GZ. BMVIT-85.080/0001-II/BAV/UUB/LF/2006 Vereinfachter Untersuchungsbericht Flugunfall mit dem Motorflugzeug,Type CASA 131 E Serie 2000 (Bücker Jungmann), am 19. Juni 2004 um ca. 11:10 Uhr UTC am Flugplatz Schärding/Suben, OÖ. Die Untersuchung erfolgte in Übereinstimmung mit dem Flugunfall-Untersuchungs-Gesetz-FlUG, BGBI.Nr. 105/1999 in der geltenden Fassung. Zweck der Untersuchung ist ausschließlich die Feststellung der Ursachen des Unfalles oder der schweren Störung zur Verhütung künftiger Unfälle oder schwerer Störungen. Die Untersuchung dient nicht der Feststellung des Verschuldens oder der Haftung. Unfalluntersuchungsstelle des Bundes, Fachbereich Luftfahrt, Lohnergasse 9, A-1210 Wien, Tel.: +43(0)1-27760 DW 9200 9208, Fax: +43(0)1-27760 DW 9299, email: fus@bmvit.gv.at
Flugunfall vom 19. Juni 2004 Seite 2 von 5 Einleitung Luftfahrzeug Luftfahrzeugart: Motorflugzeug Flugzeughersteller: C.A.S.A (Construcciones Aeronautics Anonima, Spanien) Musterbezeichnung: CASA 1.131 E Serie 2000 Staatszugehörigkeit: Bundesrepublik Deutschland Luftfahrzeughalter: Verein Pilot: Art des Zivilluftfahrerscheines: Privatpilotenschein Flugerfahrung gesamt: 602:56 Std. davon in den letzten 90 Tagen: 8:00 Std. Auf dem Unfallmuster: 47:16 Std. (lt. Flugbuch Nr. 2) davon in den letzten 90 Tagen: 3:20 Std. Datum und Zeitpunkt: 19. Juni 2004, ca.11:10 Uhr UTC Unfallort: Flugplatz Schärding/Suben Koordinaten (WGS 84): 48 24,2 N, 013 26,9 O Höhe über Meer (MSL): 326 m Betriebsart: Allgemeine Luftfahrt Flugphase: Landung Unfallart: Abkommen von der Piste Personenschäden: Verletzungen Besatzung Passagiere Andere Tödliche 1 Schwere Leichte / Keine 1 Sachschäden: Luftfahrzeug: Das Luftfahrzeug wurde erheblich beschädigt Drittschaden: Fahrrad Wetter: Aktuelles Wetter: LOWL 1050 VRB02KT 9999 FEW030 BKN070 BKN120 19/15 Q1005 NOSIG= Lichtverhältnisse: Tageslicht
Flugunfall vom 19. Juni 2004 Seite 3 von 5 Flugverlauf Der Flugverlauf einschließlich des Unfallherganges wurde aufgrund der Aussagen mehrerer Zeugen und des Piloten sowie den Erhebungen der Beamten des Gendarmeriepostenkommandos in Verbindung mit den Untersuchungen der Mitarbeiter der Flugunfalluntersuchungsstelle wie folgt rekonstruiert: Der Pilot startete am 19. Juni 2004 um ca. 10:47 Uhr UTC mit dem Motorflugzeug Type CASA 131 vom Flugplatz Schärding-Suben (LOLS) auf Piste 14 zu einem Lokalflug. Er war allein an Bord des zweisitzigen Flugzeuges und steuerte es vom hinteren Sitz aus. Nach ca. 20 Minuten meldete sich das Motorflugzeug wieder im Endanflug und fragte nach dem aktuellen Wind. Die Information wurde vom Betriebsleiter, der in dem als Turm ausgebauten Büro saß, nach dem Ablesen der Werte übermittelt. Um ca. 11:10 Uhr UTC landete der Pilot wieder auf der Piste 14. Konstruktionsbedingt hat der Pilot während des Landeanfluges vom hinteren Sitz eingeschränkte Sichtverhältnisse und während des Rollvorganges ist ihm die Sicht auf die vorrausliegende Piste genommen. Etwa zur Zeit des Anfluges fuhr ein Vereinsmitglied mit einem Fahrrad im südseitigen Sicherheitsstreifen in die Gegenrichtung des landenden Luftfahrzeuges zu der im Nordwesten der Piste abgestellten Schleppwinde. Der Flugplatzbetriebsleiter hatte den Fahrradfahrer erst bei der Ü- bermittlung der Windwerte an das anfliegende Luftfahrzeug wahrgenommen. Während das Aufsetzen des Motorflugzeuges noch normal erfolgte, begann es unmittelbar danach auszubrechen und kam von der Piste in südliche Richtung in den Sicherheitsstreifen ab. Dabei kam es zur Kollision mit dem Radfahrer, der tödliche Verletzungen erlitt. Das Luftfahrzeug kam schwer beschädigt in Richtung 300 außerhalb des Sicherheitsstreifens zum Stillstand. Der Pilot, der eine Kollision anfänglich nicht wahrgenommen hatte, blieb unverletzt. Untersuchung des Luftfahrzeuges Das Luftfahrzeug wurde auf vorbestandene technische Mängel untersucht, die ursächlich für das Abkommen von der Piste gewesen hätten sein können. Es wurde dabei eine einwandfreie Funktion der Radbremsen festgestellt. Die Arretierung des Spornrades wurde im aufgebockten Zustand überprüft und ergab ebenfalls einwandfreie Funktion. Lagerung, Steuerseile und Anlenkung der Seitensteuerung wurden auf Funktionstüchtigkeit ü- berprüft; es konnten keine vorbestandenen Schäden festgestellt werden. Die linke, am Seitenruderbeschlag angeschweißte Seilführung für die Spornradsteuerung war an der ca. 1,5 cm langen Schweißung gerissen.
