Palmsonntag statio (C): Lk 19,28-40



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Transkript:

Palmsonntag statio (C): Lk 19,28-40 Das Thema des Einzugs Jesu in Jerusalem wird in allen vier Evv. überliefert (Mk 11,1-10; Mt 21,1-9; Lk 19,28-40; Joh 12,12-19). Hinter diesen Schilderungen steht ein historischer Kern: Jesus ist tatsächlich zum Paschafest nach Jerusalem gekommen und wie alle Pilger feierlich in die Stadt eingezogen. Die Bedeutung dieses Faktums erscheint jedoch wie das Leben und Wirken Jesu insgesamt aus österlicher Perspektive in einem deutlicheren, in die Tiefendimension der Oikonomia einführenden Licht. Bereits die vormk Kerygmatisierung der ersten Jahre sieht den Einzug Jesu in Jerusalem in direktem Bezug zum Pascha-Mysterium. So steht die Darstellung dieses Ereignisses mit am Beginn der vormk Passionserzählung. Lk orientiert sich in seiner Darstellung an der Vorlage Mk 11,1-10 (insbesondere bis V35, ab V36 verstärkte Lösung von dieser Vorlage) und setzt dabei seinen eigenen theologischen Akzent. 28 Καὶ εἰπὼν ταῦτα ἐπορεύετο ἔμπροσθεν ἀναβαίνων εἰς Ἱεροσόλυμα. Nach diesen Worten zog Jesus weiter hinauf nach Jerusalem. Mit dem vorliegenden Abschnitt beginnt der vierte und letzte Hauptteil des Lk-Ev (19,28-24,53). Auf diesen erweisen sich bereits alle vorausgehenden Abschnitte hinorientiert. So wird die Geschichte des Lebens und Wirkens Jesu im Lk-Ev geschichtlich-konkret, jedoch unter theologisch orientierter Maßgabe gezielt wie ein einziger großer Gang (πορεύεσθαι: 9,51; 13,33) typologisiert von Galiläa bis Jerusalem (23,5: ἀπὸ τῆς Γαλιλαίας ἕως ὧδε) dargestellt, auch wenn Jesus de facto mehrfach in Jerusalem gewesen sein dürfte (vgl. Joh 2,12; 5,1; 7,10; 12,12). Bereits 9,51 markiert explizit den Beginn dieses Weges: Als die Zeit erfüllt war für seine Aufnahme (ἀναλήμψις), richtete er sich (τὸ πρόσωπον ἐστήρισεν) darauf hin aus, nach Jerusalem zu gehen (πορεύεσθαι). Alle nun folgenden Passagen des Lebens und Wirkens Jesu werden also bei Lk innerhalb dieses Weges verortet. Mit der vorliegenden Passage des Einzug Jesu in Jerusalem ist das Ziel dieses Weges erreicht. An diesem Ort soll sich seine Sendung erfüllen (9,31; 18,31; 24,44). Diese ist nicht etwa zufälligkontingent, sondern steht unter dem providentiellen Apriori (δεῖ: 2,49; 9,22; 17,25; 22,22; 24,7.26). Aus österlicher Redaktionsperspektive erklärend vorbedeutet wird dies bereits in 18,31-34: Jesus versammelte die Zwölf um sich und sagte zu ihnen: Wir gehen jetzt nach Jerusalem hinauf; dort wird sich alles erfüllen (τελεσθήσεται), was bei den Propheten über den Menschensohn steht: Er wird den Heiden ausgeliefert, wird verspottet, misshandelt und angespuckt werden, und man wird ihn geißeln und töten. Aber am dritten Tag wird er auferstehen. Doch die Zwölf verstanden das alles nicht; der Sinn der Worte war ihnen verschlossen und sie begriffen nicht, was er sagte. Erst von der Erfahrung des vollendeten Pascha-Mysteriums her kann die auf die Gruppe der Zwölf gegründete Kirche (Apg 1,21-22) im je neuen Bedenken des Erfahren-Tradierten über die Zeit hin ein (freilich hermeneutisch bedingtes) Verständnis dafür entwickeln (vgl. 24,45 f.). Jerusalem [Lk bevorzugt an sich den biblisch-hebräisch geprägten Namen Ἰερουσαλήμ (27x im Lk-Ev; 36x in Apg) vor der säkular-griechischen Variante Ἱεροσόλυμα (4x im Lk-Ev; 23x in Apg), die er jedoch an dieser Stelle aus der Vorlage Mk 11 übernimmt] steht im Zentrum des lk Doppelwerks. Lk- Perikopen.de 1

