Medien Daniel Kohlstadt Francisco de Goya - Maler der Moderne Essay
Sommersemester 2010 Friedrich-Schiller-Universität Jena Vorlesung: Goya Francisco de Goya Maler der Moderne Ein Essay von Daniel Kohlstadt 6. Semester in Kunstgeschichte / Philosophie 1
Für die breite Öffentlichkeit repräsentierte der spanische Maler Francisco José de Goya (1746-1828) die europäische Kunst schlechthin und setzte als führende Ikone der Moderne im Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert in der Malerei hohe Maßstäbe. Sein umfangreiches wie zeitloses Gesamtwerk ist stets ein Zeugnis ästhetisch hoher Qualität und faszinierte die Menschen unterschiedlicher Berufsstände und Kulturen. Während seine Werke sowohl durch feinfühlige als auch kräftige Pinselführung an Ausdruck gewinnen, trägt die meisterhafte Lichtführung zu einem intensiven Farbenspiel und Schönheit der Motive bei. Goyas künstlerische Welt ist reich an Ideen, Motiven und ist mit Menschen jedes gesellschaftlichen Standes bevölkert. Er verleiht seinen Figuren Individualität und prägt ihren spezifischen Charakter. Dabei wirken die dargestellten Figuren oftmals wie eine durchkomponierte Inszenierung eines Theater-Stücks. Und das Interesse an seinen Werken hält an: Noch immer üben seine Bilder starken Einfluss auf zahlreiche Generationen von modernen Künstlern aus, was sich an zahlreichen Goya- Ausstellungen überall auf der Welt bemerkbar macht. Das ist vor allem damit zu erklären, dass Goya seine Kunst in die kulturgeschichtlichen Traditionen Spaniens tief verwurzelte und Themen wie Erziehung, Märchen, Volkskunst, Volksspiele oder Rituale aufgriff, um den historischen Geist Spaniens universal einzufangen. Neben zahlreichen Portraits reihen sich Sittenbilder ein, welche die Schauplätze des alltäglichen Lebens präsentieren: Straßenszenen, Arbeitsverhältnisse und vergnügliche Gesellschaftsspiele. Doch seine Darstellung zeichnet sich ebenso durch einen Hang zum Phantastischen, Düsteren und Tragischem aus. Dabei gelingt es ihm, den Betrachter oftmals auf psychischer Ebene anzusprechen und ihn in seinem Innersten zu erreichen. Ängste und Missstände, aber auch Träume, Unsicherheiten und Depressionen fungieren als Ausdruck diverser Krisen und Konflikte im Innenleben, welche sich in Goyas Bildern über Krankheiten und anatomische Missgestaltungen äußern. Sein ausgeprägter Naturalismus zeigt auf, wozu der Mensch fähig sein kann - im Guten wie im Schlechten. Ihm gelingt es wie keinem anderen Künstler, das Schöne mit dem Hässlichen auf der Leinwand zu verschmelzen. Bei Goya spielt darüber hinaus stets Kritik an seinen Zeitgenossen eine entscheidende Rolle. Er war bekannt für seine genaue Beobachtungsgabe des menschlichen Verhaltens. Mit bitterem Spott kritisiert er menschliche Schwächen und die sozialen, kirchlichen und politischen Missstände seiner Zeit. 2
So geht er Dingen und Menschen genau auf den Grund und legt ihr eigentliches Wesen, ihre Schwächen, Bosheiten und Laster frei und kehrt ihre Unbeholfenheit, Wichtigtuerei, Eitelkeit oder Aggression nach außen. Goya hält seiner Gegenwart somit einen Spiegel vor, in dem sie in leicht verzerrten und veränderten Formen erscheinen. Durch seine anhaltende Popularität war Goya nahezu uneingeschränkt am spanischen Hof akzeptiert und pflegte anhaltende Beziehungen zum Königshaus und der Aristokratie. Er porträtierte höher gestellte Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, darunter auch königliche Herrscher. So sind die Portraits von König Karl IV und seiner Familie oftmals von schonungsloser Offenheit und kühler Distanz. Daneben entstand aber auch eine Reihe von Portraits, in denen die würdevolle Anmut und erlesene Eleganz seiner weiblichen Modelle beispielhaft zur Geltung kommen. Sein Ruf als Künstler der Moderne begründete sich in bestimmten Ursachen: Goya nahm stark an Zeitereignissen Anteil und begrüßte die Bewegung der Aufklärung. Er teilte ihre Abneigung gegen Ungerechtigkeit, religiösen Fanatismus, Aberglauben und Grausamkeit. Die Aufklärung führte den Menschen aus dem festgebundenem System der alten Ordnungsmächte wie der Kirche und dem monarchistischem Herrschaftsreich und sorgte für ein Klima des Optimismus, des Vertrauens, und des Glaubens an die Zukunft, deren Fortschritt maßgeblich auf der Vernunft basiert. Vernunft entsteht nach Goya aus der geistigen Ordnung schöpferischer Kräfte, die er selbstverantwortlich gegenüber sich selbst und gegenüber der Gemeinschaft einnimmt. Es entsteht eine neue Hoffnung für die individuelle Selbstbestimmung und den Freiheitsgedanken des Menschen. Aus dem Untertan wurde ein Staatsbürger, aus herrscherlicher Verfügungsmasse das wählende Subjekt. 1. Die Themen waren Eigeninitiative, Mitgestaltung und die Abkehr von alten Idealen. Sein Kontakt zur liberalen Reformbewegung bewirkte umwälzende Neuerungen in dem Stil und Inhalt seiner Bilder und Arbeitsweise. Im Jahr 1792 verfasste Goya in diesem Sinne eine radikale Akademie-Kritik, welche den festgelegten Lehrplan der Einrichtungen in Frage stellte. Die wesentlichen Forderungen Goyas bestehen darin, dass keine despotischen Enthusiasten 2, sondern vernünftige Liebhaber der Kunst gefördert werden sollen. Niemand soll in seiner künstlerischen Liberalität durch durch feste Vorschriften beschränkt oder unterworfen werden. Dies wäre aus dem Grund fatal, da 1 Traeger, Jörg: Goya Die Kunst der Freiheit, Verlag C.H. Beck ohg, München: 2000, S. 9. 2 Ebd., S. 34 3