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über das Maß der Pflicht hinaus die Kräfte dem Vaterland zu widmen.

Transkript:

newsletter philosophiekunst 4 / 06/ 2016/ / / / / Denken gefährdet die Gewohnheit e.v. Das Blaue Land und eine avantgardistische Künstlerenklave Sie werden schon sehen, dass jede Epoche die Epidemie hat, die sie verdient. Jeder Zeit ihre Pest. Sie fragten mich nach meiner Heimat, ich antwortete, ich wurde in Fiume geboren, bin in Belgrad, Budapest, Preßburg, Wien und München aufgewachsen und habe einen ungarischen Pass - aber: Heimat? Kenn ich nicht. Ich bin eine typisch altösterreischich - ungarische Mischung: magyarisch, kroatisch, deutsch, tschechisch - mein Name ist magyarisch, meine Muttersprache ist deutsch. Ich spreche weitaus am besten Deutsch, schreibe nunmehr nur Deutsch, gehöre also dem deutschen Kulturkreis an, dem deutschen Volke. Allerdings: der Begriff Vaterland, nationalistisch gefälscht, ist mir fremd. Mein Vaterland ist das Volk. Ödön von Horvath - Murnau 1929 Die Bilder in ihrer Reihenfolge: 1. Der Kochelsee unterhalb des Franz-Marc-Museums Kommt einem das nicht bekannt vor in diesen Zeiten, in denen Migration, Emigration und Flucht unsere tagesaktuellen Nachrichten bestimmen. Ist das nicht auch eine Kernfrage für ein vereintes Europa und gegen die national hochschwappenden Wellen in fast allen europäischen Staaten? Ist es auch nicht die Antwort auf die Fragen, wer bei uns Deutscher ist oder Deutscher sein darf oder wer wieder dahin zurückgeschickt werden kann, wo nur Elend, Armut und Krieg herrschen? Der Schriftsteller und Theaterautor Ödön von Horvath, dessen volkstümlich politisch ambitionierte Dramen wie Geschichten aus dem Wienerwald, Kasimir und Karoline, die italienische Nacht oder Glaube, Liebe, Hoffnung immer noch fester Bestandteil aller deutschsprachigen Bühnen sind, sah sich als Heimatloser ohne Terrain. Er war aber, in der Sprache und im Denken beheimatet, als klarer und radikal denkender Humanist. In seinem zwanzigjährigem Schaffen hat er dem Leser und Zuschauer immer wieder den Spiegel vorgehalten und sich nicht weggeduckt, wenn es brenzlig wurde. Horvath hat die gesellschaftlichen Zustände immer auf den Punkt gebracht und ist auch während der Unterdrückung durch das faschistische Naziregime seiner Linie treu geblieben ist, bis es nicht mehr ging und er emigrieren musste. Dabei hatte er in Murnau einen Einbürgerungsantrag gestellt und sich sogar nach 1933 wegen der Sprache und der Landschaft, in der er sich dann doch beheimatet fühlte, in die Reichsschrifttumkammer aufnehmen lassen, weil er nur als Deutschfühlender schreiben und leben konnte. Das wurde ihm verwehrt und man muss seinen Mut oder sein Engagement würdigen, dass er in der Nazihochburg Murnau als Bürger leben und arbeiten wollte. Er betrachtete die Region rund um den Kochel- und Staffelsee, das Blaue Land, als die einzig

