und Planktothrix sowie vereinzelt Pseudanabaena beobachtet, während im Sommer vorwiegend kugelige oder elliptische Zellen auftraten. Cryptophyceae (sogenannte Schlundflagellaten) waren während des gesamten Jahres überwiegend durch verschiedene Arten der Gattung Cryptomonas 58

und durch kleinere Formen Rhodomonas minuta (mit var. nannoplanctica) vertreten. In der Tabelle 1 sind die Jahresmittelwerte der Zellzahlen der wichtigsten Algenklassen für die Jahre 1979, 1989, 1994 und 1998 zusammengestellt. Zusätzlich wurden zum Vergleich die entsprechenden Messwerte für den Chlorophyll a-gehalt und das Phytoplanktonvolumen aufgenommen. Klassen, die nur in geringen Häufigkeiten auftraten, sind in der Tabelle nicht aufgeführt (Xanthophyceae, Dinophyceae, Ulotrichales, Conjugato- und Euglenophyceae). Für die Beurteilung der Qualität des Rheinwassers ist nicht nur die Kenntnis der Zusammensetzung und Menge der Phytoplanktons wichtig, es ist auch nötig, die physiologische Aktivität zu kennen. Dazu dient als Messgröße das Sauerstoffproduktionspotenzial (SPL). Es wird unter Labor-Standardbedingungen bestimmt. Solche Messungen werden seit vielen Jahren auf der NRW-Strecke des Rheins durchgeführt. Abbildung 8 zeigt den Vergleich von zwei Messjahren an den vier bzw. fünf Probestellen. (Bad Honnef, Strom-km 64; Leverkusen, Strom-km 698; Raum Düsseldorf, Strom-km 729 bzw. 732; Raum Duisburg, Strom-km 776 bzw. 792; Kleve- Bimmen, Strom-km 865). 1982 liefen von Bad Honnef bis Düsseldorf die Kurven für Chlorophyll und das von seiner Quantität und Aktivität abhängige Sauerstoffproduktionspotenzial leicht ansteigend. Der Anstieg ergab sich aus dem allmählichen Wachstum des Planktons über die Fließzeit. Entsprechend musste sich das SPL erhöhen. Unter dem Einfluss unzureichend geklärter Abwässer trat im Raum Duisburg ein Einbruch in der Photosyntheseaktivität, dem SPL, auf. Diese toxische Hemmung ging auf der weiteren Fließstrecke, offenbar durch Festlegung der Schwermetalle im Schwebstoff, der sedimentierte und damit nicht mehr algenverfügbar war zurück. Nach Schließung der Hütte verschwand dieser toxische Effekt und die Kurven für Chlorophyll und SPL zeigen einen ungebrochen ansteigenden Verlauf. Chlorophyll a [µg/l] Chlorophyll a [µg/l] 35 3 25 2 15 1 5 16 14 12 1 8 6 4 2 Chlorophyll a 64 698 729 776 865 Chlorophyll a SPL SPL Strom - km 64 732 792 865 Strom - km Abb. 8: Jahresmittelwerte des Sauerstoffproduktionspotenzials (SPL) und der Chlorophyll a-gehalte im Rhein 1982 (oben) und 1999 (unten) 5 4 3 2 1 5 4 3 2 1 SPL [mg/l O 2 ] SPL [mg/l O 2 ] Tab. 1: Jahresmittelwerte der Zellzahlen der wichtigsten im Rhein vorkommenden Algenklassen, Chlorophyll a-gehalt und Phytoplanktonvolumen der Jahre 1979, 1989, 1994 und 1998 1979 1989 1994 1998 Zellzahl/ml % Zellzahl/ml % Zellzahl/ml % Zellzahl/ml % Cyanophyta 231 1,4 3 1,6 33 2,5 256 4,3 Chrysophyceae 1,6 286 1,5 242 2, 57 1, Zentrische Diatomeae 8.871 53,3 11.63 61,1 6.868 57,6 3.956 66,6 Pennate Diatomeae 539 3,2 296 1,6 33 2,8 118 2, Phytomonadinae 218 1,3 26 1,1 255 2,1 45 7,6 Chlorococcales 6.497 39, 6. 31,5 3.614 3,3 824 13,9 Cryptophyta 167 1, 33 1,6 249 2,1 261 4,4 Summe 16.647 19.26 11.933 5.937 Chlorophyll a (µg/l) 41,7 29,8 14,2 6,8 Volumen (mm³/l) 4,54 4,37 4,1 1,2 59

