Rede von Hans-Joachim Fuchtel Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Begrüßung anlässlich der ESF-Jahreskonferenz 2010 Mit dem ESF in die Selbstständigkeit am 03.05.2010 im MOSKAU in Berlin
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Frau Samuel, ich freue mich, Sie heute hier in Berlin zu unserer ESF-Jahreskonferenz im Café Moskau begrüßen zu können! Ich soll Sie sehr herzlich von unserer Bundesarbeitsministerin, Frau Ursula von der Leyen, grüßen, die aus Termingründen leider heute nicht hier sein kann. Wir treffen heute und hier an einem Ort voller Geschichte und Geschichten zusammen im Café Moskau: Prestigeobjekt der DDR, angesagter Club der Nachwendezeit, modernes Konferenzcenter. Stets hat man diesen Ort strukturellen Veränderungen angepasst, hat modernisiert, hat Neues geschaffen. Es passt gut, dass wir uns hier zu einer Konferenz treffen, auf der wir uns mit dem Thema Existenzgründung beschäftigen; auf der wir uns darüber austauschen, wie wir in Deutschland und in Europa Rahmenbedingungen schaffen, die Menschen dabei unterstützen, etwas Neues zu schaffen, strukturelle Veränderungen positiv aufzugreifen und kreativ umzusetzen. In den vergangenen Jahren zeigt sich vermehrt, dass Selbstständigkeit in der Entwicklung der Gesamtbeschäftigung an Bedeutung gewinnt. Neben den verschiedenen Instrumenten der Gründungsförderung haben Gründungsinitiativen und Studiengänge wie Entrepreneurship vermehrt Einzug in die Bildungslandschaft gehalten. Der Anteil der Selbstständigen an allen Erwerbstätigen lag 2009 bei knapp 11 Prozent damit liegen wir zwar unter dem EU-Durchschnitt, aber über den USA und Japan. Und der Wert steigt tendenziell: 1991 waren nur 8,1 Prozent der Erwerbstätigen selbstständig. Diese Bundesregierung will die Selbstständigkeit noch attraktiver machen und eine neue Gründungsdynamik anstoßen. Deutschland soll wieder zum Gründerland werden! Es ist erfreulich, dass 2009 rund 450.000 Menschen den Schritt zu einer Neugründung gewagt haben fast 3 Prozent mehr als im Vorjahr. Wir alle wissen, dass ein Grund für diese positive Entwicklung auch die angespannte Lage am Arbeitsmarkt war. Das schmälert aber nicht den Verdienst derjenigen, die sich für eine Gründung entscheiden gerade in schwierigen Zeiten. Uns geht es darum, das persönliche Engagement der Menschen zielgerecht zu fördern, die den Mut haben, sich auf die eigenen Beine zu stellen und Verantwortung zu übernehmen. Ich begrüße es sehr, dass die Europäische Kommission auch in ihrer neuen Strategie Europa 2020 die Mitgliedstaaten auffordert, Wege in die Selbstständigkeit zu 2
erleichtern und damit inhaltlich an die Lissabon-Strategie anknüpft. Frau Samuel wird uns dazu sicher noch Näheres sagen. Als Finanzierungsinstrument der europäischen Beschäftigungsstrategie haben wir mit dem Europäischen Sozialfonds die Möglichkeit, neue Wege in die Selbstständigkeit auszuprobieren. Wir ergänzen die nationalen Politiken im Bereich der Gründungsförderung und nehmen dabei spezielle Zielgruppen in den Blick. Wir unterstützen insbesondere Existenzgründungen von Menschen, die am Arbeitsmarkt benachteiligt sind. Seit Beginn der laufenden Förderperiode im Jahr 2007 haben wir 50.000 Menschen dabei geholfen, ihre Ideen zu entwickeln und in Neugründungen umzusetzen. Solche Zahlen sind manchmal schwer interpretierbar, aber fünfzigtausend geförderte Personen das sind eben fünfzigtausend Geschichten. Ich freue mich ganz besonders, dass einige Gründerinnen und Gründer heute auf dieser Konferenz sind und wir vielleicht die Möglichkeit haben werden, ihre Geschichten kennen zu lernen. Mich persönlich haben sie sehr beeindruckt. Vor allem Menschen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus gründen, brauchen eine gezielte Unterstützung, um aus dem Abenteuer Existenzgründung eine Erfolgsgeschichte zu machen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales unterstützt diese Menschen deshalb mit Zuschüssen zu speziellen Coachingmaßnahmen für Existenzgründerinnen und -gründer zu allen wirtschaftlichen, finanziellen und organisatorischen Fragen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie fördert Personen, die vor der Gründung nicht arbeitslos waren. Insgesamt ist das Gründercoaching mit ESF-Mitteln von mehr als 650 Mio. Euro der größte Baustein in unserer ESF-Förderung. Die Länder übernehmen dabei die Beratung vor der Gründung. Sie finanzieren mit eigenen ESF- Programmen auch andere Maßnahmen für Gründungswillige und kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Das zweite wichtige ESF-Programm ist der Mikrokreditfonds Deutschland, den die Bundesministerien für Arbeit und Soziales und für Wirtschaft und Technologie Ende 2009 ins Leben gerufen haben. Dafür stehen zunächst rund 60 Mio. Euro ESF-Mittel zur Verfügung. Mit dem Mikrokreditfonds haben wir auf die aktuelle Wirtschaftskrise und den daraus resultierenden Kreditmangel reagiert. Kleine und Kleinstunternehmen haben zunehmend Schwierigkeiten, niedrige Kredite bei den Banken zu bekommen. Nicht selten fehlen gerade jungen, innovativen Betrieben die geforderten Sicherheiten. 3