mögliche landschaftliche und idiomatische Lösung, in Deutschland langfristig leben zu können und das lag auch daran, dass er fast zehn Jahre in Murnau mit Unterbrechungen zuhause war. Die berühmte Saalschlacht in Murnau zwischen Nazihorden und sozialistischen Gegnern scheint Wendepunkt seiner deutschen Zeit gewesen zu sein. Weil er als Zeuge gegen die SA auftrat, wurde sein Bleiben in Murnau immer prekärer. 1935 ging er nach Salzburg, nachdem er noch einige Zeit in Berlin gelebt hatte. 1937 erschien sein weltbekannter Roman Jugend ohne Gott, welches die indoktrinären, nahezu nihilistischen und Menschen verachtenden Auswüchse der nationalsozialistischen Erziehungsmethoden thematisierte und an den Pranger stellte. 1938 emigrierte er nach Paris, die Emigrantenexklave für Künstler und Intellektuelle schlechthin, am Abend seiner Ankunft in Paris wurde er von einem herunterfallenden Ast auf der Champs Élysée tödlich verletzt. Seine Bücher und Dramen aber leben weiter und sind heute wieder brandaktuell, wenn man die rechten Bewegungen in ganz Europa genauer unter die Lupe nimmt. Sein Tod war für den Emigrationswiderstand der intellektuellen Künstler und Schriftsteller ein herber Verlust, denn von Horvath wäre sicherlich in direkterem Angriff und ohne Attitüde wie andere im Exil, ein eindringliches Sprachrohr gegen die Naziwillkür geworden. Ich schätze, ich bewundere, ich liebe Horváth. Ich bewundere seinen Charme, seinen Humor und seine Phantasie. Er gehört zu den interessantesten und amüsantesten Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts. (Marcel Reich-Ranicki, Literaturkritiker, Schirmherr des Murnauer Horváth- Jahres 2001) Dieses Blaue Land, wie es heute noch touristisch beworben wird, gilt für Kunst- und Kulturkenner als eines der wichtigen ländlichen Gegenden Deutschlands in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts wie beispielsweise Worpswede oder Rügen bzw. Hiddensee. Die Voralpenlandschaft in Sichtweite Zugspitze zog auch die expressionistischen Künstler Franz Marc, Gabriele Münter, Wassily Kandinsky, Alexey von Jawlensky, Marianne von Werefkin so stark an, dass sie sich dort niederließen und viele Bilder der wichtigen Periode ihrer Künstlergruppe Der blaue Reiter schufen. Gabriele Münter, in Berlin in einem großbürgerlichen Elternhaus groß geworden, entschied sich für einen, in der damaligen Zeit für Frauen als ambivalent zu beurteilenden Lebensweg als Künstlerin und zog 1901 nach München, wo sie in freien Kunstschulen Zeichnen und Malen lernte. Frauen waren zu jener Zeit an Kunsthochschulen nicht zugelassen und mussten sich andere Möglichkeiten suchen, ihre kreativen Berufswünsche zu erfüllen. Dort lernte sie Kandinsky kennen und lieben, auch wenn ihr Lehrer noch verheiratet war. Sie unternahmen ausgedehnte Reisen und ließen sich später in Murnau nieder, wo Jawlensky und Werefkin schon wohnten. 1909 erwarb Münter, die finanziell unabhängig oder gesichert war, das Haus, welches von den Murnauer Bürgern das Russenhaus genannt wurde. Dieses Haus blieb zeitlebens ihr Domizil, auch wenn sie zwischenzeitlich im Ausland lebte. Heute ist Münters Russenhaus eine zu besichtigende Begegnungsstätte. Wenn in jener Zeit vier avantgardistische Künstler- Innen einen Ort gefunden hatten und sich dort niederließen, wurden viele andere, die sich ebenso in bildender Kunst, Musik, Tanz oder Literatur bewegten, angezogen, auch wenn sie sich nur temporär als Gäste aufhielten, ließen sie sich von den anderen durchaus inspirieren. Arnold Schönberg, der Komponist der neuen 12-Ton-Musik, auch Alban Berg sein Kollege, August Macke (oft fälschlicherweise als unmittelbares Mitglied der Gruppe bezeichnet, war zwar der künstlerischen Ausrichtung durchaus zugeneigt, weilte aber nur zeitweise im Werdenfelser Land), Paul Klee und Heinrich Campendonk, die drei Maler, die die Gruppe noch aus