Die Patentanmeldung an einem praktischen Beispiel Patentfähige Erfindungen müssen nicht immer wissenschaftliche Sensationen sein. Es muss bloß eine Aufgabe mit technischen Mitteln gelöst werden (Lösung): Die technische Lösung muss neu sein. Neuheit besteht, wenn diese Lösung vor der Anmeldung noch nirgends beschrieben oder der Öffentlichkeit auf andere Weise bekannt ist. Die technische Lösung muss auch Erfindungshöhe haben Sie darf sich aus dem Stand der Technik nicht in naheliegender Weise ergeben. Die Erfindung muss einen besonderen Effekt haben, also das Ziel besonders wirksam und besser als bisher erreichen. An Hand eines ganz einfachen Beispiels aus der aktuellen Praxis möchte ich zeigen, wie die schriftlichen Unterlagen, die für eine Patentanmeldung notwendig sind, richtig abgefasst werden. In einem APFEL kann man, so wie er ist, hineinbeißen. Man kann ihn auch vierteln, das Kerngehäuse ausschneiden oder schälen. Gerade die Schale ist aber gesund, vitaminreich und enthält Ballaststoffe. Man sollte den Apfel also eigentlich 2004 01-5122481
nicht schälen trotzdem wäre eine weiche Oberfläche angenehm. 2 Damit ist schon eine Aufgabe formuliert: Aufgabe: Ein Apfel soll mit Schale so weich sein, als wäre er geschält. Dadurch soll das Apfelessen angenehmer und leichter gemacht werden. Auch für die Bereitung von Apfelkompott soll das Schälen entfallen. Lösung (Erfindung): Auf einem Träger, einer Trägerplatte, sind eine Vielzahl von rasierklingenartigen Klingen in geringen Abständen in Längs- und Querrichtung, senkrecht zur Oberfläche der Trägerplatte angeordnet, die die Schale beim Abrollen durch hunderte kleine Einschnitte perforieren. Neuheit und Erfindungshöhe Wenn man eine solche Erfindung geboren hat und mit einem einfachen selbstgebasteltem Prototyp auf Funktionsfähigkeit getestet hat, muss festgestellt werden, ob es so etwas schon gibt. Eine Recherche im "espacenet" hat eine Menge von Küchenhilfen ergeben, die von einem Träger ausgehend ein Messer aufweisen also z.b. einen Gurkenhobel, eine Karottenreibe, eine Obst- und Gemüseraspel. Diese bekannten Küchenhilfen perforieren jedoch nicht, sondern schneiden Stücke von Obst oder Gemüse ab. Die Erfindung ist somit neu sie hat technische Lösungsmerkmale, die in dieser Art (als ein Träger mit einer Vielzahl von dünnen senkrecht abstehenden Klingen) noch nicht realisiert wurden. 2004 01-5122481
3 Wie gehe ich bei einer Patentanmeldung vor? Eine Patentanmeldung hat in schriftlicher Form eine Beschreibung zum Stand der Technik und daran anschließend Aufgabe und Lösung gemäß der Erfindung zu enthalten. Es folgt die Beschreibung eines ganz konkreten Ausführungsbeispiels, das auch in einer Zeichnung dargestellt wird. Eine Zusammenfassung als Kurzbeschreibung ist auszuarbeiten. Aber das Wichtigste und damit beginnen wir sind die Patentansprüche. Ein Patentanspruch muss die Erfindung in einem Satz wiedergeben. Diese Vorschrift ist durchaus sinnvoll, weil jede Erfindung ja aus einer ganz speziellen zündenden Idee und den technischen Merkmalen besteht und immer einem technischen Geistesblitz entspricht. Der Patentanspruch bildet die Grundlage für die amtliche Recherche. Der Prüfer sucht also ältere Literatur, die allenfalls auf die Merkmale des Patentanspruchs passt. Der Patentanspruch bestimmt aber auch den Schutzumfang. Wenn die technischen Merkmale, wie sie im Patentanspruch angeführt sind, von jemandem ohne Zustimmung des Patentinhabers realisiert werden, dann greift dieses Produkt in das Patent ein (Der Patentinhaber klagt beim Handelsgericht Wien, Einstweilige Verfügung, Unterlassung, Schadenersatz, entgangener Gewinn, Urteilsveröffentlichung sind die Folgen eines Patenteingriffs.) Patentansprüche werden meist zweiteilig formuliert. Im so genannten Oberbegriff steht der Stand der Technik, soweit er mit der Erfindung übereinstimmt. Der Oberbegriff legt die Produktkategorie fest, auf die sich die Erfindung bezieht. Dann kommen nach einem "dadurch gekennzeichnet" die neuen Merkmale, die die Erfindung ausmachen. 2004 01-5122481
