Tiere im Klimawandel: Von Lemmingen und Eisbären - Einblicke aus einem Langzeitprojekt auf Grönland - Benoît SITTLER
Die Arktis, unser nördliches Polargebiet. Ein Binnenmeer umgeben von öden Küsten! Eismeer 14 mio/km2 Abgrenzung = -Nördliche Polarkreis -Jenseits der Baumgrenze -10 C Juli Temperatur -Treibeisgrenze im Ozean Golf Strom als Wärmepumpe
Im Reich der Kälte! Schnee auf dem Festland Packeis auf dem Meer Jahresmitteltemperaturen unter 10 C Nur Hochsommer mit positiven Temperaturen
Der weitreichende Rolle des Schnees für die physikalische Umwelt und für die Lebensgemeinschaften Entstehung der Gletscher die wiederum die Landschaft geformt haben Saisonale Veränderungen - Schneeschmelze: entscheidender Faktor für Pflanzen und Tiere
Die gewaltige grönländische Eiskappe, Zeuge und Überbleibsel von den Eiszeiten Seine Ausläufer prägen noch vielerorts die Küsten
Eisberge
Die Entstehung einer Eiskappe Das Beispiel Grönlands Vor 10 Millionen Jahren Vor 2,3 Millionen Jahren Vor 2 Millionen Jahren Vor 20 000 Jahren Heutzutage
Vor 20 000 Jahren: Nordeuropa unter einem mächtigen Eisschild! Der Meeresspiegel lag damals um 100 m tiefer! Durchschnittstemperatur um mehr als 5 Grad niedriger. In Süddeutschland Bedingungen wie heute in Grönland!
Der Grenzbereich zum ewigen Eis: Ökosystem der Extreme Periglaziale Lebensräume
Die kargen Landschaften im Norden = die Tundra
Permafrost: der allgegenwärtige bodenbildende Faktor Pingos= Eislinsen Steinringe
Arktische Pflanzenwelt Eine Vielzahl an Anpassungen, mit optimaler Nutzung von mikroklimatischen Nischen
Auch vielfältige Anpassungen der Tierwelt an den sehr kalten und schneegeprägten Lebensraum Überlebenswichtig: Ein weißes Kleid um in einer weißen Umgebung nicht aufzufallen Polarfuchs Physiologische Anpassungen - Polarfuchs fühlt sich wohl bis 40 C - Wärmeempfindlichkeiten (Lemminge) Schneehuhn Hermelin
Die Pflanzenfresser Sehr spärliches Futterangebot Halsbandlemming Zugang zur kargen Vegetation vor allem im Winter eine große Herausforderung Moschusochse Schneehase
Vögel der Polargebiete Nur ganz wenige Standvögel Vor allem Zugvögel die dem arktischen Winter entkommen Schneehuhn Weisswangengänse
Fressfeinde oft sehr spezialisiert, wenig Ersatzbeute Hermelin Polarfuchs Schnee-Eule Polarwolf
Meeressäuger eng vom Packeis abhängig! Eisbär Narwale Walroß Bartrobbe
Die Lebensgemeinschaften der Arktis Relativ einfache und überschaubare Nahrungsketten Eignen sich demnach auch bestens, um das Funktionieren eines Ökosystem zu studieren Erforschung einer Lemming- Population und seiner Interaktionen mit den Fressfeinden
Erfassung der Lemming-Population: Zahl der Winternester als relevante Größe! Hermelin-Nest mit Lemmingfell! Bis zu 5 Würfe im Schutz der Schneedecke Massenvermerhrungen durch Winternesterzahlen erfassbar Extreme: Peakjahr: 4000 Winternester Tief: unter 50 Winternester!
