Gleichnisse der Barmherzigkeit

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Transkript:

Päpstlicher Rat zur Förderung der Neuevangelisierung Gleichnisse der Barmherzigkeit Jubiläum der Barmherzigkeit 2015 2016 Aus dem Italienischen von Monika Ottermann Schwabenverlag

Für die Schwabenverlag AG ist Nachhaltigkeit ein wichtiger Maßstab ihres Handelns. Wir achten daher auf den Einsatz umweltschonender Ressourcen und Materialien. Alle Rechte vorbehalten 2015 Schwabenverlag AG, Ostfildern www.schwabenverlag-online.de Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart Umschlagabbildung: owik2 / photocase.de Gestaltung, Satz und Repro: Schwabenverlag AG, Ostfildern Druck: GGP Media GmbH, Pößneck Hergestellt in Deutschland ISBN 978-3-7966-1682-2

Zum Geleit In der Bulle Misericordiae vultus, Das Antlitz der Barmherzigkeit, schreibt Papst Franziskus: Wenn wir den Blick auf Jesus und auf sein barmherziges Antlitz richten, sehen wir die Liebe der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Die Sendung, die er vom Vater erhalten hatte, ist nichts anderes, als diese Liebe zu offenbaren, die allen gilt und niemanden ausschließt: Alles in Ihm spricht von Barmherzigkeit. Nichts in Ihm ist ohne Mitleid (MV 8). Diese schöne Formulierung ist bestens geeignet, in die Überlegungen dieser Seiten einzuführen, die die Gleichnisse der Barmherzigkeit auslegen. Ihre Interpretation wird eine Herausforderung sein, denn sich auf ein Gleichnis einzulassen, bedeutet nicht nur, die darin enthaltenen Lehren zu verstehen, sondern hilft sich vor allem auf die eigene Rolle innerhalb der Erzählung einzulassen. Es gibt wahrscheinlich keine andere biblische Textform, die den Leser so sehr betrifft wie die Gleichnisse, denn sie fordern dazu heraus, die existenzielle Dimension wahrzunehmen und sich zu einer Veränderung des eigenen Lebens leiten zu lassen. Papst Franziskus lädt uns in Misericordiae vultus ein, die große Botschaft der Gleichnisse zu hören. Er schreibt: In den Gleichnissen, die von der Barmherzigkeit handeln, offenbart Jesus die Natur Gottes als die eines Vaters, der nie aufgibt, bevor er nicht mit Mitleid und Barmherzigkeit die Sünde vergeben und die Ablehnung überwunden hat. Wir kennen von diesen Bildreden drei ganz besonders: die Gleichnisse vom verlorenen Schaf und von der wiedergefundenen Drachme und das vom Vater und seinen beiden Söhnen (vgl. Lk 15,1 32). In diesen Gleichnissen wird besonders die Freude des Vaters im Moment der Vergebung betont. Darin finden wir den Kern 5

des Evangeliums und unseres Glaubens, denn die Barmherzigkeit wird als die Kraft vorgestellt, die alles besiegt, die die Herzen mit Liebe erfüllt und die tröstet durch Vergebung (MV 9). Der Päpstliche Rat zur Förderung der Neuevangelisierung dankt Mons. Antonio Pitta, dass er die Einladung angenommen hat, diesen Kommentar zu schreiben. Seine wohlbekannte biblische Kompetenz und sein ansprechender Stil haben uns ein wertvolles Hilfsmittel für die Seelsorge in die Hand gegeben. Die persönliche Besinnung, die Glaubensunterweisung und die Lectio divina finden in diesem Kommentar eine wahrhaft geistliche Hilfe, die auch in ihren kulturgeschichtlichen Aspekten von bemerkenswerter Dichte ist. Die Einladung, die Gleichnisse der Barmherzigkeit als Texte zu verstehen, die sich an jeden Einzelnen von uns richten, wird uns das Heiliges Jahr in einer Haltung leben lassen, die das Bekenntnis des Glaubens mit einem kohärentes Lebenszeugnis verbindet. + Rino Fisichella 6

