Anna und der Wolf I - SOS im Märchenwald Originaltexte. Übersicht. Hänsel und Gretel Seite 2. Das hässliche Entchen Seite 4.

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Transkript:

Originaltexte Übersicht Hänsel und Gretel Seite 2 Das hässliche Entchen Seite 4 Übersicht

Originaltext der Gebrüder Grimm HÄNSEL UND GRETEL Vor einem großen Walde wohnte ein armer Holzhacker mit seiner Frau und seinen zwei Kindern; das Bübchen hieß Hänsel und das Mädchen Gretel. Er hatte wenig zu beißen und zu brechen, und einmal, als große Teuerung ins Land kam, konnte er das tägliche Brot nicht mehr schaffen. Wie er sich nun abends im Bette Gedanken machte und sich vor Sorgen herumwälzte, seufzte er und sprach zu seiner Frau:»Was soll aus uns werden? Wie können wir unsere armen Kinder ernähren da wir für uns selbst nichts mehr haben?«-»weißt du was, Mann,«antwortete die Frau,»wir wollen morgen in aller Frühe die Kinder hinaus in den Wald führen, wo er am dicksten ist. Da machen wir ihnen ein Feuer an und geben jedem noch ein Stückchen Brot, dann gehen wir an unsere Arbeit und lassen sie allein. Sie finden den Weg nicht wieder nach Haus, und wir sind sie los.«-»nein, Frau,«sagte der Mann,»das tue ich nicht; wie sollt ich s übers Herz bringen, meine Kinder im Walde allein zu lassen! Die wilden Tiere würden bald kommen und sie zerreißen.«-»oh, du Narr,«sagte sie,»dann müssen wir alle viere Hungers sterben, du kannst nur die Bretter für die Särge hobeln,«und ließ ihm keine Ruhe, bis er einwilligte.»aber die armen Kinder dauern mich doch,«sagte der Mann. Die zwei Kinder hatten vor Hunger auch nicht einschlafen können und hatten gehört, was die Stiefmutter zum Vater gesagt hatte. Gretel weinte bittere Tränen und sprach zu Hänsel:»Nun ist s um uns geschehen.«-»still, Gretel,«sprach Hänsel,»gräme dich nicht, ich will uns schon helfen.«und als die Alten eingeschlafen waren, stand er auf, zog sein Röcklein an, machte die Untertüre auf und schlich sich hinaus. Da schien der Mond ganz hell, und die weißen Kieselsteine, die vor dem Haus lagen, glänzten wie lauter Batzen. Hänsel bückte sich und steckte so viele in sein Rocktäschlein, als nur hinein wollten. Dann ging er wieder zurück, sprach zu Gretel:»Sei getrost, liebes Schwesterchen, und schlaf nur ruhig ein, Gott wird uns nicht verlassen,«und legte sich wieder in sein Bett. Als der Tag anbrach, noch ehe die Sonne aufgegangen war, kam schon die Frau und weckte die beiden Kinder:»Steht auf, ihr Faulenzer, wir wollen in den Wald gehen und Holz holen.«dann gab sie jedem ein Stückchen Brot und sprach:»da habt ihr etwas für den Mittag, aber eßt s nicht vorher auf, weiter kriegt ihr nichts.«gretel nahm das Brot unter die Schürze, weil Hänsel die Steine in der Tasche Hänsel und Gretel Seite 2

Originaltext der Gebrüder Grimm hatte. Danach machten sie sich alle zusammen auf den Weg nach dem Wald. Als sie ein Weilchen gegangen waren, stand Hänsel still und guckte nach dem Haus zurück und tat das wieder und immer wieder. Der Vater sprach:»hänsel, was guckst du da und bleibst zurück, hab acht und vergiß deine Beine nicht!«-»ach, Vater,«sagte Hänsel,»ich sehe nach meinem weißen Kätzchen, das sitzt oben auf dem Dach und will mir Ade sagen.«die Frau sprach:»narr, das ist dein Kätzchen nicht, das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein scheint.«hänsel aber hatte nicht nach dem Kätzchen gesehen, sondern immer einen von den blanken Kieselsteinen aus seiner Tasche auf den Weg geworfen. Als sie mitten in den Wald gekommen waren, sprach der Vater:»Nun sammelt Holz, ihr Kinder, ich will ein Feuer anmachen, damit ihr nicht friert.«hänsel und Gretel trugen Reisig zusammen, einen kleinen Berg hoch. Das Reisig ward angezündet, und als die Flamme recht hoch brannte, sagte die Frau:»Nun legt euch ans Feuer, ihr Kinder, und ruht euch aus, wir gehen in den Wald und hauen Holz. Wenn wir fertig sind, kommen wir wieder und holen euch ab.«hänsel und Gretel saßen um das Feuer, und als der Mittag kam, aß jedes sein Stücklein Brot. Und weil sie die Schläge der Holzaxt hörten, so glaubten sie, ihr Vater wär in der Nähe. Es war aber nicht die Holzaxt, es war ein Ast, den er an einen dürren Baum gebunden hatte und den der Wind hin und her schlug. Und als sie so lange gesessen hatten, fielen ihnen die Augen vor Müdigkeit zu, und sie schliefen fest ein. Als sie endlich erwachten, war es schon finstere Nacht. Gretel fing an zu weinen und sprach:»wie sollen wir nun aus dem Wald kommen?