Ev stellt Leben und Wirken Jesu gemäß seiner Sendung als Gang nach Jerusalem dar, Apg sieht Jerusalem als Ort der Ausgießung des Geistes und als Ausgangspunkt der Kirche und ihrer bezeugenden Verkündigung in Jerusalem und in ganz Judäa und Samaria und bis ans äußerste der Erde (Apg 1,8; Lk 24,47; vgl. Jes 2,2-5). Jerusalem markiert das Zentrum der jüdischen Welt, die heilige Stadt, zu der man zu besonderen Anlässen pilgert (vgl. Lk 2,22-40; Lk 2,41-52; Apg 2,1-13). In Jerusalem steht der Tempel des Herrn aufgerichtet; in ihm erreicht die kultische hwhy-verehrung ihre innere Mitte. Lk-Ev beginnt mit einer Tempelszene (1,5-25) zur Ankündigung der Geburt des Täufers und schließt mit einem Hinweis auf den Tempel als dem fortan währenden Lebensmittelpunkt der Jünger Jesu (24,53; Apg 2,46). Jesus selbst weilte und lehrte nach seiner Ankunft in Jerusalem immer wieder im Tempel (19,47; Kap.20-21; vgl. vorausbedeutend 2,41-52). Dabei wird der Gegensatz (vgl. 2,34; 12,51) zwischen Jesus und gewissen Formen des Kultes (Tempelreinigung 19,45-46) sowie zwischen Jesus und den Pharisäern (19,39) und den Hohenpriestern, Schriftgelehrten und übrigen Führern des Volkes (19,47) evident. Jerusalem wird selbst zum Inbegriff dieser Spannung (vgl. Klagelieder). Sie bleibt verstockt und hat den καιρός nicht erkannt (19,41-44). So erscheint Jerusalem als Prophetenmörderin (13,34), von Gott verlassen (13,35). Jesus ereilt das Geschick des Propheten, der nirgends anders als in Jerusalem umkommen kann (13,33). Jerusalem teilt schließlich sein Geschick (21,6.20-24 mit Blick auf die Zerstörung des Tempels im Jahr 70). 29 Καὶ ἐγένετο ὡς ἤγγισεν εἰς Βηθφαγὴ καὶ Βηθανία[ν] πρὸς τὸ ὄρος τὸ καλούμενον Ἐλαιῶν, Und es ereignete sich, als er sich Betfage und Betanien näherte, zum sogenannten Ölberg, Der Weg Jesu nach Jerusalem stellt sich in seiner ganzen Bedeutungstiefe zugleich historisch konkret dar. Dem entspricht die Absicht des Lk, den Weg Jesu auch in geographischer Hinsicht zu illustrieren. Dabei mag mehr das Prinzip einer Orientierung an der konkret-geschichtlichen Dimension der Wirklichkeit des Epiphaniehandelns Gottes als eine tatsächliche Ortskenntnis von Bedeutung sein. Jesu Aufstieg nach Jerusalem führte über Betanien (Haus der Armen, 680m ü NN), wo er Freunde hatte (vgl. Joh 11; Mt 26,6) und wie mancher Jerusalem-Pilger wahrscheinlich sein Quartier während seiner Wallfaht nach Jerusalem bezog, und Betfage (Haus der Feigen, 740m ü NN) zum Ölberg (800 m ü NN). Letzterer wird als Bezugspunkt für die Passionserzählung eigens erwähnt. ἀπέστειλεν δύο τῶν μαθητῶν 30 λέγων, Ὑπάγετε εἰς τὴν κατέναντι κώμην, ἐν ἧ εἰσπορευόμενοι εὑρήσετε πῶλον δεδεμένον, ἐφ' ὃν οὐδεὶς πώποτε ἀνθρώπων ἐκάθισεν, καὶ λύσαντες αὐτὸν ἀγάγετε. 31 καὶ ἐάν τις ὑμᾶς ἐρωτᾷ, Διὰ τί λύετε; οὕτως ἐρεῖτε ὅτι Ὁ κύριος αὐτοῦ χρείαν ἔχει. schickte er zwei seiner Jünger und sagte: Geht in das Dorf gegenüber, in dem ihr, wenn ihr hineinkommt, ein Eselsfüllen angebunden findet, auf dem noch nie ein Mensch gesessen hat. Bindet ihn los und bringt ihn her! Und wenn euch jemand fragt: Warum bindet ihr ihn los?, dann antwortet: Der Herr braucht ihn. Perikopen.de 2