Zooplankton Neben dem Phytoplankton gehört auch das Zooplankton mikroskopisch kleine Tiere, die frei im Wasser schweben oder aktiv schwimmen der Planktonzönose des Rheins an. Im Rahmen des Aktionsprogramms Rhein wird auch das Zooplankton untersucht. Im Rhein kommen nur wenige Arten vor. Im Niederrhein handelt es sich überwiegend um die Rädertiere (Rotatoria) der Gattungen Keratella und Brachionus. Da das Phytoplankton die Nahrungsgrundlage des Zooplanktons darstellt, tritt im Frühjahr während des Phytoplanktonmaximums ebenfalls ein Maximum der Rädertiere auf (Abb. 9). Das langsamere Wachstum der Rädertierpopulationen sowie die Einflüsse von Abfluss und Algenwachstum führen dazu, dass trotz steigender Phytoplanktondichten nicht immer auch eine Zunahme des Zooplanktons auftritt. Rotatorien [Tiere/l] 9 8 7 6 5 4 3 2 1 3.1. 31.1. 28.2. 28.3. 25.4. 22.5. 2.6. 18.7. 15.8. 12.9. 1.1. Rotatoria Volum en 7.11. 5.12. Abb. 9: Jahresgang des Phytoplanktonvolumens und der Rotatorien im Rhein bei Kleve- Bimmen 1995 Kurzzeitig, vor allem im späten Frühjahr, können die Larven der Dreikantmuschel (Dreissena polymorpha) ebenfalls im Rheinwasser schwebend angetroffen werden. Es ist eine Besonderheit, dass im Süßwasser die Larven von Muscheln eine planktische Phase durchschreiten, bevor sie sich an geeigneten Unterlagen, z. B. den Ufersteinen mit Hilfe selbst produzierter Fäden festheften und heranwachsen. Im Gegensatz zu Seen und anderen stehende Gewässern kommen im Rhein und Flussstauen aufgrund der kurzen Verweilzeit des Wassers im System und der starken Turbulenzen des strömenden Wassers praktisch keine Wasserflöhe oder andere Kleinkrebse vor. Abbildung 1 gibt als Beispiel die Individuenzahlen der Rädertiere und 18 16 14 12 1 8 6 4 2 Volumen [mm³/l] der Dreissena-Larven in Korrelation zum Chlorophyll und Abfluss wieder. Rotatoria [Tiere/l] Abfluss [m³/s] 12 1 8 6 4 2 5 4 3 2 1 7.1.92 4.2.92 3.3.92 3.3.92 Makrozoobenthos 28.4.92 25.5.92 23.6.92 21.7.92 Die im Rhein am Ufer und der Sohle lebenden und mit dem bloßen Auge erkennbaren Tiere das Makrozoobenthos werden seit 1969 jährlich untersucht. Es handelt sich dabei vor allem um Schnecken, Muscheln, Krebstiere und Insektenlarven. Die Bestandsaufnahmen an über 4 Probestellen erfolgen bei Niedrig- bis Mittelwasser in den Spätsommer- bzw. Herbstmonaten. Damit bei der Bewertung vergleichbare Substratverhältnisse zugrunde liegen, werden bevorzugt die zur Ufersicherung ausgebrachten Steinschüttungen soweit vorhanden die Buhnenköpfe untersucht. Die im Uferbereich festgestellte Lebensgemeinschaft dient der Ermittlung der Gewässergüteklasse. Die Auswertung erfolgt auf der Grundlage des Saprobiensystems (vgl. Kap. 2.1). Entwicklung der biologischen Gewässergüteklasse Die in den letzten 3 Jahren durchgeführten Bestandsaufnahmen des Makrozoobenthos zeigen, dass sich die Gewässergüte des Rheins in diesem Zeitraum aufgrund von Sanierungsmaßnahmen stark verbessert und in den letzten Jahren die Güteklasse II erreicht hat. Gleichzeitig unterlag die Lebensgemeinschaft einer starken Dynamik. 18.8.92 Rotatoria ges. Dreissena-Larven 15.9.92 13.1.92 Abfluss Chlorophyll Abb. 1: Individuenzahlen der Rädertiere und der Dreissena-Larven in Korrelation zum Chlorophyll a-gehalt und Abfluss 1.11.92 8.12.92 12 1 8 6 4 2 1 8 6 4 2 Dreissena-Larven [Tiere/l] Chlorophyll a [µg/] 6

Stromkm 86 85 84 83 82 81 8 79 78 77 76 75 74 73 72 71 7 69 68 67 66 65 64 Erft 1969 1975 198 Lippe Lippe Lippe Emscher Emscher Emscher Ruhr Ruhr Ruhr Erft Erft Wupper Wupper Wupper Sieg Sieg Sieg Güteklassen: I unbelastet bis sehr gering belastet I - II gering belastet II mäßig belastet Erft 1984 199 Lippe Lippe Emscher Emscher Ruhr Ruhr Erft Wupper Wupper Sieg Sieg II - III kritisch belastet III stark verschmutzt Erft 1995 Lippe Emscher Ruhr Wupper Sieg III - IV sehr stark verschmutzt Erft 1999 Stromkm 86 85 84 83 Lippe 82 81 8 Emscher 79 Ruhr 78 77 76 75 74 73 72 71 Wupper 7 69 68 67 66 Sieg 65 64 IV übermäßig verschmutzt Abb. 11: Gütezustand des Rheins in Nordrhein-Westfalen auf der Grundlage biologischer Befunde im Uferbereich 61

