Grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung zum Bau eines Atomkraftwerks in Paks, Ungarn



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Transkript:

MdB Deutscher Bundestag 11011 Berlin Ministry of Agriculture Department of Environmental Conservation H-1055 Budapest Kossuth tér 11 Republik Ungarn Bundeshaus Femke Hustert Sina Lippmann Bastian Zimmermann Platz der Republik 1 11011 Berlin (030) 227 747 40 (030) 227 767 42 sylvia.kotting-uhl@bundestag.de Büro Karlsruhe Babette Schulz Sophienstraße 58 76133 Karlsruhe (0721) 1518 687 (0721) 1518 690 sylvia.kotting-uhl@wk.bundestag.de Per E-Mail an: paks2@fm.gov.hu Berlin, 22. Mai 2015 Grenzüberschreitende Umweltverträglichkeitsprüfung zum Bau eines Atomkraftwerks in Paks, Ungarn Stellungnahme von MdB Stellungnahme zum grenzüberschreitenden UVP-Verfahren, Umweltverträglichkeitsstudie AKW Paks II, Ungarn Sehr geehrte Damen und Herren, der ungarische AKW-Betreiber Magyar Villamos Művek (MVM) ist ein staatliches Energieversorgungsunternehmen, welches derzeit den Ausbau des Atomkraftwerks Paks plant (Paks NPP II). Das Atomkraftwerk besitzt bereits vier Reaktoren und soll um zwei Druckwasser-Reaktorblöcke der III. Generation mit einer Kapazität von je 1.200 MW erweitert werden. Für dieses Vorhaben führt das ungarische Landwirtschaftsministerium eine Umweltverträglichkeitsprüfung (im Weiteren UVP) durch...2

Das Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz unterrichtet auf seiner Homepage darüber, dass sich in Umsetzung des Übereinkommens über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen (Espoo-Konvention) und der Richtlinie 85/337/EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten Deutschland an diesem Verfahren beteiligt. 1 Für die Behörden und die Öffentlichkeit in Deutschland besteht bis zum 22. Mai 2015 die Möglichkeit, sich im Rahmen des grenzüberschreitenden UVP-Verfahrens zu äußern. Diese Möglichkeit möchte ich mit der folgenden Stellungnahme zum Ausbau des Atomkraftwerks im ungarischen Paks nutzen. 1. Nullvariante und Alternativen: Die Darstellung der sogenannten Nullvariante 2 wird unzureichend in der UVP berücksichtigt. Laut Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2001/42/EG soll eine Alternative zum angestrebten Projekt dargestellt werden: (1) Ist eine Umweltprüfung nach Artikel 3 Absatz 1 durchzuführen, so ist ein Umweltbericht zu erstellen; darin werden die voraussichtlichen erheblichen Auswirkungen, die die Durchführung des Plans oder Programms auf die Umwelt hat, sowie vernünftige Alternativen, die die Ziele und den geographischen Anwendungsbereich des Plans oder Programms berücksichtigen, ermittelt, beschrieben und bewertet. 3 Erneuerbare Energien sowie Maßnahmen zur Energieeffizienz und -einsparung werden nicht als Alternativen im vorliegenden UVP-Bericht berücksichtigt. Gerade der Ausbau von Erneuerbaren Energien wäre eine günstige, nachhaltige und vor allem auch ungefährliche Alternative zum geplanten AKW-Neubau in Ungarn. Mit einem 1 Vgl. Homepage des Bayerische Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz: Öffentlichkeitsbeteiligung an grenzüberschreitendem Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung zum Neubau Paks II. Stand: 18.05.2015. Online abrufbar unter URL: http://www.stmuv.bayern.de/umwelt/reaktorsicherheit/paks/index.htm 2 In diesem Fall: das Atomkraftwerk wird nicht gebaut 3 Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme. Online abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/lexuriserv/lexuriserv.do?uri=celex:32001l0042:de:not (Stand März 2014). 2