«hänsel aber tröstete sie:»wart nur ein Weilchen, bis der Mond aufgegangen ist, dann wollen wir den Weg schon finden.«und als der volle Mond aufgestiegen war, so nahm Hänsel sein Schwesterchern an der Hand und ging den Kieselsteinen nach, die schimmerten wie neugeschlagene Batzen und zeigten ihnen den Weg. Sie gingen die ganze Nacht hindurch und kamen bei anbrechendem Tag wieder zu ihres Vaters Haus. Sie klopften an die Tür, und als die Frau aufmachte und sah, daß es Hänsel und Gretel waren, sprach sie:»ihr bösen Kinder, was habt ihr so lange im Walde geschlafen, wir haben geglaubt, ihr wollet gar nicht wiederkommen.«der Vater aber freute sich, denn es war ihm zu Herzen gegangen, daß er sie so allein zurückgelassen hatte. Nicht lange danach war wieder Not in allen Ecken, und die Kinder hörten, wie die Mutter nachts im Bette zu dem Vater sprach:»alles ist wieder aufgezehrt, wir haben noch einen halben Laib Brot, hernach hat das Lied ein Ende. Die Kinder müssen fort, wir wollen sie tiefer in den Wald hineinführen, damit sie den Weg nicht wieder herausfinden; es ist sonst keine Rettung für uns.«dem Mann fiel s schwer aufs Herz, und er dachte: Es wäre besser, daß du den letzten Bissen mit deinen Kindern teiltest. Aber die Frau hörte auf nichts, was er sagte, schalt ihn und machte ihm Vorwürfe. Wer A sagt, muß B sagen, und weil er das erstemal nachgegeben hatte, so mußte er es auch zum zweitenmal. Die Kinder waren aber noch wach gewesen und hatten das Gespräch mitangehört. Als die Alten schliefen, stand Hänsel wieder auf, wollte hinaus und die Kieselsteine auflesen, wie das vorigemal; aber die Frau hatte die Tür verschlossen, und Hänsel konnte nicht heraus. Aber er tröstete sein Schwesterchen und sprach:»weine nicht, Gretel, und schlaf nur ruhig, der liebe Gott wird uns schon helfen.«am frühen Morgen kam die Frau und holte die Kinder aus dem Bette. Sie erhielten ihr Stückchen Brot, das war aber noch kleiner als das vorigemal. Auf dem Wege nach dem Wald bröckelte es Hänsel Hänsel und Gretel Seite 3

Originaltext der Gebrüder Grimm in der Tasche, stand oft still und warf ein Bröcklein auf die Erde.»Hänsel, was stehst du und guckst dich um?«sagte der Vater,»geh deiner Wege!«-»Ich sehe nach meinem Täubchen, das sitzt auf dem Dache und will mir Ade sagen,«antwortete Hänsel.»Narr,«sagte die Frau,»das ist dein Täubchen nicht, das ist die Morgensonne, die auf den Schornstein oben scheint.«hänsel aber warf nach und nach alle Bröcklein auf den Weg. Die Frau führte die Kinder noch tiefer in den Wald, wo sie ihr Lebtag noch nicht gewesen waren. Da ward wieder ein großes Feuer angemacht, und die Mutter sagte:»bleibt nur da sitzen, ihr Kinder, und wenn ihr müde seid, könnt ihr ein wenig schlafen. Wir gehen in den Wald und hauen Holz, und abends, wenn wir fertig sind, kommen wir und holen euch ab.«als es Mittag war, teilte Gretel ihr Brot mit Hänsel, der sein Stück auf den Weg gestreut hatte. Dann schliefen sie ein, und der Abend verging; aber niemand kam zu den armen Kindern. Sie erwachten erst in der finstern Nacht, und Hänsel tröstete sein Schwesterchen und sagte:»wart nur, Gretel, bis der Mond aufgeht, dann werden wir die Brotbröcklein sehen, die ich ausgestreut habe, die zeigen uns den Weg nach Haus.«Als der Mond kam, machten sie sich auf, aber sie fanden kein Bröcklein mehr, denn die viel tausend Vögel, die im Walde und im Felde umherfliegen, die hatten sie weggepickt. Hänsel sagte zu Gretel:»Wir werden den Weg schon finden.«aber sie fanden ihn nicht. Sie gingen die ganze Nacht und noch einen Tag von Morgen bis Abend, aber sie kamen aus dem Wald nicht heraus und waren so hungrig, denn sie hatten nichts als die paar Beeren, die auf der Erde standen. Und weil sie so müde waren, daß die Beine sie nicht mehr tragen wollten, so legten sie sich unter einen Baum und schliefen ein. Nun war s schon der dritte Morgen, daß sie ihres Vaters Haus verlassen hatten. Sie fingen wieder an zu gehen, aber sie gerieten immer tiefer in den Wald, und wenn nicht bald Hilfe kam, mußten sie verschmachten. Als es Mittag war, sahen sie ein schönes, schneeweißes Vögelein auf einem Ast sitzen, das sang so schön, daß sie stehen blieben und ihm zuhörten. Und als es fertig war, schwang es seine Flügel und flog vor ihnen her, und sie gingen ihm nach, bis sie zu einem Häuschen gelangten, auf dessen Dach es sich setzte, und als sie ganz nahe herankamen, so sahen sie, daß das Häuslein aus Brot gebaut war und mit Kuchen gedeckt; aber die Fenster waren von hellem Zucker.»Da wollen wir uns dranmachen,«sprach Hänsel,»und eine gesegnete Mahlzeit halten. Ich will ein Stück vom Dach essen, Gretel, du kannst vom Fenster essen, das schmeckt süß.