2 Die geologische Entstehung: ein untermeerisches Hochgebirge im Pazifik Die Bildung von Inseln im Pazifischen Ozean Im Pazifischen Ozean befinden sich tausende Inseln. Allerdings sind nur wenige von ihnen so extrem abgeschieden wie die Osterinsel, die nicht Teil einer Inselgruppe (eines Archipels) ist, sondern abgesehen von einigen direkt vor ihrer Küste liegenden winzigen Felseninselchen (motu) isoliert in der Weite des Pazifischen Ozeans liegt. Nah beieinander und dichter an den Kontinenten liegende Inseln sind häufig Teil des Pazifischen Feuerrings und damit vulkanischen Ursprungs. Sie liegen dort, wo die riesigen, auf der Gesteinsschmelze (Magma) des Erdmantels schwimmenden ozeanischen Gesteinsplatten aneinander oder gegen Kontinentalplatten stoßen, unter diese gedrückt und aufgeschmolzen werden. Andere, von den Kontinentalrändern weiter entfernte Inseln werden im Entstehungsbereich der ozeanischen Platten gebildet, wo entlang langer Spalten Magma aufsteigt, erkaltet und die jeweils angrenzenden ozeanischen Gesteinsplatten zur Seite schiebt. Dabei wachsen auf dem Meeresboden Gebirge (die ozeanischen Rücken) auf, die aber nur selten bis zur Meeresoberfläche aufragen und dann Inseln bilden. Ein dritter Typ von Vulkaninseln entsteht inmitten Kliff des Vulkans Rano Kau im Südwesten der Osterinsel
14 Die geologische Entstehung: ein untermeerisches Hochgebirge im Pazifik Vulkanisches Gestein auf der Osterinsel Dass die Osterinsel vulkanischen Ursprungs ist, wird dem Besucher schon bei der ersten Exkursion über die Insel deutlich, vor allem bei einer Fahrt in den nördlichen und zentralen Teil. Unübersehbar sind hier die zahllosen erkalteten Lavaströme vor allem aus sehr hartem, schroffem Basalt oder feldspatreichem Trachyt. Hinzu kommen jüngere und weichere pyroklastische Ablagerungen, also Gesteine, die aus Kristallen und ihren Bruchstücken, aus vulkanischem Glas (Obsidian) oder Gesteinsfragmenten bestehen. Sie wurden bei Vulkanausbrüchen in fester oder flüssiger Form durch die Atmosphäre geschleudert oder in Dichteströmen aus Gas-Partikel-Gemischen entlang der Bodenoberfläche transportiert. Unverfestigte pyroklastische Ablagerungen wie Tephra (unverfestigte Aschen) sind auf der Osterinsel selten. Verfestigte Pyroklastika wie reine Tuffe (verfestigte Aschen) und insbesondere Tuffe mit gröberen Bestandteilen wie Lapilli (2 bis 64 mm große vulkanische Steinchen) oder eingebetteten Auswürflingen von mehr als 64 mm Durchmesser (gerundete vulkanische Bomben oder eckige Blöcke) sind hingegen häufig auf Rapa Nui. Die Tuffe der Osterinsel sind kulturgeschichtlich ungemein bedeutend. Aus ihnen wurden die berühmten Steinstatuen, die moai, geschaffen (s. Kap. 9). der ozeanischen Gesteinsplatten, hier gebildet durch Gesteinsschmelze, die aus einer unterliegenden Magmakammer durch Spalten in der Platte (Hot Spot) zum Meeresboden aufwärts dringt, dort erkaltet und dabei riesige Vulkanbauten erzeugt, die ebenfalls nur selten die Meeresoberfläche erreichen. Dem Hot Spot-Vulkanismus verdankt die Osterinsel ihre Entstehung. Die Osterinsel entsteht Ein Blick auf eine Reliefkarte des Meeresbodens im südöstlichen Pazifischen Ozean zeigt, dass Rapa Nui Teil einer etwa 2 500 km langen, untermeerischen Hochgebirgskette ist. Nur die Spitzen der höchsten Vulkanbauten ragen über den heutigen Meeresspiegel: die Osterinsel mit den unmittelbar vorgelagerten winzigen motu und die kleine, 390 km ostnordöstlich der Osterinsel gelegene Felseninsel Sala y Gómez. Diese als Sala-y-Gómez-Rücken bezeichnete Gebirgskette entstand durch das Ausströmen von flüssigem Gesteinsmaterial und Gasen aus einem Zentrum vulkanischer Aktivität im tieferen Erdmantel über eine Durchdringungsstelle, einen Manteldiapir (Hot Spot) an die Oberfläche der Nazca-Platte, einer Gesteinsplatte, die den Meeresboden des Pazifiks westlich der Südamerikanischen Kontinentalplatte bildet.
