Syrien-Libanon-Palästina und die gebrochenen Verträge der Europäer

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SYRIENS ROLLE IM NAHOST-KONFLIKT: HISTORISCHE ENTWICKLUNGEN UND AUSWIRKUNGEN Und: Europas Karawane des Rechts - Ein Aufbruch von Friedensaktivisten aus 18 Nationen zu europäisch-arabischer Solidarität und Zusammenarbeit (Sommer 2005) Von Elisabeth Wöckel* Über kaum ein Land am Rande des Mittelmeers gibt es in Deutschland und in Europa so irrige und fehlerhafte Vorstellungen, wie über Syrien. Verstärkt wird das Feindbild Syrien in Deutschland durch die systematische Parteinahme aller Leitmedien für US-amerikanische Positionen. Der ungelöste Nahostkonflikt lässt auch Europa nicht unberührt, liegen doch die Ursachen dieses Konflikts in den Weltkriegen Europas. (Günter Schenk) Syrien-Libanon-Palästina und die gebrochenen Verträge der Europäer Erster Weltkrieg: 1914 Kriegseintritt der Türkei, damals noch Osmanisches Reich. Seine Herrschaft erstreckte sich über den Nahen Osten von der Türkei bis nach Ägypten, Libyen und Tunesien. In den arabischen Provinzen des Reiches gab es keine getrennte politische Unterteilung. Die Osmanen verloren den Krieg, zusammen mit Deutschland. Die Siegermächte Frankreich und England schlossen bereits im Voraus, noch vor Kriegsende, das geheime Sykes-Picot-Abkommen (Mark Sykes engl. Diplomat, Georges-Picot frz. Diplomat) vom 16. Mai 1916 um ihren Einfluss und ihre Vorteile im Nahen Osten nach dem Krieg zu sichern. Die wichtigsten Gebiete der Osmanen in Nahost wollen sich die beiden Länder teilen. Nach geheimer Absprache solle England die Verfügung über ein Gebiet erhalten, das ungefähr dem heutigen Jordanien, dem Irak und dem Gebiet um Haifa entspricht. Frankreich solle über die Südost-Türkei, den Nordirak, Syrien und das Gebiet, das heute als Libanon bezeichnet wird, verfügen. Jedes Land kann die Abgrenzungen innerhalb seiner Einflusszone frei bestimmen. Das Gebiet von Palästina solle unter internationale Verwaltung gestellt werden. Dieser Entscheidung folgen allerdings auf der Friedenskonferenz heftige Kontroversen. Das französisch-britische Geheimabkommen wird von vielen als im Widerspruch zu der Hussein-McMahon-Korrespondenz von 1915-1916 angesehen. In dieser Korrespondenz verspricht die britische Regierung dem Haschemiten Hussein von Mekka für eine Kriegsbeteiligung der Araber an der Seite der Entente die Anerkennung eines unabhängigen arabischen Staates, der auch das geographische Syrien und Mesopotamien umfassen solle. Die Vorbehalte Englands gegen dieses Abkommen beziehen sich auf Südmesopotamien und die Küstenregion Syriens, England hat Sonderwünsche, man fordert die Kontrolle über den Sandschak von Alexandrette, zur Sicherung der Handelswege. Die widersprechenden Vereinbarungen sind das Ergebnis des wechselnden Kriegsverlaufs. Durch das eine Abkommen soll die Hilfe der Araber gewonnen werden, durch das andere wurde die Voraussetzung für die Balfour-Erklärung 1917 geschaffen. Die amerikanischen Juden sollen zur Unterstützung des Kriegseintritts der USA bewegt werden.

