Prof. Konrad Stolz 4/2009. Patientenverfügungen - rechtliche und ethische Fragen

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Transkript:

Prof. Konrad Stolz 4/2009 Patientenverfügungen - rechtliche und ethische Fragen

Begriffsbestimmungen: Vorsorgende Verfügungen Vorsorgevollmacht Patientenverfügung Betreuungsverfügung Gesetzliche Betreuung

Vorsorgevollmacht Mit einer Vorsorgevollmacht kann eine Person (Vollmachtgeber) einer anderen Person (Vollmachtnehmer) für den Fall einer durch Unfall oder Krankheit bedingten Geschäfts- und Einwilligungsunfähigkeit Vertretungsmacht erteilen. Die Vollmacht kann sämtliche Angelegenheiten ( Generalvollmacht ) oder einzelne Angelegenheiten umfassen. Tritt die Geschäfts- und Einwilligungsunfähigkeit ein, entscheidet der Bevollmächtigte an Stelle des Vollmachtgebers.

Patientenverfügung Eine Patientenverfügung (früher auch Patiententestament genannt) ist eine Willenserklärung, mit der ein Patient im Voraus für den Fall einer durch Unfall oder Krankheit verursachten dauerhaften Einwilligungssunfähigkeit Anweisungen und Wünsche bezüglich seiner ärztlichen Behandlung und pflegerischen Versorgung festlegt.

Gesetzlicher Betreuer ist ein vom Betreuungsgericht bestellter Vertreter eines Menschen, der seine Angelegenheiten wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht selbst besorgen kann. Er vertritt diesen Menschen in gerichtlich festgelegten Aufgabenkreisen. (Betreuungsgericht in Württemberg: Notariat)

In einer Betreuungsverfügung kann dem (zukünftigen) Betreuungsgericht vorgeschlagen werden, wen es erforderlichenfalls zum Betreuer bestellen soll. Außerdem können Wünsche geäußert werden, wie die Betreuung zu führen ist.

Vorsorgende Verfügungen oder gesetzliche Betreuung werden (nur) relevant, wenn dem Tod eine Zeitspanne vorausgeht, in der Geschäftsunfähigkeit und Einwilligungsunfähigkeit besteht.

Geschäftsfähigkeit ist die Fähigkeit, rechtlich bindende Willenserklärungen abzugeben Einwilligungsfähigkeit (Einsichts- und Steuerungsfähigkeit) ist die Fähigkeit, höchstpersönliche Entscheidungen zu treffen, insbesondere in ärztliche Maßnahmen einzuwilligen.

Einwilligungsfähig ist, wer Art, Bedeutung und Tragweite einer ärztlichen Maßnahme nach entsprechender Aufklärung und Beratung zu erfassen und seinen Willen hiernach zu bestimmen vermag. In Grenzfällen Teamentscheidung oder psychiatrisches Konsilium

Bei Geschäftsunfähigkeit und Einwilligungsunfähigkeit: Bevollmächtigte Stellvertretung durch gesetzliche Betreuer (Angehörige nur als Bevollmächtigte oder ges. Betreuer!)

Im Falle von Geschäftsunfähigkeit und Einwilligungsunfähigkeit: Wer soll entscheiden? Wie soll am Lebensende Entschieden werden? Lebensverlängernde Maßnahmen? Sterbebegleitung? Vorsorgevollmacht (oder gesetzliche Betreuung eventuell Betreuungsverfügung) Patientenverfügung

Ärztlicher Heilauftrag und Wille des Patienten Grundsatz informed consent: Ärztliche Maßnahmen grundsätzlich nur nach Aufklärung und Einwilligung des Patienten zulässig Wille des Patienten geht dem ärztlichen Heilauftrag vor

Grundrecht auf freie Selbstbestimmung Art. 2 GG denn der Staat hat von Verfassungs wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zur freien Willensbestimmung fähigen Bürger zu bessern oder zu hindern, sich selbst zu schädigen (Bundesverfassungsgericht (BVerfGE 22, 180/219 f )

Einwilligungsfähiger Patient entscheidet selbst und alleine über vorgeschlagene ärztliche Maßnahmen (Eventuelle Betreuer oder Bevollmächtigte erst recht die Angehörige haben (noch) keine Entscheidungsbefugnis!)