Die Osterinsel entsteht 15 Ausschnitt des Sala-y-Gómez-Rückens mit Rapa Nui als höchster Erhebung (nach Gonzales-Ferran et al 2004) Basaltgestein an der Südküste mit dem Vulkan Pua Katiki im Hintergrund
16 Die geologische Entstehung: ein untermeerisches Hochgebirge im Pazifik Die Nazca-Platte bewegt sich über und durch den Manteldiapir. In unzähligen Ereignissen durchdringen immer wieder flüssiges Gesteinsmaterial und Gase des Manteldiapirs die Platte, die auf der Oberfläche der Platte erkalten. Allmählich wachsen Vulkane auf. Aufgrund der kontinuierlichen Bewegung der Nazca-Platte über den Hot Spot wuchs im Verlauf von vielen Millionen Jahren ein ganzes Vulkangebirge auf, eben die Gebirgskette des Sala-y-Gómez-Rückens, deren höchster Gipfel heute die Osterinsel ist. Die Nazca-Platte bewegt sich heute mit einer Geschwindigkeit von 3,7 cm pro Jahr nach Osten. An ihrem östlichen Rand schiebt sie sich unter den südamerikanischen Kontinent, wo sie in der Tiefe aufgeschmolzen wird und so längst untergegangene Vulkane wieder dem großen geologischen Kreislauf zuführt. Die drei Vulkane der Osterinsel Das im Westen des Sala-y-Gómez-Rückens liegende Vulkanmassiv von Rapa Nui besteht aus drei geologisch eigenständigen, heute erloschenen Schildvulkanen: dem ältesten Vulkan, dem Pua Katiki, auf der Halbinsel Poike im Osten der Osterinsel, dem bald darauf aufgewachsenen Rano Kau im Südwesten sowie dem über dem Meeresspiegel ausgedehntesten und jüngsten der drei Vulkane, dem Maunga Terevaka, der sich vom Norden über das Zentrum bis in den Süden der Insel erstreckt (vgl. Abb. S. 19 Mitte). Die drei Vulkane durchliefen jeweils zwei Hauptentwicklungsphasen. In der ersten Phase bauten zunächst basaltische Laven die Schildvulkane auf; dann wurden porphyrische Laven ausgestoßen (Porphyre sind feldspatreiche vulkanische Ergussgesteine mit großen Kristallen in einer feinkörnigen Matrix). Schließlich brachen teilweise die Vulkanspitzen ein und Einsturztrichter (Calderen) entstanden. In der zweiten Phase rissen an den Flanken der Schildvulkane Spalten auf, an denen flüssiges und festes Gesteinsmaterial sowie Gase austraten, wodurch die zahlreichen parasitären pyroklastischen Kegel aufwuchsen, die heute das Relief der Osterinsel charakteristisch prägen (Vezzoli & Acocella 2009). Nicht selten erstarrten die Magmen an der Oberfläche eines Lavastroms zuerst, während sie sich im Inneren weiterbewegten. Dadurch bildeten sich viele, manchmal mehrere hundert Meter lange Lavatunnel und damit Höhlen. Bereits während der Ausbrüche des Maunga Terevaka war die Osterinsel bewaldet. Durch Lavaströme wurden immer wieder Wälder zerstört. Auf den Vulkanhängen fließende Laven knickten Bäume um und inkorporierten die Stämme in das zähfließende, heiße Gestein. Zwar verbrannten die Stäm-
