NZZ Podium Wahlen USA 3. November 2016, Zürich

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Transkript:

NZZ Podium Wahlen USA 3. November 2016, Zürich James Bindenagel, Inhaber der Henry-Kissinger-Professur an der Universität Bonn -es gilt das gesprochenes Wort- Am 8. November ist Wahltag in Amerika. In den Vereinigten Staaten machen wir es kompliziert. Es gibt keine nationale Wahl, sondern fünfzig Bundesstaatswahlen mit 135 Millionen Wählern und 538 Wahlmännern im sogenannten «Electoral College». Um die Wahl zu gewinnen und amerikanischer Präsident/amerikanische Präsidentin zu werden, sind die Stimmen von 270 Wahlmännern erforderlich. Entscheidend wird dabei die Wahlbeteiligung in den ungefähr 10 Staaten, den Battleground States sein. Die anderen 40 Staaten sind in der Regel seit Jahrzehnten klar rot, also republikanisch oder blau, also demokratisch. Derzeit führt Hillary Clinton nach nationalen Umfragen mit 6 bis 12 Punkten Vorsprung und hat daher in den wichtigen Swing-States eine gute Ausgangsposition. Doch die Mehrheit des Electoral College kann mit einigen hunderttausend Stimmen (nicht Millionen) in den Battleground States kippen. Es ist ein finaler Kampf um die Wahlurnen. Kann Donald Trump ihn gewinnen? Ja, es ist möglich. Wer wählt? Hillary Clinton verfolgt eine traditionelle Strategie, um möglichst viele ihrer Wähler zu mobilisieren. Donald Trump verlässt sich auf seine Bekanntheit aus den Unterhaltungsmedien, die er durch jahrelange Präsenz im amerikanischen Fernsehen erlangt hat. Außerdem nutzt er die sozialen Medien, um die Wähler, vor allem diejenigen, die sich von der Gesellschaft benachteiligt, gedemütigt und abgehängt fühlen, für sich zu gewinnen. Aber reicht das, um die Wahl zu gewinnen? Dies war von Anfang an eine Präsidentschaftswahl, bei der die Republikaner nur verlieren können. Nach zwei Amtszeiten mit einem Demokraten an der Spitze, einer 8 Jahre andauernden Kampagne gegen den Präsidenten und einer von den Republikanern gehassten Kandidatin der Demokratischen Partei ist der Ruf nach Veränderung allgegenwärtig. Es könnte zu einem Wechsel der Regierungspartei kommen. Drei zentrale Punkte beinhalten den Schlüssel zur Beantwortung ob Trump gewinnt: Erstens: Nachdem Donald Trump in der dritten TV-Debatte von Moderator Chris Wallace gefragt wurde: «Werden Sie das Ergebnis dieser Wahl akzeptieren?», antwortete er: «Das sage ich Ihnen, wenn es so weit ist». Damit griff Donald Trump die jahrhundertealte Grundlage der amerikanischen Demokratie an und stellte einen friedlichen Machtwechsel in Frage. Dieser autokratische Kommentar macht deutlich, dass die Demokratie bei der US-Präsidentschaftswahl am 8. November 2016 auf dem Spiel steht.

