Texte: Johannes 5,30; 8,26+28; 12,49 Autor: Hartmut Burghoff Predigt Fortsetzung der Predigtreihe: Hören auf den Gott der redet (Teil 2). Letzten Sonntag ging es darum, dass Gott mit uns auf verschiedene Art und Weise kommuniziert: er teilt sich uns mit und will uns Orientierung geben. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir und ich gebe ihnen ewiges Leben. Möchte jemand erzählen, wie er in der vergangenen Woche die Stimme des Hirten gehört hat? Wenn es jemand gibt, von dem wir lernen können, auf Gott zu hören, dann ist das Jesus Christus selber! Darum ist mein Thema heute: Jesus, der grosse Hörer auf Gottes Weisung. Johannes 5:30 ich kann nichts von mir aus tun. so wie ich höre, so urteile ich. Joh. 8:26, 28 was ich von IHM höre, das rede ich zu der Welt wie mich der Vater gelehrt hat, so rede ich. Joh. 12:49 ich rede nicht aus mir selbst. Der Vater sagt mir, was ich tun und reden soll; was ich rede, rede ich wie der Vater gesagt hat. Was haben diese 3 Texte gemeinsam? Jesus verzichtet auf ein eigenes Urteil. Er proklamiert damit das Ende menschlicher Autonomie und Herrschaft. Er sagt: Ich werde nicht urteilen, entscheiden, sprechen oder irgendetwas aus mir selbst tun, sondern ich will zuerst auf Gott horchen. Das ist für Jesus nicht nur eine empfehlenswerte moralisch hochstehende Theologie, die er anderen beibringen will. Er wendet sie selber in seinem Leben an: Auch in den Tiefpunkten seines Lebens z.b. in Lukas 22:42 (in Gethsemane) nicht mein Wille, sondern der deine
geschehe! Jesus sagt auch: Was ich (vom Vater) höre, werde ich tun und: Wie ich höre, so urteile ich. Aus dem Horchen kommt das Gehorchen. Dabei ist es nicht nur das Hören; die akustische Wahrnehmung über das Ohr (Sinnesorgan). Es ist auch das Sehen (das mit eigenen Augen sehen, wahrnehmen): Ich sage euch: Der Sohn kann nichts von sich selbst aus tun; er tut nur, was er den Vater tun sieht. Was immer der Vater tut, das tut auch der Sohn. (Joh. 5,19). Für Jesus war entscheidend, was er den Vater reden hörte und tun sah. Das war die Grundlage für sein urteilen, reden und handeln. Urteile zu fällen ist für den Menschen eine grundlegende psychologische Notwendigkeit; Abgrenzung ist wichtig für unsere seelische Gesundheit. Wir müssen ständig urteilen. Das ist eine wichtige Voraussetzung für unser Entscheiden und Handeln. Unser Urteil ist das Ergebnis von Gedanken und Abwägungen, die (oft unbewusst) dem Handeln voraus gehen. Viele Menschen haben ein grosses Mass an Vor-urteilen, bedingt durch unsere Umgebung, Erziehung, eigene Erfahrungen und Prägungen. Auch wir haben Vor-urteile: Wir leben mit einer Ansammlung von Vermutungen und Erwartungen, von denen wir viele gar nicht mehr in Frage stellen und prüfen. Aus der Sicht dieser Vorurteile beurteilen wir Menschen, Umstände, Situationen und Ereignisse. Wir neigen dazu, alles und jeden zu beurteilen, und haben die Tendenz sie mit uns zu vergleichen. Häufig geschieht es, dass wir andere Menschen niedriger einstufen, oder andere auf einen Podest stellen. Das ist natürlich; menschlich. Auch die Jünger stritten miteinander um Meinungen und Einstellungen! Paulus sagt: In Demut soll einer den anderen höher achten, als sich selber. Das ist keine natürliche Haltung! Sondern eine immer wieder bewusst getroffene Entscheidung und selbst gewählte Haltung. Das Besondere an Jesus ist nicht, dass er uns bittet, wir sollen aufhören abzuwägen und zu urteilen (obwohl er in der Bergpredigt auch sagt: Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. Mt. 7:1ff.). Es geht dabei darum, dass sich Menschen nicht stolz über andere stellen. Jesus selber urteilt auch; aber er hält die menschliche Neigung zurück, andere festzulegen. Er entscheidet nicht aus sich heraus, sondern wartet auf das göttliche Urteil: Wie ich höre, so urteile ich! 2
