Kommerzielle Musical-Theater in Deutschland

Ähnliche Dokumente
Musical-Tourismus im ökonomischen und kulturellen Zusammenhang:Wie sieht die Gegenwart aus und wo geht die Reise noch hin?

Privatinvestoren entdecken das studentische Wohnen

Internationaler Städtetourismus in Deutschland

Keine Entspannung auf dem Lehrstellenmarkt

Großstadttypen in Deutschland

Leichte Besserung auf dem Ausbildungsmarkt

Außeruniversitäre Forschung in Deutschland

Frauenfußball in Deutschland

Deutsche Nationalparke und Biosphärenreservate

Der innerdeutsche Luftverkehr eine komplexe Marktsituation

Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland

Lehrstellensituation Trotz Besserung keine Entspannung

Lehrstellenmarkt in Deutschland mit Licht und Schatten

theater statistik quartett 07/08

Skat Kartenspiel mit Tradition

Bürgerstiftungen zivilgesellschaftliches Engagement in Deutschland

Weltmarktführer: ein räumlicher und zeitlicher Überblick

des Ruhrgebiets könnten nicht schöner miteinander verschmelzen als im heutigen Colosseum-Theater. Sie werden es erleben.

Gebietsreformen machen das Land zur Stadt

ab abend Abend aber Aber acht AG Aktien alle Alle allein allen aller allerdings Allerdings alles als Als also alt alte alten am Am amerikanische

Wortformen des Deutschen nach fallender Häufigkeit:

Jugendarbeitslosigkeit eine Herausforderung für Europa

Wende auf dem Lehrstellenmarkt?

Deutsche Sprachlandschaften

MEHR! THEATER AM GROSSMARKT EVENTKONDITIONEN. Mehr! Theater Hamburg GmbH Banksstraße Hamburg

Weltmarktführer abseits der Agglomerationsräume

Ergebnisse der Befragung von Reisebüros zu Besucherpotentialen

Kulturorchester in Deutschland

Kabaretts in Deutschland

Ausbildungsmarkt und Jugendarbeitslosigkeit

Der Gustaf-Gründgens-Preis 2015 ein Preis von und für Hamburger Persönlichkeiten.

Bevölkerungsentwicklung - Schrumpfung auch im Westen angekommen

REISEN SIE ZU DEN BESTEN MUSICALS & SHOWS

Regionalwirtschaftliche Effekte des Festspielhaus Baden-Baden

Erstligasport ohne Sponsoren im Abseits

Künstlerische Profile I

Wagniskapital zwischen lokaler Nähe und dem neuen Sog Berlins

Grußwort. Isabel Pfeiffer-Poensgen Ministerin für Kultur und Wissenschaft des Landes Nordrhein-Westfalen

Bevölkerungsentwicklung Wachsende Polarisierung in Ostdeutschland

Bedingungsloses Grundeinkommen und Solidarisches Bürgergeld mehr als sozialutopische Konzepte

Sachsen-Anhalt als Standort für Akademiker: Lohnt es sich, hier zu arbeiten?

Die Fußball-Bundesliga ein Zuschauermagnet

Hauptstadtbeschluss: 20 Jahre Pro-Berlin

Lehrbücher und Aufsätze zu den Fachgebieten der Anthropogeographie

Wissenschaftliche Veröffentlichungen

Weitere Entspannung auf dem Lehrstellenmarkt

Fünf Gründe, warum Westdeutschland auch 25 Jahre nach der Wiedervereinigung besser da steht als der Osten

Privatinitiative verändert die Hochschullandschaft

Neuer Mietpreisindex für Studenten

Wohnungsmarktstudie: Süddeutsche Oberzentren locken mit attraktiven Risiko-Rendite-Konditionen

Jiürgen Ludwig Klaus Mandel Christopher Schwieger Georgios Terizakis [Hrsg.] Metropolreglonen in. n Beispiele für Regional Governance. 2.

1. Berlin mit knapp 3,5 Mio. Einwohnern 2. Hamburg mit rund 1,75 Mio. 3. München mit etwa 1,3 Mio. 4. Köln hat fast eine Mio. 5. Frankfurt gut

Spargelanbau in Deutschland

ICH WAR NOCH NIEMALS IN

HERBERT GRÖNEMEYER TOUR 2007

Herausforderungen 4.0

Schulabgänger ohne Abschluss deutliche regionale Unterschiede

Handbuch Wahlforschung

Deutsche Biographie Onlinefassung

Deutsche Hochschullandschaft und Universitätsstädte

Vorwort Themen und Aufgaben Rezeptionsgeschichte Materialien Literatur

Reisen Metzger Reisen GmbH ' Postfoch

HERBERT GRÖNEMEYER TOUR 2007

Treibhausgas-Emissionen aus Dienstreisen der ETH Zürich Zusammenfassung 2016

Atemberaubende. Erleben Sie die schönsten Musicals der Welt in Hamburg, Berlin, Stuttgart oder Oberhausen!