Patientenverfügung und Recht auf freie Selbstbestimmung: In einer Patientenverfügung wird das Recht auf freie Selbstbestimmung in Voraus für eine mögliche Zeit der Einwilligunsunfähigkeit wahrgenommen

Einwilligungsfähigkeit kann verloren gehen z.b bei fortgeschrittener Demenz nach Schlaganfall mit dauernder Gehirnschädigung in komatösen Zuständen

Verbindlichkeit von Patientenverfügungen grundsätzlich anerkannt durch ständige obergerichtliche Rechtsprechung (auch BGH) In juristischer und medizinrechtlicher Literatur durch Standesorganisationen der Ärzte

Empfehlungen der Bundesärztekammer und der Zentralen Ethikkommission zum Umgang mit Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung in der ärztlichen Praxis 2007 (Auszug) Der in einer Patientenverfügung geäußerte Wille des Patienten ist grundsätzlich verbindlich; deshalb dürfen sich Ärzte nicht über die in einer Patientenverfügung enthaltene Willensäußerung eines Patienten hinwegsetzen

Patientenverfügungen und lebensverlängernde Maßnahmen (z.b. künstliche Ernährung und Flüssigkeitszufuhr über eine PEG)

Prüfschritte: 1. Indikation lebensverlängernder Maßnahmen? 2. Wenn gegeben: was will der Patient? a) (schriftliche) Patientenverfügung? b) mutmaßlicher Wille?

Kein (schriftlicher oder mutmaßlicher) individueller Wille des Patienten erkennbar: Entspricht die lebensverlängernde Mn dem objektiv zu mutmaßenden Willen des Patienten? Nützt die lebensverlängernde Mn dem Patienten?

Nutzlosigkeit liegt vor, wenn keine erstrebenswerten Behandlungsziele erreichbar erscheinen wenn Lebensqualität inakzeptabel ist (was niemand will, kann auch der Patient nicht wollen?) Schaden den Nutzen überwiegt

Gerichtsurteile zu Patientenverfügungen Voraussetzungen Verfassungsrechtliche Grundlagen Verbindlichkeit Reichweite Entscheidung durch Betreuungsgericht

BGH 17.3.2003 (XII ZB 2/03): Sachverhalt: Der Betroffene erlitt am 29. November 2000 infolge eines Myocardinfarktes einen hypoxischen Gehirnschaden im Sinne eines apallischen Syndroms. Seither wird er über eine PEG-Sonde ernährt; eine Kontaktaufnahme mit ihm ist nicht möglich...

Verfügung Für den Fall, daß ich zu einer Entscheidung nicht mehr fähig bin, verfüge ich: Im Fall meiner irreversiblen Bewußtlosigkeit, schwerster Dauerschäden meines Gehirns oder des dauernden Ausfalls lebenswichtiger Funktionen meines Körpers oder im Endstadium einer zum Tode führenden Krankheit, wenn die Behandlung nur noch dazu führen würde, den Vorgang des Sterbens zu verlängern, will ich: - keine Intensivbehandlung, - Einstellung der Ernährung, - nur angst- oder schmerzlindernde Maßnahmen, wenn nötig, - keine künstliche Beatmung, - keine Bluttransfusionen, - keine Organtransplantation, - keinen Anschluß an eine Herz-Lungen-Maschine. Meine Vertrauenspersonen sind... Sohnes und der Tochter). Diese Verfügung wurde bei klarem Verstand und in voller Kenntnis der Rechtslage unterzeichnet. Lübeck, den 27. November 1998, H. S. "...

BGH 17. 3. 2003 Leitsätze Ist ein Patient einwilligungsunfähig und hat sein Grundleiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen, so müssen lebenserhaltende oder -verlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn dies seinem zuvor - etwa in Form einer sog. Patientenverfügung - geäußerten Willen entspricht. Dies folgt aus der Würde des Menschen, die es gebietet, sein in einwilligungsfähigem Zustand ausgeübtes Selbstbestimmungsrecht auch dann noch zu respektieren, wenn er zu eigenverantwortlichem Entscheiden nicht mehr in der Lage ist.

Nur wenn ein solcher erklärter Wille des Patienten nicht festgestellt werden kann, beurteilt sich die Zulässigkeit solcher Maßnahmen, nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten, der dann individuell - also aus dessen Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und Überzeugungen - zu ermitteln ist.

Ist für einen Patienten ein Betreuer bestellt, so hat dieser dem Patientenwillen gegenüber Arzt und Pflegepersonal in eigener rechtlicher Verantwortung und nach Maßgabe des 1901 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Seine Einwilligung in eine ärztlicherseits angebotene lebenserhaltende oder -verlängernde Behandlung kann der Betreuer jedoch nur mit Zustimmung des Betreuungsgerichts wirksam verweigern.