«hänsel reichte in die Höhe und brach sich ein wenig vom Dach ab, um zu versuchen, wie es schmeckte, und Gretel stellte sich an die Scheiben und knupperte daran. Da rief eine feine Stimme aus der Stube heraus:»knupper, knupper, Kneischen, Wer knuppert an meinem Häuschen?«Die Kinder antworteten:»der Wind, der Wind, Das himmlische Kind,«und aßen weiter, ohne sich irre machen zu lassen. Hänsel, dem das Dach sehr gut schmeckte, riß sich ein großes Stück davon herunter, und Gretel stieß eine ganze runde Fensterscheibe heraus, setzte sich nieder und tat sich wohl damit. Da ging auf einmal die Türe auf, und eine steinalte Frau, die sich auf eine Krücke stützte, kam herausgeschlichen. Hänsel und Gretel erschraken so gewaltig, daß sie fallen ließen, was sie in den Händen hielten. Die Alte aber wackelte mit dem Kopfe und sprach:»ei, ihr lieben Kinder, wer hat euch hierher gebracht? Kommt nur herein und bleibt bei mir, es geschieht euch kein Leid.«Sie faßte beide an der Hand und führte sie in ihr Häuschen. Da ward ein gutes Essen aufgetragen, Milch und Pfannkuchen mit Zucker, Äpfel und Nüsse. Hernach wurden zwei schöne Bettlein weiß gedeckt, und Hänsel Hänsel und Gretel Seite 4

Originaltext der Gebrüder Grimm und Gretel legten sich hinein und meinten, sie wären im Himmel. Die Alte hatte sich nur freundlich angestellt, sie war aber eine böse Hexe, die den Kindern auflauerte, und hatte das Brothäuslein bloß gebaut, um sie herbeizulocken. Wenn eins in ihre Gewalt kam, so machte sie es tot, kochte es und aß es, und das war ihr ein Festtag. Die Hexen haben rote Augen und können nicht weit sehen, aber sie haben eine feine Witterung wie die Tiere und merken s, wenn Menschen herankommen. Als Hänsel und Gretel in ihre Nähe kamen, da lachte sie boshaft und sprach höhnisch:»die habe ich, die sollen mir nicht wieder entwischen!«früh morgens, ehe die Kinder erwacht waren, stand sie schon auf, und als sie beide so lieblich ruhen sah, mit den vollen roten Backen, so murmelte sie vor sich hin:»das wird ein guter Bissen werden.«da packte sie Hänsel mit ihrer dürren Hand und trug ihn in einen kleinen Stall und sperrte ihn mit einer Gittertüre ein. Er mochte schrein, wie er wollte, es half ihm nichts. Dann ging sie zur Gretel, rüttelte sie wach und rief:»steh auf, Faulenzerin, trag Wasser und koch deinem Bruder etwas Gutes, der sitzt draußen im Stall und soll fett werden. Wenn er fett ist, so will ich ihn essen.«gretel fing an bitterlich zu weinen; aber es war alles vergeblich, sie mußte tun, was die böse Hexe verlangte. Nun ward dem armen Hänsel das beste Essen gekocht, aber Gretel bekam nichts als Krebsschalen. Jeden Morgen schlich die Alte zu dem Ställchen und rief:»hänsel, streck deine Finger heraus, damit ich fühle, ob du bald fett bist.«hänsel streckte ihr aber ein Knöchlein heraus, und die Alte, die trübe Augen hatte, konnte es nicht sehen und meinte, es wären Hänsels Finger, und verwunderte sich, daß er gar nicht fett werden wollte. Als vier Wochen herum waren und Hänsel immer mager blieb, da überkam sie die Ungeduld, und sie wollte nicht länger warten.»heda, Gretel,«rief sie dem Mädchen zu,»sei flink und trag Wasser! Hänsel mag fett oder mager sein, morgen will ich ihn schlachten und kochen.«ach, wie jammerte das arme Schwesterchen, als es das Wasser tragen mußte, und wie flossen ihm die Tränen über die Backen herunter!»lieber Gott, hilf uns doch,«rief sie aus,»hätten uns nur die wilden Tiere im Wald gefressen, so wären wir doch zusammen gestorben!«-»spar nur dein Geplärre,«sagte die Alte,»es hilft dir alles nichts.«frühmorgens mußte Gretel heraus, den Kessel mit Wasser aufhängen und Feuer anzünden.»erst wollen wir backen,«sagte die Alte,»ich habe den Backofen schon eingeheizt und den Teig geknetet.«sie stieß das arme Gretel hinaus zu dem Backofen, aus dem die Feuerflammen schon herausschlugen»kriech hinein,«sagte die Hexe,»und sieh zu, ob recht eingeheizt ist, damit wir das Brot hineinschieben können.«und wenn Gretel darin war, wollte sie den Ofen zumachen und Gretel sollte darin braten, und dann wollte sie s aufessen. Aber Gretel merkte, was sie im Sinn hatte, und sprach:»ich weiß nicht, wie ich s machen soll; wie komm ich da hinein?«-»dumme Gans,«sagte die Alte,»die Öffnung ist groß genug, siehst du wohl, ich könnte selbst hinein,«krabbelte heran und steckte den Kopf in den Backofen. Da gab ihr Gretel einen Stoß, daß sie weit hineinfuhr, machte die eiserne Tür zu und schob den Riegel vor. Hu! Da fing sie an zu heulen, ganz grauselich; aber Gretel lief fort, und die gottlose Hexe mußte elendiglich verbrennen. Gretel aber lief schnurstracks zum Hänsel, öffnete sein Ställchen und rief:»hänsel, wir sind erlöst, die alte Hexe ist tot.«da sprang Hänsel heraus wie ein Vogel aus dem Käfig, wenn ihm die Türe aufgemacht wird. Wie haben sie sich gefreut sind sich um den Hals gefallen, sind herumgesprungen und haben sich geküßt! Und weil sie sich nicht mehr zu fürchten brauchten, so gingen sie in das Haus der Hänsel und Gretel Seite 5