Uneinig ist man sich heute darüber, ob Sykes mit dem Amt der Briten in Kairo in Verbindung stand, das mit Hussein korrespondierte, und sich der Versprechen gegenüber den Arabern nicht bewusst war. Später wurde das Abkommen erweitert, um Italien und Russland einzubinden. Russland solle Armenien und Teile von Kurdistan erhalten, Italien einige ägäische Inseln (die Dodekanes) und eine Einflußsphäre um Izmir in Südwest-Anatolien. Die italienische Präsenz in Anatolien sowie die Aufteilung der arabischen Länder wurde im Vertrag von Sevres 1920 formell besiegelt. Auf das Versprechen der Briten hin, die arabische Unabhängigkeit zu erhalten, befehligte Feisal, der Sohn Husseins von Mecca, die arabischen Truppen. Feisal erklärt am 5. Juni 1917 die Unabhängigkeit der Araber, der Aufstand der Wüste beginnt, mobilisiert von Lawrence of Arabia (engl. Archäologe und Geheimagent). Der Kampf gegen die Osmanen endete durch die ständigen Sprengstoffanschläge der Beduinenkämpfer auf die Hedjasbahn und den türkischen Nachschub mit der Niederlage der Türken in den arabischen Gebieten. Im September 1918 erreichen Feisal und seine arabischen Truppen Damaskus. Dort versucht Feisal zusammen mit seinem Bruder einen arabischen Nationalstaat zu schaffen. 1920 wird Feisal in Damaskus zum König proklamiert. Bereits 1919 unterzeichnet Feisal zusammen mit Chaim Weizmann, dem Führer der zionistischen Delegation zur Friedenskonferenz in Paris die Übereinkunft zu einer engen Zusammenarbeit bei der Entwicklung eines arabischen Staates und eines Staates von Palästina. Die Feisal-Weizmann-Übereinkunft soll mit der Unabhängigkeit der Araber wirksam werden. Unbeirrt davon beansprucht Frankreich auf der Friedenskonferenz entsprechend dem Sykes- Picot Abkommen ganz Syrien. Der Gegenvorschlag des amerikanischen Präsidenten sieht die Entsendung einer inter-alliierten Kommission vor, um vor Ort die Wünsche der Bevölkerung in Syrien-Libanon und Palästina zu erkunden. Frankreich und England boykottieren diese Kommission. Nur amerikanische Mitglieder der Kommission besuchen Syrien-Libanon. Nach Teilwahlen tritt der Allgemeine Syrische Kongress zusammen und fordert die sofortige Unabhängigkeit Syriens, Libanons und Palästinas. Im Bericht der King-Crane-Kommission wird der Friedenskommission empfohlen, die Einheit Syriens unter Einschluss Palästinas zu wahren und das extreme zionistische Einwanderungsprogramm von Juden nach Palästina ernsthaft zu modifizieren" und keinesfalls das Mandat für Syrien an Frankreich zu übertragen. Der Bericht wird nicht zur Kenntnis genommen, weil England den Wünschen Frankreichs entgegenkommt. Feisal kann in London und Paris den arabischen Wunsch von der Unabhängigkeit nicht durchsetzen, mit der Folge, dass eine mögliche frühe Übereinkunft zwischen Faisal und Chaim Weizmann für die arabischen Staaten und Palästina nicht zustande kommt. Daraufhin handelt die zionistische Organisation mit der britischen Delegation im Dezember 1919 einen Mandatsentwurf für die Friedenskonferenz aus, der zionistischen Vorstellungen entgegenkommt. Der harten Position Frankreichs folgen Unruhen in Syrien, sie führen zur Unabhängigkeitserklärung Syriens und zur Einsetzung Feisals zum König des unabhängigen arabischen Staates.