Ausbau der Erneuerbaren Energien wäre es Ungarn ebenfalls möglich, seine Energieziele zu erreichen und darüber hinaus auch seine Klimabilanz zu verbessern. Grenzüberschreitende Auswirkungen auf Deutschland sind bei den Erneuerbaren Energien, im Gegensatz zur Atomkraft, nicht zu erwarten. Ungarn sollte die tatsächlich vorhandenen Potenziale für erneuerbare Energieträger wie Windkraft, Biomasse, Biogas und Solarenergie ausführlich darstellen. 2. Kosten und Umsetzung des Projektes 2.1. Grundlegende Kosten Im Bericht werden nicht die Kosten für den gesamten Kernbrennstoffkreislauf, inklusive der Kosten für den Rückbau und der Atommüllendlagerung, dargestellt. Ebenfalls werden keine Alternativen und deren Produktionskosten analysiert. Neben der mangelhaften Darstellung bezüglich der Rückstellungen für den Rückbau des Atomkraftwerks, wurde auch nicht hinreichend dargestellt, wie der AKW-Betreiber seinen Verpflichtungen im Haftungsbereich nachkommen will. Die Katastrophe von Fukushima hat bewiesen, dass ein atomarer Unfall unbeherrschbar ist und die Haftungs-Vorsorge der AKW- Betreiber schnellstmöglich verbessert werden muss. 2.2. Ungarisch-Russischer Atomdeal Dass der Bau von Atomkraftwerken ökonomisch nicht sinnvoll und tragfähig ist, ist heute bekannt. Aktuell wird das durch das Neubau-Vorhaben Hinkley Point C in Großbritannien bekräftigt. Hier sieht die britische Regierung die Lösung darin, den Neubau massiv zu subventionieren. Auch in Ungarn ist der Bau des Kraftwerks nur möglich, indem ein Großteil der Projektkosten durch einen Kredit aus Russland gedeckt wird. Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán und der russische Regierungschef Wladimir Putin unterzeichneten im Januar 2014 einen Bau-Rahmenvertrag. Der Ausbau von Paks II soll rund 12,5 Mrd. EUR kosten, wovon 10 Mrd. EUR durch den russischen Kredit, der Rest aus Steuergeldern vorfinanziert werden wird. Russland wird somit 80% der Baukosten mit dem Kredit abdecken. Weitere Bedingungen beim Großprojekt Paks sind, dass die nuklearen Brennstäbe von Russland geliefert werden und auch die Entsorgung 3

in russischer Hand liegen soll. Neben der Abhängigkeit beim Gas macht sich Ungarn nun auch im Atombereich stark abhängig von Russland. 2.3. Rückzahlung des Kredits Der Kredit muss innerhalb von 21 Jahren zurückgezahlt werden und beinhaltet eine gestaffelt steigende Zinsrate, die zukünftige SteuerzahlerInnen unfair belasten wird. 4 Die Rückzahlung beginnt zudem bereits im Jahr 2026, unabhängig davon, ob die Reaktoren fertig gebaut sind oder nicht. Die Erfahrungen bei AKW-Neubauten in Europa zeigen, dass Verzögerungen bei der Fertigstellung Standard sind. Bereits seit 2007 wird im französischen Flamanville am Europäischen Druckwasserreaktor (EPR) gebaut. Die für 2012 ursprünglich geplante Inbetriebnahme ist schon lange passé. Inzwischen wird die Fertigstellung jetzt für das Jahr 2017 ins Auge gefasst, zehn Jahre nach Baubeginn. Die Baukosten sind zudem explodiert: von 3,3 Milliarden Euro auf mindestens 8 Milliarden Euro. Die gleichen Probleme spielen sich beim EPR-Bau im finnischen Olkiluoto ab. Die Inbetriebnahme des Reaktors war für 2010 geplant und wird nun für 2018 angestrebt. Die Bauskosten haben sich von ebenfalls 3,3 Mrd. Euro fast verdreifacht auf 8,5 Mrd. Euro. Im Zusammenhang mit einer Verzögerung bei der Fertigstellung des AKW muss sichergestellt werden, dass die frühe Kreditrückzahlung nicht aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, da dies einer unrechtmäßigen staatlichen Beihilfe im EU- Wettbewerbsrecht entspräche. Im März 2015 beschloss das ungarische Parlament zudem die Verträge bis zu 30 Jahre lang der Geheimhaltung zu unterlegen, was eine transparente Analyse aller ökonomischen Fakten unmöglich macht. 2.4 Fehlendes Ausschreibungsverfahren und Liefervertrag für Kernbrennstoffe Den Bauauftrag für die beiden neuen Reaktoren erhielt das russische Staatsunternehmen Rosatom. Allerdings gab es hierfür keine öffentliche Ausschreibung, obwohl es im europäischen Wettbewerbsrecht vorgesehen ist. Die ungarische Umweltschutzorganisation Energiaklub hat bereits Beschwerde bei der Europäischen Kommission einge- 4 Vgl. Musterstellungnahme Stellungnahme zum grenzüberschreitenden UVP-Verfahren, Umweltverträglichkeitsstudie KKW Paks II, Ungarn erstellt durch GLOBAL 2000 (2015). Online abrufbar unter URL: https://www.global2000.at/ich-packs-nicht 4