Originaltext der Gebrüder Grimm Hexe hinein. Da standen in allen Ecken Kasten mit Perlen und Edelsteinen.»Die sind noch besser als Kieselsteine,«sagte Hänsel und steckte in seine Taschen, was hinein wollte. Und Gretel sagte:«ich will auch etwas mit nach Haus bringen,«und füllte sein Schürzchen voll.»aber jetzt wollen wir fort,«sagte Hänsel,»damit wir aus dem Hexenwald herauskommen.«als sie aber ein paar Stunden gegangen waren, gelangten sie an ein großes Wasser.»Wir können nicht hinüber,«sprach Hänsel,»ich seh keinen Steg und keine Brücke.«-»Hier fährt auch kein Schiffchen,«antwortete Gretel,»aber da schwimmt eine weiße Ente, wenn ich die bitte, so hilft sie uns hinüber.«da rief sie:»entchen, Entchen, Da steht Gretel und Hänsel. Kein Steg und keine Brücke, Nimm uns auf deinen weißen Rücken.«Das Entchen kam auch heran, und Hänsel setzte sich auf und bat sein Schwesterchen, sich zu ihm zu setzen.»nein,«antwortete Gretel,»es wird dem Entchen zu schwer, es soll uns nacheinander hinüberbringen.«das tat das gute Tierchen, und als sie glücklich drüben waren und ein Weilchen fortgingen, da kam ihnen der Wald immer bekannter und immer bekannter vor, und endlich erblickten sie von weitem ihres Vaters Haus. Da fingen sie an zu laufen, stürzten in die Stube hinein und fielen ihrem Vater um den Hals. Der Mann hatte keine frohe Stunde gehabt, seitdem er die Kinder im Walde gelassen hatte, die Frau aber war gestorben. Gretel schüttelte sein Schürzchen aus, daß die Perlen und Edelsteine in der Stube herumsprangen, und Hänsel warf eine Handvoll nach der andern aus seiner Tasche dazu. Da hatten alle Sorgen ein Ende, und sie lebten in lauter Freude zusammen. Mein Märchen ist aus, dort lauft eine Maus, wer sie fängt, darf sich eine große Pelzkappe daraus machen. Hänsel und Gretel Seite 6

DAS HÄSSLICHE JUNGE ENTLEIN. Es war herrlich draußen auf dem Lande; es war Sommer, das Korn stand gelb, der Hafer grün, das Heu war unten auf den grünen Wiesen in Schobern aufgesetzt, und da ging der Storch auf seinen langen roten Beinen und plapperte ägyptisch, denn diese Sprache hatte er von seiner Mutter gelernt. Rings um den Acker und die Wiese waren große Wälder und mitten in den Wäldern tiefe Seen, ja es war wirklich herrlich da draußen auf dem Lande! Mitten im Sonnenschein lag dort ein altes Rittergut, von tiefen Kanälen umgeben, und von der Mauer bis zum Wasser herunter wuchsen große Klettenblätter, die so hoch waren, daß kleine Kinder unter den höchsten aufrecht stehen konnten; es war aber so wild darin, wie im tiefsten Walde. Hier saß eine Ente auf dem Neste, welche ihre Jungen ausbrüten mußte, aber es wurde ihr fast zu langweilig, ehe die Jungen kamen, dazu bekam sie selten Besuch; die andern Enten schwammen lieber in den Kanälen umher, als daß sie hinauf liefen, sich unter ein Kleeblatt zu setzen und mit ihr zu schnattern. Endlich borst ein Ei nach dem andern.»piep, piep!«sagte es und alle Eidotter waren lebendig geworden und die jungen Entlein steckten den Kopf her aus.»rapp, rapp!«sagte sie, und so rappelten sich alle, was sie konnten, und sahen nach allen Seiten unter den grünen Blättern, und die Mutter ließ sie sehen, so viel sie wollten, denn das Grüne ist gut für die Augen.»Wie groß ist doch die Welt!«sagten alle Jungen; denn nun hatten sie freilich ganz anders Platz, als wie sie noch drinnen im Ei lagen.»glaubt Ihr, daß dies die ganze Welt sei?«sagte die Mutter.»Die erstreckt sich noch weit über die andere Seite des Gartens, gerade hinein in des Pfarrers Feld, aber da bin ich noch nie gewesen! Ihr seid doch alle beisammen?«fuhr sie fort, und so stand sie auf.»nein, ich habe noch nicht alle, das größte Ei liegt noch da. Wie lange soll das noch währen? Jetzt bin ich es bald überdrüssig!«und so setzte sie sich wieder.»nun, wie geht es?«sagte eine alte Ente, welche gekommen war, um ihr einen Besuch abzustatten.»es währt so lange mit dem einen Ei!«sagte die Ente, die da saß;»es will nicht entzwei gehen; doch blicke nur auf die andern hin, sind sie nicht die niedlichsten Entlein, die man je gesehen? Sie gleichen Das hässliche junge Entlein Seite 7