Max Webers Konzepte von Macht und Herrschaft im Spiegel kontroverser Ansichten Hannah Arendts

STIFTUNGSPROFESSUREN IN DEUTSCHLAND

Absolventenbefragung 12/2005

Geschäftsklima sinkt erneut, noch keine Erholung in Aussicht

VOLOTEA verbindet Wien und München mit sechs Zielen in vier europäischen Ländern. VOLOTEA strebt ein starkes Wachstum im deutschsprachigen Raum an.

Die Bedeutung des Anderen - Identitätskonstruktion zur Zeit des Kolonialismus und im Zeitalter der Globalisierung im Vergleich

Probenbeginn der Artisten beim CIRQUE DU SOLEIL Musical

Raum im Raum? Geographische Bildung in Lernwerkstätten

Als Kern der europäischen METROPOL-REGION Halle-Leipzig die Entwicklungschance nutzen 1

Henning Rischbieter Durch den Eisernen Vorhang Theater im geteilten Deutschland.

Kleinstädte im Wandel

SchuldnerAtlas Deutschland 2016

Raumwirtschaftliche Voraussetzungen für die Entwicklung des Ostsee-Adria Entwicklungskorridors

Deutsche Fahrradproduktion

Selbstgefälligkeit wird zum Risiko für Deutschland Von Tobias Kaiser Stand: 09:56 Uhr

Die deutsche Opernlandschaft

VERANSTALTUNGSPLANER.DE

Neuer Mietpreisindex für Studenten

Es ist für mich schon ein Erlebnis der Superlative, hier auf Deutschlands ältester Naturbühne. vor der Felsenkulisse des größten Felsenlabyrinths

Arbeitsblatt Bundesrepublik Deutschland Lösungsvorschläge. Fülle die Lücken des Textes mit den unten stehenden Begriffen aus!

Stadtregionen im Standortwettbewerb. Prof. Dr. Heinrich Mäding, Berlin Vortrag, Wien,

Förderung benachteiligter Stadtquartiere in Deutschland

STAGE ENTERTAINMENT IN ZUSAMMENARBEIT MIT DEM ST. PAULI THEATER PRÄSENTIERT NUR BIS SOMMER 17. Stage Operettenhaus Hamburg

Metropolregionen in der EU

Raummuster von Angebot und Nachfrage an Betreuungsplätzen Karte 2 Grafik 2 Karte 2 Regionale Unterschiede in der Ganztagesbetreuung Karte 3

Forschungspolitik im Föderalismus: Anachronismus oder Zukunftsmodell?

ANERKENNUNG DER GOETHE-ZERTIFIKATE ZUM STUDIUM IM DEUTSCHSPRACHIGEN RAUM

Top. Karte 1:50000 Bayern, Maßstab 1:16303 Landesamt für Vermessung und Geoinformation Bayern, Bundesamt für Kartographie und Geodäsie 2006 Seite 1

Das Steinau Team. Unsere Stärke sind unsere Mitarbeiter.

Essener Filmkunsttheater

Moers - Aktives Reiseziel zwischen Niederrhein und Ruhrgebiet

gelang auch Dominiques Vater die Flucht aus Kongo- Brazzaville zu Frau und Tochter nach Duisburg. Dort schloss Dominique ihr Abitur ab.

1 Die Erfindung des Mountainbikes. Quelle: Spiegel Online Fotoserie, 2009

Kurzreisen im Trend. Peter Zellmann / Beatrix Haslinger. Kurzreisen im Trend Wien ist die Lieblingsstadt der Deutschen

Transkript:

Kommerzielle Musical-Theater in Deutschland Während sich am New Yorker Broadway und im Londoner West End das moderne Musical bereits Mitte des 20. Jahrhunderts etablierte, wurden in Deutschland erst Ende der 1980er-Jahre die ersten reinen Musical-Theater errichtet. Nach dem Musical- Boom der 1990er-Jahre ist inzwischen eine Marktsättigung eingetreten. Die aktuelle Deutschlandkarte verdeutlicht diese Entwicklung und zeigt die gegenwärtigen Spielstätten mit Ensuite-Produktionen sowie die Musical- und Show-Theater. Von Simon Eckstein Nach dem Ende des Musical Booms in den 1990er Jahren gab es längere Zeit kaum Veränderungen auf dem deutschen Musical Markt. Allerdings haben sich unterschiedliche Ansätze entwickelt, kommerziell Musicals auf die Bühne zu bringen. So sind seit November 2014 in Hamburg noch einmal zwei Bühnen eröffnet worden: Ein klassisches Musical Theater, das Stage Theater an der Elbe, und die Multifunktionsspielstätte Mehr! Theater am Großmarkt. Hamburg hat damit seinen imageträchtigen Platz als Musical Hauptstadt in Deutschland gefestigt (Karte). Musical-Boom und Sättigung In Hamburg begann auch die Geschichte der festen Musical Spielstätten in Deutschland, 1986 mit Cats. Zwei Jahre später folgte in Bochum Starlight Express, das noch heute zu sehen ist. Neben Hamburg und dem Ruhrgebiet entwickelte sich ab 1994 noch Stuttgart zum Musical Standort. Nach dem Erfolg der ersten Produktionen folgten zahlreiche weitere Standorte. Die Versuche, dort Musicals zu etablieren, waren allerdings meist nur kurzzeitig erfolgreich (Grafik). Eine Marktsättigung war eingetreten, ein Umstand, der sich in den zahlreichen ehemaligen Spielstätten niederschlägt (Karte). Eng verbunden mit der Geschichte des Musicals in Deutschland ist die Stella AG, die den Markt in den ersten Jahren dominierte. Als Mitte der 1990er Jahre auch unabhängige Anbieter Spielstätten eröffneten, wurde der Wettbewerb allerdings härter und das Unternehmen, das mit Cats einst als Innovator aufgetreten war, musste 1999 Konkurs anmelden. Von einer allgemeinen Musical Krise war die Rede. Nach der Konsolidierung des Marktes dominiert heute das Unternehmen Stage Entertainment das Musical Geschäft in Deutschland. Aktuelle Standortstruktur Am Ende des Musical Booms schätzte man, dass langfristig etwa zehn sogenannte Ensuite Produktionen (Glossar), die als aufwendige und meist längerfristige Produktionen ausschließlich in reinen Musical Theatern aufgeführt werden, in Deutschland eine Chance haben würden (JUCHELKA 2000, S. 40). Diese Prognose hat sich als tragfähig herausgestellt. Heute sind elf Ensuite Spielstätten mit rund 18.000 Sitzplätzen am Markt. Abgesehen vom Starlight Express Theater in Bochum gehören diese Spielstätten alle zu Stage Entertainment. Eine starke Tendenz zur räumlichen Konzentration ist unübersehbar in Deutschland jedoch schwächer ausgeprägt als beispielweise in Großbritannien mit dem einzigen Musical Standort London. Hierzulande haben sich die Standorte in den Metropolen bzw. Metropolregionen Hamburg, dem Ruhrgebiet und Stuttgart durchgesetzt, wo schon früh Musicals erfolgreich waren. Nur in Berlin, mit seiner besonderen Anziehungskraft als Hauptstadt und Tourismusmagnet, haben sich noch nach 1999 reine Musical Theater mit Ensuite Produktionen langfristig etabliert.

Hinzu kommt die neuere Entwicklung des Musical und Show Theaters (Glossar), die vom Unternehmen Mehr! Entertainment vorangetrieben wird. Zu diesem Unternehmen gehören alle sechs privaten Musical und Show Theater, in denen regelmäßig Musicals laufen. Sie haben zusammen rund 9.500 Sitzplätze. Meist handelt es sich um ehemalige Standorte von Ensuite Produktionen. Diese Multifunktionsspielstätten werden meist nur für eine kurze oder zumindest begrenzte Zeit an externe Produktionsfirmen vermietet. Neben Musicals können auch verschiedenste Shows, Comedy Abende oder klassisches Konzertprogramm und beliebige andere Veranstaltungen angeboten werden. Dies ermöglicht den Betreibern, flexibler auf eine veränderte Nachfrage nach Unterhaltungsangeboten reagieren zu können und das finanzielle Risiko einer eigenen großen Musicalproduktion zu vermeiden. Die Karte enthält auch zwei öffentliche Theater: Das Deutsche Theater in München und den Friedrichstadtpalast in Berlin. Diese sind zwar öffentlich getragen, der Charakter des Angebots entspricht aber eher dem der kommerziellen Häuser. So werden am Deutschen Theater in München dieselben Stücke aufgeführt wie an den kommerziellen Musical und Show Theatern (teilweise auch, nachdem sie an einer Ensuite Spielstätte abgesetzt worden sind). Der einzige Unterschied besteht in tendenziell etwas kürzeren Laufzeiten. Über das kommerzielle Angebot hinaus hat sich in Deutschland auch jenseits der Metropolen eine große Vielfalt an kleineren Musicalaufführungen entwickelt, die hier nicht gezeigt werden kann. Dieses Thema wird in einem späteren Beitrag aufgegriffen. Ökonomische Bedeutung und Ausblick Die ökonomische Bedeutung kommerzieller Musicals beruht einerseits auf dem direkten ökonomischen Effekt der Theater selbst. Andererseits sind Musical Spielstätten wichtige Anziehungspunkte für den Städtetourismus und beispielsweise in Hamburg ein wichtiger Teil der touristischen Vermarktungsstrategie. Dies scheint jedoch nur in größeren Städten langfristig erfolgreich zu sein. Die Versuche, Musicals als Tourismusmagneten an eher peripher gelegenen Standorten zu etablieren, waren langfristig nicht erfolgreich. Dies zeigen die beiden aufgegebenen Standorte in Südbayern (Karte). Die Standortstruktur kommerzieller Musicals scheint so gefestigt zu sein, dass in Zukunft nicht von großen Veränderungen auszugehen ist. Die starke Konzentration der Spielstätten auf die Stadt Hamburg wird sich sogar noch verstärken, da dort bereits Planungen für ein fünftes reines Musical Theater begonnen haben. Fraglich ist allerdings, wie sich der Wettstreit zwischen den unterschiedlichen Strategien, Ensuite Produktionen einerseits und Mehrzweckspielstätten andererseits, weiter entwickeln wird. Dies wird auch davon abhängen, wie sich die Nachfrage nach klassischen Musicals im Verhältnis zu anderen Unterhaltungsangeboten weiter verändern wird.

