NUMMER 50 Frühling 2013 WWW.HANDICAP-INTERNATIONAL.CH DISASTER RISK MANAGEMENT. Dossier. Haiti



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Transkript:

AUFRECHT LEBEN NUMMER 50 Frühling 2013 WWW.HANDICAP-INTERNATIONAL.CH DISASTER RISK MANAGEMENT Dossier Tropensturm Sandy Haiti

IHRE UNTERSTUETZUNG Syrien Ihre Spende kommt an Seit Ausbruch des Konflikts in Syrien vor rund zwei Jahren, dauern die Kämpfe bis heute weiter an und zwingen Hunderttausende von Menschen zur Flucht. Laut dem UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge sind mehr als eine halbe Million Syrierinnen und Syrier in den Nachbarstaaten als Flüchtlinge registriert. Allein in Libanon und Jordanien wird die Zahl auf über 400 000 geschätzt. Handicap International ist in beiden Ländern seit Mai 2012 vor Ort präsent, um die besonders Schutzbedürftigen zu unterstützen. Seit Anfang 2013 führt die Organisation nun auch Projekte in Syrien selbst durch. Dank Ihrer Unterstützung kann die Organisation folgende Aktionen durchführen: Zugang zu Hilfeleistungen Mehrere mobile Teams sind unterwegs, um die Bedürfnisse der besonders schutzbedürftigen Personen zu identifizieren und ihnen Zugang zu den benötigten Hilfeleistungen zu ermöglichen: Verteilung von Mobilitätshilfen und Gütern (Rollstühle, Krücken, Hygienekits, Matratzen) Bereitstellung von Prothesen und Orthesen, die von lokalen Partnern produziert und angepasst werden Rehabilitations-Sitzungen mit unseren Physiotherapeuten Psychosoziale Aktivitäten, für die Verarbeitung traumatischer Erfahrungen Unterstützung medizinischer Strukturen Handicap International unterstützt Spitäler und Kliniken, die verwundete Flüchtlinge behandeln, mit Rehabilitationsmaterialien und der Organisation von Physiotherapiesitzungen. Wintervorbereitung Um die Flüchtlinge auf den teilweise sehr harten Winter in der Region vorzubereiten, verteilte Handicap International Isolations- Kits. Risikoreduzierungs-Aktivitäten Im und um das Flüchtlingslager Zaatari informieren Mitarbeiter von Handicap International die Flüchtlinge über die Gefahren und das richtige Verhalten beim Fund von nicht-explodierten Kriegsresten. So viele Menschen konnte Handicap International im Libanon und in Jordanien bisher bereits unterstützen: Begünstigte von Handicap International Einsatz in Syrien bis Dezember 2012 Direkt Begünstigte in Jordanien 2500 % der verwundeten Personen 50% unter den Begünstigten Direkt Begünstigte in Libanon 2700 % der verwundeten Personen 20% unter den Begünstigten Um die Aktivitäten von Handicap International weiter zu unterstützen, machen Sie eine Spende auf PC 12-484 - 4 oder unter www.handicap-international.ch. INHALT 4/5 DOSSIER DISASTER RISK MANAGEMENT 6 Bericht aus Haiti Tropensturm Sandy 7 UNSERE EINSÄTZE IN DER WELT IMPRESSUM FOTO TITELSEITE Herausgeber Handicap International Av. de la Paix 11 1202 Genf Tel. 022 788 70 33 Fax 022 788 70 35 www.handicap-international.ch Verantwortlich für die Publikation Petra Schroeter Redaktion und Verlagskoordination Regula Zellweger Grafik Parenti Design - Genf Druck Jost Druck AG - Hünibach/Thun SCER-SU-70.2 klimaneutral gedruckt. Der Rohstoff des hier verwendeten Papiers wurde aus kontrollierter Waldbewirtschaftung hergestellt und unterliegt der FSC-Zertifizierung. Auflage: 18 500 Exemplare COPYRIGHTS PHOTOS Titelseite: Brice Blondel / H. International Seite 2: Brice Blondel / H. International Seite 3: Corentin Fohlen / H. International Seiten 4-5: Brice Blondel / H. International Seite 6: Corentin Fohlen / H. International Seite 7: Samuel Trümpy Handicap International Audrey Lecomte / H. International OCHA Seite 8: Brice Blondel / H. International www.facebook.com/ handicapinternationalschweiz Sohag von Young Power in Social Actions informiert die Bewohner eines kambodschanischen Fischerdorfes mit Hilfe einer Lernkarte über Naturgefahren, welche das Dorf bedrohen. 2