Die drei Vulkane der Osterinsel 17 Ein mehr als zwei Meter langer Palmstammabdruck in einem Lavastrom des Maunga Terevaka nordwestlich Anakena me rasch. Die dabei entstehenden Hohlformen und Rindenabdrücke blieben jedoch über mehrere hunderttausend Jahre bis heute erhalten, darunter Abdrücke von Stämmen der Osterinselpalme (siehe Kap. 6). Die Laven des Maunga Terevaka flossen im Osten auf die Westflanke des Vulkans Pua Katiki und im Südwesten auf die Nordostflanke des Vulkans Rano Kau. Damit verband der Maunga Terevaka die zuvor eigenständigen Inseln des Pua Katiki und Rano Kau zu einer einzigen Insel. Die heutige dreieckige Form der Osterinsel entstand. Der Maunga Terevaka ragt heute 510 m über den Meeresspiegel auf und ist damit die höchste Erhebung der Osterinsel. Sein Massiv ist bespickt mit zahlreichen pyroklastischen Kegeln. Während der Maunga Terevaka keinen und der Pua Katiki nur einen kleinen Krater auf ihren Spitzen besitzen, entstand durch den Einsturz des Gipfels des Rano Kau eine mehr als 200 m tiefe und etwa einen Kilometer breite Caldera, die heute wassererfüllt ist. Der obere Rand der Caldera des Rano Kau erreicht eine Höhe von etwa 310 m über dem Meer. Die Gesteine des Pua Katiki und des Rano Kau sind oberflächennah deutlich stärker verwittert als diejenigen des Maunga Terevaka. Ursächlich dafür sind die höheren Gesteinsalter des Pua Katiki und des Rano Kau sowie die Dominanz verwitterungsresistenterer, vorwiegend basaltischer Laven am Maunga Terevaka.
18 Die geologische Entstehung: ein untermeerisches Hochgebirge im Pazifik Caldera des Rano Kau mit schwimmenden Pflanzenmatten im Südwesten der Osterinsel Blick aus dem Lavatunnel Ana Kai Tangata auf einen älteren Lavastrom, der von der Brandung bereits teilweise zerstört wurde Das Alter der Osterinsel Ältere Fachpublikationen datieren den Beginn des Vulkanismus, der zur Bildung des Pua Katiki, des ältesten Vulkans der Osterinsel führte, auf etwa 3 Mio. Jahre vor heute. Dagegen zeigen verlässlichere neue Datierungen von Laven der drei Vulkane Alter von nur etwa 800 000 bis 300 000 Jahren vor heute. Die jüngsten Ereignisse sind nach diesen Untersuchungen Spalteneruptionen, die mehrere 10 000 Jahre vor heute stattgefunden haben (Haase
Das Alter der Osterinsel 19 Vulkanische Struktur der Osterinsel (nach Gonzales-Ferran et al. 2004) et al 1997, Vezzoli & Acocella 2009). In der populärwissenschaftlichen Sekundärliteratur wird gelegentlich ein weitaus jüngerer Vulkanismus erwähnt, der noch vor 10 000 Jahren oder gar vor 2 000 Jahren auf der Osterinsel stattgefunden haben soll. Wissenschaftlich fundierte Belege für Vulkanausbrüche in den letzten gut 10 000 Jahren fehlen jedoch bislang. Die schwache Verwitterung vieler Lavadecken auf den Hängen des Maunga Terevaka ist allerdings ein Indiz für Alter von weniger als 100 000 Jahren. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf.
http://www.springer.com/978-3-8274-2623-9