Im April 1920 einigen sich die Alliierten schließlich auf der Konferenz von San Remo über die Aufteilung der arabischen Provinzen der Türkei. Frankreich soll ein Mandat für Syrien, einschließlich Libanon erhalten. Großbritannien das Mandat für Mesopotamien (Irak). Das Mandat über Palästina erhält der Völkerbund, der es Großbritannien übertragen soll, mit der Auflage, die Balfour-Deklaration durchzusetzen. Noch im gleichen Jahr, 1920, wird Syrien von französischen Truppen besetzt und König Feisal I. mit militärischer Gewalt vertrieben. Mit britischer Hilfe wird Feisal 1921 zum König von Irak ausgerufen. Der zerschlagene Traum der Araber von Freiheit und Unabhängigkeit zieht Unruhen nach sich, auch gegen die Briten im Irak. In Palästina beginnen sich die Araber gegen das zionistische Programm zu organisieren. Auf der Konferenz von Kairo 1921 kommen die Briten den arabischen Forderungen entgegen, die Balfour-Deklaration, die Schaffung einer nationalen Heimstätte in Palästina für das jüdische Volk, wird auf das Gebiet westlich des Jordans eingeschränkt. Das abgetrennte Gebiet wird dem jüngeren Bruder Feisals, Abdallah zur Verwaltung übergeben, später wird es zum selbständigen Emirat Transjordanien unter britischem Mandat. Frankreich als Lehrmeister der Demokratie à la G.W. Bush Unterdessen versucht Frankreich durch eine Politik des Teilens und Herrschens seine Macht in Syrien zu festigen. Unter Ausnutzung religiöser und ethnischer Minderheiten trennt Frankreich das Alauitengebiet, den Djebel Drus und den Libanon von Syrien ab. Die Bürgerkriege im Libanon und die syrischen Interventionen im Libanon haben in dieser Teilung ihre Ursache. Im Libanon stützt sich Frankreich auf die christlichen Maroniten. Syrien widersetzt sich der Mandatsmacht. Der syrische Nationalkongress fordert die Unabhängigkeit und die Rückgabe der von Frankreich abgetrennten Gebiete. Nach jahrelangen Verhandlungen wird den beiden Staaten, Syrien und Libanon, 1936 nach weiteren drei Jahren die Unabhängigkeit zugesichert. Ein Drusenaufstand, er hatte sich nach Syrien ausgeweitet, wird von Frankreich niedergeschlagen. Die Versammlung zur neuen Verfassung in Syrien wird von Frankreich aufgelöst, dafür wird Syrien 1930 eine Verfassung nach Frankreichs Willen oktroyiert. Gemäß dieser Verfassung löst Frankreich 1932 das gewählte Parlament auf. Zähe Verhandlungen mit dem Libanon und mit Syrien nähren 1936 in diesen Staaten die Hoffnung auf Unabhängigkeit. Gegen syrische Proteste tritt Frankreich im Juni 1939 den Sandschak von Alexandrette (das Gebiet um Iskenderum und um das alte syrische Antiochien, heute Antakya) an die Türkei ab. Am 8. Juni 1943 marschieren britische und freie französische Truppen im Vichy-treuen Syrien ein. De Gaulles Beauftragter General Georges Catroux verspricht Syrien und Libanon die Unabhängigkeit. Am 27. September proklamiert Catroux in Damaskus die Unabhängige Republik Syrien. Auch der Libanon wird unabhängig. De facto bleiben beide Länder französisch dominiert, was wiederum zu heftigen Auseinandersetzungen führt.

Syriens Weg zur Unabhängigkeit Nach den Parlamentswahlen von 1943 in Syrien und im Libanon drängen die nationalen Regierungen auf volle Unabhängigkeit, die ihnen ab 1944 auf Druck der USA und Großbritanniens schrittweise gewährt wird. Nach dem Abzug der letzten englischen und französischen Truppen wird Syrien am 14. April 1946 souverän. Im ersten Jahrzehnt nach der Unabhängigkeit ist das Land noch sehr instabil. Die neue und gebildete Mittelschicht, die Intelligenz und Armeeoffiziere lassen eine reformerische radikale Bewegung gegen die alte Oberschicht und deren Kontrolle über Handel und Wirtschaft anwachsen. 1943 wird die arabische sozialistische Baath-Partei gegründet, aber erst 1955 offiziell zugelassen. Baath wird zur Rivalin der zugelassenen Kommunistischen Partei. Nur in Syrien konnten die Marxisten legal in einem arabischen Land existieren. 