EDITORIAL RAPPORT FINANCIER 2007 B Liebe Freunde, Petra Schroeter Geschäftsführerin A m 12. Januar 2013 hat sich das Erdbeben von Haiti zum dritten Mal gejährt. Die Folgen dieser Naturkatastrophe, welche den grössten Nothilfeeinsatz in der Geschichte von Handicap International mit sich brachten, sind noch heute im ganzen Land zu spüren. Und in der Zwischenzeit sind die Bewohner der Insel immer wieder heftigen Naturgewalten ausgesetzt gewesen. Alleine in der zweiten Hälfte des letzten Jahres wurde Haiti von zwei Tropenstürmen heimgesucht, Isaac und Sandy, welche beide grosse Spuren der Zerstörung hinterliessen. Viele Menschen verloren ihr Leben, Häuser wurden zerstört und ganze Regionen durch unpassierbare Strassen von der Umwelt abgeschnitten. Auch viele weitere Länder, in denen Handicap International präsent ist, werden regelmässig von Naturkatastrophen heimgesucht. So etwa die Philippinen, welche Anfang Dezember 2012 vom Taifun Boopha stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Um die Menschen in den betroffenen Regionen auf solche Naturereignisse besser vorzubereiten, führt die Organisation in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden sogenannte Disaster Risk Management Projekte durch. Mehr dazu erfahren Sie in unserem Dossier. Handicap International leistet aber nicht nur nach Naturkatastrophen Nothilfe. Dies zeigt das Beispiel Syrien, wo die Organisation seit Mai 2012 für die syrischen Flüchtlinge im Einsatz steht. Im Gegensatz zu einer Naturkatastrophe wie das Erbeben von Haiti, wo innert kürzester Zeit Millionen an Spendengeldern gesammelt wurden, ist die Finanzierung von Projekten für die Opfer eines bewaffneten Konfliktes um einiges schwieriger. Auch drei Jahre nach dem Erdbeben bleibt für die Teams von Handicap International in Haiti viel zu tun. Die Gründe dafür sind zahlreich, eine genaue Ursache zu nennen ist wohl spekulativ. Nicht zu spekulieren braucht man aber, um die Situation der Betroffenen einzuschätzen. Denn diese leiden genauso unter den Folgen des Konflikts wie die Opfer von Naturkatastrophen und sie brauchen deshalb ebenfalls unsere volle Unterstützung. Das Ihre Spende ankommt, möchten wir Ihnen mit dieser Ausgabe von Aufrecht leben aufzeigen. Zahlreiche syrische Familien konnten wir bisher im Libanon und Jordanien unterstützen, und seit ein paar Wochen ist es uns nun sogar möglich, in Syrien selbst für die Betroffenen im Einsatz zu stehen. Ich danke Ihnen für Ihr Vertrauen und Ihre Unterstützung und wünsche Ihnen eine gute Lektüre. HANDICAP INTERNATIONAL AUFRECHT LEBEN N 50 3

DOSSIER DISASTER RISK MANAGEMENT Den Notfall vorbere Handicap International arbeitet regelmässig mit Opfern von Naturkatastrophen, wie nach dem Tsunami 2004 in Südostasien und in Haiti seit dem Erdbeben 2010. Dabei haben wir festgestellt, dass Menschen mit Behinderungen in Evakuierungsplänen, die prioritär auf die Schwächsten zugeschnitten sein sollten, sehr häufig gar nicht berücksichtigt werden. Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UNCRPD) legt fest, dass gefährdete Personen, von denen Menschen mit Behinderung die Mehrheit ausmachen, das Recht auf Sicherheit und Schutz im Fall von Naturkatastrophen haben. Erhöhtes Risiko Im Rahmen seines Südasienprojekts fördert Handicap International deshalb die Teilnahme von Menschen mit Behinderungen am sogenannten Disaster Risk Management, den Katastrophenbereitschaftprozessen. Unsere Teams arbeiten in fünf Ländern (Bangladesch, Nepal, Indien, Sri Lanka, Afghanistan) in direkter Partnerschaft mit bedrohten Gemeinschaften und in Zusammenarbeit mit den regionalen Akteuren, die für das Disaster Risk Management zuständig sind. Andrew Merat ist Projektkoordinator Disaster Risk Management für die Region Südasien: Wir arbeiten in Gebieten, wo ein erhöhtes Risiko für Naturkatastrophen besteht, und helfen Gemeinschaften dabei, sich so gut wie es geht auf diese Eventualität vorzubereiten. Während starker Überschwemmungen zum Beispiel sehen wir häufig Menschen, die sich aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht unter dem Dachstock oder auf den Dächern ihrer Häuser in Sicherheit bringen können. Paradoxerweise sind es gerade diese gefährdetsten Personen, die häufig als letztes evakuiert werden. Es ist daher essentiell, dass Lösungen für dieses Problem gefunden werden und Menschen mit Behinderungen in Katastrophenkontexten besonders berücksichtigt werden. Handicap International sorgt dafür, dass die gefährdetsten Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit bekommen, gemeinsam mit anderen Mitgliedern ihrer Gemeinschaft an Katastrophenbereitschaftstreffen teilzunehmen. Ziel ist es, dass diese Menschen aus ihren Häusern kommen, sichtbar werden, damit die Gemeinschaft sich ihrer Existenz bewusst wird. Danach können wir an den besonderen Bedürfnissen arbeiten. Das Team von Handicap International identifiziert die Bedürfnisse von gefährdeten Personen und diskutiert mögliche Ansätze mit der Gemeinschaft. Ein typisches Beispiel ist die Realisierung eines Systems von bunten Flaggen als Ergänzung zu den bereits vorhandenen Warnsirenen eine einfache Möglichkeit, auch hörgeschädigte Menschen zu erreichen. 4