Glossar Ensuite-Produktion Diese Form der Produktion (auch sit down, longrun oder open end Produktion) zeichnet sich durch einen festen Standort und eine auf ein bestimmtes Theater (welches ebenfalls angepasst werden kann) zugeschnittene Inszenierung aus, die mit offenem Ende gezeigt wird. Sie können sehr lange Laufzeiten erreichen und dadurch ökonomisch attraktiv sein (z. B. Starlight Express in Bochum, seit 1988). Sie sind jedoch auch mit einem hohen ökonomischen Risiko verbunden, da etwa jede fünfte Inszenierung schon nach kurzer Zeit wegen mangelnder Nachfrage wieder abgesetzt werden muss. Musical- und Show-Theater Diese Kategorie umfasst Spielstätten, die zu einem großen Teil Musical Gastspiele kommerzieller Produktionsfirmen zeigen, jedoch auch noch andere Unterhaltungsformate im Programm haben. In der Karte werden nur die Spielstätten berücksichtigt, in denen Musicals einen wichtigen Teil des jeweils gezeigten Angebots ausmachen und über Einzeltermine hinaus (eher über mehrere Wochen) an einem Standort gezeigt werden. Tourneetheater In Deutschland gibt es neben den festen Spielstätten immer mehr Produktionen, die auf Tournee unterwegs sind. Diese werden im vorliegenden Beitrag nur erfasst, wenn sie auch in Musical und Show Theatern gastieren. Nicht berücksichtigt sind Gastspiele zu einzelnen Terminen, beispielsweise in Stadthallen oder an anderen Veranstaltungsorten, die nur zu einem kleinem Teil Musical zeigen.

Karte 1

Grafik 1

Quellen BRITTNER, Anja (2000): Musikfestspiele und Musicals. In: Leibniz Institut für Länderkunde (Hrsg.): Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland, Bd. 10: Freizeit und Tourismus. Heidelberg, Berlin, S. 56 59. GASSDORF, Ulrich u. Daniela STÜRMLINGER (2015): Stage will fünftes Theater eröffnen. In: Hamburger Abendblatt (18./19.04.2015), S. 12. GRABBE, Hannah (2015): Herr Klokow lässt es krachen. In: DIE ZEIT Nr. 12 (19.03.2015), Regionalbeilage Hamburg, S. H10. JUCHELKA, Rudolf (2000): Der Musical Markt in Deutschland: Standortkonzepte und Entwicklungsperspektiven. In: Geographische Rundschau 52(2), S. 34 40. musicals Das Musicalmagazin (1990 2014). München. SCHMUDE, Jürgen (2007): Der Musicalmarkt in Deutschland. In: Günther, Armin u. Werner Bätzing (Hrsg.): Tourismusforschung in Bayern: aktuelle sozialwissenschaftliche Beiträge. München, Wien, S. 120 125. Zitierweise Eckstein, Simon (2015): Kommerzielle Musical Theater in Deutschland. In: Nationalatlas aktuell 9 (09.2015) 9 [22.09.2015]. Leipzig: Leibniz Institut für Länderkunde (IfL). URL: http://aktuell.nationalatlas.de/musicals.9_09 2015.0.html

Autor Simon Eckstein, M. A. Wissenschaftlicher Assistent Eberhard Karls Universität Tübingen Forschungsbereich Geographie Lehrstuhl für Wirtschaftsgeographie Rümelinstraße 19-23 72070 Tübingen Tel.:(07071) 29-74897 E-Mail: simon.eckstein@uni-tuebingen.de