reicht. Nach Auskunft der Wettbewerbsbehörde an die österreichische Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000 prüft diese ein beihilfenrechtliches Verfahren gegen Ungarn aufgrund des mittlerweile unterzeichneten Bauvertrags. 5 Ein Teil des Vertrags zwischen Ungarn und Russland wurde bereits aufgehoben und musste neu verhandelt werden: Die Europäische Kommission lehnte im März dieses Jahres den Liefervertrag für Kernbrennstoff über 20 Jahre und ausschließlich mit Russland als EURATOM-widrig ab, da hier die Versorgungssicherheit gefährdet sei. Daraufhin mussten die beiden Staaten neu verhandeln und beschränkten sich auf einen Liefervertrag über zehn Jahre. Ungarn verhandelte daraufhin den Vertrag mit Russland neu und beschränkte den Nuklearbrennstoff-Liefervertrag auf 10 Jahre. 3. Lagerung der radioaktiven Abfälle Die Finanzierung für ein Atommüll-Endlager in Ungarn ist noch völlig offen. Da auch die Verträge mit Russland unter Verschluss sind, ist zudem unklar, welche Rolle Russland in dieser Angelegenheit spielen wird. Außerdem gibt es keine Angaben zur geplanten Zwischenlagerung der abgebrannten Brennelemente der neuen Reaktoren. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob das bestehende Zwischenlager am Standort Paks erweitert werden muss, um die Abfälle der neuen Reaktoren aufzunehmen. Um dem Verursacherprinzip Folge zu leisten sollten genug Rücklagen für den Bau eines Endlagers gebildet werden. 4. Technische Probleme und äußere Einflüsse Beim für die beiden Blöcke in Paks II vorgesehenen Reaktortyp, AES 2006 (VVER-1200) von Atomstrojexport, handelt es sich um einen weltweit noch nie eingesetzten Reaktor- 5 Vgl. Musterstellungnahme Stellungnahme zum grenzüberschreitenden UVP-Verfahren, Umweltverträglichkeitsstudie KKW Paks II, Ungarn erstellt durch GLOBAL 2000 (2015). Online abrufbar unter URL: https://www.global2000.at/ich-packs-nicht. 5