Für eine Einwilligung des Betreuers und eine Zustimmung des Betreuungsgerichts ist kein Raum, wenn ärztlicherseits eine solche Behandlung oder Weiterbehandlung nicht angeboten wird - sei es dass sie von vornherein medizinisch nicht indiziert, nicht mehr sinnvoll oder aus sonstigen Gründen nicht möglich ist.

OLG München B. v. 25.1.2007 (Auszug zusammengefasst) Der behandelnde Arzt hat eigenverantwortlich auf Grund seiner Sachkunde und im Rahmen seines Berufsethos zu prüfen, ob einer weitere Behandlung unter Einschluss einer lebensverlängernden Maßnahme, zu der auch eine Sondenernährung gehören kann, noch medizinisch sinnvoll ist, so dass ein entsprechendes Therapieziel besteht und diese Behandlung weiter anzubieten ist.

Kommt der Arzt zu dem Ergebnis, keine derartige Therapie mehr anzubieten, so ist weder die Zustimmung des Betreuers noch eine Genehmigung des Gerichts erforderlich. Wird die Fortführung der Behandlung ärztlich angeboten, hat der Betreuer sich nach dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Patienten zu richten.

BGH 08.06.2005 - XII ZR 177/03 Passive Sterbehilfe Einstellen der künstlichen Ernährung bei Widerstreit zwischen Betreuer und Pflegeheim Verlangt der Betreuer in Übereinstimmung mit dem behandelnden Arzt, daß die künstliche Ernährung des betreuten einwilligungsunfähigen Patienten eingestellt wird, so kann das Pflegeheim diesem Verlangen jedenfalls nicht den Heimvertrag entgegensetzen. Auch die Gewissensfreiheit des Pflegepersonals rechtfertigt für sich genommen die Fortsetzung der künstlichen Ernährung in einem solchen Fall nicht

Oberlandesgerichts Karlsruhe, B. v. 26.03.2004-11 Wx 13/04 1. Eine Entscheidung des Betreuers gegen eine lebenserhaltende oder -verlängernde Behandlung des Betreuten und die Betreuungsgerichtliche Zustimmung kommen auch dann in Betracht, wenn das Leiden des Betroffenen einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen hat, ohne dass der Tod in kurzer Zeit bevorsteht 2... (Sachverhalt: Patient 96 Jahre im Endstadium einer Demenz)

Patientenverfügung im BGB? Gesetzesentwürfe: Bosbach, Röspel u.a. Zöller, Faust u.a. Stünker, Kauch, Jochimsen, Montag u.a.

Unstreitig: Grundsätzliche Verbindlichkeit Umstritten: Form (nur schriftlich oder auch mündlich) mutmaßlicher Wille Reichweite (wie Rechtsprechung oder enger?) Mitwirkung des Betreuungsgerichts (wie Rechtsprechung?)

Arzt-Patient (einwilligungsfähig) Pat.einwilligungsunfähig Arzt Stellv. (Gericht)

Vergleich der Gesetzesentwürfe Bosbach u.a.: Betreuer setzt PV gilt nach um, falls kein Widerruf (erkennbar) und ärztliche Aufklärung und notarielle Beurkundung und Befristung auf 5 Jahre Stünker u.a. Betreuer prüft schriftliche PV, ob die Festlegungen auf aktuelle Situation zutreffen, wenn ja, setzt er sie um. PV jederzeit formlos widerruflich. Mutmaßlicher Wille entsprechend ( qualifizierte PV )

Bosbach u.a. Stünker u.a. einfache PV : setzt Betreuer um, wenn Oder Krankheit unumkehrbar tödlich verlaufend wenn Bewusstsein niemals wieder herstellbar und Behandlung für diesen Zustand ausgeschlossen wurde PV gilt unabhängig von Art und Stadium der Erkrankung

Bosbach u.a.: PV unverbindlich, falls in Unkenntnis (auch zukünftiger) medizinischer Möglichkeiten abgegeben und bei Kenntnis andere Entscheidung getroffen worden wäre