1969 war der Rhein im gesamten nordrhein-westfälischen Abschnitt als stark verschmutzt in Güteklasse III einzustufen (Abb. 11). Analog zur höchsten Abwasserbelastung hatte die Besiedlung Ende der 6er und Anfang der 7er Jahre den absoluten Tiefpunkt erreicht. Die Ufer des Rheins waren damals biologisch so stark verarmt, dass auf den Steinen der Uferbefestigung nur wenige widerstandsfähige Arten gefunden werden konnten. Verödungsstrecken mit Uferbereichen an denen überhaupt keine Tiere anzutreffen waren, reichten von Dormagen/Monheim bis Düsseldorf und von Duisburg bis Emmerich. In Abbildung 12 ist der Bestand der makroskopisch erkennbaren Organismen im Jahre 1969 dargestellt. Neben diesen Tieren des Makrozoobenthos ist auch das Vorkommen des fädigen Abwasserbakteriums Sphaerotilus natans und der Grünalge Stigeoclonium tenue erfasst, da diese stellenweise massenhaft auftraten und die einzig sichtbare, die Verschmutzung tolerierende Besiedlung darstellten. Im südlichen Bereich des nordrhein-westfälischen Rheins oberhalb von Dormagen/Monheim kam damals noch ein Restbestand von sechs Arten vor, der sich aus unempfindlichen Schnecken, Egeln, Wasserasseln, Moostierchen und Schwämmen zusammensetzte. Anspruchsvollere Arten, zu denen viele Insektenarten aber auch Strudelwürmer und Krebstiere gehören, waren nicht anzutreffen. Bau und Betrieb einer Vielzahl von Kläranlagen am Rhein und seinen Nebenflüssen seit Mitte der 7er Jahre hat zur kontinuierlichen Verbesserung der Wasserqualität geführt, so dass 198 kein Abschnitt des Rheins mehr in die Güteklasse IV eingeordnet werden musste. Seit 1984 taucht auch die starke Verschmutzung symbolisierende Farbe Gelb (Güteklasse III) nicht mehr in den Gewässergütekarten auf. Der Rhein ist nun in die Güteklassen II und II-III einzustufen. 1994 konnte mit der Einstufung der gesamten nordrhein-westfälischen Fließstrecke des Rheins in die Güteklasse II erstmals das in den Allgemeinen Güteanforderungen für Fließgewässer in Nordrhein- Westfalen formulierte Ziel des Gewässerschutzes erfüllt werden und in den Gewässergütekarten durchgängig in Dunkelgrün (Güteklasse II) dargestellt werden. Aufgrund des starken Rückgangs an Schadstoffen und des stabilen Sauerstoffhaushaltes bietet die Wasserqualität des Rheins heute wieder die Grundlage für eine artenreiche Kleintierlebewelt aus Schwämmen, Strudelwürmern, Egeln, Moostierchen, Krebstieren, Insektenlarven, Schnecken und Muscheln. Sie stellen allerdings nur den Restbestand der ehemals, d. h. vor der Zeit starker Verschmutzung im Rhein vorhandenen Fauna dar, der den Veränderungen und heutigen Belastungen des Ökosystems gewachsen ist. Dem steht ein Zugewinn von neuen eingewanderten Tieren Abb. 12: Makroskopisch erkennbare Organismen im nordrhein-westfälischen Rheinabschnitt im Jahre 1969 (Landesanstalt für Gewässerkunde und Gewässerschutz NRW, 197) 62

Neozoen gegenüber. Dabei handelt es sich um eingewanderte, eingeschleppte oder auch ausgesetzte Arten, die freie ökologische Nischen besetzen, die früher von einheimischen Arten eingenommen wurden. Dazu gehören vor allem die Dreikantmuschel (seit 1976), Körbchenmuscheln (seit 1991) und mehrere Krebse, die sich gegenseitig ablösen. Im Zuge der Wiederbesiedlung des Rheins nach der Zeit stärkster Verarmung ist das nur wenige Jahre währende Massenauftreten einzelner Arten, z. B. Augustfliege und Schlickkrebs, zu nennen. bereits 8 bis 13 Arten auf. Die Abschnitte unterhalb von Dormagen/Monheim, der Emschermündung und bei Emmerich waren dagegen nach wie vor verödet (Abb. 13). Die Inbetriebnahme der Industriekläranlage von Bayer Dormagen im Jahre 1978 hat auch in diesem Bereich schnell eine Wiederbesiedlung der zuvor völlig verödeten Ufersubstrate zur Folge. 