rype, über dessen technisches Verhalten und dessen Umweltauswirkungen, insbesondere über die Ableitung von radioaktiven Stoffen im Regelbetrieb über Luft und Wasser, aber auch über Störfall- und Unfall-Verhalten keine Erfahrungen vorliegen. 6 In der Umweltverträglichkeitsprüfung werden keine Beschreibungen zu den Auswirkungen und Folgen terroristischer Anschläge sowie Cyber- oder Kriegsangriffe auf die Anlage gemacht. Hier muss der Betreiber dringend nachliefern. 5. Mögliche negative Umweltauswirkungen auf Deutschland Die Gefahr eines atomaren Unfalls würde durch den Ausbau des Atomkraftwerks in Paks deutlich ansteigen. Mit Hilfe des Projekts flexrisk ist es möglich, die geographische Verteilung des Risikos durch Unfälle in Atomanlagen in Europa zu untersuchen. Ausgehend von Quelltermen und Unfallhäufigkeiten wurden meteorologische Ausbreitungsrechnungen für etwa 2.800 Wettersituationen und daran anschließende Dosisberechnungen zur Abschätzung der Folgen schwerer Unfälle durchgeführt. 7 Auf der folgenden Karte wird die wahrscheinliche Ausbreitung von > 5kBq Cs-137/m 2 dargestellt, die durch einen Reaktorunfall in Paks entstehen könnte. Demnach wäre Deutschland der radioaktiven Strahlung ausgesetzt. Beispielhaft wird dies im folgenden Schaubild an Reaktor 1 des Atomkraftwerks gezeigt. Dieser hat aber mit 500 MW eine viel geringere elektrische Bruttoleistung, als die geplanten neuen Reaktoren mit einer Leistung von 1200MW. 6 Vgl. Musterstellungnahme Stellungnahme zum grenzüberschreitenden UVP-Verfahren, Umweltverträglichkeitsstudie KKW Paks II, Ungarn erstellt durch GLOBAL 2000 (2015). Online abrufbar unter URL: https://www.global2000.at/ich-packs-nicht 7 vgl. Das Projekt "flexrisk" - Flexible Werkzeuge zur Abschätzung des nuklearen Risikos in Europa. Online abrufbar unter URL: http://flexrisk.boku.ac.at/index.html (Stand: 2012). 6

Der Bau des Atomkraftwerks gefährdet die ungarische, die direkt angrenzende, aber auch die deutsche Bevölkerung. Ein radioaktiver Fallout in Deutschland ist nicht auszuschließen. Der Ausbau von Erneuerbaren Energien würde grenzüberschreitende Um- 7

weltauswirkungen und Risiken wie die eines atomaren Unfalls vermeiden. Die Auswirkungen eines Atomunfalls auf Mensch und Umwelt in Ungarn werden im UVP-Bericht nur unzureichend dargestellt. Das Gleiche gilt für grenzüberschreitende Auswirkungen. 6. Notfallschutzmaßnahmen I Auf Basis der übersandten Unterlagen kann nicht verlässlich beurteilt werden, wie die Planung und Ausgestaltung des anlagenexternen Notfallschutzes bei der Freisetzung radioaktiver Stoffe aus den atomaren Anlagen konzipiert ist. Gerade nach der Katastrophe von Fukushima mit drei Kernschmelzen müssen die bisherigen Standards deutlich erhöht werden. Die Schutzmaßnahmen müssen auch auf ein katastrophales Szenario wie in Fukushima, also einem langandauernden Atomunfall mit dauerhafter radioaktiver Freisetzung, ausgelegt sein. Laut der aktuellen Stellungnahme der Schutzkommission beim Bundesministerium des Innern vom Februar 2014 8 bezüglich des anlagenexternen Notfallschutzes für Atomkraftwerke sind besonders die folgenden Bereiche zu beachten. Der Betreiber sollte seinen Notfallschutz dahingehend überprüfen und gegebenenfalls anpassen. 6.1. Sichere Verbindung von anlageninternem zu anlagenexternem Notfallschutz Anlageninterne und anlagenexterne Notfallmaßnahmen bauen aufeinander auf. Dazu ist es erforderlich, dass die Betreiber unverzüglich die für den Katastrophenschutz zuständigen Behörden im Einsatzfall informieren, Der Alarm sollte, entsprechend der Empfehlung zur Alarmeinstufung des Betreibers, ohne weitere Verzögerung seitens der zuständigen, erstalarmierten Behörde an alle zuständigen Stellen und Einrichtungen weiter geleitet werden. Dies sollte auch erfolgen, wenn die erst alarmierte Stelle noch nicht über die Alarmstufe entschieden hat. Nur so kann die gesamte Einsatzkette zeitgleich wirksame Schutzmaßnahmen vorbereiten und einleiten. (...) 8 vgl. Stellungnahme der Schutzkommission zur Umsetzung der Erfahrungen aus Fukushima für die Planung von Notfallschutzmaßnahmen in Deutschland (Schutzkommission beim Bundesministerium des Innern, erschienen Februar 2014) 8