Gerichtliche Genehmigung der Entscheidung des Betreuers Gerichtliche Genehmigung der Entscheidung des Betreuers Nicht erforderlich, falls Grundleiden unumkehrbar tödlich und Arzt und Betreuer übereinstimmen, dass PV oder mutmaßlicher Wille gilt in der Regel nach beratendem Konsil Nicht erforderlich, falls Einvernehmen zwischen Betreuer und Arzt besteht Erforderlich, falls dauerhaft bewusstlos aber noch nicht tödlich verlaufend und in allen anderen Fällen

Nach beiden Vorschlägen entsprechende Geltung für Bevollmächtigte, falls in der Vollmacht vorgesehen

Empfehlung: bis zu einer gesetzlichen Regelung Anwendung der BGH-Entscheidung vom 17.3.2003

http://esslinger-initiative.de/liste Beratungsstellen

Beispiel einer Patientenverfügung (nach Esslinger Initiative) Name Vorname Geb. Geburtsort Wohnort Strasse Für den Fall, dass ich durch Krankheit oder Unfall in einen Zustand gerate, in welchem ich meine Urteils- und Entscheidungsfähigkeit auf Dauer verloren habe, und ich mich aller Wahrscheinlichkeit nach unabwendbar und unmittelbar im Sterben befinde mich im Endstadium einer unheilbaren, tödlich verlaufenden Krankheit befinde, selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist in Folge einer Gehirnschädigung meine Fähigkeit, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten, nach ärztlicher Einschätzung aller Wahrscheinlichkeit nachunwied erbringlich verloren habe, selbst wenn der Todeszeitpunkt noch nicht absehbar ist in Folge eines weit fortgeschrittenen Hirnabbauprozesses ( z.b. einer Demenzerkrankung ) trotz ausdauernder Hilfestellung nicht mehr in der Lage bin, Nahrung und Flüssigkeit auf natürliche Weise zu mir zu nehmen

erwarte ich als Ausdruck meines Selbstbestimmungsrechts, dass meinem in der folgenden Verfügung festgelegten Willen Folge geleistet wird: 1. Solange eine realistische Aussicht auf Erhaltung eines erträglichen Lebens besteht, erwarte ich ärztlichen und pflegerischen Beistand unter Ausschöpfung der angemessenen Möglichkeiten. 2. Besteht keine solche realistische Aussicht mehr, möchte ich mein Leben in Würde vollenden. 3. Es soll auf Maßnahmen verzichtet werden, die nur noch eine Leidens- und Sterbensverlängerung bedeuten würden. 4. Ich erwarte eine jeweils den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechende ausreichende Schmerztherapie und ganzheitliche Behandlung, die meine körperlichen und psychischen Bedürfnisse berücksichtigt. Mir ist bewusst, dass aktive Sterbehilfe ( Tötung auf Verlangen ) in Deutschland verboten Ist

Erläuterungen: 1. Zu den Begriffen erträgliches Leben und realistische Aussicht : 2. Meine Leben in Würde zu vollenden bedeutet: 3. Maßnahmen, auf die versichtet werden sollen, sind 4. Zur Schmerztherapie und ganzheitlichen Behandlung habe ich folgende Wünsche: Weitere Wünsche und Anordnungen:

Als Vertrauensperson, die nähere Angaben zu meinen Wünschen und meinem Willenmachen kann und hierzu befragt werden soll, benenne ich: Name Vorname Wohnort Strasse Telefon Die Vertrauensperson hat Kenntnis genommen von meiner Patientenverfügung und ist bereit, sich für mich einzusetzen. Sie bestätigt durch ihre Unterschrift, dass sie keinen Zweifel an meiner Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit hat. Ort und Datum Unterschrift der Vertrauensperson

Mein Hausarzt / meine Hausärztin hat meine Patientenverfügung zur Kenntnis genommen. Name Adresse Telefon Ich entbinde ihn / sie von der Schweigepflicht gegenüber meiner Vertrauensperson. Mein Hausarzt / meine Hausärztin ist bereit, über meinen Gesundheitszustand und übermeine Wünsche und Vorstellungen Auskunft zu geben.