Zeiten (1911) der NKVM (Neue Künstlervereinigung München) und der darauf folgenden Secession kannten, aus der die Gruppe Blauer Reiter hervorging. Aus München, Berlin, Köln oder Dresden zog es immer wieder Künstler aller kreativen Disziplinen ins reizvolle Alpenvorland: Alfred Kubin, der Maler, Illustrator und Schriftsteller, Gustav Gründgens, der aufstrebende Theaterregisseur und -darsteller, Carl Zuckmayer, bekannt durch den Fröhlichen Weinberg, Adolf Erbslöh, später bekannt geworden durch die Stilrich- 2. Porträt Ödön von Horvath - ca. 1937, 3. Marianne von Werefekin gemalt von Gabriele Münter, 4. Werefkin und Jawlensky gemalt von Münter

tung Neue Sachlichkeit und Herwarth Walden, der Galerist und Verleger, in dessen Galerie Der Sturm in Berlin die legendäre erste Gruppenausstellung gezeigt wurde. Einen gewissen Friedrich Wilhelm Plumpe verschlägt es auch aus künstlerischen Gründen nach Murnau, ein Suchender, sehr jung und vollkommen unbekannt. Einige Zeit später macht er im neuen, boomenden Medium Film eine erstaunliche Karriere: F. W. Murnau, wer kennt nicht die Bilder seines Filmes Nosferatu mit Max Schreck, wie er als Vampir die Treppe hochgeistert. meiner Meinung nach zwar in der Motivwahl als Vorläufer des sozialistischen Realismus, hatten aber mit dem künstlerischen Lebensentwurf und seinen Idealen nur wenig zu tun. Auch heute noch gelten die Wolga-treidler als eines der bekanntesten Gemälde russischer Malerei des 19. Jahrhunderts. Repin empfahl dem jungen Jawlensky, Kunstunterricht bei der reichen Baronin Gabriele von Werefkin zu nehmen, die im Zarenreich, nachdem sie bei Repin gelernt hatte, als Künstlerin zu höchsten Ehrungen kam, auch wenn das nur unter klassenspezifischen Gründen nachvollziehbar ist. Aus den Unterrichtseinheiten entstand eine große Zuneigung und Liebe, die beide zu dem Entschluss gelangen ließen, das zaristische Russland zu verlassen und 1896 nach München Wassily Kandinsky wurde von den Gründern der Gruppe der weltweit bekannteste Künstler, wobei man eine Vereinnahmung für die Gruppe in der kurzen Zeit, die er mit dem Blauen Reiter verbrachte, kritisch sehen muss. Kandinskys Werk wurde zwar durch die Künstlerkollegen wie durch seine damalige Verlobte Gabriele Münter geprägt, aber seine eigentlich stilbildenden Arbeiten entstanden nach der Trennung von Münter und der Auflösung der Gruppe. Der Kriegstod Marcs 1916 und nach dem Ersten Weltkrieg neue künstlerische Umbrüche initiierten eine rasante kulturelle Entwicklung überall in Mitteleuropa. Kandinsky brach radikal mit dem expressionistischen Stilintentionen und wandte sich der abstrakten Malerei zu. Schon 1910 schrieb er unter dem Einfluss physikalisch wissenschaftlicher Entdeckungen über die Synästhesie zwischen Farben.... man muss freilich das Sehen nicht nur mit dem Geschmack, sondern auch mit allen anderen Sinnen im Zusammenhang stehen, manche Farben können unglatt, stechend aussehen, wogegen andere wieder als etwas Glattes, Samtartiges empfunden werden, so dass man sie gerne streicheln möchte. Weiterhin merkte er an: Je tiefer das Blau wird, desto tiefer ruft es den Menschen in das Unendliche, weckt in ihm die Sehnsucht nach Reinem und schließlich Übersinnlichem. Es ist die Farbe des Himmels. In den 20er Jahren erhielt er einen Lehrauftrag am Bauhaus, emigrierte aber 1933 nach Frankreich, wo er schließlich auch die Staatsbürgerschaft