Flugunfall vom 19. Juni 2004 Seite 4 von 5 Weiterführende Untersuchungen Die Bruchstelle der Seilführung wurde sorgfältig aus dem Seitenruderbeschlag herausgeschnitten und durch ein Institut für Raster-Elektronenmikroskopie in München auf die Art des Bruches hin untersucht und ergab als Bruchursache einen schlagartigen, zähen Schubgewaltbruch. Beurteilung Für das Luftfahrzeug war ein gültiges Lufttüchtigkeitszeugnis ausgestellt. Abflugmasse und Schwerpunkt lagen zum Unfallzeitpunkt im zulässigen Bereich. Der Pilot war im Besitz der zur Durchführung des Fluges erforderlichen Berechtigung. Diese war am Unfalltag gültig. Die Flugerfahrung des Piloten war für das Flugvorhaben ausreichend. Die im Flughandbuch angegebene höchstzulässige Seitenwindkomponente bei der Landung beträgt 5 kt; zum Unfallzeitpunkt herrschte schwacher bis mäßiger Wind mit 4 bis 10 kt, wobei hinsichtlich der Richtung uneinheitliche Angaben vorliegen; sie reichen von Nordwest bis Süd. In der für den Unfallzeitpunkt gültigen Wettervorhersage war in niedrigen Höhen Wind aus südlicher Richtung und bei Annäherung der Kaltfront eine Drehung auf West zu erwarten. Die technische Untersuchung ergab ein einwandfreies Funktionieren der Bremsanlage am Luftfahrzeug. Das Bild der Bremsspur auf der Piste lässt den Schluss zu, dass das linke Hauptfahrwerksrad während der gesamten Rollphase stark gebremst wurde. Im Zuge des Aufsetzens und Rollens kam es aber zu einem Versagen der linken Ansteuerung des Spornrades durch einen zähen Schubgewaltbruch der linken Seilführung. Die Steuerung des Luftfahrzeuges wurde dadurch erschwert, wodurch das Abkommen von der Piste erklärt werden kann. Die Ursache für das Versagen konnte nicht bestimmt werden. Es ist aber davon auszugehen, dass die Bruchkräfte beim Aufsetzen und Rollen während der ersten Meter aufgebracht wurden. Die Krafteinleitung beim Zusammenstoß mit dem Radfahrer wäre zwar möglich, würde aber das Abkommen von der Piste nicht erklären. Jede Landepiste einschließlich der allenfalls vorhandenen Stoppflächen muss gemäß 22 Zivilflugplatz-Verordnung (ZFV) i.d.g.f. von einem Sicherheitsstreifen umschlossen sein. Dieser ist eine zur Verringerung von Gefahren für von der Piste abkommende Luftfahrzeuge auf der Erdoberfläche festgelegte Fläche, welche die für den Start und die Landung bestimmte Bewegungsfläche allseitig umschließt (vgl. 1 ZFV). Bei einer Pistenlänge von 800 m hat er, von der Pistenmittellinie nach beiden Seiten gemessen, mind. je 40 m breit zu sein (vgl. 24 ZFV). Jeder Zivilflugplatzhalter hat dafür zu sorgen, dass die Sicherheitsvorschriften gemäß 1 Zivilflugplatz-Betriebsordnung (ZFBO) i.d.g.f. eingehalten werden, und hat gemäß 2 ZFBO i.d.g.f. vor Aufnahme des Flugplatzbetriebes eine verlässliche und fachlich geeignete Person zu bestellen, die für die reibungslose Abwicklung des Flugplatzbetriebes sowie für die Einhaltung der
Flugunfall vom 19. Juni 2004 Seite 5 von 5 diesbezüglichen Rechtsvorschriften zu sorgen hat (Flugplatzbetriebsleiter und allfällige Stellvertreter). Hinsichtlich des Verhaltens auf Zivilflugplätzen wäre 23 Abs. 1 ZFBO heranzuziehen: Auf einem Zivilflugplatz ist jedes Verhalten verboten, das geeignet ist, den Flugplatzbetrieb, den Flugbetrieb oder den Flugsicherungsbetrieb zu stören oder zu gefährden. Es muss ungeklärt bleiben, weshalb sich der Verunfallte, der mit den Abläufen am Flugplatz vertraut war, im Sicherheitsstreifen aufgehalten und nicht auf das Luftfahrzeug reagiert hat. Ursachen Abkommen von der Piste nach einem unvorhersehbaren Gewaltbruch an einer Steuerungskomponente des Luftfahrzeuges im Landevorgang Benützung des Sicherheitsstreifens durch einen Radfahrer, der sich dem anfliegenden Luftfahrzeug entgegen bewegte und der vom Flugplatzbetriebsleiter zu spät wahrgenommen wurde, um die Gefahr abwenden zu können, Sicherheitsempfehlungen Im Zuge der regelmäßigen Schulungen der Flugplatzbetriebsleiter sollte noch stärker auf die Notwendigkeit der Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen der ZFBO hingewiesen werden. Wien, am 16. Mai 2006 Der Untersuchungsleiter: Günther Raicher