DOSSIER DISASTER RISK MANAGEMENT iten Gouri, Gemeinde-Organisatorin von YPSA (Young Power in Social Actions, Partnerin von Handicap International) informiert die Teilnehmer eines Katastrophenbereitschaftstreffens mit Hilfe einer Lernkarte über die verschiedenen Bedrohungen. Jasim Uddim, 24 Teilnehmer an Katastrophenbereitschaftstreffen Im Alter von 12 Jahren, wurde Jasim Udim beim Überqueren einer Strasse von einem LKW angefahren. Er verlor ein Bein. Vier Jahre später bekam er eine Prothese. Mit der Hilfe meines Vaters konnte ich eine Ausbildung in der Nähwerkstatt, wo ich jetzt arbeite, machen. Ich habe mich für das Nähen entschieden, weil ich diese Arbeit auch mit nur einem Bein verrichten kann. Bis vor vier Jahren benutzte er immer noch Krücken und hatte Schwierigkeiten sich fortzubewegen. Es war nicht nur schwierig, auf unebenen oder rutschigen Oberflächen vorwärtszukommen, auch den Bus konnte er nicht nehmen. Die Fahrer weigerten sich, Fahrgäste mit Krücken zu befördern. Vor vier Jahren erfuhr er bei einer Unterstützungsgruppe für Menschen mit Behinderung, dass er von der Regierung finanzielle Hilfe für eine neue Prothese erhalten könnte. Er beantragte die YPSA- (Young Power in Social Action der Partner von Handicap International im Disaster Risk Management Projekt) Förderung und war bald wieder auf den Beinen. Heute ist Jasim ein sehr aktives Mitglied seiner Gemeinschaft und nimmt regelmässig an Diskussionsgruppen über Katastrophenbereitschaft mit Vertretern von Handicap International und YPSA teil. Ich wurde über Evakuierungsabläufe informiert und ich arbeite mit der Gruppe, um Lösungen zu finden, damit Alle (ältere Menschen, schwangere Frauen und behinderte Menschen wie sein Freund Lokman Gani, der sehbehindert ist) sich im Fall eines Zyklons in Sicherheit bringen können. Zur Vorbereitung gehört auch, die verschiedenen Evakuierungsrouten vorzustellen und die Mitglieder der Gemeinschaft zu definieren, welche verantwortlich sind für diejenigen, die ohne Unterstützung nicht evakuiert werden können. Das im April 2011 gestartete Projekt hat bereits viel versprechende Resultate erbracht. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass alle in diesem Bereich tätigen Institutionen und NGOs diese Praktiken so rasch wie möglich in ihre Arbeit integrieren. Weltweite Projekte Disaster Risk Management Projekte gibt es nicht nur in Südasien, sondern auch in vielen weiteren Ländern, wie etwa Haiti. Dort wurde beim Tropensturm Sandy die Wichtigkeit dieser Vorbereitungsmassnahmen aufgezeigt. Mehr dazu können Sie im Beitrag Bericht aus Haiti auf Seite 6 lesen. Anzahl Begünstigter des Südasien-Projektes Gesamtanzahl von Begünstigten: 5255 Afghanistan 480 Bangladesch 500 Nepal 1200 Sri Lanka 875 Indien 2200 HANDICAP INTERNATIONAL AUFRECHT LEBEN N 50 5