Zweitens: Nachdem ein Video aus dem Jahr 2005 mit Aussagen von Donald Trump über sexuelle Übergriffe gegen Frauen einen empfindlichen Nerv getroffen hatte, lag Hillary Clinton nach einer von CNN und Wall Street Journal durchgeführten Umfrage 12 Punkte vor Donald Trump. Infolge der Angriffe von Donald Trump gegen Frauen und andere Gruppen entzogen traditionell konservative Wähler ihrem Präsidentschaftskandidaten die Unterstützung. Frauen wählen. Drittens: Wie Präsident Abraham Lincoln philosophisch formulierte, kann man einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen, und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen. Donald Trump arbeitet daran, genügend Menschen ausreichend lange zu täuschen, um zu gewinnen. Wird er es schaffen? Sehen wir uns die Fakten an. Donald Trump, der Sohn eines wohlhabenden Immobilienhändlers und selbst Immobilienmakler und ehemaliger Ausrichter von Schönheitswettbewerben, führte eine aggressive Kampagne, um als Präsidentschaftskandidat der Republikanischen Partei nominiert zu werden. Als Star der Fernsehshow «The Apprentice» erreichte Donald Trump ein Millionenpublikum. Seine Medienerfahrung brachte ihm kostenlose Präsenz im Fernsehen im Wert von mehreren Milliarden Dollar. Über die sozialen Medien sichert er sich den Rückhalt seiner Wählerschaft und auf demselben Weg versucht er, neue Wähler in den hart umkämpften Bundesstaaten auf seine Seite zu bringen. Donald Trump hat sich auf clevere Weise Wählergruppen erschlossen die weiße Arbeiterklasse, weiße Protestanten, Wähler ohne Hochschulabschluss und Wähler, die das Gefühl der Verbundenheit mit ihren Gemeinschaften und ihrem Land verloren haben. Er perfektionierte seine Fernsehauftritte und dominierte die Nachrichten über Twitter und mit haarsträubenden Aussagen, die Fernsehquoten und Einnahmen in die Höhe trieben. Als ein von aussen kommender erfolgreicher Geschäftsmann setzt er sich über die Gebote der Political Correctness hinweg. Er befeuerte die Unzufriedenheit über das abnehmende Einkommen der Mittelschicht und den Identitätsverlust und stachelte zu Nonkonformismus an. Daneben wütete er gegen die Wall Street wegen der steigenden Einkommensunterschiede, die rücksichtslosen und riskanten Finanzgeschäfte der Banken, durch die eine wirtschaftliche Rezession ausgelöst werde, und die vermeintlich schwache Führungsposition Obamas in Kriegsfragen. Donald Trump schürte die Ängste vor Immigranten und Muslimen, und er beleidigte das Militär, behinderte Menschen, Frauen und andere. Er nutzte schamlos Streitigkeiten zwischen den Parteianhängern, die von der Republikanischen Partei gegen Obama angeheizt wurden, die tiefe Unzufriedenheit der Allgemeinheit, die infolge zweier ergebnisloser und teurer Kriege entstanden ist, eine grosse Rezession mit schleppendem Wachstum und die Angst der weißen Amerikaner vor Identitätsverlust. Dieser Exkurs erklärt vielleicht die von Donald Trump geforderte Mauer zwischen den Vereinigten Staaten und Mexiko sowie seine Entgleisungen gegen Latinos, Muslime, Frauen und andere. Er verbündet sich mit den Unzufriedenen und verspricht diesen den Schutz ihrer jeweiligen Interessen. Die Unzufriedenen als Rassisten oder als intolerant zu bezeichnen, stößt auf taube Ohren, denn diese weisen solche Vorwürfe weit von sich. Entsprechend kommt diese Diskussion nicht voran, und Wahrheit, Unwahrheit und Fakten spielen keine Rolle.

Das Trump-Phänomen wurzelt in dessen Autoritarismus. Mit seiner wild vorgebrachten Behauptung, eine tolerante amerikanische Gesellschaft habe die Unzufriedenen um Jobs, ihre Religion, Waffen, Gemeinschaft und Identität gebracht, hat er in der Öffentlichkeit den Wunsch nach Autorität geschaffen. Er fördert Engstirnigkeit und bietet denjenigen, die Angst vor einer offenen Gesellschaft haben, Diskriminierung, Intoleranz und das Versprechen einer «Rückkehr zu einem grossartigen Amerika». Auch seine Unterstützer, die mit ihm zusammenarbeiten und vielleicht trotz allem hoffen, ihn kontrollieren zu können, sind für die peinliche und bedauernswerte Politik in diesem Präsidentschaftswahlkampf verantwortlich. Die internationale Führungsrolle Amerikas wurde durch die Kandidatur von Donald Trump beschädigt. Seine Ablehnung der NATO-Garantie nach Artikel 5, sein Ruf nach einer Neuverhandlung von Handelsabkommen, seine Unterstützung des Isolationismus, seine Forderung, keine Muslime ins Land zu lassen, sein Plan des Baus einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, seine Ablehnung der Transpazifischen Partnerschaft TPP und des Transatlantischen Handels und Investitionen Partnerschftabkommens TTIP sind zutiefst verstörende Zeichen. Er missversteht die Grundsätze des Atomwaffensperrvertrags und fordert Korea und Japan zur Beschaffung von Atomwaffen auf. Er ist und bleibt ein gefährlicher Kandidat für die Führung der Vereinigten Staaten, der sich weigert, die Legitimität der amerikanischen Demokratie anzuerkennen. Hillary Clinton, die erste Frau, die für die Präsidentschaft nominiert wurde, ist Rechtsanwältin und ehemalige First Lady, Senatorin, Präsidentschaftskandidatin und Außenministerin. Sie wird von der Öffentlichkeit kritisch betrachtet, konnte sich jedoch angesichts verschiedener Trump- Herausforderungen zurückkämpfen. Sie unterhält ein sehr umfangreiches politisches Programm zu Wirtschaftswachstum, Gesundheitswesen, dem Kampf des ISIS-Terrorismus, Handel, Status der Frauen und Respekt der Menschenwürde. In außenpolitischer Hinsicht vertritt Hillary Clinton einen interventionistischeren Ansatz als Präsident Obama und Teile der demokratischen Partei. Sie argumentierte dafür, militärisch einzugreifen, um den syrischen Machthaber Bashar al-assad zu stürzen und stimmte für den Irak-Krieg, auch wenn sie später zugab, dass sie diese Entscheidung als Fehler ansieht. Clinton ist eine Verfechterin von smart power und glaubt, dass mit Diplomatie und Entwicklungshilfe amerikanische Interessen am besten verfolgt werden können. Leider hat die Debatte um die amerikanische Präsidentschaftswahl jedoch wenig Substanz gehabt, sodass Interessen des durch Isolationismus geprägten Grand Old Republican Party mit denen der demokratischen Anhänger von Bernie Sanders verschmelzen. Bernie Sanders hatte auch auf die Wut der Wähler gesetzt, die die Haltung von Hillary Clinton in Bezug auf die ungleiche Verteilung von Produktivitätsgewinnen ablehnen. Sie unterstützt den Status quo, nach dem 1 % der Einkommensempfänger und Personen aus anderen elitären Positionen in der Politik den Löwenanteil erhalten. Die Demokraten, deren Anhänger teils progressiv, teils gemäßigt sind, haben damit begonnen, eine erfolgreiche politische Botschaft der verantwortungsvollen Führung mit überzeugenden Fakten zu konsolidieren. Für einen Wahlsieg benötigt sie die Stimmen der Millennials und der Mitglieder der