erhielt. Er starb 1944, von den Nazis verfemt und trotzdem in der internationalen Kunstwelt hoch angesehen. Gemälde Kandinskys hängen in allen bedeutenden Museen der Welt und 2012 wurde ein sogenanntes marktfrisches Bild des Künstlers für 23 Millionen Dollar bei Christies in New York versteigert. Der zweite russisch stämmige Künstler des Blauen Reiters war Alexej von Jawlensky, der als Sohn eines zaristischen Offiziers in jungen Jahren den großen russischen Maler Ilja Repin kennenlernte, der der Malergruppe der Peredwischniki angehörte und weit über Russland hinaus ein gefeierter Maler eines russischen Sonderweges des Realismus war. Seine Werke gelten im historischem Zusammenhang umzusiedeln. Das Geld Werefkins wie ihr Verzicht, den eigenen künstlerischen Weg fortzusetzen und die Entscheidung, ihren Geliebten in seinem Talent zu fördern, ließ in ihm eine erstaunliche Motivation und künstlerische Stilsuche erwachsen, die sich bis 1908 vornehmlich an den französischen Vorbildern wie Gauguin oder Cezanne orientierte. Im gleichen Jahr lernten sich Werefkin/Jawlensky und Münter/ Kandinsky kennen. Bis 1912/1913 erlebten die vier die fruchtbaren Jahre ihrer künstlerischen Arbeit, wobei die Beziehungen miteinander und untereinan- 5. Alexej von Jawlensky - Bildnis des Tänzers Alexander Sacharoff, 6. Schlossmuseum in Murnau mit der Ödön von Horvath Ausstellung, 7. Traditionelle Hautrocknung bei Benediktbeuern, 8. Wassily Kandinsky

der immer wieder den größten Schwankungen unterworfen waren. Zwischen 1914 und 1921 hielten sich Werefkin und Jawlensky des Krieges wegen in der Schweiz auf und 1922 kam es zur endgültigen Trennung zwischen der reichen Gönnerin und dem mittellosen Künstler. Jawlensky kehrte nach Deutschland zurück (inzwischen hatte er das Dienstmädchen seiner ehemaligen Geliebten geheiratet und fand eine neue Mäzenin in Galka Scheyer, einer Kunstsammlerin). Er starb nach langer und schwerer Krankheit 1941 in Wiesbaden. Der fünfte Reiter war Franz Marc, dem in Kochel am See ein Museum gewidmet ist, welches 1986 in einer von der Gemeinde zur Verfügung gestellten Gründerzeitvilla, nicht weit vom Ufer des Kochelsees gelegen, eingerichtet wurde. 2008 kam ein Erweiterungsbau in zeitgenössischer Architektur (Architekturbüro Diethelm & Spillmann) hinzu, um die inzwischen angewachsene Sammlung mit Leihgaben der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen München optimal präsentieren zu können. Der Münchner Galerist Otto Stangl gilt als Initiator dieses Projektes und Maria Marc, die Witwe des Künstlers, hatte der Stiftung einen größeren Fundus von Marcs Gemälden testamentarisch zugewiesen. Marc wurde 1880 als Sohn des Malers Wilhelm Marc in München geboren und studierte nach der Reifeprüfung zunächst Philologie, wechselte aber schon ein Jahr später auf die Kunstakademie. Nach einer ersten Reise durch Frankreich bezog er ein Atelier in Schwabing, um frei künstlerisch arbeiten zu können. Bei einer zweiten Reise nach Paris begeisterte er sich für die Gemälde von van Gogh und Gauguin und deren in leuchtenden Farben gemalten Motiven. Tiere wurden seine Motivwelten und er experimentierte, mehr und mehr alle Formen zu vereinfachen, um sich von der naturalistischen Farbgebungen zu lösen. 