Was ist also bei unserer Erfindung mit dem Stand der Technik gemeinsam? 4 1. Schneideinrichtung für Obst, insbesondere für Äpfel, mit einem Träger, z.b. einer Trägerplatte, auf der Klingen mit Schneiden angeordnet sind. Diese Ausgangsbasis ist bekannt. Die Erfindung ist nun, dadurch gekennzeichnet, dass auf dem Träger eine Vielzahl von Klingen rechtwinkelig zur Oberfläche des Trägers und in geringen Abständen in Längs- und Querrichtung für das Ausbringen einer Vielzahl von kleinen Einschnitten in der Schale des Obstes vorgesehen sind. Damit haben wir einen schönen Hauptanspruch. So genannte Unteransprüche schließen an und beinhalten allfällige ergänzende Details wie - dass die Klingen als rasierklingenartige dünne Stahlplättchen (z.b. 6 12 mm lang und 5 mm herausragend) ausgebildet sind. - dass die Schneidkante einen Winkel von 10 bis 45 mit der Oberfläche des Trägers einschließt. - dass die Klingen fischgrätartig in parallelen Zeilen schräggestellt sind. - dass der Träger als rinnenförmige Platte gewölbt ausgebildet ist. - dass der Träger mit seinen Schneiden als Walze zum Abrollen auf dem Obst ausgebildet ist. Mit den Patentansprüchen ist ein ganz wesentlicher Schritt getan. 2004 01-5122481
5 Wir gehen an die Ausarbeitung der Beschreibung: Sie beginnt immer mit "Die Erfindung betrifft eine es kommt der Oberbegriff des Hauptanspruchs Schneideeinrichtung für Obst, insbesondere für Äpfel, mit einem Träger, z.b. einer Trägerplatte, auf der Klingen mit Schneiden angeordnet sind" Dann folgt der bekannte Stand der Technik: "Es sind Küchenhilfen zum Schaben von Obst und Gemüse mit Klingen bekannt, die in einem Anstellwinkel wie bei einem Hobel von einem Träger hervorragen" Dann kommt unsere Aufgabenstellung: "Schalenobst wie Äpfel tragen einen Großteil der Vitamine in den Schalen. Trotzdem werden diese Früchte häufig geschält, weil die Schale oft etwas hart ist. Die Erfindung zielt darauf ab, das Schalenobst besser genießbar zu machen" Dann kommt das Kennzeichen des Hauptanspruchs: "Dieses Ziel wird mit einer Schneideeinrichtung der eingangs beschriebenen Art dadurch erreicht, dass auf dem Träger eine Vielzahl von Klingen rechtwinkelig zur Oberfläche des Trägers und in geringen Abständen zum Ausbringen einer Vielzahl von Einschnitten in die Schale vorgesehen sind" Dann folgt der dadurch erzielte Effekt: "Diese Einschnitte schwächen die Schale und machen sie weich, sodass sie fast unmerklich durchbissen werden kann. 2004 01-5122481
Jeden der Unteransprüche führen wir mit seinen technischen Merkmalen ebenso an und erklären, was diese Merkmale bewirken z.b.: "Es ist zweckmäßig, wenn die Schneidkante jeder Klinge einen Winkel von 10 bis 45 mit der Oberfläche des Trägers einschließt, weil es beim Abwälzen der Schneideinrichtung dadurch vorerst zur Punktberührung mit der Schale kommt und somit ein geringer Druck zum Durchbrechen der Schalenoberfläche ausreicht. Danach folgt ein "ziehender Schnitt". 6 Im Anschluss an diese Beschreibung der Erfindung kommt die Figurenbeschreibung. Wir zeichnen schematisch und vereinfacht ein mögliches Ausführungsbeispiel der Schneideeinrichtung. Fig. 1 von vorne gesehen Fig. 2 im Längsschnitt Fig. 3 von oben Fig. 4 eine Variante dazu Fig. 5 mit Abdeckkappe Fig. 6 als Walze und Fig. 7 einen Apfel mit den Perforationen in schaubildlicher Darstellung. Die Figurenbeschreibung kann wie folgt formuliert werden: "Auf einem rinnenförmigen Träger 1, der gemäß Fig. 1 eine konkave Zylinderfläche aufweist, sind Klingen 2 in geringem Abstand in mehreren parallelen Zeilen angeordnet. Bei einem aus Kunststoff bestehendem Träger 1 sind die Klingen 2 eingegossen. Wie Fig. 2 zeigt verlaufen die Schneiden 3 schräg zur Oberfläche des Trägers " Ebenso geht man auf die in Fig. 3, 4, 5, 6 und 7 sichtbaren Merkmale ein. 2004 01-5122481