Obama-Koalition. Ausserdem muss sie die Anhänger von Senator Sanders von sich überzeugen, die sich gegen Hillary Clinton ausgesprochen hatten. Die Wahl und die Zeit danach Zu den Wahlkampfüberraschungen im Oktober zählten das Video über die sexuellen Eskapaden von Donald Trump sowie dessen Ablehnung der amerikanischen Demokratie und dessen Behauptung, dass die Wahlen manipuliert seien. Damit hat er wahrscheinlich Teile seiner Wählerschaft vergrault. In den letzten 14 Tagen hat sich ein Vorsprung für die Demokraten herauskristallisiert. Obwohl eine Niederlage von Donald Trump immer noch wahrscheinlich ist, hat eine weitere «Oktoberüberraschung» dem Wahlkampf eine neue Wendung gegeben. FBI Direktor James Comey teilte dem Kongress in der letzten Woche in einem Bericht mit, dass weitere 650.000 E-Mails aufgetaucht seien, die von Hillary Clintons Privatserver versendet wurden. Diese Entwicklung sorgt dafür, dass die Wahlen in den Swingstates Florida, Indiana, Missouri, Nevada, New Hampshire, North Carolina und Pennsylvania ein Kopf-an-Kopf-Rennen bleiben. Falls Trump nun auf den letzten Metern zusätzlich zu dieser kurzfristigen Entwicklung noch mehr Unterstützer aus der weiteren Gesellschaft überzeugen kann, hätte er einen Weg gefunden, um 270 Wahlmänner auf seine Seite zu ziehen. Denken wir also am 8. November an Sir Winston Churchill. Er sagte: Man kann sich immer darauf verlassen, dass die Amerikaner das Richtige tun, nachdem sie alles andere ausprobiert haben. Dieses Jahr und bei dieser Wahl haben wir wirklich alles ausprobiert. Nach der Wahl geht es weiter. Auswirkungen für die Vereinigten Staaten und für Europa Populismus gegen Establishment Selbst die Niederlage von Donald Trump wird nicht verhindern, dass die liberale internationale Ordnung ins Wanken gerät. Globalisierung, Digitalisierung und technologische Veränderungen stellen tektonische Verschiebungen dar, die von den politischen Eliten schwer in den Griff zu bekommen sind. Globalisierung: Wenn wir diesen Aspekt genauer analysieren, stoßen wir auf Globalisierungstrends, die die Kampagne von Donald Trump nähren. Während die Globalisierung in Ländern der Dritten Welt die Armut gelindert hat, sind ihr in entwickelten Ländern viele Arbeitsplätze zum Opfer gefallen. Dies ist eine Globalisierung, die die Grenzen und die Unantastbarkeit der nationalen Souveränität untergräbt (Freizügigkeit der Arbeitskräfte, Fertigung, z. B. EU). Die Ökonomen Branko Milanovic und Christoph Lakner zeigen, wo die Globalisierung Gewinner zu finden sind. Nicht wie gewohnheitsmäßig vermutet in der westlichen Welt, sondern besonders in den aufstrebenden Ländern Asiens. Donald Trump zielt auf die Auswirkungen dieser Verschiebungen, die sich zu Themen der Identitätspolitik mit Konflikten auf der Grundlage von Geschlecht, Rasse, Religion und Umwelt entwickelt haben. Der Bürgermeister der freien Stadt Hamburg, Olaf Scholz, rief in der letzten Woche in Bonn zu mehr Wachstum auf, um die Globalisierung zu bewältigen. Er sagte: Die Verunsicherung der unteren und mittleren Schichten in den Industriestaaten erfüllt uns mit Sorge, zumal auch das Vertrauen, das durch die Finanzkrise verloren ging, noch immer nicht ganz wiederhergestellt ist. (Wachstum) ist gut,