Die gegenseitige Beeinflussung der Lemminge und ihrer Raubfeinde Schnee-Eulen Falkenraubmöve Hermelin Polarfuchs
Fortpflanzungserfolg bei den Raubfeinden Schnee-Eulen Polarfüchse = meist nur in guten Lemmingjahren Nachwuchs! Beispiel: Bei Schnee-Eulen ab 2 Lemminge/Ha Bei Polarfüchsen schon ab 1 Lemming/Ha
Die engen Verflechtungen zwischen den zyklischen Schwankungen der Lemminge und den Reaktionen der Raubfeinde Lemminghochs alle 4 bis 5 Jahre Raubfeinde reagieren parallel dazu durch eigene Strategien Raubmöwen und Schnee- Eulen : nur im Sommer am System beteiligt Die zeitverzögerte Reaktion der Hermeline Science (2003)
Häufung von Beobachtungen zur Realität des Klimawandels Klimawandel zu Beginn des Projektes 1988, noch kein Thema Erste indirekte Hinweise durch: auffällige Anomalien in den Mustern und Wechselbeziehungen sowie Änderungen, die auch im Alltag der Feldforschungen nicht mehr zu übersehen sind Thema nun Gegenstand und Schwerpunkt unseres Projektes
Zur Realität des gegenwärtigen Wandels in der Arktis Klima-Aufzeichnungen deuten auf: Starke Zunahme der Mitteltemperaturen der meisten arktischen Stationen innerhalb der letzten 20 Jahre Einhergehend, häufigeres Auftreten von Tauwetter im Winter Diese Beobachtungen auch durch Fernerkundung bestätigt: Jährliche Ausbreitung des Packeis mit starken Rückgang im Sommer Rückgang des Gesamtvolumens des Inlandeises
Folgewirkungen auf die arktische Umwelt Eigene Beobachtungen auf der Insel Traill NO Grönland 1988 2011 Trend zur früheren Schneeschmelze Auch schneefreie Zeit immer länger 30.7 15.7 30.6 15.6 31.5 1987 1989 1991 1993 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 Bachelor-Arbeit Hegemann, 2012 Global Change Biology, 2009, 15; ergänzt
Deutlicher Schwund der vergletscherten Flächen und kleineren Eisfelder 15 Juli 1989 15 Juli 2007
Auftauen des Permafrostes führt vielerorts zu Hangrutschungen
Ausbleiben der Lemmingzyklen seit 10 Jahren! 12 9 Lemming density (individuals per ha) 6 3 0 1 3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23
Parallel dazu: Ausbleiben von Brutversuchen bei Schnee-Eulen? 4000 14 20 3000 5 Number of winternests (1500 ha) 2000 1000 6 3 1 2 4 0 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010 2012 Schwellenwert: bei ca. 900 Winternester (= 2 Lemm./ha)
Änderung der Schneebedingungen = Hohe Mortalität bei Moschusochsen
Arbeitshypothesen Die Veränderung der Schneeverhältnisse schafft ungünstige Bedingungen für hocharktische Arten: Für Lemminge, Verkürzung der Dauer der Schneebedeckung = Verschlechterung der Fortpflanzung im Winter als Vorbedingung für Massenvermehrung, bzw Erholung der Population Pulverschnee wird bei Tauwetter zu Nassschnee Durch Zufrieren Bildung einer Eiskruste die Zugang zum Gras erschwert Auch Moschusochsen sind von solchen Erscheinungen betroffen
Verlagerung der Areale nach Norden? Erste Brutnachweise Spornammer Wiesenpieper Regenbrachvogel (regelmäßig beobachtet) Bei den Säugetieren: Polarfuchs durch das Vorrücken des Rotfuchses bedroht (Skandinavien, Sibirien, Alaska)
Häufiges Auftreten von Eisbären auf dem Festland!
Eisbär-Beobachtungen auf der Traill Insel (NO Grönland) Zeitraum 1988 bis 2012 Häufung der Begegnungen an Land seit 10 Jahren! Auch immer mehr Bären im Landesinneren!
Gewichtsverlust durch längeres Fasten Bis zu 10 Kg pro Woche Hudson Bay: Durchschnittsgewicht hat um 80 Kg abgenommen zwischen 1985 und 2004 Bereits beobachtete Trends
Mehrjähriges Packeis im Rückgang (1990 2012) Immer weniger Packeis in den Küstenzonen des Eismeeres!
Die Erderwärmung im 21. Jahrhundert Numerische Simulationen Erwärmung um 3 bis 6 Grad in der Arktis!
Durch Begleituntersuchungen dem Klimawandel auf der Spur Dendrochronologie an Zwergweiden Institut für Waldwachstum Universität Freiburg
Luftverschmutzung als Faktor des Klimawandels? Monitoring von Aerosolen - natürlicher Herkunft (Vulkane,..) - menschenbedingt (Immissionen,..)
Zusammenfassung Die Arktis, Heimat vieler Arten die sich im Laufe der Eiszeiten bestens an die Kälte und den Schnee angepasst haben Die unbestreitbare Realität des Wandels der physikalischen Umwelt Ungewöhnliches Tempo der Veränderungen Die Auswirkungen auf die Lebensgemeinschaften: erste Anzeichen für Veränderungen bei Arten, die auf bestimmte Schnee- oder Eisverhältnisse angewiesen sind Für weiterführende Aussagen reichen die Datenreihen aber meist noch nicht aus
Ausblick Die Arktis als Alarmanlage des Klimawandels Der Trend zur Erderwärmung (1 bis 3 Grad innerhalb von 100 Jahren) noch erheblich verstärkt in der Arktis (Prognosen von 3 bis 6 Grad) Für das Überleben arktischer Arten, eine große Herausforderung!