1 Grußwort von Kulturstaatssekretär André Schmitz zum Festakt 100 Jahre Liebermann-Villa am Wannsee 25. Juli 2010, 11:00 Uhr - es gilt das gesprochene Wort! - Sehr geehrter Herr Professor Budde, Lieber Professor Schuster, Verehrte Frau Cornelsen Sehr geehrter Herr Reemtsma, Sehr geehrte Frau Pahl, Sehr geehrter Herr Immenhausen Liebe Freunde und Verehrer Max Liebermanns Morgen vor einhundert Jahren bezog die Familie Liebermann zum ersten Mal ihr Sommerhaus am Wannsee. Kurz darauf schrieb Max Liebermann an seinen Freund Alfred Lichtwark, den Direktor der Hamburger Kunsthalle, der an der Anlage des Gartens beteiligt war: Seit 5 Tagen leben wir nun hier und ich empfinde zum ersten Mal in meinem Leben das Gefühl, auf der eigenen Scholle zu sitzen Hier kann ich meine Ellenbogen wenigstens nach beiden Seiten ausstrecken, ohne anzustoßen. Auch habe ich bis jetzt nichts bemerkt, was ich hätte anders machen sollen Mit seinem Haus hatte sich Max Liebermann seinen langgehegten Traum von der eigenen Scholle erfüllt. Es wurde für ihn zu einem bescheidenen, wohlgestalteten Rückzugsort und sein Malergarten. Hier kann er dem Großstadtlärm entfliehen, hier kann er die Farbklänge für seine Gartenbilder planen, hier kann er seine Idee vom harmonischen Zusammenleben in und mit der Natur umsetzen. 1
2 Sehen Sie sich mein Schloss am See an, schreibt er einige Jahre später an den Kunstschriftsteller Fritz Stahl, übermütig sieht`s nicht aus, aber ich glaube, es sieht nach mir aus! Aus diesem Zitat spricht zum einen der Stolz über das gelungene Anwesen, aber auch die tiefe Verehrung für Goethe. Denn seine Bemerkung ist nichts anderes als die Paraphrase eines Gedichtes von Goethe, das dieser auf sein Gartenhaus in Weimar dichtete. Darin heißt es: Übermütig siehts nicht aus Spitzes Dach und niedres Haus: Allen die darin verkehrt Ward ein guter Mut beschert. Schlanke Bäume grüner Flor, Selbstgepflanztes wuchs empor Geistig ging zugleich alldort Schaffen, Hegen, Wachsen fort. ) Im Gedankengut der deutschen Klassik verwurzelt, im Geiste der klassizistischen Baukunst um 1900 errichtet, stellen die Liebermann-Villa und ihr Garten ein kulturhistorisches Ensemble ersten Ranges dar. Sie sind das Werk eines der herausragenden Berliner Maler, der mit seiner Persönlichkeit, seiner Malerei und seinem preußischen Bürgersinn das Berlin der Jahre 1900 bis 1930 geprägt hat. Und er hätte Berlin sicherlich auch in den Jahren danach geprägt, wäre Deutschland nicht durch die Nationalsozialisten in den Strudel von Unrecht, Verbrechen und Krieg gerissen worden. 1933 musste der 85jährige Liebermann noch die Machtergreifung der Nationalsozialisten miterleben, die Entrechtung der 2
3 deutschen Staatsbürger mosaischen Glaubens und ihre Entfernung aus dem Kunst- und Kulturbetrieb. Sein Ausspruch beim Anblick des braunen Fackelzuges durchs Brandenburger, dass er gar nicht so viel essen könne, wie er kotzen möchte ( Ick kann jarnich so ville essen wie ick kotzen möchte ) verrät, dass Liebermann nicht nur ahnte, sondern wusste, welcher Ungeist da an die Macht gewählt wurde. Er sollte leider Recht behalten. Liebermann geriet in Vergessenheit, ebenso seine Villa am Wannsee, die nach dem Zwangsverkauf als Schulungslager für Reichspostangestellte genutzt wurde. Die Reichspost zerstörte im Zuge der Übernahme des Hauses den Liebermann-Garten, sodass für lange Zeit nur seine Gemälde und Pastelle an das Paradies am Wannsee