allesamt ihrem Vater; der Bösewicht kommt nicht, mich zu besuchen.laß mich das Ei sehen, welches nicht bersten will!«sagte die Alte.»Glaube mir, es ist ein Kalekutenei; ich bin auch einmal so angeführt worden, und hatte meine große Sorge und Not mit den Jungen, denn ihnen ist bange vor dem Wasser. Ich konnte sie nicht hinein bekommen, ich rappte und schnappte, aber es half nichts. Laß mich das Ei sehen. Ja, das ist ein Kalekutenei, laß Du das liegen und lehre lieber die andern Kinder schwimmen.ich will doch noch ein bißchen darauf sitzen,«sagte die Ente,»habe ich nun so lange gesessen, kann ich auch noch einige Zeit sitzen.nach Belieben,«sagte die alte Ente und ging von dannen. Endlich borst das große Ei.»Piep, piep!«sagte das Junge und kroch heraus; es war groß und häßlich. Die Ente betrachtete es.»das ist doch ein gewaltig großes Entlein,«sagte sie;»keins von den andern sieht so aus; sollte es doch ein kalekutisches Küchlein sein? Nun, wir wollen bald dahinter kommen; in das Wasser muß es, ob ich es auch selbst hineinstoßen soll.«am nächsten Tage war schönes, herrliches Wetter. Die Sonne schien auf all die grünen Kletten. Die Entleinmutter ging mit ihrer ganzen Familie zu dem Kanal hinunter; platsch; da sprang sie in das Wasser.»Rapp, rapp!«sagte sie, und ein Entlein nach dem andern plumpte hinein; das Wasser schlug ihnen über dem Kopfe zusammen, aber sie kamen gleich wieder empor und schwammen so prächtig, die Beine gingen von selbst, und alle waren sie darin, selbst das häßliche, graue Junge schwamm mit.»nein, es ist kein Kalekut,«sagte sie;»sieh, wie herrlich es die Beine gebraucht, wie gerade es sich hält, es ist mein eigenes Kind. Im grunde ist es doch ganz hübsch, wenn man es nur recht betrachtet. Rapp, rapp! Kommt nur mit mir, ich werde Euch in die große Welt führen, Euch im Entenhof vorstellen, aber haltet Euch immer nahe zu mir, damit niemand auf Euch trete, und nehmt Euch vor den Katzen in acht!«und so kamen sie in den Entenhof hinein. Da drinnen war ein schrecklicher Lärm, denn da waren zwei Familien, die sich um einen Aalkopf bissen, und am Ende bekam ihn doch die Katze.»Seht, so geht es in der Welt zu!«sagte die Entenmutter und wetzte ihren Schnabel, denn sie wollte auch den Aalkopf haben.»braucht nur die Beine!«sagte sie.»seht, daß Ihr Euch rappeln könnt, und neigt Euren Hals vor der alten Ente dort; sie ist die vornehmste von allen hier; sie ist aus spanischem Geblüt, deswegen ist sie so dick; und seht Ihr, sie hat einen roten Lappen um das Bein, das ist etwas außerordentlich Schönes und die größte Auszeichnung, welche einer Ente zu Teil werden kann; das bedeutet so viel, daß man sie nicht verlieren will und daß sie von Tier und Menschen erkannt werden soll! Rappelt Euch; setzt die Füße nicht einwärts. Ein wohlerzogenes Entlein setzt die Füße weit von einander, gerade wie Vater und Mutter; seht, so! Nun neigt Euren Hals und sagt: Rapp! «Und das thaten sie; aber die anderen Enten ringsumher betrachteten sie und sagten ganz laut:»sieh da! Nun sollen wir noch den Anhang haben, als ob wir nicht schon genug wären, und pfui! wie das eine Entlein aussieht, das wollen wir nicht dulden!«und sogleich flog eine Ente hin und biß es in den Nacken.»Laß es in Ruhe!«sagte die Mutter.»Es thut ja niemand etwas.ja, aber es ist so groß und ungewöhnlich,«sagte die beißende Ente,»und deshalb muß es gepufft werden.es sind hübsche Kinder, welche die Mutter hat,«sagte die Ente mit dem Lappen um das Bein.»Alle zusammen schön, bis auf das eine, das ist nicht geglückt; ich möchte wünschen, daß sie es umar- Das hässliche junge Entlein Seite 8

beiten könnte.das geht nicht, Ihro Gnaden,«sagte die Entleinmutter;»es ist nicht hübsch, aber es hat ein gutes Gemüt und schwimmt so herrlich wie eins von den andern, ja, ich darf sagen, noch etwas besser; ich denke, es wird hübsch heranwachsen und mit der Zeit etwas kleiner werden; es hat so lange in dem Ei gelegen und deshalb nicht die rechte Gestalt bekommen!«und so zupfte sie es im Nacken und glättete das Gefieder.»Es ist überdies ein Enterich,«sagte sie,»und darum macht es nicht so viel aus. Ich denke, er wird gute Kräfte bekommen, er schlägt sich schon durch.die andern Entlein sind niedlich,«sagte die Alte.»Thut nun, als ob Ihr zu Hause wäret, und findet Ihr einen Aalkopf, so könnt Ihr mir ihn bringen.