Verätzungen und Reizgasinhalation: Notfallversorgung in der betrieblichen Praxis

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Transkript:

CREATING TOMORROW`S SOLUTIONS Verätzungen und Reizgasinhalation: Notfallversorgung in der betrieblichen Praxis Gesundheitsdienst Wacker Chemie AG 0

Ursachen und Symptome von Verätzungen Verätzungen entstehen durch die Wirkung korrosiv / ätzend wirkender Substanzen auf Haut- oder Schleimhäuten. Klinische Zeichen variieren je nach Art der Exposition und spezifischen Substanzen: Juckreiz, Brennen auf der Haut Rötung, Hautverfärbungen Hautdefekte bis tiefergehende Nekrosen Atemnot, Hustenreiz bis Hämoptoe 1

Unterschiedliche Gewebsreaktionen durch Säuren bzw. Laugen Säuren verursachen üblicherweise eine Koagulationsnekrose durch Eiweißdenaturation. Dadurch kann die ätzende Flüssigkeit nicht tiefer ins Gewebe eindringen. Laugen hingegen verursachen schwerere Verletzungen, da sie eine Kolliquationsnekrose bilden. Das Gewebe wird dabei verflüssigt, Fette verseift und die Lauge kann tiefer ins Gewebe eindringen. 25% Natronlauge Verätzung mit Salzsäure 2

Verätzung durch Dichlor-Dimethylsilan 3

Verätzung mit Schwefelsäure 4

Salpetersäure ergibt ein sehr charakteristisches Bild 5

Reizgase verursachen ein Inhalationstrauma Reizgase sind chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe, die zu einer akuten Schädigung der oberen Atemwege und der Lunge führen können. Reizgase können in 2 Gruppen eingeteilt werden: Reizgase vom Soforttyp mit hoher Wasserlöslichkeit: Ammoniak, Formaldehyd, Schwefeldioxid, Chlorwasserstoff, Fluorwasserstoff, Acrolein und Tränengase. Reizgase vom Latenztyp mit geringer Wasserlöslichkeit: Stickstoffoxide, Chlor, Nitrosegase, NOx, Phosgen (Carbonylchlorid, COCl2), Isocyanate 6

Reizgase vom Soforttyp Reizgase vom Sofort-Typ mit hoher Wasserlöslichkeit werden bereits im oberen Respirationstrakt abgefangen und haben eine hohe Warnwirkung. Typische Symptome: sofortiges Brennen in Mund und Nase Husten und eventuell Stridor im Bereich der oberen Atemwege auch Verätzungen der Schleimhaut sind möglich Bei hoher Konzentration des Reizgases und/oder nach längerer Exposition können auch tiefere Abschnitte der Atemwege mitbetroffen sein. 7

Reizgase vom Latenztyp Die Reizgase mit geringer Wasserlöslichkeit vom sog. Latenztyp verursachen initial oft wenig oder gar keine Beschwerden. Sie dringen aber tief in die Lunge ein und schädigen die Alveolen. Die Folge ist dann ein mit einer gewissen Verzögerung einsetzender Entzündungsprozess im Bereich der tieferen Atemwege. Es entsteht ein Leck der Kapillaren, durch das Flüssigkeit in das Lungengewebe und im weiteren Verlauf auch in die Alveolen übertritt. Nach einer Latenzzeit von bis zu 24 Stunden kann es daher zur Entwicklung eines toxischen Lungenödems kommen. 8

Fallbeispiel eines Inhalationstraumas in einer Chemieanlage! Mitarbeiter (Nichtraucher, keine Allergien) wollte eine Anlage öffnen aufgrund einer Unachtsamkeit kam es zum plötzlichen Chlorsilanaustritt. Ausgeprägter Hustenreiz und Beinahe-Bewußtlosigkeit Nach Ersthelferbetreuung im Betrieb Versorgung in der Werksambulanz mit Sauerstoff und Corticoid-Spray, Transport ins Krankenhaus Stationäre Aufnahme. Am Folgetag Entlassung in stabilem Zustand, keine AU Kontrolluntersuchung am dritten Tag nach dem Unfall: hochgradige Verengung der Luftwege nachgewiesen. Vorstellung beim Lungenfacharzt Beschwerdezunahme beim Einatmen von trockner oder auch kalter Luft und bei stärkerer körperlicher Belastung wie rasches Treppensteigen oder beim Gasmaske tragen mit Zunahme über die Folgemonate. Anhaltender Therapiebedarf, weiterhin verschlechternde Lungenfunktion bei Belastung nachgewiesen, Arbeitsplatzwechsel erforderlich! 9

Chlorsilane Reizgas vom Soforttyp Je mehr Si-Cl-Bindungen, desto höher ist die Reaktivität heftige Reaktion mit Wasser (Alkoholen, Ketonen, Aldehyden), auch bei hoher Luftfeuchtigkeit Reaktion mit der Feuchtigkeit auf der Haut oder auf den Schleimhäuten zu Chlorwasserstoffnebel und Wärme! 10