In Situationen, die in dieser Patientenverfügung nicht konkret geregelt sind, ist mein mutmaßlicher Wille möglichst im Konsens aller Beteiligter zu ermitteln. Dafür soll diese Patientenverfügung als Richtschnur maßgeblich sein. Kann ein Konsens nicht erzielt werden, liegt die letzte Entscheidung bei der entscheidungsbefugten Person dem behandelnden Arzt / der behandelnden Ärztin Ich unterschreibe diese Verfügung nach sorgfältiger Überlegung und als Ausdruck meines Selbstbestimmungsrechts. Ich wünsche nicht, dass mir in der akuten Situation eine Änderung meines hiermit bekundeten Willens unterstellt wird. Sollte ich meine Meinung ändern, werde ich dafür sorgen, dass mein geänderter Wille erkennbar zum Ausdruck kommt. Ort und Datum Unterschrift der verfügenden Person

Hinterlegung der Verfügung: Kopien der Patientenverfügung werden hinterlegt bei Ich habe zusätzlich zu dieser Patientenverfügung eine Vollmacht erteilt an: Name Adresse Telefon Aktualisierung der Patientenverfügung: Um meinen in der Patientenverfügung niedergelegten Willen zu bekräftigen, bestätige ich diesen nachstehend in vollem Umfang mit folgenden Änderungen... Ort und Datum Unterschrift --

Definitionen der Sterbehilfe Passive Sterbehilfe (im engeren Sinne) ist der erlaubte Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen oder deren Abbruch, wenn der Sterbevorgang bereits eingesetzt hat und der Tod unabwendbar bevorsteht (finales Stadium) Zu den Maßnahmen, auf die verzichtet werden darf, gehören z.b. Medikation, Bluttransfusion, Dialyse, künstliche Beatmung und künstliche Ernährung. Ein Recht oder gar eine Pflicht des Arztes, das erlöschende Leben um jeden Preis zu verlängern, besteht rechtlich nicht. Vielmehr geht es jetzt um Palliativmedizinische Behandlung und Sterbegleitung.

Zulassen des Sterbens durch das Unterlassen oder Beenden von Lebens- und eventuell leidensverlängernden Maßnahmen (z.b. Beatmung, Ernährung/Flüssigkeitszufuhr, Antibiose,, künstliche Niere) - auch als Sterbehilfe im weiteren Sinne bezeichnet - entsprechend dem Willen des Patienten nach Rechtsprechung erlaubt und geboten (obwohl Sterbevorgang noch nicht begonnen hat) Behandlungsziel jetzt Erfüllung des Wunsches des Patienten Beendigung oder Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen, wie z. B. künstliche Ernährung, kann, wenn ein entsprechender Wille oder mutmaßlicher Wille sicher festgestellt wird Abschalten ist rechtlich keine aktive Tötungshandlung, also keine aktive Sterbehilfe.

Indirekte Sterbehilfe ist gegeben, wenn eine ärztlich gebotene schmerzlindernde oder sedierende Medikation bei einem Schwerkranken oder Sterbenden zugleich auch den Todeseintritt beschleunigen kann. Sie ist erlaubt und rechtlich geboten, wenn sie dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht. Willensrichtung des Arztes ist auf Bekämpfung von Schmerzen und Unruhe, auf finale Sedierung gerichtet und nicht auf aktive Tötung des Patienten Indirekte Sterbehilfe liebt nur vor, falls Medikation tatsächlich kausal für früheren Tod war.

Aktive Sterbehilfe ist die absichtliche Verkürzung des Lebens durch aktive Einflussnahme auf den Krankheits- und Sterbeprozess ( z.b. Überdosis Morphium) aus Mitleid oder auf Verlangen des Patienten Diese Art der Sterbehilfe ist nach unserem Recht verboten und strafbar, auch dann, wenn der einsichtsfähige Patient sie ausdrücklich verlangt ( 212 bzw. 216 Strafgesetzbuch) Grenze zur erlaubten indirekten Sterbehilfe unscharf, da letztlich Willensrichtung des Arztes ausschlaggebend.

Beihilfe zur Selbsttötung nicht strafbar, da Selbsttötung selbst auch nicht strafbar ist Beihilfe ist gewolltes Helfen bei einer Tat eines anderen, ohne die tödliche Handlung selbst auszuführen Versorgung eines Patienten mit indizierten Schmerzmitteln, die Patient zum Suizid verwendet, ist keine Beihilfe zum Suizid

Rechtsprechung betrachtet Suizid als Unglücksfall, weshalb Strafbarkeit wegen unterlassener Hilfeleistung nach 323 c StGB möglich ist ( Garantenstellung des Arztes) nicht bei freiverantwortlichem Suizid (str.!) vgl. Erklärung zur Garantenpflicht (Putz/Steldinger: Patientenrechte am Ende das Lebens München 2007)