«und so waren sie wie zu Hause. Aber das arme Entlein, welches zuletzt aus dem Ei gekrochen war und so häßlich aussah, wurde gebissen, gestoßen und zum besten gehalten, und das sowohl von den Enten wie von den Hühnern.»Es ist zu groß,«sagten sie allesamt, und der kalekutische Hahn, welcher mit Sporen zur Welt gekommen war und deshalb glaubte, daß er Kaiser sei, blies sich wie ein Fahrzeug mit vollen Segeln auf, ging gerade auf dasselbe los, und dann kollerte er und wurde ganz rot am Kopfe. Das arme Entlein wußte weder, wo es stehen noch gehen sollte; es war betrübt, weil es häßlich aussah und vom ganzen Entenhofe verspottet wurde. So ging es den ersten Tag, und später wurde es schlimmer und schlimmer. Das Entlein wurde von allen gejagt, selbst seine Geschwister waren böse gegen dasselbe und sagten immer:»wenn die Katze Dich nur fangen möchte, Du häßliches Geschöpf!«und die Mutter sagte:»wenn Du nur weit fort wärest!«die Enten bissen es, und die Hühner schlugen es, und das Mädchen, welches die Tiere füttern sollte, stieß mit dem Fuße danach. Da lief und flog es über das Gehege; die kleinen Vögel in den Büschen flogen erschrocken auf.»das geschieht, weil ich häßlich bin!«dachte das Entlein und schloß die Augen, lief aber gleichwohl weiter; so kam es hinaus zu dem großen Moor, wo die wilden Enten wohnten. Hier lag es die ganze Nacht, es war sehr müde und kummervoll. Am Morgen flogen die wilden Enten auf und sie betrachteten den neuen Kameraden.»Was bist Du für einer?«fragten sie, und das Entlein wandte sich nach allen Seiten und grüßte, so gut es konnte.»du bist außerordentlich häßlich!«sagten die wilden Enten.»Aber das kann uns gleichgiltig sein, wenn Du Dich nur nicht in unsere Familie hinein heiratest.«das Arme dachte wahrlich nicht daran, sich zu verheiraten, wenn es nur die Erlaubnis hatte, im Schilfe zu liegen und etwas Moorwasser zu trinken. So lag es ganze zwei Tage. Da kamen zwei wilde Gänse oder richtiger wilde Gänseriche dorthin; es war noch nicht lange her, daß sie aus dem Ei gekrochen waren, und deshalb waren es auch so keck.»höre, Kamerad,«sagten sie,»du bist so häßlich, daß wir Dich gut leiden mögen; willst Du mitziehen und Zugvogel sein? Hier nahebei in einem andern Moor giebt es einige liebliche, wilde Gänse, alle zusammen Fräulein, die da Rapp! sagen können. Du bist im stande, Dein Glück zu machen, so häßlich Du auch bist!piff, paff!«ertönte es und beide wilde Gänseriche fielen tot in das Schilf nieder, und das Wasser wurde blutrot.»piff, paff!«erscholl es wieder, und ganze Scharen wilder Gänse flogen aus dem Schil- Das hässliche junge Entlein Seite 9

fe auf, und dann knallte es wieder. Es war große Jagd; die Jäger lagen rings um das Rohr herum, ja einige saßen oben in den Baumzweigen, welche sich weit über das Schilf hinstreckten, der blaue Dampf zog gleich Wolken in die dunklen Bäume hinein und ging weit über das Wasser hin; zum Moor kamen die Jagdhunde: platsch! platsch! das Schilf und Rohr neigte sich nach allen Seiten. Das war ein Schreck für das arme Entlein; es wendete den Kopf, um ihn unter den Flügel zu stecken, und im selben Augenblick stand ein fürchterlich großer Hund dicht bei dem Entlein, die Zunge hing ihm lang aus dem Halse heraus, und die Augen leuchteten greulich häßlich; er streckte seinen Rachen dem Entlein gerade entgegen, zeigte ihm die scharfen Zähne und platsch! platsch! ging er wieder, ohne es zu packen.»o, Gott sei Dank!«seufzte das Entlein,»ich bin so häßlich, daß mich selbst der Hund nicht beißen mag!«so lag es ganz still, während der Bleihagel durch das Schilf sauste und Schuß auf Schuß knallte. Erst spät am Tage wurde es still, aber das arme Junge wagte noch nicht, sich zu erheben; es wartete noch mehrere Stunden, bevor es sich umsah, und dann eilte es fort aus dem Moor, so schnell es konnte; es lief über Feld und Wiese, und es war ein Sturm, daß es ihm schwer wurde, von der Stelle zu kommen. Gegen Abend erreichte es eine kleine Bauernhütte, die war so baufällig, daß sie selbst nicht wußte, nach welcher Seite sie fallen wollte und darum blieb sie stehen. Der Sturm umsauste das Entlein so, daß es sich niedersetzen mußte, um sich dagegen zu stemmen; und es wurde schlimmer und schlimmer; da bemerkte es, daß die Thür aus der einen Angel gegangen war, und so schief hing, daß es durch die Öffnung in die Stube hinein schlüpfen konnte, und das that es. Hier wohnte eine alte Frau mit ihrer Katze und ihrem Huhne, und die Katze, welche sie Söhnchen nannte, konnte einen Buckel machen und spinnen, sie sprühte sogar Funken, aber dann mußte man sie gegen die Haare streicheln. Das Huhn hatte ganz kleine, niedrige Beine und deshalb wurde es Küchelchen-Kurzbein genannt; es legte gut Eier, und die Frau liebte es wie ihr eigenes Kind. Am Morgen bemerkte man sogleich das fremde Entlein, und die Katze fing an zu spinnen und das Huhn zu glucken.»was ist das?