6.2. Umfassende Erstellung der radiologischen Lage über Ländergrenzen hinweg Die Vorhersage radiologischer Auswirkungen für die Bevölkerung geht von prognostizierten Quelltermen und Wetterdaten aus, auf deren Basis weitreichende Entscheidungen für Schutzmaßnahmen getroffen werden müssen. Bei einer Prognose für eine länger andauernde Freisetzung führen die damit verbundenen Parameterunsicherheiten - auch bei inzwischen sehr zuverlässigen Wetterprognosen - sowie die notwendigen konservativen Annahmen und Randbedingungen möglicherweise zu einer Überschätzung des betroffenen Gebietes. Da feste Radien angenommen werden, innerhalb derer gleichzeitig evakuiert werden soll, ist eine Überforderung der Hilfskräfte zu befürchten. Es gibt inzwischen Modelle, die sichere Sofort-Vorhersagen des Raum- und Zeitverhaltens von Gefahrstoffwolken erlauben. In Abhängigkeit von der Wetterentwicklung ist es mit diesen Modellen leicht möglich, die Räumung von Sektoren je nach Gefahrenlage zeitlich zu staffeln, denn je nach Änderung der Windrichtung werden bei längerfristigen Freisetzungen andere Regionen betroffen sein. Zudem liegen bei einem konkreten Ereignis schon kurze Zeit nach der Emission zahlreiche Einzelmesswerte und -reihen von fest installierten Sonden sowie von mobilen Messtrupps über die radiologische Lage, insbesondere bezüglich der Dosisleistung, vor, sodass das betroffene Gebiet relativ gut abgegrenzt werden kann. (...) Die Zusammenführung von Prognosedaten aus einem Echtzeit-Entscheidungshilfesystem mit konkreten Messdaten in eine geschlossene Darstellung der radiologischen Lage in einem rechnergestützten System sieht die Schutzkommission als Voraussetzung für angemessene Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung an. (...) Zudem ist die Evakuierungsplanung, gegebenenfalls bis zu größeren Radien hin, zu überprüfen; dabei sind auch Aufnahmemöglichkeiten für Evakuierte festzulegen. Auch die rasche Ausgabe von Jodtabletten muss durch entsprechende Planung praxisgerecht vorbereitet werden (...) 6.3. Medizinische Versorgung und Nachsorge Hinsichtlich der radiologischen Bewertung der Exposition fehlt es (...) an ausreichend ausgebildetem Personal in den Notfallstationen, insbesondere an Strahlenschutzärzten. Ein Verfahren zur notwendigen, möglichst Rechner-gestützten Abschätzung der Strah- 9