198 erfolgt die Erweiterung des Gemeinschaftsklärwerkes Leverkusen, so dass sich auch der Bereich Sanierungsmaßnahmen und ihre Erfolge Umfangreiche Sanierungsmaßnahmen - vor allem die Inbetriebnahme zahlreicher Kläranlagen am Rhein und seinen Nebenflüssen in und außerhalb in den 7er Jahren (Tab. 2) haben zu einer Reduzierung des Eintrags organischer, biologisch leicht abbaubarer Substanzen und dadurch zu einer Verbesserung der Sauerstoffverhältnisse geführt. Die damit verbundene erhebliche Verbesserung der Wasserqualität hatte eine deutliche Zunahme des Artenspektrums zur Folge. Tab. 2: Inbetriebnahme von Kläranlagen an Rhein, Wupper und Emscher Jahr Kläranlage Fluss 1974 KA Düsseldorf-Süd Rhein 1976 Großkläranlage der BASF und Rhein der Städte Ludwigshafen und Frankenthal 1976 KA Buchenhofen des Wupper Wupperverbandes 1977 KA Rutenbeck Bayer Elberfeld Wupper 1977 Emscher-Flusskläranlage des Emscher Emscherverbandes 1978 KA Bayer Dormagen Rhein 198 Erweiterung des Gemeinschafts- Rhein Klärwerkes Leverkusen Insbesondere die Inbetriebnahmen der Kläranlage Düsseldorf-Süd, der Emscher-Flusskläranlage in NRW sowie der oberhalb am Strom liegenden Großkläranlagen der BASF sowie der Städte Ludwigshafen und Frankenthal führten in einigen Bereichen zu einer deutlichen Regeneration der Besiedlung. Seit 1976 traten in den Abschnitten bei Bad Honnef, Köln, Rodenkirchen, Düsseldorf, und am unteren Niederrhein bei Lüttingen und Rees Abb. 13: Entwicklung der Artenzahlen im Rhein 63

TAXON Nov 69 Mai 74 Okt 78 Sep 82 Aug 86 Aug 9 Aug 94 Aug 98 PORIFERA Ephydatia spp. Spongilla spp. HYDROZOA Cordylophora caspia TURBELLARIA Dendrocoelum lacteum Dendrocoelum romanodanubiale Dugesia lugubris Dugesia tigrina BRYOZOA Fredericella sultana Plumatella spp. POLYCHAETA Hypania invalida HIRUDINEA Erpobdella octoculata Glossiphonia complanata Glossiphonia heteroclita GASTROPODA Acroloxus lacustris Ancylus fluviatilis Bithynia tentaculata Physella acuta Potamopyrgos antipodarum Radix peregra LAMELLIBRANCHIATA Anodonta spp. Corbicula spp. Dreissena polymorpha Sphaerium corneum Theodoxus spp. Unio spp. EPHEMEROPTERA Ephoron virgo Heptagenia sulphurea CRUSTACEA Atyaephyra desmaresti Asellus aquaticus Chaetogammarus ischnus Corophium curvispinum Dikerogammaus villosus Gammarus pulex Gammarus tigrinus Jaera istri TRICHOPTERA Ceraclea dissimilis Ecnomus tenellus Hydropsyche bulgaromanorum Hydropsyche contubernalis Psychomya pusilla Tinodes waeneri DIPTERA Rheotanytarsus Tab. 3: Vorkommen und Häufigkeit des Makrozoobenthos im Bereich von Bad Honnef bis Köln Häufigkeiten von 1 bis 5 Neozoen 64

Tab. 4: Vorkommen und Häufigkeit des Makrozoobenthos im Bereich von Wesel bis Kleve-Bimmen TAXON Nov 69 Mai 74 Okt 78 Sep 82 Aug 86 Aug 9 Aug 94 Aug 98 PORIFERA Ephydatia spp. Spongilla spp. HYDROZOA Cordylophora caspia TURBELLARIA Dendrocoelum lacteum Dendrocoelum romanodanubiale Dugesia lugubris Dugesia tigrina BRYOZOA Fredericella sultana Plumatella spp. POLYCHAETA Hypania invalida HIRUDINEA Erpobdella octoculata Glossiphonia complanata Glossiphonia heteroclita GASTROPODA Acroloxus lacustris Ancylus fluviatilis Bithynia tentaculata Physella acuta Potamopyrgos antipodarum Radix peregra LAMELLIBRANCHIATA Anodonta spp. Corbicula spp. Dreissena polymorpha Sphaerium corneum Unio spp. EPHEMEROPTERA Ephoron virgo Heptagenia sulphurea CRUSTACEA Atyephyra desmaresti Asellus aquaticus Chaetogammarus ischnus Corophium curvispinum Dikerogammarus villosus Gammarus pulex Gammarus tigrinus Jaera istri TRICHOPTERA Ceraclea dissimilis Ecnomus tenellus Hydropsyche bulgaromanorum Hydropsyche contubernalis Psychomya pusilla Tinodes waeneri DIPTERA Rheotanytarsus spp. Häufigkeiten von 1 bis 5 Neozoen 65