1963 bringt ein militärischer Staatsstreich die sozialistische Baath-Partei an die Macht, 1966 übernimmt der linke Flügel der Baath-Partei durch einen weiteren Militärputsch die Führung. Es beginnt die Umwandlung Syriens in eine Sozialistische Gesellschaft. Die Parteinahme der USA für die Politik Israels und die Besetzung Palästinas führen zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit der Sowjetunion. Syrien bildet palästinensische Fedajin (Freiheitskämpfer) aus und wird deren wichtigste Basis für Operationen gegen die Besetzung Palästinas. Die instabile innere Situation nach der Niederlage im Krieg 1967 gegen Israel, veranlassen die radikalen Baathmitglieder, gemäßigte Mitglieder in die Regierung aufzunehmen. Der neue Verteidigungsminister der gemäßigten Linie wird Hafis al-assad. Als der linke Flügel der Baath von Syrien aus im September 1970 palästinensische Saika- Truppen und Panzerdivisionen gegen König Hussein nach Jordanien schickt, um die Palästinenser im Kampf gegen Hussein zu unterstützen, greift Assad ein. Die Sowjetunion ist ebenfalls an einem Rückzug interessiert, zur Verhinderung eines sinnlosen Abnützungskrieges. Hafiz al Assad entscheidet den nachfolgenden Machtkampf für sich. Die radikale Linke kommt ins Gefängnis oder muss ins Ausland fliehen, Assad wird zum Präsidenten gewählt. Am 12. März 1973 wird Syrien ein demokratisch-sozialistischer souveräner Volksstaat, die neue Verfassung wird durch eine Volksabstimmung angenommen. Der Islam ist nicht mehr Staatsreligion, jedoch grundlegende Quelle der Gesetzgebung, der Präsident muss Moslem sein. Am 26. Mai sind Wahlen zum neuen Volksrat. Die Nationale Progressive Front gewinnt 140 der 186 Sitze. Mit der radikalen Bruderpartei des Baath im Irak verschärfen sich die Spannungen. Todfeindschaft entsteht zwischen den Führern der Baathpartei als syrische Gesandte der Partei in Bagdad ermordet werden. Außenpolitisch überwindet Assad die Isolierung Syriens durch Annäherung an Jordanien und Libyen, die Gründung der VAR über eine Föderation arabischer Staaten wird initiiert, Syrien übernimmt eine strikte Kontrolle über die Palästinenser. Nach dem Oktoberkrieg von 1973/74 vertritt Syrien eine harte Linie im arabisch-israelischen Konflikt und nimmt nicht an der Genfer Friedenskonferenz teil.

1982 bei einem Aufstand der verbotenen radikal-islamischen Muslimbruderschaft wird die Stadt Hama von Regierungstruppen zerstört, es gibt über 30 000 zivile Opfer. Vorangegangen waren Autobomben der Islamisten mit vielen Toten in Damaskus, darunter ein Bus mit Schulkindern. Juni 1982: Nach der israelischen Invasion im Libanon weicht Syrien einer weiteren militärischen Konfrontation mit Israel aus. Die israelische Luftwaffe zerstört syrische Panzereinheiten, alle sowjetischen SAM Raketen in der Bekaa-Ebene werden von israelischen Drohnen zerstört, syrische Jagdflugzeuge abgeschossen. 1983 scheitert der Versuch der USA, den Libanon-Konflikt ohne Syrien zu lösen, Syrien stimmt seinem Truppenabzug zu, wenn auch alle israelischen Truppen abziehen. Die Krise der UdSSR von 1990 bringt Syrien in eine geschwächte Position gegenüber den USA und Israel. 1991 führt die Entsendung syrischer Truppen für die antiirakische Allianz im Golfkrieg zu einer Annäherung an die USA. Der Kooperationsvertrag von 1991zwischen Syrien und dem Libanon führt zur formellen Anerkennung des Staates Libanon durch Syrien. Nach dem Tod von Hafiz al Assad 2000, wird sein Sohn Baschar al Assad zum Präsidenten gewählt. Baschar versucht eine Öffnung der alten verkrusteten Strukturen der Baath Partei, scheitert aber am Widerstand der Alten Garde und muss gewährte Freiheiten wieder zurücknehmen. Er steht in einer ähnlichen Situation wie seinerzeit sein Vater nach 1967 im Machtkampf gegen die extreme Linke. Auf dem Parteitag im Frühsommer 2005 beschließt die Versammlung die Reduzierung der Geheimdienste, die Zulassung anderer Parteien und mehr Pressefreiheit. Der Druck durch die europäischen Sanktionen, die verbalen Angriffe der USA und die antisyrische Propaganda durch die westliche Presse verschlimmert die Lage Syriens und schadet der Öffnung und Demokratisierung der Gesellschaft. Europas Karawane des Rechts: Ein Aufbruch zu internationaler Zusammenarbeit der Menschen guten Willens Mit der Karawane des Friedens und des Rechts aus 18 Nationen hatten sich Anfang Juli 2005 150 Teilnehmer aufgemacht, sie hatten mit ihren Autos Europa durchquert, um in Palästina für das Recht der Palästinenser einzutreten. In Syrien wurde der Karawane von der Bevölkerung ein grandioser Empfang bereitet, in den Palästinenserlagern gab es Tränen der Freude. 