Die akuten Beschwerden sind im wesentlichen durch Chlorgas verursacht. HCl-Gas ist eine starke Säure und gut löslich in Wasser. Der toxische Effekt nach Inhalation oder Verschlucken erfolgt lokal. Bei Einatmen wirkt Chlorwasserstoff wegen der Feuchtigkeit der Schleimhäute schon in Nase und dem oberen Atemtrakt. Bei vermehrter Atmung kann es auch in die unteren Lungenabschnitte bis in die Lungenbläschen gelangen. 11

HCl wirkt konzentrationsabhängig 0,5 ml/m³ (ppm) = 1,5 mg/m³ AGW für Chlorwasserstoff 2 ml/m³ (ppm) = 3 mg/m³ AGW für Salzsäure bis zu 5 ppm sehr leichte Belästigung, Gewöhnungseffekt ( lässt nach ) 5-10 ppm leichte Schleimhautreizungen 35 ppm Kratzen im Rachen nach kurzer Exposition 50-100 ppm unerträglich (teilw. schon ab > 26 ppm) bis unmittelbare Gefahr für Leben und Gesundheit 1000 ppm Gefahr des Lungenödems schon nach kurzer Exposition, bei höheren Dosen Tod innerhalb kürzester Zeit Der AGW wurde gesenkt, da im Langzeit-Tierversuch bei 10 ppm Zellveränderungen in der Atemwegsschleimhaut aufgetreten waren. Quellen: toxcenter brandgase und indsci 12

Erstmaßnahme und Weiterversorgung nach Verätzungen und Reizgasinhalation Helfen ja aber mit Umsicht bei Kontakt zu Chemikalien! Eigenschutz beachten!! Gefahrensituation mit Betriebsverantwortlichen, Feuerwehr etc. abklären. Schutzhandschuhe, geschlossene Einsatzkleidung tragen. Wenn der Verdacht besteht, dass der Bereich, den der Helfer betreten muss, mit Reizgasen beaufschlagt ist, müssen ein umluftunabhängiges Atemschutzgerät und ein Chemieschutzanzug getragen werden. Rettung über Fachpersonal (z. B. Atemschutzträger der Feuerwehr) in einen sicheren Bereich organisieren. 13

ERSTE HILFE nach Haut- oder Augenkontakt Beim Hautkontakt kommt es abhängig von Menge und Einwirkungszeit zu Rötungen, Blasenbildung bis hin zur Geschwürbildung Bei Augenkontakt ist durch die ätzende Wirkung eine irreparable Schädigung bis hin zur Erblindung möglich. Spülen, spülen, spülen, (mind. 20 Minuten!!) Notruf absetzen Auch bei geringer Belastung immer einem Arzt vorstellen!! 14

Spülflüssigkeiten zur Ersten Hilfe - im Regelfall: Trinkwasser Bei Verätzungen, Verbrennungen, Verbrühungen und Kontaminationen jeglicher Art ist nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Stand der Kenntnis das sofortige Spülen mit viel Wasser Mittel der ersten Wahl. aus: Leitlinie Anforderungen an Spülflüssigkeiten zur Ersten Hilfe BG RCI Dies wurde in einer Übersichtsarbeit der BASF bestätigt: Zbl Arbeitsmed 63 (2013) 94-100 15

ERSTE HILFE nach Inhalation Entfernen aus der Gefahrenzone Ruhigstellen in sitzender Lagerung Notruf absetzen Beruhigend einwirken Verletzten nicht selbst transportieren! Eigenschutz beachten! Sicherheitsdatenblatt beschaffen! Auch bei geringer Belastung Verletzte Person immer einem Arzt vorstellen!! 16

Vorgehen nach dem A,B,C-Schema lebensrettender Maßnahmen A) Atemwege freimachen (auf Blockade durch die Zunge oder Fremdkörper achten) B) Beatmung (Atmung des Patienten überprüfen, ggf. Beatmung bei ausreichendem Selbstschutz, z. B. Atemmaske, beginnen) C) Circulation (Puls prüfen, bei fehlendem Puls Herzdruckmassage beginnen) 17

Notfallversorgung von Verätzungen der Haut Betroffene Haut- und Haarpartien mit Wasser über mindestens 15-20 Minuten spülen. Andere wichtige Hilfsmaßnahmen müssen währenddessen fortgesetzt werden. Augen während des Spülens schützen. Verätzungen durch Säuren oder Laugen sind initial wie Verbrennungen zu behandeln: adäquate Flüssigkeitsgabe, analgetische Therapie, Aufrechterhaltung der Körpertemperatur, Abdeckung des betroffenen Hautareals mit einer sterilen Auflage oder einem sauberen Tuch. Spezialbehandlung spezieller Einwirkungen z. B. Flusssäure (HF)! 18

