Vorlesung Anorganische Chemie II im SS 2007 (Teil 2) Hans-Jörg Deiseroth Anorganische Chemie Fb 8 Universität Siegen

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Transkript:

Vorlesung Anorganische Chemie II im SS 2007 (Teil 2) Hans-Jörg Deiseroth Anorganische Chemie Fb 8 Universität Siegen (unter Verwendung von Folien des Buches Allgemeine und Anorganische Chemie, Binnewies u.a., Spektrum Verlag)

Komplexchemie: Historische Aspekte Begründer der Komplexchemie: Alfred Werner (1866-1919, NP. 1913) Werner untersuchte Komplexverbindungen wie z.b. [Co(NH 3 ) 6 Cl 3 ] und erkannte die Existenz mehrerer chemisch unterschiedlicher Spezies (z.b. verschiedene Farben) mit ähnlicher oder gleicher chemischer Zusammensetzung. Insbesondere unterschied sich die Anzahl der mit Ag + als schwer lösliches AgCl fällbaren Cl - -Ionen, z.b.: CoCl 3 6NH 3 : gelb [Co(NH 3 ) 6 ]Cl 3 CoCl 3 5NH 3 : purpur [Co(NH 3 ) 5 Cl]Cl 2 CoCl 3 4NH 3 : grün trans-[co(nh 3 ) 4 Cl 2 ]Cl CoCl 3 4NH 3 : violett cis-[co(nh 3 ) 4 Cl 2 ]Cl

Grundregeln der Namensgebung für Komplexverbindungen - Der Name beginnt mit den Liganden (in alphabetischer Ordnung), die anionischen zuerst, gefolgt von neutralen Liganden, dem Zentralatom und dessen Oxidationszahl (römische Ziffern) - Ist das komplexe Molekül als ganzes negativ geladen, so endet sein Name auf "at". - Anionische Liganden enden auf o : chloro-, oxo-, fluoro-, cyano. (Neutrale Liganden haben i.a. keine spezifische Endung) (Ausnahmen: H 2 O: aqua, NH 3 : ammin) -NH 2 CH 2 CH 2 NH 2, Ethylendiamin (en), P(C 6 H 5 ) 3 : Triphenylphosphin, CO: carbonyl. [Cr(H 2 O) 4 Cl 2 ]Cl: K[PtCl 3 NH 3 ]: PtCl 2 (NH 3 ) 2 : [Co(en) 3 ]Cl 3 : Ni(PF 3 ) 4 : Dichloro-tetra-aqua-chrom(III)chloride Kalium-tri-chloro-ammin-platinat(II) Diammin-di-chloro-platin(II) Tris(ethylendiamin)-cobalt(III)chlorid Tetrakis(phosphor(III)fluorid)-nickel(0) Einfache Liganden: di- tri-, tetra-, penta-, hexa-... Komplexe Liganden: bis-, tris-, tetrakis-...

Die Koordinationszahlen (CN) zwei und vier CN = 2 CN = 4 CN 2 tritt bevorzugt auf bei d 10 -Ionen z.b. Cu(I), Au(I), Ag(I) and Hg(II) CN 4 ist dagegen weit verbreitet

CN = 4: Quadratisch planar Bevorzugte Koordination für d 8 -Ionen!!

CN = 5: Quadratisch pyramidal oder trigonal bipyramidal Myoglobin/Hämoglobin Imidazol

Chlorophyll

CN = 5: Pseudorotation z.b. PCl 5

CN = 6: oktaederisch [Mg(H 2 O) 6 ] 2+ Typische Verzerrungen von Oktaedern

CN = 6: trigonal prismatisch, CN >6: z.b. quadratisches ( Archimedisches ) Antiprima

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Kristallfeldtheorie: Größe der Kristallfeldaufspaltung oct tet? Zunehmende Kristallfeldaufspaltung I - < S 2- < Cl - < NO 3- < F - < H 2 O < NH 3 < en < NO 2- < CN - < CO Die Kristallfeldaufspaltung hängt ab von: a) den chemischen Eigenschaften der Liganden (Spektrochemische Reihe) b) der Oxidationszahl des Zentralatoms (Aufspaltung nimmt mit zunehmender Oxidationszahl zu

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Kristallfeldtheorie: Schwaches Feld Starkes Feld (Magnetismus) Spinpaarungsenergie (E s ) konkurriert mit Kristallfeldaufspaltung (E k ) Oktaedrischer Komplex schwaches starkes Feld d 6 high spin (paramagnetisch) d 6 low spin (diamagnetisch) highspin: Maximalzahl an ungepaarten Elektronen low spin: Minimalzahl an ungepaarten Elektronen Messung des magnetischen Moments

Magnetismus von Komplexverbindungen paramagnetische Probe Zentralatom mit ungepaarten Valenzelektronen Paramagnetismus diamagnetische Probe Zentralatom mit gepaarten Valenzelektronen Diamagnetismus Prinzip einer magnetischen Waage

Prinzipiell gibt es : Kristallfeldtheorie: Das magnetische Moment Orbitalmoment (µ O ) Spinmoment (µ S ) In Komplexen, die nur 3d-Elemente als Zentralatome enthalten, spielt das Orbitalmoment kene Rolle ( spin only Magnetismus ). µ O µ S Definition des Spinmoments µ S (in Einheiten von Bohrschen Magnetonen µ B ): µ S = (2 (S(S+1)) µ B µ B = 9,27 10-24 Am 2 (Bohr magneton, kleinste Einheit des magnetischen Moments) S = ½ n (Gesamtspinmoment) n: Zahl der ungepaarten Elektronen S µ S

Spezielle Aspekte der Elektronenstruktur von Komplexen mit CN = 4 1. Tetrahedrische Koordination - Umkehrung der Aufspaltung im Vergleich zum Oktaederfall Freies Ion - Nur der Fall schwaches Feld ist von Bedeutung (weil T klein) ( bevorzugt high spin Magnetismus) 2. Tetragonal elongierte oder quadratisch planare Koordination Jahn-Teller-Effekt

Das elektromagnetische Spektrum 21 / 44