32 ἀπελθόντες δὲ οἱ ἀπεσταλμένοι εὗρον καθὼς εἶπεν αὐτοῖς. 33 λυόντων δὲ αὐτῶν τὸν πῶλον εἶπαν οἱ κύριοι αὐτοῦ πρὸς αὐτούς, Τί λύετε τὸν πῶλον; 34 οἱ δὲ εἶπαν ὅτι Ὁ κύριος αὐτοῦ χρείαν ἔχει. Die Abgesandten gingen los und fanden alles so, wie er es ihnen gesagt hatte. Als sie den jungen Esel losbanden, sagten seine Besitzer zu ihnen: Warum bindet ihr den jungen Esel los? Sie antworteten: Der Herr braucht ihn. Mit der Übernahme der Eselserzählung aus der Mk-Vorlage bereitet Lk die Darstellung von Jesu Ankunft in Jerusalem in theologischer Hinsicht vor. Der weisungsartige, prophetische Ton, mit dem Jesus zwei seiner Jünger vorausschickt (durch die Bezugnahme auf das Motiv aus 9,51-53 schließt sich zudem der Bogen des einen großen Weges nach Jerusalem), Jesu Vorauswissen um die Umstände, die die Jünger dann erfüllt vorfinden, sowie die angezeigte Vollmacht, mit der Jesus über anderer Leute Esel verfügt, spiegeln die frühe Christologie aus dem vorliegenden Traditionsstück. Theologisch entscheidender ist für Lk der mit dem Wort πῶλον (Eselsfüllen) ausgedrückte eindeutige Bezug auf Sach 9,9-10, worin nach den acht Visionen zur Wiederherstellung Jerusalems aus Sach Kap. 1-8 der Anbruch eines neuen Reiches des Friedens dargestellt wird: Juble laut, Tochter Zion! Jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König kommt zu dir. Er ist gerecht und hilft, er ist demütig und reitet auf einem Esel, dem Jungen einer Eselin. [ ] Vernichtet wird der Kriegsbogen. Er verkündet den Völkern den Frieden. καὶ ἤγαγον αὐτὸν πρὸς τὸν Ἰησοῦν, καὶ ἐπιρίψαντες αὐτῶν τὰ ἱμάτια ἐπὶ τὸν πῶλον ἐπεβίβασαν τὸν Ἰησοῦν. 36 πορευομένου δὲ αὐτοῦ ὑπεστρώννυον τὰ ἱμάτια αὐτῶν ἐν τῇ ὁδῷ. Und sie führten ihn zu Jesus, legten ihre Kleider auf das Tier und halfen Jesus hinauf. Als er nun weiterzog, breiteten die Jünger ihre Kleider auf dem Weg aus. Lk schließt neben Sach 9,9 noch ein zweites atl. Königsmotiv direkt an: Nach der Salbung Jehus durch den Jünger des Propheten Elischa zum König von Israel (2 Kön 9,6) nahmen alle ihre Kleider, legten sie ihm zu Füßen auf die bloßen Stufen, stießen in das Horn und riefen Jehu ist König. Lk verzichtet bewusst auf das Motiv der grünen Zweige aus Mk 11,8 und schafft so eine unmittelbare Verbindung der beiden atl. Königsmotive im Hinblick auf seine Verkündung von Jesus als dem König (V38: βασιλεύς). Ist Jesu Ritt auf dem Esel historisch zutreffend (Jesus wird in den Evv. sonst nirgends reitend dargestellt), gar eine von ihm bewusst intendierte Zeichenhandlung (Bultmann zumindest bestreitet dies), etwa um sich von der im Volk verbreitet erwarteten zelotischen Gestalt eines politischen Messias bzw. von der ganzen politisch-kriegerischen Messiasbewegung abzugrenzen? In Jesus hat sich die Schrift erfüllt. Lk-Ev bring dies anlässlich des ersten öffentlichen Auftretens Jesu in Galiläa, bei seiner Sabbatverkündigung in der Synagoge von Nazareth, explizit zum Ausdruck (4,21). Jesu Leben und Wirken wird als Erfüllung der atl. Erwartung verstanden (vgl. 18,31; 24,25-27; 24,44). Gleichwohl tritt der Titel Messias bei Lk hinter den bevorzugt gebrauchten Hoheitstiteln Χριστός und insbesondere Κύριος deutlich zurück. Wie die Taten des antiken κύριος verkündigt Perikopen.de 3