«sagte die Frau und sah sich rings um, aber sie sah nicht gut, und so glaubte sie, daß das Entlein eine fette Ente sei, die sich verirrt habe.»das ist ja ein seltsamer Fang!«sagte sie.»nun kann ich Enteneier bekommen. Wenn es nur kein Enterich ist! Das müssen wir erproben.«und so wurde das Entlein für drei Wochen auf Probe angenommen, aber da kamen keine Eier. Und die Katze war Herr im Hause und das Huhn war die Frau und immer sagten sie:»wir und die Welt!«denn sie glaubten, daß sie die Hälfte seien, und zwar der allerbeste Teil. Das Entlein glaubte, daß man auch eine andere Meinung haben könne, aber das litt das Huhn nicht.»kannst Du Eier legen?«fragte es.»nein!so wirst Du Deinen Mund halten!«und die Katze sagte:»kannst Du einen krummen Buckel machen, spinnen und Funken sprühen?nein!so darfst Du auch keine Meinung haben, wenn vernünftige Leute sprechen!«das Entlein saß im Winkel und war bei schlechter Laune; da fiel es ihm ein, an die frische Luft und Das hässliche junge Entlein Seite 10

den Sonnenschein zu denken; es bekam so sonderbare Lust, auf dem Wasser zu schwimmen, daß es nicht unterlassen konnte, dies der Henne zu sagen.»was fehlt Dir?«fragte diese.»du hast nichts zu thun, deshalb bekommst Du die Grillen! Lege Eier oder spinne, so gehen sie vorüber.aber es ist so schön, auf dem Wasser zu schwimmen,«sagte das Entlein,»so herrlich, es über dem Kopfe zusammenschlagen zu lassen und auf den Grund niederzutauchen!ja, das ist ein großes Vergnügen!«sagte die Henne.»Du bist wohl verrückt geworden! Frage die Katze danach, sie ist die klügste, die ich kenne, ob sie es liebt, auf dem Wasser zu schwimmen oder unterzutauchen; ich will nicht von mir sprechen. Frage selbst unsere Herrschaft, die alte Frau, klüger als sie ist niemand auf der Welt! Glaubst Du, daß sie Lust hat, zu schwimmen und das Wasser über dem Kopfe zusammenschlagen zu lassen?ihr versteht mich nicht!«sagte die Ente.»Wir verstehen Dich nicht? Wer soll Dich denn verstehen können? Du wirst doch wohl nicht klüger sein wollen als die Katze und die Frau, mich will ich nicht erwähnen! Bilde Dir nichts ein, Kind, und danke Deinem lieben Schöpfer für all das Gute, das man Dir erwiesen! Bist Du nicht in eine warme Stube gekommen und hast einen Umgang, von dem Du etwas lernen kannst? Aber Du bist ein Schwätzer, und es ist nicht erfreulich, mit Dir umzugehen. Mir kannst Du glauben, ich meine es gut mit Dir, ich sage Dir Unannehmlichkeiten, und daran kann man seine wahren Freunde erkennen! Sieh zu, daß Du Eier legen oder spinnen und Funken sprühen lernst!ich glaube, ich gehe hinaus in die weite Welt!«sagte das Entlein.»Ja, thue das!«sagte das Huhn. Und so ging das Entlein; es schwamm auf dem Wasser, es tauchte unter, aber von allen Tieren wurde es wegen seiner Häßlichkeit übersehen. Nun trat der Herbst ein, die Blätter im Walde wurden gelb und braun, der Wind riß sie ab, sodaß sie umhertanzten, und oben in der Luft war es sehr kalt; die Wolken hingen schwer von Hagel und Schneeflocken, und auf dem Zaun stand ein Rabe und schrie:»au, au!«vor lauter Kälte; ja, man konnte ordentlich frieren, wenn man daran dachte. Das arme Entlein hatte es wahrlich nicht gut. Eines Abends, als die Sonne schön unterging, kam ein ganzer Schwarm herrlicher, großer Vögel aus dem Busche; das Entlein hatte solche nie so schön gesehen. Sie waren ganz blendend weiß, mit langen, geschmeidigen Hälsen, es waren Schwäne. Sie stießen einen ganz eigentümlichen Ton aus, breiteten ihre prächtigen, langen Flügel aus und flogen von der kalten Gegend fort nach warmen Ländern, nach offenen Seen. Sie stiegen sehr hoch, und dem häßlichen, kleinen Entlein wurde es sonderbar zu Mute; es drehte sich im Wasser wie ein Rad rund herum, streckte den Hals hoch in die Luft nach ihnen aus und stieß einen so lauten und sonderbaren Schrei aus, daß es sich selbst davor fürchtete. O, es konnte die schönen, die glücklichen Vögel nicht vergessen, und sobald es sie nicht mehr erblickte, tauchte es gerade bis auf den Grund, und als es wieder heraufkam, war es gerade wie außer sich. Es wußte nicht, wie die Vögel hießen, nicht, wohin sie flogen, aber doch war es ihnen gut, wie es nie jemand gewesen. Es beneidete sie durchaus nicht; wie konnte es ihm einfallen, sich solche Lieblichkeit zu wünschen! Es wäre schon froh gewesen, wenn die Enten es unter sich geduldet hätten, das arme, häßliche Tier! Der Winter wurde immer kälter; das Entlein mußte im Wasser herumschwimmen, um das völlige Zu- Das hässliche junge Entlein Seite 11