Erfahrungen aus der Praxis Langes Spülen bewirkt ein verbessertes Outcome Mind. 20 Min. weiterspülen unabhängig davon, was als Vorspülzeit berichtet wird. Auf intakter bzw. max. oberflächlich geschädigter Hornhaut großzügige Behandlung mit Corticoid-Externa (z.b. Dermatop ) je nach Klinik über mehrere Tage. Bei tiefergehenden Hautdefekten Wundbehandlung analog zur Brandwundenversorgung 19

SOFORTIGE BEHANDLUNG VERHINDERT GRÖßEREN SCHADEN 20

Flusssäure-Verätzungen sind gekennzeichnet durch: rasches Eindringen deutliche Hautrötung und Brennschmerz (bereits bei Flusssäurekonzentrationen unter 5%) Schmerzen gelegentlich erst Stunden nach der Einwirkung tiefgreifende Verätzungen mit starker Gewebszerstörung bei Einwirkung höherer Konzentrationen (sog. Kolliquationsnekrose) 21

Fluor bindet sich im Körper leicht an Calcium und Magnesium Das ungiftige Calcium- oder Magnesiumion reagiert dabei mit dem sehr giftigen Fluoridion zu schwerlöslichem Calcium- bzw. Magnesiumfluorid: Ca 2+ / Mg 2+ + 2 F - CaF 2 / MgF 2 Calcium- oder Magnesiumion Fluoridion Calcium/Magnesiumfluorid nicht giftig sehr giftig nicht giftig Vitale Gefährdung durch Verlust intrazellulärem Ca 2+ und Mg 2+ (Kammerflimmern)! Bei Verätzungen durch konzentrierte Flusssäure, die größer als ein Handteller sind, ist mit einem dramatischen Verlauf zu rechnen! ca. 4 cm 22

Die ärztliche Behandlung erfolgt durch Binden der Fluoridionen an Calciumgluconat Reaktion von Fluorid im Körper mit Zugabe von Calciumgluconat: Calciumionen aus dem Calciumgluconat reagieren mit dem Fluoridion zu Calciumfluorid. Prinzip: Das Calcium aus dem Calciumgluconat fängt das Fluoridion ab, so dass das Calcium z.b. aus dem Blut, den Knochen oder Zähnen nicht angegriffen wird. Ca, Mg Calcium- oder Magnesiumionen aus dem Körper werden NICHT verbraucht. Fluorid+ Ca-gluconat => CaF2, MgF2 23

Notfallversorgung von Verätzungen der Augen Sicherstellen, dass die Augen im Falle einer Säureeinwirkung mit Wasser oder neutraler Kochsalzlösung über mindestens 20 Minuten gespült wurden und der ph-wert der Tränenflüssigkeit wieder normal ist. Andere wichtige Hilfsmaßnahmen währenddessen fortsetzen. Sollte die Augenspülung durch krampfhaften Lidschluss behindert sein, kann ein Lokalanästhetikum (z.b. 0,4 % Oxybuprocain-Lösung) angewendet werden. Vorhandene Kontaktlinsen soweit ohne zusätzliche Gefahr fürs Auge möglich entfernen. (Bei leicht seitlichem Wasserstrahl geschieht dies meist automatisch) 24

Rasche, richtige Augenspülung hilft die Sehkraft zu erhalten Den Kopf des Patienten auf die betroffene Seite kippen, damit die kontaminierte Augenspüllösung nicht in das gesunde Auge fließen kann. Wenn möglich, zum Eigenschutz Handschuhe anziehen. Wenn möglich, zweite Person organisieren um die Augenlieder auseinander zuhalten. Die Augenspüllösung wird in etwa 10cm Entfernung zum Auge angewendet. Benötigt werden ca. 500ml Augenspüllösung. Der Patient sollte bei der Anwendung nacheinander nach unten, links, rechts und oben blicken. Nach erfolgreicher Spülung des Auges kann die Haut vorsichtig mit Kompressen abgetupft werden. 25

Notfallversorgung von Inhalationstraumata Sauerstoffgabe Zunächst Verabreichung von 8 Sprühstößen Beclometason (800 μg Beclometasondipropionat) aus einem Dosieraerosol. Danach für 24 Stunden alle 2 Stunden 4 weitere Sprühstöße. Je nach Klinik parenteralen Zugang legen und intravenöse Gabe von 1,0 g Methylprednisolon (oder einer äquivalenten Steroiddosis) bei Konzentrationen von 100 ppm oder mehr (in Abhängigkeit der Expositionsdauer). Anmerkung: Die Wirksamkeit der Gabe eines Corticosteroids ist bislang nicht in kontrollierten klinischen Studien nachgewiesen worden. Bei respiratorischer Insuffizienz endotracheale Intubation oder ein alternatives Atemwegsmanagement. I 26

VORSICHT IST BESSER ALS NACHSICHT!!! 27