Bericht aus Haiti Tropensturm Sandy Ein Tag unterwegs mit dem Handicap International Nothilfe-Team in Haiti 2004 wurde das Dorf Found Verretes im Westen Haitis von starken Ueberschwemmungen betroffen. Da es damals keinen Fluss gab, hat sich das Wasser selbst einen Weg gesucht. Das Dorf wurde vom Wasser fortgespült; bis zu 3 000 Personen starben. Was zurück blieb, ist ein Fluss aus Steinbrocken. Die Menschen haben am Ufer neue Häuser gebaut. Aber bei jedem neuen Tropensturm füllt sich das Flussbett wieder mit Wasser. Und das geschah nun auch wieder beim Sturm Sandy. Als wir das Wasser kommen sahen, haben wir unsere Häuser verlassen, um in einem stabileren Haus etwas entfernt Schutz zu suchen erklärt Clermanso, vierfacher Familienvater. Während 4 Tagen hörten wir das Wasser und die Steine gegen die Wände schlagen. Die Kinder waren verängstigt. Als der Sturm endlich vorüber war, fanden wir unser Haus vollkommen zerstört vor seufzt Clermanso. Die Geschichte ist überall dieselbe. Die auf dem Hügel gelegenen Häuser wurden durch den Wind zerstört, die Häuser entlang dem Flussufer wurden durch Wasser und Steine schwer beschädigt. Dass nur 4 Personen durch Sandy ums Leben kamen, ist hauptsächlich der Existenz eines grossen Evakuierungs-Zentrums zu verdanken, welches nach der Katastrophe 2004 gebaut wurde. Die Menschen können hier bei einem Tropensturm Schutz suchen, sagt Marlène Dussauge, RRM (Rapid Response Mechanism) Projektleiterin in Haiti. Kürzlich hat Handicap International das undichte Dach repariert. Zudem haben wir den Unterstand für Menschen mit Behinderung oder reduzierter Mobilität zugänglich gemacht. Das Haus von Franchelie Arice, 66, wurde durch den Tropensturm Sandy komplett zerstört. Notfall-Netzwerk Handicap International stellt den Bewohnern von Found Verettes Nothilfe-Pakete zur Verfügung, welche von Kontaktpersonen verteilt werden. Letztes Jahr haben wir in den Provinzen lokale Partner gesucht, wie lokale Organisationen, Schulen und Mitglieder des Zivilschutzes. Diese Kontaktpersonen erhielten ein intensives Training zum Verhalten bei einer Naturkatastrophe. Etwa wie Güter verteilt, Zelte aufgestellt und Hygienevorschriften eingehalten werden, und sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderung dabei nicht vergessen werden. Dank diesem Netzwerk und den entsprechenden Schlüsselpersonen, war die Gemeinde gut auf eine solche Situation vorbereitet. Cholera Aber es gibt noch eine weitere Sorge: Cholera. Im Oktober liessen sich 25 Personen im Spital gegen Cholera behandeln. Im November hatten wir 47 Fälle, zwei davon starben. Das ist beunruhigend, sagt Elogène, Administratorin im lokalen Spital. In einem Zelt vor dem Spital liegt Kamisil (15), Sainristyl s jüngstes Kind. Er bewegt sich nicht, er ist dehydriert und manchmal verliert er das Bewusstsein, erzählt sie, während sie gegen die Tränen kämpft. Ich bete zu Gott, dass er nicht stirbt. Thomas, Handicap Internationals Gemeindearbeiter, übergibt ihr ein Paket mit Seife und Chlor. Dies hilft, die anderen Familienmitglieder zu schützen. Wir geben ihr auch Rehydrations-Salz, um die Genesung ihres Sohnes zu beschleunigen. Die Frage ist: Wie wurde dieser Junge angesteckt? sagt Thomas. Deshalb fragt er die Mutter aus: Besuchte er kürzlich ein anderes Dorf? Sind andere Menschen im Dorf krank? Es stellt sich heraus, dass eine Frau mit denselben Symptomen kürzlich starb. Wahrscheinlich wurde sie nicht den Umständen entsprechend bestattet, wie es mit Personen, die an Cholera sterben, geschehen sollte. Und das ist sehr besorgniserregend; wir müssen in dieses Dorf fahren und die Leute warnen. Unsere Arbeit ist hier noch nicht erledigt. 6