lenexposition von Betroffenen sollte bundesweit eingeführt und so vereinheitlicht werden, dass Einsatzkräfte in den Notfallstationen über Ländergrenzen hinweg eingesetzt werden können. Die Schutzkommission fordert daher eine Verbesserung der medizinischen Versorgung und Nachsorge der getroffenen und Besorgten unter Einbeziehung des bestehenden Gesundheitssystems, insbesondere hinsichtlich der Qualifizierung des Personals für die Notfallstationen sowie der notwendigen Infrastrukturen. 6.4. Langfristiges Krisenmanagement Die technischen und organisatorischen Maßnahmen müssen durch eine länderübergreifende Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internen Kommunikation und der externen Krisenkommunikation mit der Bevölkerung ergänzt werden. Bei einer großräumigen, lang andauernden Evakuierung stehen Unterbringung und Versorgung der betroffenen Bevölkerung, einschließlich der Sicherung des geräumten Gebietes, im Mittelpunkt der Tätigkeiten. Darüber hinaus sind von Bedeutung: Aufklärung und Information der Bevölkerung unter Einbeziehung aller gesellschaftlich relevanter Gruppen zur Vermeidung möglicher sozialer Unruhen, Funktionserhalt bzw. Funktionswiederherstellung wichtiger kritischer Infrastrukturen für den Fall der Rückkehr der Bevölkerung in das betroffene Gebiet, Handhabung und Entsorgung großer Mengen von radioaktiv belastetem Material, das bei einer Dekontamination anfällt. 9 7. Notfallschutzmaßnahmen II Aufgrund der Erkenntnisse, die nach dem Atomunfall in Fukushima gewonnen werden konnten, hat auch die Strahlenschutzkommission die fachlichen Grundlagen für den Notfallschutz in Deutschland und das dazugehörige Regelwerk einer Prüfung unterzogen. 10 Im Zuge der Überprüfung wurde ermittelt, dass eine Änderung der Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Atomkraftwerken notwendig ist. Ich bin der 9 Stellungnahme der Schutzkommission zur Umsetzung der Erfahrungen aus Fukushima für die Planung von Notfallschutzmaßnahmen in Deutschland (Schutzkommission beim Bundesministerium des Innern, erschienen Februar 2014), S. 2ff. 10 Empfehlung der Strahlenschutzkommission Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken, verabschiedet am 13./14. Februar 2014 in der 268. Sitzung der Strahlenschutzkommission. 10

Meinung, dass diese neuen Erkenntnisse auch bei dem Neubauvorhaben berücksichtigt werden sollten, um im Falle eines atomaren Unfalls die Bürger und Bürgerinnen besser schützen zu können. 7.1. Planungsgebiet Zentralzone Die Zentralzone erstreckt sich bei Kernkraftwerken im Leistungsbetrieb bis zu einer Entfernung von etwa 5 km von der Anlage [Anm. d. Autors: Vorher waren es 3km]. (...) Maßnahmen in der Zentralzone sind wegen der Nähe zur kerntechnischen Anlage besonders dringlich und werden unabhängig von der Ausbreitungsrichtung radioaktiver Stoffe durchgeführt. Für die Zentralzone sollen die Maßnahmen so vorbereitet werden, dass sie möglichst vor dem Beginn einer unfallbedingten Freisetzung durchgeführt werden können. Die Evakuierung der gesamten Bevölkerung aus der Zentralzone soll daher innerhalb von etwa 6 Stunden nach der Alarmierung der zuständigen Behörden abgeschlossen sein können. Die Maßnahmen zur Vorbereitung der Iodblockade, d. h. die Verteilung der Iodtabletten an alle Personen, für die eine Iodblockade vorzusehen ist, sollen im selben Zeitraum abgeschlossen werden können. 7.2. Planungsgebiet Mittelzone Die Mittelzone umschließt die Zentralzone; bei Kernkraftwerken im Leistungsbetrieb beträgt der äußere Abstand von der kerntechnischen Anlage etwa 20 km [Anm. d. Autors: Vorher waren es 10km]. (...) Für dieses Gebiet sind wie auch für die Zentralzone Maßnahmen zur Abwehr akuter Gefahren für Leben und Gesundheit der Bevölkerung vorzubereiten. (...) Die Evakuierung ist so zu planen, dass sie in der Mittelzone innerhalb von 24 Stunden nach der Alarmierung der zuständigen Behörden abgeschlossen werden kann. Die Voraussetzungen für die Durchführung der Iodblockade, d. h. die Verteilung der Iodtabletten an alle Personen, für die eine Iodblockade vorzusehen ist, sollen innerhalb von 12 Stunden geschaffen werden können. (...) 7.3. Planungsgebiet Außenzone Die Außenzone umschließt die Mittelzone. Die äußere Begrenzung dieses Planungsgebietes liegt für Kernkraftwerke im Leistungsbetrieb etwa 100 km von der kerntechnischen Anlage entfernt [Anm. d. Autors: Vorher waren es 25km sowie eine Fernzone 11