Einführung Jesus, die Barmherzigkeit und die Gleichnisse Seid barmherzig, wie es auch euer Vater ist! Dieses Wort aus dem Lukasevangelium (Lk 6,36) ist eine der kühnsten Aufforderungen Jesu. Dass Gott Vater barmherzig ist, war dem jüdischen Volk bewusst; das Problem besteht jedoch in der Vorstellung, dass die Menschen wie Gott sein könnten. Ist es jemals möglich, barmherzig zu sein wie unser himmlischer Vater? Und was wären die Gründe, so sein zu sollen wie Er? Das Evangelium der Barmherzigkeit, wie das Werk des Lukas genannt wird, hat die Barmherzigkeit zu seinem wichtigsten Leitfaden gemacht, um über das Leben Jesu zu erzählen. Bevor Jesus von der Barmherzigkeit gesprochen hat, machte er sie sichtbar und greifbar. Eines seiner ersten Wunder gilt einem Aussätzigen, mit dem er Mitleid hatte, und deshalb streckte er die Hand aus und berührte ihn (Mk 1,41). Jesus ist von Mitleid bewegt und hat keine Angst, sich anzustecken. Der Schrei des Blinden von Jericho ist stärker als die Bemühungen deren, die ihn zum Schweigen bringen wollen: Jesus, Sohn Davids, hab Erbarmen mit mir! (Lk 18,38). Seine Begegnungen mit Kranken und Sündern sind geprägt von Barmherzigkeit. Aus Mitleid rettet er eine Ehebrecherin, die gesteinigt werden soll (Joh 8,11). Die Art und Weise, wie er sich von einer Sünderin berühren lässt, ist anstössig für Simon, den Pharisäer (Lk 7,36 50). Jesus spricht von der Barmherzigkeit nicht in abstrakten Begriffen, und statt sie zu definieren, erzählt er lieber Gleichnisse über sie. Welche Gleich- 7

nisse sind das? Warum, wie und wem gilt die Barmherzigkeit in Gleichnissen? Welche Gleichnisse über die Barmherzigkeit? Wer mit der Bibel vertraut ist, wird bei den Gleichnissen der Barmherzigkeit an die drei Erzählungen aus dem Lukasevangelium denken, in sich in 15,1 37 finden: das wiedergefundene Schaf, die wiedergefundene Drachme und der wiedergefundene Sohn. Aber in Wirklichkeit wird die Barmherzigkeit auch in anderen Gleichnissen Jesu thematisiert: im Gleichnis von den zwei Schuldnern und ihrem Gläubiger (Lk 7,41 43), vom barmherzigen Samariter (Lk 10,29 37), vom Reichen und dem armen Lazarus (Lk 16,19 31), vom ungerechten Richter und der hartnäckigen Witwe (Lk 18,2 14) sowie vom Pharisäer und Zöllner im Tempel (Lk 18,10 14). Wir kennen insgesamt acht Gleichnisse Jesu, die im dritten Evangelium die Barmherzigkeit aus verschiedenen Perspektiven beleuchten. Sieben von ihnen werden während der Reise Jesu nach Jerusalem (Lk 9,51 19,46) erzählt. Nur das kurze Gleichnis über die zwei Schuldner und den Gläubiger (Lk 7,41 43) gehört in die Zeit, als er in Galiläa predigte. Das liegt daran, dass im Lukasevangelium die große Reise eher ein inner und nicht ein äußerer Weg ist, und so ist diese Aufteilung des Themas der Barmherzigkeit absichtlich. Die Barmherzigkeit ist nicht eine natürliche Tugend, die vom Charakter des Einzelnen abhängt, als ob ein besserer Mensch deshalb auch automatisch barmherziger anderen gegenüber wäre. Stattdessen handelt es sich um eine innere Einstellung, die reift, wenn man mit Jesus zusammen ist: Barmherzigkeit lernt man in der Nachfolge! Natürlich handeln nicht alle Gleichnisse Jesu von der Barmherzigkeit, und sie wird auch nicht nur durch die 8