werden, so verkündet die junge Kirche Jesus als ihren κύριος. In der pneumatischen Erfahrung der Vollendung des Pascha-Mysteriums in der Aufnahme Jesu, den die Zwölf gut gekannt und auf seinem Weg nach Jerusalem begleitet haben, in die Herrlichkeit des Vaters gründet die Evidenz der ersten Zeugen. Auf dieser Basis (personale Identität: der Auferstandene ist derselbe, der bis zu seinem Leiden und Sterben mit ihnen zusammen war; vgl. Pfingstpredigt Apg 2,22-24.32-33) kann Lk in seinem Doppelwerk den κύριος- wie auch den χριστός-titel für die Verkündigung von Jesus anhand seines geschichtlich-realen Lebens und Wirkens (das unter dem Apriori des Pneuma stehend verstanden wird, vgl. 4,1; 4,14; 10,21; 23,26; Apg 10,38) gebrauchen, ohne zwischen vorösterlich und nachösterlich eigens zu unterscheiden (Lk 2,11; 4,41; 10,17; 23,2; 24,26.46; Apg 2,36; 3,18; 8,5; 9,22; 17,3; 26,23).. 37 Ἐγγίζοντος δὲ αὐτοῦ ἤδη πρὸς τῇ καταβάσει τοῦ Ὄρους τῶν Ἐλαιῶν ἤρξαντο ἅπαν τὸ πλῆθος τῶν μαθητῶν χαίροντες αἰνεῖν τὸν θεὸν φωνῇ μεγάλῃ περὶ πασῶν ὧν εἶδον δυνάμεων, 38 λέγοντες, Εὐλογημένος ὁ ἐρχόμενος ὁ βασιλεὺς ἐν ὀνόματι κυρίου: ἐν οὐρανῷ εἰρήνη καὶ δόξα ἐν ὑψίστοις. Als er sich der Stelle näherte, wo der Weg vom Ölberg hinabführt, begann die ganze Menge der Jünger freudig und mit lauter Stimme Gott zu loben wegen all der Machterweise, die sie gesehen hatten und riefen: Gesegnet sei der Kommende, der König im Namen des Herrn; im Himmel Friede und Herrlichkeit in den Höhen! Die geschichtlich-faktische Ankunft Jesu in Jerusalem dürfte in genau jener Feierlichkeit stattgefunden haben, die für den festlichen Einzug der Jerusalem-Pilger kennzeichnend ist. Das Herz geht mir über, wenn ich daran denke, wie ich zum Haus Gottes zog in festlicher Schar, mit Jubel und Dank in feiernder Menge (Ps 42,5). In den ersten beiden Zeilen der vierzeiligen hymnische Akklamation wird aus einem Psalm als Einzugslied der Festpilger zitiert: εὐλογημένος ὁ ἐρχόμενος ἐν ὀνόματι κυρίου (Ps 118,26/LXX 117,26). Dieses Zitat wird durch Lk um den Hoheitstitel βασιλεύς erweitert. Darin besteht zugleich ein wesentlicher theologischer Unterschied zur Mk-Vorlage, die von der kommenden Basileia unseres Vaters David spricht (Mk 11,10). Bei Lk hingegen wird der kommende König selbst gepriesen (V38), der gekommen ist, um Jerusalem Frieden zu bringen (V42) und eine Zeit der Gnade zu gewähren (V44). Die beiden letzten Zeilen des Vierzeilers greifen den Lobgesang der Engel auf dem Feld aus den Kindheitsgeschichten auf (2,14). Dieser wird jedoch im Hinblick auf die Vollendung Jesu modifiziert. Nun wird der Friede nicht mehr auf der Erde, sondern im Himmel proklamiert. Aufgrund der schlechthinnigen, eschatologischen Verherrlichung Jesu beim Vater besteht sein Königtum im Namen des Herrn in den Höhen und von hier aus auch im Hinblick auf die Erde. Der himmlische König Jesus Christus bleibt gegenwärtig. Das Reich Gottes kommt nach der festen Überzeugung des Lk-Ev nicht unter lautstarken äußeren Zeichen und Merkmalen, die man als solche dingfest machen könnte; es ist vielmehr schon mitten unter uns gegenwärtig (17,20-21). Die eschatologische Größe des κύριος Jesus kann daher nur in der geschichtlich-menschlichen Gestalt der Niedrigkeit dargestellt werden. Dem entspricht, wenn in der Perikopen.de 4