Man kann kaum genug betonen, dass dieses auch das Ende der Herrschaft religiöser Prinzipien ist. Nachdem diese einmal akzeptiert sind, können sie dann auch unabhängig von Gott (und seinem Wort) angewandt werden. Das ist dann nichts als eine fromme Version der Eigenherrschaft des Menschen. Gottes Weisung ist dann nicht mehr nötig: Ich weiss ja, was richtig ist! Danach urteile ich. Jesus ist vielen solcher Menschen begegnet. (Pharisäer, Schriftgelehrte, Älteste und viele andere) Im Laufe meines 28 jährigen Dienstes bin ich vielen Menschen begegnet, die so denken. Und ich selber übe mich darin, dem Reflex zu widerstehen, sofort über andere zu urteilen, ohne vorher auf Gott gehorcht zu haben. Im Leben Jesu gab es keinen Platz für menschliche Selbstherrschaft, auch nicht in einer religiösen, scheinbar rechtgläubigen Version! Ich suche nicht meinen eigenen Willen, sondern dessen, der mich gesandt hat. Das ist das Gegenteil der Selbstherrschaft des post-modernen Menschen! Es findet ein Ringen statt zwischen Gottes Willen und unserem eignen Willen; ein Kampf zwischen Geist und Fleisch ; dem eigenen menschlichen Wesen. Was es Jesus auch kostete: Er blieb verbunden mit seinem Vater und dem, was er von ihm hörte. Diese Abhängigkeit von Gott führte ihn in die wahre Freiheit. Auch bei uns gehen die Abhängigkeit von Gott und die Freiheit von Menschen Hand in Hand. Die Folge davon ist, dass Jesus in sich selbst den Frieden des Vaters hat; er schliesst sich nicht den Massen an (Kraft gegen den Strom zu schwimmen). Er horcht auf Gott und sein Wort. Darin offenbart er das Wesen wahrer Prophetie: Von Gott zu hören, was er den Menschen sagen soll, statt auf die Menschen zu hören und auf das, was sie über Gott (und ihn) denken und sagen. Das brachte ihn in Opposition zu politischen und geistlichen Autoritäten. Es wäre ja so leicht gewesen, so zu predigen, dass auch sie mit ihm zufrieden sind. Aber damit hätte er seinen Vater und seinen Auftrag verleugnet. Und wir ständen alle ohne Erlösung da! Paulus (Gal. 1:10) Rede ich Menschen zuliebe, oder Gott? Oder versuche ich Menschen zu gefallen? Wenn ich noch Menschen gefiele, so wäre ich Christi Knecht nicht. 3
Bei Jesus kommt Horchen vor dem Reden. Das Horchen auf das gesprochene und geschriebene Wort ist die Quelle seiner Verkündigung. Das alles dient nur einem Ziel: Der Rettung der Menschen; es ging ihm nicht um sein persönliches Wohlergehen. Auch bei uns geht es nicht so sehr darum, dass es für jeden von uns stimmt. Es geht darum, dass wir auf Gott hören und das tun, wozu er uns beauftragt. Es ist wichtig auf Jesus zu hören: Joh. 18:37 ich bin dazu in die Welt geboren, dass ich für die Wahrheit Zeugnis gebe Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört meine Stimme. Jesus repräsentiert die Wahrheit Gottes: Ich bin die Wahrheit. Ihr werdet die Wahrheit erkennen und die Wahrheit wird euch frei machen! Die Jünger hörten ihn und damit die Wahrheit. Hören kam bei Jesus immer vor dem Handeln. Das soll auch bei seinen Jüngern so sein. Beispiel: Lukas 10:39 Zwei Schwestern: Martha und Maria. Maria setzte sich zu den Füssen von Jesus und hörte auf seine Worte. Martha