unterhalb von Leverkusen in den folgenden Jahren weiter erholen konnte. Der erste sprunghafte Anstieg der Artenzahlen war hier 1982 zu beobachten. Auswirkungen auf die Besiedlung des Rheins haben auch die Inbetriebnahmen der Kläranlage Buchenhofen des Wupperverbandes (1976) und der Kläranlage Rutenbeck der Bayer AG (1977) an der Wupper. War der Bereich unterhalb der Wuppermündung 1974 noch völlig unbesiedelt, so erfolgt seit 1976 allmählich, zunächst durch Schnecken und Egel, die Wiederbesiedlung dieses Abschnittes. 1981 stieg die Anzahl der Arten sprunghaft an und es kommen Insektenlarven, Strudelwürmer, Muscheln und Krebstiere hinzu. Nach der deutlichen Zunahme der Artenzahlen Ende der 7er und Anfang der 8er Jahre schwankt die Zahl der vorgefundenen Arten in den folgenden Jahren mehr oder weniger stark zwischen 1 und 26. Ursache hierfür sind, neben Schwankungen in der Belastung des Rheins, natürliche Populationsschwankungen und teilweise sicher auch ständig erhöhte Wasserstände, die die vollständige Bestandaufnahme erschwerten. Stets gehören die Egel und Schnecken, meist auch die Wasserasseln zu den ersten Besiedlern der zuvor stark verarmten oder verödeten Bereiche. Oft erst einige Jahre später, wenn sich die Bedingungen weiter verbessert haben, folgen Insektenlarven, Strudelwürmer und Flohkrebse. Seit einigen Jahren kann der Spaziergänger am Ufer auch wieder Muschelschalen der Großmuscheln Unio sp. und Anodonta sp. finden, die Sand- und Schlammbänke der Buhnenfelder besiedeln. Im Zuge dieser Wiederbesiedlung des Rheins spielten neben einheimischen Gewässerorganismen Neozoen eine wichtige Rolle (Tab. 3+4). Neozoen Neozoen sind Tierarten, die aus anderen Regionen der Erde zugewandert oder eingebracht worden sind. Wanderbewegungen von Organismen gab es in der Erdgeschichte zwar schon immer, doch haben sie sich jeweils immer über sehr lange Zeiträume erstreckt. Als Neozoen werden Arten bezeichnet, deren Verbreitung durch die Tätigkeit des Menschen wesentlich gefördert oder erst ermöglicht wurde. Sie erfolgt meist in kurzen Zeiträumen von wenigen Jahren oder Jahrzehnten. Die Zuwanderung erfolgt vor allem über die von Menschen geschaffenen Transportwege und Transportmöglichkeiten. In unseren Gewässern spielen die Schifffahrtskanäle als Ausbreitungspfade eine entscheidende Rolle, da sie Fließgewässersysteme, die bereits von Natur aus ideale Wanderwege darstellen, verbinden. Tab. 5: Vorkommen und Herkunft der häufigsten Neozoen im Rhein und in den Westdeutschen Schifffahrtskanälen Art Rhein Schifffahrts- Heimat kanäle Cordylophora caspia Keulenpolyp + + Schwarzmeergebiet Dendrocoelum romanodanubiale Plattwurm + Schwarzmeergebiet Dugesia tigrina Gefleckter Strudelwurm + + Nordamerika Hypania invalida Ringelwurm + Schwarzmeergebiet Athyaephyra desmaresti Süßwassergarnele + + Mittelmeerraum Eriocheir sinensis Wollhandkrabbe + Ostasien Orconectes limosus Amerikanischer Flusskrebs + + Nordamerika Corophium curvispinum Schlickkrebs + + Schwarzmeergebiet Chaetogammarus ischnus Kleinkrebs + + Schwarzmeergebiet Dikerogammarus villosus Kleinkrebs + Schwarzmeergebiet Gammarus tigrinus Getigerter Flohkrebs + + Nordamerika Jaera istri Assel * + Schwarzmeergebiet Physella acuta Spitze Blasenschnecke + + Mittelmeerraum Potamopyrgus antipodarum + Australische Region Neuseeländische Turmdeckelschnecke Corbicula fluminalis Körbchenmuschel + + Ostasien Corbicula fluminea Körbchenmuschel + + Ostasien Dreissena polymorpha Wandermuschel + + Schwarzmeergebiet 66

Durch den Schiffsverkehr ist durch Anheften an den Schiffskörper oder den Transport mit dem Ballastwasser die Überwindung großer Distanzen möglich. Neozoen treten daher vor allem in schiffbaren Gewässern auf. Der Mensch sorgt aber auch durch das direkte Aussetzen von Tieren für die Verbreitung neuer Arten. Im Rhein kommen heute Arten aus vielen Regionen der Erde vor. Die Herkunftsgebiete reichen vom Mittelmeerraum über den Schwarzmeerraum bis nach Ostasien, Nordamerika und Australien (Tab. 5). Bei den Zuwanderern handelt es sich z. T. um Arten, die gegen Versalzung und Erwärmung unempfindlich sind. Andere ernähren sich als Filtrierer und finden in unseren eutrophierten Gewässern ein reichhaltiges Nahrungsangebot. Diese Eigenschaften bieten den Neulingen einen erheblichen Konkurrenzvorteil gegenüber empfindlicheren, einheimischen