Darstellung des Lk die ganze Menge der Jünger (im Unterschied zur großen Volksmenge Joh 12,12 wie in einem Triumphzug nach gewonnener Schlacht) freudig und mit lauter Stimme Gott lobt. Nach lk Verständnis sind es die Jünger, die die ganze Zeit dabei waren (Apg 1,21-22), die die Machterweise (19,37: δυνάμεις) erfahren (εἶδον) haben (vgl. Apg 1,3) und diese nun bis ans äußerste der Erde bezeugen sollen (Apg 1,8). Als primärer Machterweis ist die pneumatische Auferstehungserfahrung zu verstehen; von hier aus haben die im Leben und Wirken Jesu festzumachenden Zeichenhandlungen ihren Ort. 39 καί τινες τῶν Φαρισαίων ἀπὸ τοῦ ὄχλου εἶπαν πρὸς αὐτόν, Διδάσκαλε, ἐπιτίμησον τοῖς μαθηταῖς σου. 40 καὶ ἀποκριθεὶς εἶπεν, Λέγω ὑμῖν, ἐὰν οὗτοι σιωπήσουσιν, οἱ λίθοι κράξουσιν. Da sagten einige der Pharisäer aus dem Volk zu ihm: Lehrer, untersage es deinen Jüngern! Er aber gab zur Antwort: Ich sage euch, wenn diese schweigen, werden die Steine schreien. Der lk-redaktionelle Nachtrag im Stil eines apophtegmatisch zugespitzten Streitgesprächs macht einen Gegensatz pointiert-polarisiert offenkundig, der im vorangegangenen Gleichnis vom anvertrauten Geld (19,11-27) nur in verborgener Weise angezeigt wurde. Jetzt, am Ziel des Weges, ist vollends epiphan geworden, wer Jesus ist. Diese Evidenz geht über die des Messiasbekenntnisses 9,20 weit hinaus. Demgegenüber wird die Verstocktheit Jerusalems, hier repräsentiert durch eine Gruppe Pharisäer aus dem Volk, deutlich. Diese stehen offensichtlich im Gegensatz zu Gott und seinem Werk: Jesus, den Nazoräer, den Gott vor euch ausgewiesen hat durch Machterweis (δύναμις), Wunder und Zeichen, worin Gott (ὁ θεὸς) in eurer Mitte durch ihn gehandelt hat, wie ihr selbst wisst: diesen, der nach Gottes beschlossenem Willen und Vorauswissen hingegeben wurde, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz geschlagen und umgebracht; Gott aber hat ihn von den Schmerzen des Todes befreit und auferweckt (ἀνίστημι) (Apg 2,22b-24a). Am Beispiel der Pharisäer werden die Gegner Jesu als Widersacher Gottes disqualifiziert. Die Wahrheit des Pascha-Mysteriums und damit des Verkündigungsbekenntnisses (Kerygma) der jungen Kirche ist für Lk jedoch unaufhaltbar: Wenn diese schweigen, werden die Steine schreien. Thomas Schumacher Ernst, Josef: Das Evangelium nach Lukas, Regensburg 1977, 396-400; Strecker, Georg (ed. Horn): Theologie des Neuen Testaments, Berlin 1996, 412-438; Hahn, Ferdinand: Theologie des Neuen Testaments I, Tübingen 2002, 547-583; Schneider, Gerhard: Das Evangelium nach Lukas Bd.2, Gütersloh 2 1984, 384-387; Conzelmann, Hans: Mitte der Zeit, Tübingen 7 1993, 66-69; Maier, Gerhard: Lukas-Evangelium 2, Neuhausen-Stuttgart 1992, 450-460; Haenchen, Ernst: Weg Jesu, Berlin 2 1968, 372-379; Patsch, Hermann: Der Einzug Jesu in Jerusalem. Ein historischer Versuch, in: ZThK 68 (1971) 1-26. Perikopen.de 5