UNSERE EINSÄTZE IN DER WELT Luzern >>> Bereits zum vierten Mal fand Ende Dezember 2012 in Luzern die Spendenaktion Jeder Rappen zählt von Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) und der Glückskette statt. Gesammelt wurde dieses Jahr zum Thema Wasser. Unterstützt werden durch den Erlös auch Projekte von Handicap International. Die Organisation war vor Ort mit Plakaten und einem Video präsent und Petra Schroeter, unsere Direktorin, war in der Glasbox als Interviewgast zu Besuch. Handicap International führt in zahlreichen Ländern mehrere Projekte zum Thema Trinkwasserversorgung und Hygiene-Promotion durch. <<< Genf Anfangs Dezember 2012 fand in Genf die 12. Mitgliederstaatenkonferenz der Ottawa-Konvention statt. Die Ottawa-Konvention untersagt Einsatz, Produktion und Handel mit Antipersonen-Minen und feiert dieses Jahr ihr 15-jähriges Jubiläum. Aus diesem Anlass hat Handicap International gemeinsam mit weiteren NGOs im Zentrum von Genf eine zweiwöchige Fotoausstellung durchgeführt. Die 12 Fotografien sollten das Publikum für die Problematik der Landminen sensibilisieren und aufzeigen, dass diese Waffen, trotz enormer Fortschritte in den letzten Jahren, nach wie vor eine grosse Gefahr für zahlreiche Menschen auf der ganzen Welt darstellen. Südsudan >>> Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderung (3. Dezember) wurde in drei Flüchtlingscamps im Maban County im Südsudan mit einer von Handicap International organisierten Sensibilisierungskampagne begangen. Das Personal von Handicap International organisierte Workshops, in denen jeweils rund zwanzig Kinder ermuntert wurden, sich in der Schule und in den Camps um schutzbedürftige Personen zu kümmern. 480 Kinder nahmen in diesen Workshops teil. Sie machten in einer sehr fröhlicher Ambiance Simulationsübungen, um sich in die behinderten Personen hineinzuversetzen und über Möglichkeiten nachzudenken, wie sie diese Menschen in ihrem Alltag unterstützen könnten. <<< Philippinen In der Nacht vom 4. auf den 5. Dezember 2012 traf der Taifun Bopha mit voller Wucht den Süden der Philippinen und hinterliess zahlreiche Todesopfer und zerstörte Häuser. Über 200 000 Personen sind von dem Sturm betroffen und fast 170 000 Personen mussten in Hangars, Schulen und provisorischen Notlagern Unterschlupf suchen. Handicap International war bereits mit mehreren Teams vor Ort und konnte daher umgehend reagieren. Mehrere mobile Teams klärten die dringendsten Bedürfnisse der besonders schutzbedürftigen Bevölkerung ab und verteilten Nothilfe-Kits. Zurzeit baut Handicap International ihre humanitäre Hilfe aus, so dass rund 2500 Familien Zugang zu den benötigten Leistungen erhalten. HANDICAP INTERNATIONAL AUFRECHT LEBEN N 50 7

Ihre Spende bedeutet Hilfe und Hoffnung für die Schwächsten Amrit Neupane ist ein sehr neugieriges Kind. Er läuft, lernt jeden Tag tausend neue Dinge und tanzt mit der Unbekümmertheit eines Dreijährigen. Wenn man ihn heute sieht, kann man sich schwer vorstellen, dass Amrit wegen einer zerebralen Lähmung bis zum Alter von 18 Monaten die meiste Zeit still auf dem Rücken liegend verbrachte. Amrits Eltern brachten ihn ins Rehabilitationszentrum von Ghorahi; die von Handicap International unterstützte Einrichtung betreut und begleitet behinderte Personen bei ihrer Rehabilitationsarbeit. Amrit erhielt Funktionsschienen, die seine Fussknöchel unterstützten, und dann begann er, regelmässig von Laxmi Besuch zu erhalten, die ihn in seinen Rehabilitationsübungen begleitet und seine Fortschritte seit inzwischen über einem Jahr beobachtet. Auf diese Weise betreut und ermutigt, hat Amrit schon bald versucht, sich aufrecht zu halten, sodass ihm das Rehabilitationszentrum von Ghorahi eine Gehhilfe zur Verfügung gestellt hat. Dank Ihrer Unterstützung erhält Amrit weiterhin regelmässig Besuch von Laxmi: Er ist ein Energiebündel und lacht schrecklich gern. Für ihn ist alles eine Einladung zum Spielen, und er scheint überhaupt nicht zu merken, dass er grossartige Grundlagenarbeit leistet, um seine Behinderung zu überwinden und all das zu tun, was andere Buben in seinem Alter instinktiv tun. Er kann sich jetzt schon aufrecht halten und die Bewegungen seiner Hände genau kontrollieren. Amrit ist mit seinem starken Willen ein Vorbild! Für eine Spende: PC 12-484 - 4 oder www.handicap-international.ch