erinnerten. Nach der Reichspost kamen das Krankenhaus Wannsee und dann die Taucher. Kaum einer dachte noch an Liebermann. Fast hätten die Berliner ihren Liebermann und sein Haus am See vergessen, bis im Jahr 1995 eine kleine Gruppe von Liebermann-Freunden darauf aufmerksam wurde und die Max-Liebermann-Gesellschaft Berlin gründeten. Zu diesen Frauen und Männern der ersten Stunde gehörten Herr Budde, Herr Immenhause und Frau Pahl, die heute hier unter uns sind. Sie und der sich unter Ihrem Vorsitz kräftig entwickelnde Verein haben uns damals die Liebermann-Villa in Erinnerung gebracht. Sie haben uns die Augen dafür geöffnet, welchen Kulturschatz Berlin hier draußen am Wannsee hat, und an die besondere Verantwortung Berlins für seinen großen Künstler erinnert. Heute muss Ihnen ganz Berlin dankbar sein, dass Sie nicht eher geruht haben bis das Haus restauriert, rekonstruiert und wieder zu einer Stätte der Kunst und Kultur wurde. 3
4 Ich bin froh, in meiner Funktion als Staatssekretär für Kultur und Mitglied der Max-Liebermann-Gesellschaft an der Rettung der Liebermann-Villa beteiligt gewesen zu sein. Und auf meine Birke bin ich ein wenig stolz. Mehr noch aber erstaunt und begeistert mich immer wieder, was hier geleistet wurde. Hier hat private Initiative nicht auf das Geld des Staates und der Stadt gewartet, sondern von vornherein zu verstehen gegeben: überlasst uns das Haus, wir sorgen dafür, dass aus dem Haus ein Museum, einen Gedenkort für Liebermann wird. Und die Gesellschaft hat Wort gehalten: sie hat 3 Mio. Euro von Stiftungen und privaten Spendern gesammelt und mit viel ehrenamtlicher Arbeit 2006 die Eröffnung des rekonstruierten Gartens und der renovierten Liebermann-Hauses möglich gemacht. Heute, 100 Jahre nach seiner Fertigstellung durch Max Liebermann, kann man dieses Gesamtkunstwerk am Wannsee wieder erleben, Liebermanns Staudengarten, sein Birkenweg, seine Blumenterrasse und die Heckengärten. Und das alles in unmittelbare Nähe zu seinen Gartenbildern, die in der Ausstellungsetage zu sehen sind. Durch diese einmalige Kombination aus Malerei, Gartenkunst und Architektur ist die Liebermann-Villa schon vier Jahre nach ihrer Eröffnung als Museum ein fester Bestandteil der Berliner Museumslandschaft geworden. 2008 erhielt die Max-Liebermann-Gesellschaft für ihre Leistung sogar einen Europäischen Denkmalschutzpreis, der die europäische Dimension dieses Hauses veranschaulicht. Ganz fertig ist der Liebermann-Garten jedoch immer noch nicht. Sein eigentliches Herzstück, die Heckengärten, bleibt unvollendet. Hier fehlt ein 4,5 Meter breiter Streifen, der immer noch durch einen Sportclub genutzt wird. Und es bleibt der Wunsch, irgendwann auch diesen Schlussstein setzten zu können. 4
5 Dieser kleine Wehrmutstropfen soll uns heute aber nicht die Freude und Ihnen allen, die Sie sich seit Jahren um dieses historische Kleinod bemüht haben, nicht den Stolz auf das Erreichte nehmen. Liebermann selbst würde es an dieser Stelle vielleicht mit dem von ihm verehren Altmeister Gothe halten, der einst sagte: Unsere Wünsche sind die Vorboten der Fähigkeiten, die in uns liegen. In diesem Sinne wünsche ich uns allen, dass dieses Haus mit seinem Garten auch in den kommenden einhundert Jahren ein würdiger und lebendiger Ort der Erinnerung an Max Liebermann bleiben möge. Dank Ihrer Hilfe und der hoffentlich vielen neuen Freunde und Verehrer, den dieser Ort finden möge. Danke! 5