Arten, der es ihnen ermöglicht freie ökologische Nischen zu besetzen oder andere Arten zurückzudrängen. Wichtige Aussagen über den Zustand eines Ökosystems liefert nicht nur die Zusammensetzung des Artspektrums sondern auch der Aufbau der Lebensgemeinschaft aus Organismen mit speziellen ökologischen Ansprüchen oder Funktionen, wie z. B. die Dominanz bestimmter Ernährungstypen. Die Auswertung nach Ernährungstypen für das Makrozoobenthos im Rhein zeigt, dass heute die Filtrierer (z. B. Muscheln), dem reichen Plankton- und Schwebstoffangebot entsprechend, die dominierende Rolle spielen. Daneben finden auch Weidegänger im Algenaufwuchs ihr reichhaltiges Nahrungsangebot (Abb. 14). Der hohe Anteil an Filtrierern wird großenteils von Neozoen gestellt, die Taxazahl 9 8 7 6 5 4 3 2 1 Abb. 14: 1969 1973 1978 1983 1988 1993 1998 Filtrierer Weidegänger Räuber Zerkleinerer Sedimentfresser Ernährungstypenverteilung des Makrozoobenthos im Rhein (Bad Honnef) diese wichtige ökologische Funktion im Rhein übernommen haben, zumal die einheimischen Großmuscheln lange Zeit fehlten oder unbedeutende Populationen bildeten. Die Einwanderung und Einschleppung neuer Arten wird teilweise mit Besorgnis beobachtet, da die Auswirkungen auf die komplexen Zusammenhänge in einem Ökosystem kaum vorhersehbar sind. Positiv wird die Einwanderung von Arten gesehen, die freie ökologische Nischen besetzen oder als Nahrung für heimische Arten dienen. Mögliche negative Auswirkungen werden gesehen, wenn die neuen Arten in Konkurrenz zu einheimischen Arten treten, Massenentwicklungen zeigen, Krankheiten einschleppen oder als Parasiten die heimischen Arten schädigen. Im folgenden soll auf das Vorkommen und die Herkunft der häufigsten wirbellosen Kleintierarten unter den Neozoen des nordrhein-westfälischen Rheins eingegangen werden. Hier sind vor allem Vertreter aus der Gruppe der Muscheln, Schnecken und Krebstiere zu nennen. Die erste fremdländische Art, die mit der Verbesserung der Wasserqualität seit 1976 wieder im Rhein heimisch wurde, war die Wandermuschel Dreissena polymorpha. Wegen ihrer Streifung wird sie auch Zebramuschel oder aufgrund ihrer dreieckigen Form Dreiecksmuschel genannt. Die schon vor den letzten Eiszeiten in Mitteleuropa heimische Art, wurde durch die Eiszeiten verdrängt und wanderte erst im 19. und 2. Jahrhundert aus dem Schwarzmeerraum über die Schifffahrtskanäle wieder ein. Dreissena wird 3 bis 4 cm groß und heftet sich an Hartsubstrate wie z. B. die Steinblöcke der Buhnen oder der Uferbefestigung an und ernährt sich, indem sie organische Schwebstoffe z. B. Planktonalgen aus dem Wasser filtriert. In Nordrhein-Westfalen kam es seit Mitte der 8er Jahre zu einer starken Vermehrung der Dreikantmuschel. In den folgenden Jahren gingen die Bestandsdichten jedoch wieder zurück. In den trockenen Sommern Anfang der 9er Jahre starben auf den trockengefallenen Ufern große Bestände der dort festsitzenden Muscheln ab. Etwa zur gleichen Zeit trat eine weitere neue Art, der Kleinkrebs Corophium curvispinum, auf, der erfolgreich mit der Wandermuschel konkurrierte. Durch sein massenhaftes Auftreten schränkte er die Siedlungsflächen der Wandermuschel stark ein (Abb. 15). 67

Häufigkeiten 7 6 5 4 3 2 1 Dreissena polymorpha Corophium curvispinum 1931 wurde er erstmalig in England entdeckt. Wegen seiner hohen Salzverträglichkeit wurde er 1957 in der stark versalzten und daher biologisch verödeten Werra ausgesetzt, um die verschwundenen einheimischen Arten zu ersetzen. Seither hat er sich stark ausgebreitet und ist über die Weser weitergewandert. Im nordrhein-westfälischen Rheinabschnitt wurde er 1982 erstmals nachgewiesen, wo er zeitweise die dominierende Flohkrebsart war. Die Bestände sind inzwischen aber durch andere Flohkrebsarten völlig verdrängt. 