Literaturempfehlung: Kränzle,Schmid,Seeger: Palliative Care Handbuch für Pflege und Begleitung springer Heidelberg 2006 (in Hochschulbibliothek) Literatur zum Thema siehe http://wiki.btprax.de/patientenverfügung/literatur

Weitere Gerichtsentscheidungen

Landgericht Heilbronn Beschluss v.13.9.2003 (Auszüge)... Der Betreuerin wird hiermit die Genehmigung erteilt, die weitere künstliche Ernährung der Betroffenen zu untersagen bzw. weitere lebenserhaltende Maßnahmen an ihr einstellen zu lassen. Gründe (Auszüge) Frau A. befindet sich seit dem 08.08.2002 im B.-Haus zur vollstationären Pflege. Nach mehreren massiven Hirnblutungen und Schlaganfällen (Mediainfarkt rechts 11.06.02, Apoplex links 21.07.02, Kleinhirninfarkte) liegt sie im Wachkoma, d.h. außer der Atmung und der Herztätigkeit sind alle selbständigen geistigen und körperlichen Funktionen erloschen. Frau A. hat eine Hemiparese links und rechts, also keine eigenständige Motorik mehr. Sie leidet an globaler Aphasie und hat keine Sprache und wahrscheinlich kein Sprachverständnis mehr. Wegen der Schlucklähmung wird sie über eine Magensonde - PEG -, also künstlich, ernährt und mit Flüssigkeit versorgt.

Sie ist ein Schwerstpflegefall. Nach menschlichem Ermessen ist angesichts der Schwere der Erkrankung nicht mehr mit einer Besserung des Zustands zu rechnen. Die vom... Betreuungsgericht am 07.11.2002 zur Betreuerin... bestellte Tochter B. hat beim Betreuungsgericht S. beantragt, den von ihr beabsichtigten Abbruch der künstlichen Ernährung zu genehmigen. Sie gibt an, könnte ihre Mutter sich noch äußern, so würde sie sich gegen dieses unwürdige Siechtum wehren und die Entfernung der Magensonde verlangen, um in Würde sterben zu dürfen. Sie habe Zeit ihres Lebens immer wieder geäußert, sie wolle eines natürlichen Todes sterben und nicht künstlich am Leben erhalten werden.

Die Betroffene hat keine schriftliche Patientenverfügung angefertigt, aus der sich mit hinreichender Deutlichkeit ihr ernsthafter Wille ergibt, dass bei ihr lebenserhaltende oder - verlängernde Maßnahmen zu unterbleiben haben, wenn eine Krankheit einen irreversiblen Verlauf zum Tode genommen hat.... Nach Ansicht der Kammer lässt sich der mutmaßliche Wille der Betroffenen dahin feststellen, dass sie einen Zustand des sog. Wachkomas für sich ausschließen und für diesen Fall lebenserhaltende und -verlängernde Maßnahmen verweigern wollte. Der Betreuerin ist daher die Genehmigung dahin zu erteilen, diesem Willen durch Verweigerung der Fortführung dieser Maßnahme Wirksamkeit zu verschaffen

LG Waldshut-Tiengen B.v. 20.2.2006 1 T 161/05 Aus der Begründung: Der Betreuer hat bei seiner Entscheidung dem Willen des Betr. nach Maßgabe des 1901 BGB Ausdruck und Geltung zu verschaffen.

Maßgebend sind die auch früher geäußerten Wünsche des Betr., sofern sie sich feststellen lassen, nicht durch entgegenstehende Bekundungen widerrufen sind und dem Wohl des Betreuten nicht zuwiderlaufen.

Dabei wirkt eine Willensbekundung, mit der der Patient seine Einwilligung in Maßnahmen der in Frage stehenden Art für eine Situation, wie sie jetzt eingetreten ist, erklärt oder verweigert hat, fort, falls der Patient sie nicht widerrufen hat. Sie kann etwa in einer Patientenverfügung" zum Ausdruck gekommen sein und ist als Ausdruck des fortwirkenden Selbstbestimmungsrechts, aber auch der Selbstverantwortung des Betr. für den Betreuer bindend.

In jedem Fall ist das Unterlassen oder der Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen nur zulässig, wenn das Grundleiden des Patienten nach ärztlicher Überzeugung unumkehrbar (irreversibel) ist und einen tödlichen Verlauf angenommen hat. Nicht erforderlich ist, dass der Tod in kurzer Zeit bevorsteht (OLG Karlsruhe, NJW 2004, 1882).