Gleichnisse thematisiert. Aber dennoch verdienen die Gleichnisse über die Barmherzigkeit einen besonderen Raum: Die Mahnung, barmherzig zu sein, wie der Vater barmherzig ist, bildet den grundlegenden Schlüssel zu ihrem Verständnis. Warum in Gleichnissen? Warum macht es Sinn, in Gleichnisse von der Barmherzigkeit zu sprechen und nicht andere Stilformen zu wählen? Und warum so viele Gleichnisse über die Barmherzigkeit? Hätte nicht das Gleichnis vom verlorenen Sohn oder, wie wir es heute lieber nennen, vom barmherzigen Vater, ausgereicht? Zum Lob der Liebe und der Weisheit können wir das Lob der Barmherzigkeit hinzufügen. Genau genommen ist es so: Wenn man barmherzig sein soll, wie es der Vater ist (und weil er es ist), kann man unmöglich von der Barmherzigkeit sprechen ohne einen Bezug zu den Menschen, die sie leben oder die sie ignorieren. Wenn Jesus von der Barmherzigkeit lieber erzählte, statt sie zu definieren, wird er seine Gründe gehabt haben, und die wollen wir hier aufzeigen. Der Spiegel des Lebens Die Gleichnisse Jesu, einschließlich der Gleichnisse über die Barmherzigkeit, haben mit dem Leben zu tun und interpretieren es. Es wäre falsch zu meinen, dass man zuerst eines seiner Gleichnisse lesen und es dann interpretieren müsste. Das Gegenteil ist der Fall: Die Gleichnisse interpretieren das Leben eines jeden Menschen und hinterfragen es! Das Gleichnis von den zwei Schuldnern und dem Gläubiger (Lk 7,41 43) inspiriert sich an der peinlichen Situation im Haus von Simon, dem Pharisäer: Jesus lässt sich von einer Sünderin die Füße waschen und küssen. Das Gleichnis be- 9

schreibt, dass der Schuldner, dem eine größere Geldsumme erlassen wird, dem Gläubiger dankbarer ist als der, dem ein kleinerer Betrag erlassen wurde. Wenn die Sünderin Jesus die Füße wäscht, dann deshalb, weil er ihr die Sünde vergeben hat, und nicht umgekehrt: Die Sünde wird ihr nicht deshalb vergeben, weil sie ihm die Füße gewaschen hat. Die drei bekanntesten Gleichnisse von der Barmherzigkeit (Lk 15,1 32) gehen von der Tatsache auch, dass Jesus mit den Sündern isst, und zwingen diejenigen, die ihn deswegen kritisieren, ihre Urteile zu überdenken. Die Anmaßung eines Menschen, der glaubt, dass er von Gott erhöht wird, weil er in der Welt hochstehend ist (Lk 16,15), liefert das Stichwort für das Gleichnis vom Reichen und dem armen Lazarus. Das Gleichnis vom Richter und der hartnäckigen Witwe (Lk 18,2 8) erklärt die Wichtigkeit des Gebets: Wer beständig ist, schafft es sogar, Gottes Herz zur Veränderung zu bewegen. Das Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner im Tempel (Lk 18,10 14) entsteht aus der Anmaßung einiger Leuten, die andere abqualifizieren, um sich selbst zu erhöhen. In Jesu Gleichnissen spiegelt sich das reale Leben: das Leben in seiner Beziehung zu Gott und zu den Sündern. Deshalb tragen die Gestalten der Gleichnisse keine Namen, und die Situationen, in denen sie handeln, werden nur sehr allgemein beschrieben. So kann jeder, der die Gleichnisse Jesu hört, sich angesprochen fühlen und sich in ihnen gespiegelt sehen, mit einer entwaffnenden Wahrheit, die dazu zwingt, über sich selbst nachzudenken in dem Beziehungs geflecht, das wir jeden Tag neu knüpfen. 10