frieren desselben zu verhindern; aber in der Nacht wurde das Loch, worin es schwamm, kleiner und kleiner; es fror, sodaß es in der Eisdecke knackte; das Entlein mußte fortwährend die Beine gebrauchen, damit das Wasser sich nicht schloß; zuletzt wurde es matt, lag ganz still und fror so im Eise fest. Des Morgens früh kam ein Landmann, der dies sah; er ging hin und schlug mit seinem Holzschuh das Eis in Stücke und trug das Entlein heim zu seiner Frau. Da wurde es wieder belebt. Die Kinder wollten mit demselben spielen, aber das Entlein glaubte, sie wollten ihm etwas zu Leide thun, und fuhr in der Angst gerade in den Milchnapf hinein, sodaß die Milch in die Stube hinausspritzte; die Frau schrie, schlug die Hände zusammen, worauf es in das Butterfaß, dann hinunter in die Milchtonne und dann wieder aufflog. Wie sah es da aus! Die Frau schrie und schlug mit der Feuerzange darnach, die Kinder rannten einander über den Haufen, um das Entlein zu fangen; sie lachten und schrieen! Gut war es, daß die Thür aufstand und es zwischen die Reiser in den frischgefallenen Schnee schlüpfen konnte; da lag es, ganz ermattet. Aber all die Not und das Elend, welches das Entlein in dem harten Winter erdulden mußte, zu erzählen, würde zu trübe sein. Es lag im Moor, zwischen dem Rohre, als die Sonne wieder warm zu scheinen begann; die Lerchen sangen, es war herrlicher Frühling. Da konnte auf einmal das Entlein seine Flügel schwingen, sie brausten stärker als früher und trugen es kräftig davon; und ehe dasselbe es recht wußte, befand es sich in einem großen Garten, wo die Äpfelbäume in Blüte standen, wo der Flieder duftete und seine langen, grünen Zweige gerade bis zu den gekrümmten Kanälen hinunter neigte. O, hier war es schön und frühlingsfrisch! Gerade vorn aus dem Dickicht kamen drei prächtige weiße Schwäne; sie brausten mit den Federn und schwammen leicht auf dem Wasser. Das Entlein kannte die prächtigen Tiere und wurde von einer eigentümlichen Traurigkeit befallen.»ich will zu ihnen hinfliegen, zu den königlichen Vögeln, und sie werden mich totschlagen, weil ich, da ich so häßlich bin, mich ihnen zu nähern wage; aber das ist ja gleichviel! Besser, von ihnen getötet, als von den Enten gezwackt, von den Hühnern geschlagen, von dem Mädchen, welches den Hühnerhof hütet, gestoßen zu werden und im Winter Mangel zu leiden.«es flog hinaus in das Wasser und schwamm den prächtigen Schwänen entgegen; diese erblickten es und schossen mit brausenden Federn auf dasselbe los.»tötet mich nur!«sagte das arme Tier und neigte seinen Kopf der Wasserfläche zu und erwartete den Tod. Aber was erblickte es in dem klaren Wasser? Es sah sein eigenes Bild unter sich, das kein plumper, schwarzgrauer Vogel mehr, häßlich und garstig, sondern selbst ein Schwan war. Es schadet nichts, in einem Entenhofe geboren zu sein, wenn man nur in einem Schwanenei gelegen hat. Es fühlte sich ordentlich erfreut über all die Not und die Drangsal, welche es erduldet; nun erkannte es erst sein Glück an all der Herrlichkeit, die es begrüßte. Die großen Schwäne umschwammen es und streichelten es mit dem Schnabel. Im Garten kamen da einige kleine Kinder, die warfen Brot und Korn in das Wasser, und das kleinste rief:»da ist ein neuer!«und die anderen Kinder jubelten mit:»ja, es ist ein neuer angekommen!«sie klatschten mit den Händen und tanzten umher, liefen zum Vater und zu der Mutter, und es wurde Brot und Kuchen in das Wasser geworfen, und sie sagten alle:»der neue ist der schönste, so jung und so prächtig!«und die alten Schwäne neigten sich vor ihm. Das hässliche junge Entlein Seite 12

Da fühlte er sich beschämt und steckte den Kopf unter seine Flügel; er wußte selbst nicht, was er beginnen sollte, er war allzu glücklich, aber durchaus nicht stolz; denn ein gutes Herz wird nie stolz! Er dachte daran, wie er verfolgt und verhöhnt worden war, und hörte nun alle sagen, daß er der schönste aller schönen Vögel sei; selbst der Flieder bog sich mit den Zweigen gerade zu ihm in das Wasser hinunter, und die Sonne schien warm und mild. Da brausten seine Federn, der schlanke Hals hob sich und aus vollem Herzen jubelte er:»so viel Glück habe ich mir nicht träumen lassen, als ich noch das häßliche Entlein war!«das hässliche junge Entlein Seite 13