1910 lernt er August Macke und die anderen KünstlerInnen des späteren Blauen Reiters kennen und zieht im gleichen Jahr nach Sindelsdorf, bei Kochel und Benediktbeuern gelegen. In dieser Zeit wandte er sich dem Kubismus zu und seine Tierbilder wurden zu farbenprächtigen Expressionen eines Naturverständnisses, wie es nur ein Künstler haben kann, der Grenzen zu überschreiten wagt. Marc sah den nahenden Weltkrieg und zog begeistert ins Feld, um im Sinne damaliger pseudointellektueller Verirrungen, konfuser Zukunftsideen und völliger politischer Blindheit angeblich das Alte zerstören zu müssen, um Neues schaffen zu können. Franz Marc starb durch eine feindliche Kugel 1916 in der Nähe Verduns. Sein Freund August Macke, ebenfalls als Kriegsfreiwilliger gemeldet, fiel schon zu Beginn des die Welt komplett verändernden Weltkrieges 1914. Es gibt unterschiedliche Aussagen, wie der Name der Blaue Reiter entstanden ist. Relativ sicher ist, dass sich der Name auf einen Holzschnitt Kandinskys, bezieht, welches auf dem Titelblatt des von der Gruppe herausgegeben Almanachs oder Künstlerkompendiums zu sehen war: ein stilisiertes Pferd in blauer Druckfarbe. Kandinsky aber räsonierte in seinen biografischen Skizzen: Den Namen Der Blaue Reiter erfanden wir am Kaffeetisch in der Gartenlaube in Sindelsdorf; beide liebten wir Blau, Marc Pferde, ich Reiter. So kam der Name von selbst. Kandinsky, angesprochen auf das Merkmal der Gruppe, sagte: In Wirklichkeit gab es nie eine Vereinigung der Blaue Reiter, auch keine Gruppe, wie es oft irrtümlich geschrieben wird. Marc und ich nahmen das, was uns richtig erschien, was wir frei wählten, ohne uns um irgendwelche Meinungen oder Wünsche zu kümmern. Wir beschlossen, unseren Blauen Reiter auf diktatorische Art zu leiten. Die Diktatoren waren selbstverständlich Franz Marc und ich. Der Blaue Reiter umfasste nur eine sehr kurze Periode in der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts, aber dessen Protagonisten schufen Bilder, die auch noch in 100 Jahren prägende Wirkung zeigen werden. Zum Abschluss ein Abstecher in eines jener großflächig bebauten Areale, die man als Klosterbauten kennt und von denen es gerade in Süddeutschland einige bemerkenswerte Architekturbeispiele gibt. Nicht spektakulär und touristisch aufgemotzt wie Kloster Andechs, Weihenstephan oder Beuron, sondern eher bescheiden, wenn man den üppigen Barockstil vergleicht, fast schon puristisch: Benediktbeuern. Das Kloster liegt nur wenige Kilometer von Kochel entfernt und erfüllt heute Aufgabenbereiche, die wenig mit den Attraktionen der touristischen Mussich-unbedingt-sehen-Kultur zu tun haben. Neben einigen sozialen, ökologischen oder regionaltypischen Einrichtungen, beherbergt das Kloster eine Abteilung der Katholischen Stiftungsfachhochschule München für Sozialwesen. Desweiteren werden regelmäßig Ausstellungen arrangiert und Konzerte aufgeführt. Bendiktbeuern wurde wahrscheinlich zwischen 725 und 728 von Karl Martell gegründet und besteht in seiner aktuellen Architektur seit 1669 bis 1679. Das weitläufige und gartenbautechnisch sehr schön angelegte Areal ist ein besonderer Ort der Kontemplation. Wolfgang Neisser - Juni 2016 9. Foyer des Franz-Marc-Museums mit Marc-Porträt, 10. Die gelbe Kuh von Franz Marc, 11. Kloster Benediktbeuern

13. Atrium im Gemeentemuseum, 14. Piet Mondrian, 15. Fassade des Gemeentemuseums, 16. Skulpturenpark Vorhout

17. Blick über Den Haag bis nach Scheveningen, 18. Escher Museum, 19. Erdbeerbild im Maritiushuis von Adriaen Corte