Der Mikrokreditfonds eröffnet neue Finanzierungswege, über die kleine Unternehmen Personal und Know-how über die Krise retten können. Der Mikrokreditfonds ist somit ein Schutzschirm für Kleinunternehmen, er sichert Arbeitsplätze und stärkt die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Unser Ziel ist es, ein flächendeckendes Mikrokreditangebot zu schaffen. Dafür unterstützen wir Mikrofinanzinstitute. Der Fonds sichert die Vergabe von Mikrokrediten durch die GLS Bank ab. Die Kredite bis zu 20.000 Euro sollen an kleine und junge Unternehmen vergeben werden. Hierzu zählen insbesondere Unternehmen, die von Frauen oder von Menschen mit Migrationshintergrund geführt werden. Betriebe mit hoher Ausbildungsbereitschaft sollen bei der Kreditvergabe besonders berücksichtigt werden. Zudem sollen Kleinunternehmen in den Neuen Ländern besonders profitieren. Der Start dieses innovativen Vorhabens ist geglückt: In den ersten Monaten wurden bereits mehr als 300 Kleinkredite vergeben; davon allein 160 im März 2010. Außerdem sind 7 neue Mikrofinanzinstitute entstanden, davon eins in den neuen Ländern. Insgesamt sind damit bereits 18 Institute für den Fonds tätig. Der Mikrokreditfonds liegt damit auf Kurs, wobei noch weitere Anstrengungen erforderlich sind, um das Ziel mindestens 15.000 Mikrokredite bis 2015 zu erreichen. Neben dem Mikrokreditfonds gibt es eine Reihe von Programmen im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, die nicht aus dem Europäischen Sozialfonds kofinanziert werden. Sie sollen eine ausreichende Kreditvergabe an KMU sicherstellen. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang auf den zweiten Konferenztag verweisen, auf dem Sie sich ausschließlich mit Finanzierungsfragen beschäftigen werden. Neben den beschriebenen großen Programmen sind eine Reihe sehr interessanter Förderprogramme für spezifische Zielgruppen Teil der ESF-Strategie zur Existenzgründungsförderung: Mit dem Programm EXIST des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie sollen insbesondere innovative technologieorientierte Gründungen aus dem Hochschulbereich und von Forschungseinrichtungen unterstützt werden. Ich bin gespannt im Rahmen der Diskussionsrunde gleich mehr dazu von meinem Kollegen, Herrn Staatssekretär Heitzer, zu hören. Das Programm Perspektive für den Wiedereinstieg richtet sich an Frauen und Männer die sich nach einer längeren Zeit, in der sie sich um ihre Kinder oder Angehörige gekümmert haben, selbstständig machen wollen. Mein Kollege Dr. Hermann Kues, 4
Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird später auch näher darauf eingehen. Über das Programm Power für Gründerinnen des Bundesministeriums für Bildung und Forschung sollen die Zugangswege für Frauen zur Existenzgründung verbessert und Frauen gezielt unterstützt werden. Dazu - wie zu allen anderen Programmen - erfahren Sie in den Foren heute Nachmittag mehr. Ich denke, dass wir mit den unterschiedlichen ESF-Programmen auf nationaler und auch auf Länderebene ein flächendeckendes Netz schaffen, das allen Menschen Zugang zur Förderung ermöglicht, die gute Ideen haben und sich selbstständig machen wollen. Ich bin gespannt auf die folgende Diskussion, in der die unterschiedlichen Ansätze vorgestellt werden. Ich freue mich auf den Meinungsaustausch mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und den Sozialpartnern zu den Förderansätzen. In den thematischen Foren nach der Kaffeepause werden dann vier Themen vertiefend diskutiert. Im ersten Forum geht es um die Gleichstellung in der Gründungsförderung, im zweiten Forum um Gründungen aus dem Hochschulbereich. Das dritte Forum widmet sich dem Thema Gründungen aus Arbeitslosigkeit und das vierte der Frage von Qualitätsmanagement in der Gründungsberatung. In diesen parallel laufenden Workshops haben Sie alle die Möglichkeit, sich intensiv mit dem jeweiligem Thema auseinanderzusetzen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gibt ein Sprichwort, das bereits im 18. Jahrhundert galt: Die Entfernung ist unwichtig. Nur der erste Schritt ist wichtig. Mit dem Europäischen Sozialfonds schaffen wir für viele Menschen die Möglichkeit, diesen ersten Schritt zu gehen. Ich möchte mich bei allen bedanken, die direkt oder indirekt dabei mithelfen, dass die Geschichten der Gründerinnen und Gründer, von denen wir heute und morgen einige kennen lernen, zu Erfolgsgeschichten werden. Ich wünsche uns allen eine interessante und anregende Konferenz und übergebe jetzt das Wort an Lenia Samuel, die stellvertretende Generaldirektorin der Generaldirektion Beschäftigung, soziale Angelegenheiten und Chancengleichheit der EU- Kommission. 5