Diese Kopie wird nur zur rein persönlichen Information überlassen. Jede Form der Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Urhebers by the author S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G: 25.07.2011 http://www.reportmainz.de Ärztepfusch ohne Haftpflicht - Warum viele Patienten keine Entschädigung bekommen Autor: Andrea Böll Thomas Hinrichsen Gottlob Schober Kamera: Jens Köppelmann Christian Saal Thomas Frischhut Schnitt: Zsuzsa Döme Moderation Fritz Frey: Guten Abend zu REPORT MAINZ. Fehler können immer passieren - aber es gibt Berufe, wenn es da mal schief läuft, kann es gleich um Leben und Tod gehen. Bei Chirurgen zum Beispiel. Da kann ein Behandlungsfehler ein ganzes Leben ruinieren. Umso wichtiger, dass Ärzte bei ihrer Arbeit von einer Versicherung geschützt werden einer Versicherung, die dann einspringt, wenn der Arzt mal was verbockt.
2 Ich dachte bisher, jeder Arzt in Deutschland müsse eine solche Versicherung haben, so wie jedes Auto versichert sein muss. Falsch gedacht, wie Andrea Böll, Thomas Hinrichsen und Gottlob Schober herausgefunden haben als sie eine Frau trafen, die mit einem Genickbruch zum Arzt kam, und der genau den übersehen hat. Bericht: Ariane Balow ist heute zu 30 Prozent schwerbehindert. Sie kann ihren Kopf kaum noch drehen. Jede Bewegung ist eine Qual. Bei einem Sturz hatte sie sich das Genick gebrochen. Ihr Leben hat sich dadurch dramatisch verändert.»ich bin arbeitslos, kann nicht arbeiten gehen. Alles ist anders geworden. Wenn sie es auch noch bringen wollen, meine Ehe ist dadurch auch noch auseinander gegangen.«nach dem Unfall wurde sie in einer Rettungsstelle untersucht. Dem behandelnden Arzt schildert sie den Unfallhergang genau, erzählt sie uns. Ihr sei schwindlig geworden. Daraufhin sei sie mit dem Genick zuerst auf eine Holzlehne gestürzt und dann auf die Heizung gefallen. Doch der Arzt habe ihr nicht geglaubt.»er sagte dann zu mir, so wie Sie aussehen, hat Sie Ihr Mann verprügelt, wegen dem blauen Auge und hier vorne waren auch Blutergüsse und so, und hat mir eine Spritze gegeben, keinen Arzt hinzugezogen, keine Röntgenaufnahme gemacht, nichts.«in einem Berliner Hotel treffen wir Michael Meyer, den behandelnden Arzt. Er bleibt dabei. Die Symptome beim Abklopfen hätten nicht auf einen Genickbruch hingewiesen.»der Hals war nicht klopfschmerzhaft von Frau Balow und sie konnte auch gut bewegen. Am Endpunkt gab sie einen leichten Schmerz an und für mich sprach das nicht für den Verdacht auf eine Halswirbelfraktur. Und deshalb habe ich sie nicht geröntgt.«
3 Das Berliner Kammergericht sah das anders. Laut Gutachter sei der Genickbruch zu spät erkannt worden, weil Michael Meyer nicht geröntgt hatte. Deshalb muss er 20.000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Doch die Chancen, dass Ariane Balow das Geld auch bekommt, sind gering. Wir wollen von Michael Meyer wissen, warum das so ist.»ich hatte keine Haftpflichtversicherung zu dem Zeitpunkt. Ich kenne es von früher nicht, dass an einem Arzt irgendeine Kritik geübt wurde, weil er etwas unterlassen hat. Bloß dann kam natürlich die Tendenz, die Patienten konnten Geld machen, wenn sie den Arzt verklagen, das hat sich immer mehr rumgesprochen.«ariane Balow verzweifelt an so einer Einstellung. Ihr geht es nicht darum, Kasse zu machen. Sie ist immer davon ausgegangen, dass alle Ärzte im Schadensfall auch versichert sind.»da wusste ich auch nicht, was ich dazu sagen sollte. Auch mein Anwalt, der war total geschockt, wie so was praktizieren darf, so was dürfte es gar nicht geben.