von 100km]. (...) In diesem Planungsgebiet sollen Maßnahmen zur Ermittlung und Überwachung der radiologischen Lage vorbereitet werden, die es ermöglichen, die Notwendigkeit für weitere Maßnahmen festzustellen. Neben den Messprogrammen zur Ermittlung der radiologischen Lage sind die Maßnahme Aufenthalt in Gebäuden und die Verteilung von Iodtabletten an alle Personen, für die eine Iodblockade vorzusehen ist und die Warnung der Bevölkerung vor dem Verzehr frisch geernteter Lebensmittel vorzubereiten. 11 Die Strahlenschutzkommission empfiehlt ebenfalls für das gesamte Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland die Versorgung von Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren sowie Schwangeren mit Iodtabletten zur Herstellung einer Iodblockade. Dabei geht die Strahlenschutzkommission von einer Betroffenheit bei Atomunfällen von 600 bis 700km aus. Daraus ergibt sich für mich die Schlussfolgerung, dass auch die deutsche Bevölkerung in weiten Teilen von einem Reaktorunfall in Temelín, Dukovany oder einem neu gebauten Atomkraftwerk auf tschechischem Gebiet betroffen wäre. 8. Schluss Der Neubau der zwei Atomreaktoren in Paks geht mit großen Risiken für Mensch und Umwelt einher. In keinem der heute betriebenen Atomkraftwerke ist ein schwerer Unfall auszuschließen. Der Standort Paks ist nur rund 470km von der deutschen Grenze entfernt. Die Auswirkungen eines radioaktiven Unfalls auf ungarischem Staatsgebiet wären über Landesgrenzen hinaus deutlich spürbar. Große Bevölkerungsgruppen in Ungarn, Deutschland und angrenzenden Ländern wären von den Folgen eines Atomunfalls betroffen. Den Ausbau einer gefährlichen Technologie anzustreben, die auch nach über einem halben Jahrhundert noch nicht selbstständig und ohne starke Subventionen bestehen kann, ist meines Erachtens nach falsch. Erneuerbare Energien sind schon nach 10 Jahren deutlich günstiger geworden als zu Beginn ihrer Nutzung. 11 Empfehlung der Strahlenschutzkommission Planungsgebiete für den Notfallschutz in der Umgebung von Kernkraftwerken, verabschiedet am 13./14. Februar 2014 in der 268. Sitzung der Strahlenschutzkommission, S.4f. 12

Ich bin nicht der Meinung, dass Ungarn durch den Atomausbau seine Energie-Unabhängigkeit vergrößert. Meines Erachtens macht sich Ungarn durch den Vertrag mit Russland, den Import der Kernbrennstäbe sowie den Import von Uran erst Recht abhängig. Die einzige Variante sich wirklich energieunabhängig zu machen, wäre der Ausbau der Erneuerbaren Energien. Aufgrund der erhöhten Gefahr durch einen Zubau von Atomkraft in Europa spreche ich mich gegen den Neubau aus und bitte Sie, meine Bedenken und Einwände in das weitere Verfahren mit einzubeziehen. Darüber hinaus bitte ich die ungarische Regierung den bilateralen Austausch zu energiepolitischen Fragen mit ihren Partnern zu vertiefen und alternative, CO2-arme Energieformen zu diskutieren. Gleichwohl fordere ich im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung eine formelle öffentliche Anhörung in Deutschland. Mit freundlichen Grüßen MdB 13