funktioniert aber nur, solange Arbeitsplätze entstehen und die Wirtschaft wächst. Die Wachstumsraten aber haben immer noch nicht wieder das Niveau erreicht, das sie vor der Rezession hatten. Über die Gründe gehen die Meinungen auch unter Wirtschaftswissenschaftlern auseinander. Auf amerikanischer Seite sieht US-Ökonom Larry Summers die Ursache in der mangelnden Investitionsbereitschaft. Werden die Nachfolger Trumps weiterhin Investitionen im Kongress blockieren? Digitalisierung in Verbindung mit Globalisierung komprimiert Zeit und Raum und untergräbt die Kontrolle/Führung der nationalen Regierung. Technologische Fortschritte sind für den Wegfall von Arbeitsplätzen verantwortlich und verändern die Kultur. «Verlierer» sind Geringqualifizierte, denen der Zugang zu gut bezahlten Arbeitsplätzen genommen wurde. Der zunehmende Überfluss und der Anstieg bei Mieten und Lebenskosten werden der Globalisierung (oder der EU im Falle des Brexit) zugeschrieben. Dies ruft eine ablehnende Haltung gegenüber der Immigration hervor und facht Rassismus an. Es kommt natürlich darauf an, wie gut und wie schnell wir den digitalen Wandel weiter umsetzen. Wenn wir Wachstum generieren wollen, und Bürgerwut vermeiden, brauchen wir die fortschreitende Digitalisierung, damit alle profitieren. Technologische Veränderungen: Fareed Zakaria weist im Magazin Foreign Affairs auf die Auswirkungen hin, die die von Google und anderen Unternehmen auf den Weg gebrachten fahrerlosen Autos haben werden. Mehr als 3 Millionen Amerikaner sind Berufschauffeure und laufen nunmehr Gefahr, ihre Arbeit zu verlieren. Identitätspolitik: Hinter dieser Dynamik steckt eine allgemeine Entwicklung, die die Werte, Religion und Identität der Menschen gefährdet. Diese Entwicklung fördert den Ruf nach mehr Sicherheit (geschlossene Grenzen), mehr Kontrolle oder Autorität, politischer Disziplin oder in anderen Worten Autoritarismus. Diese Entwicklung äußert sich in einem Aufruf zu Patriotismus/Nationalismus, der die Regierung dazu verpflichtet, seine Bürger, die dieselben Normen, dieselbe Geschichte und dieselbe Identität teilen, vor Immigranten zu schützen. Die meisten Dinge, die zu tun sind, sind alles andere als leicht. Nach der Wahl in den Vereinigten Staaten wird es mit Sicherheit schwieriger sein, liberale internationale Werte zu verteidigen und die transatlantische Einheit zu wahren. Die von Donald Trump betriebene populistische Politik auf der Grundlage von Angst, Hass und Diskriminierung untergräbt die Rechtsstaatlichkeit, und die Förderung von Intoleranz, Rassismus, Sexismus und soziale Ungleichheit ist auch in Europa festzustellen. Auf dieser Grundlage gerät unsere repräsentative Demokratie ins Wanken. Michael Baroni postuliert in American Interest eine Dynamik, bei der eine unwiderstehliche Kraft und ein unbewegliches Objekt aufeinandertreffen. Demnach führt Unzufriedenheit zu Streitigkeiten zwischen den Parteianhängern. Diese Unzufriedenheit beruht auf den ergebnislosen und teuren Kriegen im Irak und in Afghanistan und dem Fehlen einer parteiübergreifenden Zusammenarbeit, um die Probleme unter anderem in den Bereichen Arbeit, Infrastruktur und Gesundheit zu bewältigen.

Das was in Amerika passiert, kommt als Nächstes nach Europa. Im Jahr 2017 stehen die Wahlen in Frankreich und Deutschland an. Wieder wird sich die Frage stellen, wer die von Globalisierung, Digitalisierung und technologischem Wandel Benachteiligte, Gedemütigten und Verlorenen für sich gewinnen kann. Der Populismus stellt auch eine große Herausforderung für Europa dar. Danke ++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++ James D. Bindenagel was appointed Henry-Kissinger Professor at the University of Bonn and is founding director of the Center for International Security and Governance (created at the same time as the professorship) in October 2014. Bindenagel is considered a leading expert on transatlantic relations with a special focus on the German-US relationship, with which he is familiar from many years of personal practical experience. During his thirty years in the US diplomatic service, Professor Bindenagel worked both for the US State Department in US consulates and embassies in West Germany, East Germany and the reunified Germany. He was US Ambassador to Germany from 1996 to 1997.