aber war sehr beschäftigt mit vielem Dienen Sie beschwerte sich: Herr ist es dir egal, dass ich hier alles allein machen muss? Jesus antwortete: Maria hat das gute Teil erwählt (indem sie horchte; nicht du: indem du dauernd arbeitest In der Mönchsbewegung galt über Jahrhunderte das Motto: Ora et labora (beten und arbeiten). Sie suchten das Gleichgewicht zwischen Gebet und Arbeit; zwischen hören und tun. Und wir? Haben wir das Gleichgewicht gefunden? Wenn wir der Arbeit die 1. Priorität geben, und das Hören vernachlässigen, dann haben wir damit nicht das gute Teil erwählt. Jak. 1:19 seid schnell zum Hören und langsam zum Reden (und handeln). Das Wort Christi ist Stabilisator unseres Lebens; darum hören wir auf ihn. Das führt uns in die Wahrheit und in die Freiheit. Maria, die Mutter Jesu hat das erkannt. An der Hochzeit zu Kana sagte sie: Was er euch sagt, das tut! Und sie haben Jesu übernatürliches Handeln erlebt. Wenn wir auf Jesus horchen, werden auch wir nicht ohne das übernatürliche Handeln Gottes bleiben. Es ist genauso wichtig, wie Jesus zu hören: Jesus sagte wiederholt: Ohne den Vater kann ich nichts tun. Zu den Jüngern sagte er: Ohne mich könnt ihr nichts tun. Joh 20:21 Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. 4
Das ist die Einladung zur gleichen Haltung des Hörens auf Gott. Wenn die Jünger nicht wissen, wie sie urteilen, was sie sagen, wo sie hingehen und was sie tun müssen, sollen sie zuhören, wie Jesus. Gott redet zu ihnen durch den Heiligen Geist, wie er mit Jesus sprach. Das ist die Bedeutung der Verheissung in Joh. 14:26 der Tröster wird euch alles lehren und euch erinnern! Joh. 16:13 der Heilige Geist wird euch in die Wahrheit leiten was er hören wird, das wird er reden. Christus hat uns versprochen, dass er in jedem Augenblick bei uns sein will. Er ist hier und jetzt da! Er steht mit dir in der Küche; er sitzt mir dir am Bürotisch. Klaus Bockmühl schreibt dazu: Daraus folgt, dass es sich beim Christentum nicht um eine ständige Interpretation einer glorreichen Vergangenheit handelt. Wir sind nicht auf den Versuch beschränkt, ein uraltes und rätselhaftes Buch zu erläutern. Der Heilige Geist ist der innere Lehrer und Führer, der redet, tadelt, erinnert, redet und führt. In christlichen Kreisen macht man aus ihm zu oft bloss einen Kraftspender, und deshalb letzten Endes eine stumme Macht und eine unpersönliche Kraft. Wir haben keinen Grund, den Heiligen Geist in einen stummen Götzen zu verwandeln. Der Trost des Trösters (= ein Name des Heiligen Geistes) besteht in der Tatsache, dass er zu uns redet, uns auf den Weg der Wahrheit leitet und uns Orientierung gibt. Er lässt uns nicht mit den vielfachen Angriffen des Zweifels allein! Schluss: Wieder ist die Frage am Ende dieser Predigt; was macht das mit uns? Welchen Einfluss soll diese Rede auf mein Denken, Reden und Handeln haben? Für mich gilt: 1. Ich will nicht schlecht über andere reden und damit festlegen und richten. 2. Ich lasse meine Vorlieben, Überzeugungen, Vermutungen und Vorurteile von Gott darauf hin prüfen, ob sie reich-gottes-gemäss sind, oder nur mir-gemäss. 3. Ich bitte Gott um Vergebung und Befreiung, wo ich es doch getan habe. 4. Ich plane regelmässig Zeit mit Gott ein, um auf ihn und sein Wort zu horchen. Ich will lernen, das Wort Christi reichlich in mir wohnen zu lassen. 5. Ich nehme die Dienste des inneren Lehrers in Anspruch. 6. Unabhängig von meinem persönlichen Wohlbefinden soll gelten: Was er euch sagt, das tut. 5