7 Schließlich endet der Anmeldungstext mit einer Zusammenfassung, die als Kurzfassung lautet Zusammenfassung Eine Schneideeinrichtung für Obst, insbesondere für Äpfel, weist eine Trägerplatte mit einer Vielzahl von senkrecht von dieser aufragenden Klingen auf, die beim Abrollen auf einem Apfel in der Schale eine Vielzahl von Perforationen ausführen und die Schale damit weich und leichter genießbar machen. Eine Patentanmeldung besteht aber nicht nur aus dem Anmeldungstext (Ansprüche, Beschreibung, Zeichnung, Figurenbeschreibung und Zusammenfassung), sondern umfasst auch einen Antrag an das Patentamt. Im Notfall genügt es vorläufig, dem Patentamt Namen, Adresse und die Bitte auf Erteilung eines Patentes schriftlich zusammen mit den besprochenen Anmeldungsunterlagen vorzulegen. Formal korrekt verwendet man die amtlichen Formulare wie im Skriptum, die man von der Homepage www.patentamt.at herunterladen kann. Wie diese ausgefüllt werden, zeigen die Unterlagen für unser Beispiel 2004 01-5122481
Die Patentanmeldung an einem praktischen Beispiel Sind nur wissenschaftliche Sensationen patentfähig? Eine technische Lösung einer Aufgabe ist patentfähig, wenn sie neu ist und Erfindungshöhe hat Neuheit - objektives Kriterium Erfindungshöhe - subjektives Kriterium Der Apfel Die Aufgabe: Der Apfel soll ungeschält gegessen werden, aber die Schale soll so weich sein, als wäre sie nicht vorhanden. Die Lösung: Eine Schneideeinrichtung mit einem Träger für eine Vielzahl von rasiermesserartigen Klingen wird auf dem Apfel mehrfach abgerollt. Es entstehen hunderte Perforationen.
Stand der Technik Küchenhilfen: Gurkenhobel Karottenreibe Gemüseraspel Patentansprüche Der Hauptanspruch: Kennzeichnet den Kern der Erfindung als Konzentrat in einem Satz mit technischen Gegenstandsmerkmalen Bestimmt den Umfang der Recherche Bestimmt den zukünftigen Schutzumfang Patentverletzung bei unbefugter Benützung dieser Gegenstandsmerkmale Handelsgericht - EV, Unterlassung, Schadenersatz, entgangener Gewinn, Urteilsveröffentlichung
Anspruchsformulierung Oberbegriff Stand der Technik soweit übereinstimmend mit der Erfindung (Schneideeinrichtung mit Träger und Klingen) Kennzeichen die neuen Merkmale, die zum Aufbau der Erfindung notwendig sind (Klingen rechtwinkelig zur Oberfläche eng nebeneinander) Hauptanspruch + Unteransprüche Beschreibung "Schneideeinrichtung für Obst" Die Erfindung betrifft eine Oberbegriff Stand der Technik: Küchenhilfe Formulierung der Aufgabe: Obstschale soll weich gemacht werden Lösung: Kennzeichen des Hauptanspruchs Wirkung (Effekt) Unteransprüche jeweils mit Effekt Figurenbeschreibung
Zeichnung Prinzipdarstellung zur sofortigen bildlichen Vermittlung des Erfindungsgedankens. Formalerfordernisse: A-4 Rand druckfähig ohne Beschriftung nur s/w Figurenbeschreibung Figurenliste und Text zu jeder Figur mit Bezugszeichen, die auf die Bauteile hinweisen.
Zusammenfassung Kurzfassung etwa so wie der Hauptanspruch, jedoch in Einzelsätze zerlegt. Anträge, Formulare, Gebühren Im dringenden Notfall: Name, Adresse, "Ich beantrage die Erteilung eines Patentes" Beschreibung (ausführlich) Zeichnung Priorität: Tag des Einlanges beim Patentamt
Wozu Patente? 1.Monopolstellung (auch in der EU, trotz des Grundsatzes eines freien Wettbewerbs ohne Behinderungen) 2.Werbeeffekt - "ges.gesch.", "Pat"... (signalisiert fortschrittliches Produkt) 3.Patent als Immaterialgut im Patentregister ("Grundbuch") eingetragen, selbständig handelbar und belehnbar (z.b. Sicherstellung für Bankkredit) 4.Basis für Förderungen 5.Einnahmen bei Lizenzvergabe unterliegen für den Erfinder dem halben Steuersatz 6.Gewerbeberechtigung