57 Jahre nach der Vertreibung war das die erste Gruppe, die von Europa kommend, die Palästinenser im syrischen Exil besuchte. Alle arabischen Medien, TV Sender und Presse berichteten täglich über die Karawane und ihre Ziele. Es war der Karawane auf ihre Weise gelungen, eine zivile Friedensbewegung von Palästinensern und Syrern anzuregen um sich den europäischen Bewegungen anzuschließen. Die syrische Regierung hatte das alles ermöglicht durch eine gute Zusammenarbeit von Innen-und Aussenministerium, dem Informationsministerium und allen Dienstellen an den Grenzen und in den Kommunen. Es gelang der Karawane des Rechts und des Friedens aber nicht nach Palästina einzureisen. An der Allenby-Brücke wurden die Teilnehmer abgewiesen und von einer israelischen Schlä-

gertruppe in den Bus geprügelt. Der Stempel im Pass verbietet eine erneute Einreise nach Israel in den nächsten 5 Jahren... Warum Friedensverhandlungen mit Israel scheitern Friedensverhandlungen der syrischen Regierung mit Israel enden immer wieder ohne greifbare Ergebnisse. Streitpunkte bleiben die annektierten Gebiete auf den Golanhöhen und die Sicherheitszone im Südlibanon. Bei allen Friedensverhandlungen geht es nicht mehr um die Balfour-Deklaration, um eine nationale Heimstatt der Juden in Palästina. Diese Heimstatt ist längst verwirklicht, die Präsenz des jüdischen Staates ist in der arabischen Welt zur Wirklichkeit geworden, der sich niemand verschließen kann. Die Friedensverhandlungen scheitern nicht an der Anerkennung des Staates Israel, sie scheitern alle an einem großen Hindernis: an der von israelischen und US-amerikanischen Unterhändlern vorausgesetzten Ungleichheit der Partner, im Sinne eines kolonialen Anspruchs und der geforderten Unterwerfung arabischer Nationen unter das imperiale Diktat. Dieses Diktat fordert die Selbstaufgabe arabischer Souveränität, territorialer Rechte, und, Verzicht auf die Ressourcen des Landes. Ein Friede in Nahost kann nicht gegen Syrien, nicht ohne die Zustimmung Syriens und der Palästinenser in Syrien, Jordanien, Libanon und Ägypten, und nicht ohne die Anerkennung ihrer Rechte und ihrer Souveränität erreicht werden. Das aufgezwungene System der Unterwerfung von Herr und Knecht aus der Mottenkiste der Kolonialherren führt zu noch mehr Widerstand in den arabischen Ländern und zu noch größerer Ausweitung des bereits stattfindenden Krieges gegen den selbst produzierten Terrorismus westlicher Länder, aufgrund von Arroganz und eines ungerechtfertigten Herrschaftsanspruchs gegenüber anderen Kulturen. Amerikanische und israelische Friedensvorschläge haben auf Syrer, muslimische Libanesen und Palästinenser die gleiche Wirkung wie die leeren Versprechungen der Briten von 1916, die kolonialen Besetzungen Frankreichs und Englands von Syrien-Palästina und Mesopotamien (Irak) so wie ihre Betrügereien nach dem ersten Weltkrieg. Syrer und Palästinenser kämpfen seit 1920 um ihre Souveränität, um ihre Selbstbestimmung und um ihre Rechte. Diese Rechte werden sie ebenso wenig aufgeben wie Israel sein Existenzrecht in Palästina. Wie sagte doch Hafiz al Assad? Wir haben 500 Jahre osmanischer Herrschaft überlebt, 45 Jahre französischer Kolonialisierung, wir werden auch den nationalistischen Zionismus Israels überleben! Ansbach, August 2005 * Elisabeth Wöckel hat mehrere Jahre als Ehefrau eines Diplomaten in Damaskus gelebt und ist eine ausgewiesene Kennerin des Nahen Ostens. Im Sommer 2005 war sie mit der von Europa ausgehenden Karawane des Rechts und des Friedens erneut in Syrien.