69 7 71 72 73 74 75 76 77 78 79 8 81 82 83 84 85 86 87 88 89 9 91 92 93 94 95 96 97 98 99 Jahre Abb. 15: Vorkommen von Dreissena polymorpha und Corophium curvispinum im Rhein im Bereich Wesel bis Kleve-Bimmen Der Schlickkrebs Corophium curvispinum kommt seit 1988 im nordrhein-westfälischen Rhein vor. Aus dem Schwarzmeergebiet hat er sich über die Wolga, den Dnjepr, die Donau und die Schifffahrtskanäle bis in den Rhein verbreitet. Corophium, der sich von mikroskopisch kleinen Algen und Schwebstoffpartikeln ernährt, findet im Rhein günstige Ernährungsbedingungen. Aus diesem Grund und aufgrund fehlender Konkurrenz konnte er sich massenhaft vermehren. Große Teile der Steine sind mit einem dichten Filz der zylindrischen Wohnröhren von Corophium überzogen. Damit stellt er gegenüber anderen Besiedlern steiniger Substrate wie z. B. Dreissena polymorpha einen erheblichen Konkurrenzfaktor dar. Nach dem Rückgang des Schlickkrebses seit Anfang der 9er Jahre erholten sich die Dreissena-Bestände wieder. Zwei weitere zu den Muscheln gehörende Arten sind die aus Ostasien stammenden Körbchenmuscheln Corbicula fluminea und Corbicula fluminalis. Sie wurden zunächst nach Nordamerika eingeschleppt und von dort mit dem Ballastwasser der Schiffe unwissentlich nach Europa transportiert. In Nordrhein-Westfalen wurden sie erstmals 199 nachgewiesen und haben sich seither stark vermehrt. Die 2,6 cm großen Muscheln leben vor allem in feinem Kies und sind im Uferbereich des gesamten Niederrheins verbreitet. Inzwischen sind bei Niedrigwasser die Ufer des Rheins dicht mit leeren Schalen der Muscheln bedeckt. Der von der amerikanischen Ostküste stammende Getigerte Flohkrebs Gammarus tigrinus (Abb. 16) hat seinen Namen von der tigerähnlichen Streifung. Abb. 16: Gammarus tigrinus In den letzten Jahren haben sich zwei weitere aus dem Schwarzmeerraum stammende Flohkrebsarten im Rhein ausgebreitet. Chaetogammarus ischnus wurde zuerst in den Schifffahrtskanälen entdeckt und wird seit 1988 auch im Rhein nachgewiesen. Dikerogammarus villosus ist aus der Donau über den Main-Donau-Kanal in den Rhein gelangt und trat 1994 erstmals im unteren Niederrhein auf. Beide Arten gehören mittlerweile zu den dominierenden Flohkrebsarten im Niederrhein, Corophium ist stark zurückgedrängt. Anfang des Jahrhunderts wurde die aus Ostasien stammende Wollhandkrabbe Eriocheir sinensis in die Elbe eingeschleppt, von wo aus sie sich weiter verbreitet hat. Ihre leeren Panzer findet man regelmäßig im Uferbereich des Rheins. Eine weitere Krebsart, die den gesamten Niederrhein besiedelt, ist der Amerikanische Flusskrebs Orconectes limosus. 189 wurde er in Europa ausgesetzt, da er im Gegensatz zu der heimischen damals fast ausgerotteten Flusskrebsart Astacus astacus gegen die Krebspest immun ist. Vor allem im unteren Niederrheinabschnitt ab Wesel kommt die aus dem Mittelmeergebiet stammende Garnelenart Atyaephyra desmaresti vor. 68

Eine eher untergeordnete Rolle spielen zwei eingewanderte Schneckenarten, die Spitze Blasenschnecke Physella acuta und die Neuseeländische Turmdeckelschnecke Potamopyrgus antipodarum. Physella acuta stammt aus dem Mittelmeerraum und ist relativ unempfindlich gegen Verschmutzung, weshalb sie auch schon 1972 in dem damals noch extrem belasteten Rhein existieren konnte. Potamopyrgus antipodarum ist in der australischen Region beheimatet, besiedelt aber inzwischen weite Teile Europas. Im nordrhein-westfälischen Rhein wird sie seit 1982 gefunden. 