«ein Einzelfall? In Hamburg ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen einen Zahnarzt, der rund 30 Patienten geschädigt haben soll. Eines der Opfer ist Thomas Schulze. Ihm wurden von dem besagten Zahnarzt, laut Gutachten, unnötig zwei Zähne gezogen. Sein Kieferknochen wurde schwer geschädigt. Ulrike Hundt-Neumann ist seine Anwältin. Ihre Recherchen deuten darauf hin, dass auch dieser Zahnarzt keinen gültigen Versicherungsschutz hat. O-Ton, Ulrike Hundt-Neumann, Fachanwältin für Medizinrecht:»Der Anwalt des beklagten Zahnarztes hat mir gegenüber angedeutet, dass die Prämien für die Haftpflichtversicherung wohl nicht gezahlt worden sind und aus diesem Grunde die Haftpflichtversicherung die Deckung versagt hat.«
4 Auch Thomas Schulze wird vermutlich nicht angemessen entschädigt werden. Viel mehr noch: Er muss aus eigener Tasche rund 10.000 Euro für die schmerzhafte Nachbehandlung aufbringen. Geld, das der junge Familienvater nicht hat. O-Ton, Thomas Schulze:»Das finde ich unvorstellbar schlimm für Leute, die an Ärzte geraten, die Pfusch machen und nicht versichert sind, so dass die quasi auf ihrem Pfusch sitzen bleiben. Das ist eigentlich für einen Rechtsstaat unmöglich, das geht nicht.«wolfgang Zöller, der Patientenbeauftragte der Bundesregierung. Sein Job ist es, das Problem fehlender Arzt- Haftpflichtversicherungen aufzugreifen. Und tatsächlich: O-Ton, Wolfgang Zöller, CSU, Patientenbeauftragter:»Das Thema ist mehr als relevant, weil es eine wirkliche Gesetzeslücke noch ist, zum Schaden der Patienten. Und deshalb halte ich es für unbedingt erforderlich, dass wir jetzt im Patientenrecht diese Lücke schließen, dass die Ärzte verpflichtet werden, nicht nur eine Haftpflichtversicherung in entsprechender Höhe, sondern, was noch viel wichtiger ist, auch dauerhaft zu gewährleisten.«klingt gut. Zusammen mit Gesundheits- und Justizministerium hat er sogar ein Eckpunktepapier zum Thema Patientenrechte verfasst. Doch das was wir da zum Thema Haftpflichtversicherungen lesen, ist eher ernüchternd. Bundesländer und Ärztekammern seien aufgefordert, durch geeignete Überprüfmechanismen einen solchen Schutz sicherzustellen. Für den SPD Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach ist das kalter Kaffee. Er kritisiert vor allem, dass die Ärztekammern ins Boot geholt werden sollen. O-Ton, Karl Lauterbach, SPD, Gesundheitspolitiker:»Die Ärztekammer hat ja jetzt schon die Aufgabe zu prüfen, ob die Ärzte eine Versicherung haben oder nicht. Sie tut es nicht ausreichend. Es funktioniert nicht. Nach diesem Gesetz hat sie wieder die Zuständigkeit. Sprich, es ändert sich
5 überhaupt nichts. Das Problem wird weitergeführt.«betroffene aber brauchen vom Gesetzgeber eine juristisch verbindliche Lösung. Dadurch, dass Ariane Balow immer noch kein Schmerzensgeld bekommen hat, ist sie heute finanziell ruiniert.»jetzt lebe ich im Moment von Hartz IV, denn arbeiten gehen ist nicht mehr, mein nächster Schritt wird sein, versuchen auf Invalidenrente zu kommen, weiter kann ich nichts machen.«und Michael Meyer? Wird der Arzt mit seinem Privatvermögen für den Behandlungsfehler haften?»bei den Banken habe ich fast eine Million Schulden und die gehen natürlich vor, und die werden sich bedienen. Aber ich kann natürlich nur einige Prozente der Schulden überhaupt abtragen. Leider.«Frage: Das heißt also, Frau Balow wird nichts bekommen?»die wird nichts bekommen!«abmoderation Fritz Frey: Höchste Zeit, dass hier etwas passiert nicht nur deshalb, weil es Ärzte wie Herrn Meyer gibt. Zum Thema übrigens im Netz unter www.reportmainz.de ein Gespräch mit meinem Kollegen, unter anderem zur Frage, was man tun kann, wenn der Arzt nicht versichert ist.