1996 ist ein weiterer neuer Bewohner des Rheins hinzugekommen. Aus dem Donaugebiet ist die Assel Jaera istri über den Main-Donau-Kanal zunächst in den Main und von dort in den Rhein gelangt. Kam Jaera istri 1996 nur an wenigen Stellen des nordrhein-westfälischen Rheinabschnittes vor, so gehörte sie bereits 1997 an vielen Stellen zu den dominanten Arten (Tab. 3 + 4). Der Main-Donau-Kanal war auch Wanderweg für den zu den Ringelwürmern gehörenden Polychaeten Hypania invalida und den Strudelwurm Dendrocoe-lum romanodanubiale in den Rhein. Hypania invalida wurde 1996, Dendrocoelum romanodanubiale 1998 erstmals im nordrhein-westfälischen Rheinabschnitt nachgewiesen. Zusammenfassung und Ausblick Der Rhein hat sich von einem biologisch verödeten bzw. stark verarmten Gewässer Anfang der 7er Jahre durch umfangreiche Sanierungsmaßnahmen wieder zu einem lebendigen Fluss entwickelt und entspricht heute der Gewässergüteklasse II. Im Zuge der Wiederbesiedlung zeigte die Lebensgemeinschaft der tierischen Kleinlebewesen eine starke Dynamik. Dabei traten neben einheimischen Arten auch Vertreter aus anderen Teilen der Erde, die Neozoen, auf. Die Neulinge im Rhein haben inzwischen einen hohen Anteil an der Biozönose erreicht. Die Voraussetzungen für die hohe Zuwanderungsrate und die starke Vermehrung von Neozoen hat der Mensch geschaffen, indem er die Ausbreitungsmöglichkeiten schuf und die Lebensräume so veränderte, dass sie für die neuen Arten Konkurrenzvorteile boten. Ihr oft massenhaftes Vorkommen ließ befürchten, dass einheimische Arten durch sie verdrängt werden. In der Regel regulieren sich diese Entwicklungen jedoch im Lauf der Zeit, wie es beispielsweise bei der Wandermuschel Dreissena polymorpha und dem Schlickkrebs Corophium curvispinum bereits beobachtet werden konnte. Bisher ist noch keine einheimische Art durch Neozoen in ihrem Bestand gefährdet. Die Fauna des Rheins wird sich auch weiterhin verändern. Neue Arten werden hinzukommen, während andere Arten an Bedeutung verlieren werden. Der weiteren Entwicklung sind allerdings durch die mit der intensiven Nutzung des Rheins einhergehenden Kanalisierung des Flusslaufes und die durchgehende Uferbefestigung Grenzen gesetzt. Der Ausbau des Flusses zur Schifffahrtsstraße hat zu einer starken Uniformität des Lebensraumangebotes geführt, wodurch die Artenvielfalt begrenzt wird. Viele Arten sind auf das Vorhandensein bestimmter Uferstrukturen angewiesen oder benötigen Auenbereiche mit Altgewässern, Röhrichten und Gehölzen. Die Entwicklung der Lebensgemeinschaft des Rheins ist daher in den kommenden Jahren neben einer weiteren Verbesserung der Wasserqualität ganz entscheidend von der Entwicklung der Strukturvielfalt im Ufer- und Auenbereich abhängig, um Lebensräume für weitere Arten zu schaffen. Hier beginnt die Gratwanderung zwischen den Ansprüchen des Ökosystems und den Ansprüchen des Menschen, so dass die Möglichkeiten einer Verbesserung der Lebensraumstrukturen begrenzt bleiben werden. Literatur FRIEDRICH, G. (199): Das Plankton des Rheins als Indikator. In: KINZELBACH, R. & G. FRIEDRICH (Hrsg.): Biologie des Rheins. Limnologie aktuell, Bd. 1, S. 181-19, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, New York. NIPPES, K.-R. (1993): Einzugsgebiet und Abflußregime. in: BUCK, W. et al.: Der Rhein unter Einwirkung des Menschen - Ausbau, Schifffahrt, Wasserwirtschaft. Bericht Nr. 11 der Internationalen Kommission für die Hydrologie des Rheingebietes (KHR). SCHILLER, W. (199): Die Entwicklung der Makrozoobenthonbesiedlung des Rheins in Nordrhein-Westfalen im Zeitraum 1969-1987. In: KINZELBACH, R. & G. FRIEDRICH (Hrsg.): Biologie des Rheins. Limnologie aktuell, Bd. 1, S. 259-275, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, New York. STIELER, K., H. WACHENHUSEN & F. W. HACKLÄNDER (1875): Rheinfahrt - Von den Quellen des Rheins bis zum Meere. Reprint 1978, Curt R. Vincentz Verlag, Hannover, 428 S. TITTIZER, T., F. SCHÖLL & M. SCHLEUTER (199): Beitrag zur Struktur und Entwicklungsdynamik der Benthalfauna des Rheins von Basel bis Düsseldorf in den Jahren 1986 und 1987. In: KINZELBACH, R. & G. FRIEDRICH (Hrsg.): Biologie des Rheins. Limnologie aktuell, Bd. 1, S. 181-19, Gustav Fischer Verlag, Stuttgart, New York. 69