I. Die Leuenberger Konkordie und die Einheit der Kirche.

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Transkript:

André Birmelé Emden 18 August 2013 40 Jahre Leuenberger Konkordie. Entstehung und Wirkungsgeschichte. I. Die Leuenberger Konkordie und die Einheit der Kirche. In der Leuenberger Konkordie (LK), deren 40tes Jubiläum wir in diesem Jahr feiern, geht es um nichts anderes als um die Einheit der Kirche. Durch diese Konkordie verstehen sich die reformatorischen Kirchen in Europa als gemeinsamer wahrer Ausdruck der einen Kirche Jesu Christi und erklären dies. Um dies zu verstehen macht es Sinn auf das zweite Kapitel der Apostelgeschichte zurückzugreifen. Dort wird uns das erste Pfingsten, damals in Jerusalem, erzählt. Dieses Ereignis ist allen bekannt. Ein Blick auf dieses erste Pfingsten erlaubt uns die Grundanliegen und das Vorgehen der LK besser zu verstehen. I.1. Das was wir alle von diesem ersten Pfingsten wissen ist die Tatsache, dass die damals versammelten Christen plötzlich in verschiedenen Sprachen redeten. Mit einer Sprachhochschule in welcher man im Schnellkurs andere Sprachen lernt, hatte dies nichts zu tun. Es ging um etwas ganz anderes. Die Jerusalemer Judenchristen staunten und freuten sich, dass nun auch Menschen aus Kreta, Zypern, Ägypter, Römer und Araber, jeder mit seinem kulturellen Hintergrund, in seiner Tradition und Mundart, das Evangelium hörte und es laut verkündete. Dieses bunte Durcheinander, welches Außenstehende als Trunkenheit ansahen, bedeutete ganz einfach dass das eine Evangelium in verschiedenen Traditionen und Frömmigkeitsgestalten zum Ausdruck kommt. Grund genug für die ersten Christen Gott zu loben. Mit anderen Worten: die Verschiedenheit ist kein Nachteil sondern ein Reichtum. Wir haben allen Grund uns darüber zu freuen dass die Kirche je nach Land und Zeit immer sehr verschiedene Gesichter hat, in verschiedenen Sprachen und Kulturen zum Ausdruck kommt. Es ging damals in Jerusalem um das eine Evangelium, um die eine Kirche. Evangelium, Einheit der Kirche und Vielfalt sind keine Gegensätze. Die Einheit der Kirche bedeutet nicht Einheitlichkeit, langweilige Uniformität. Die Einheit der Kirche umfasst die Vielfalt im damaligen Jerusalem und auch heute. Die Verfasser der LK waren dieser Überzeugung. Ihr Ziel war es die vielen Gestalten reformatorischer Kirchen, die sich in den letzten fünf Jahrhunderten entwickelt haben, zu einer Kirche zusammenzuführen ohne dabei ihre große Vielfalt, die zu ihrem Reichtum gehört, preiszugeben. Französische Hugenotten aus den Cevennen waren immer und werden wohl auch immer misstrauisch sein gegenüber norwegischen Lutheranern mit ihren Gewändern, Liturgien und Kerzen. Gehören jedoch nicht beide zur gleichen Kirche Jesu Christi? Andere Sprachen und eine Kirche! I.2. Beim Bemühen um die Einheit der Kirche kann es jedoch nicht um die Vielfalt um der Vielfalt willen gehen. Daher ist ein zweiter Hinweis auf der Pfingstgeschichte wichtig, ein Hinweis der noch bedeutender ist als das Reden in vielen Sprachen. Nach der Predigt des

Petrus, die den Inhalt des Evangeliums, das Heilsereignis in Kreuz und Auferstehung Jesu Christi, auslegt, wird uns von dieser ersten Christenheit berichtet, dass sie eine Gemeinschaft, eine Kirche, bildete. Was kennzeichnet diese Kirche? Das zweite Kapitel der Apostelgeschichte beschreibt sie mit diesen Worten: Die nun das Wort annahmen ließen sich taufen Sie blieben beständig in der Apostel Lehre und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet Alle aber die gläubig waren geworden, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. (Apg 2, 41-44). Kirchengemeinschaft ist Gottesdienstgemeinschaft. Die Einheit der Kirche ist dann gegeben wenn die Gemeinschaft der Getauften im Hören auf das Wort, in der Feier des Herrenmahls, im Lob Gottes und im Gebet zu einer Kirche zusammengeführt wird. Im gepredigten Wort und in den Sakramenten der Taufe und des Herrenmahles schenkt sich Gott den Seinen, Er erneuert ihnen Seine Zusage, dass sie seine Kinder sind, Er gibt ihnen Anteil an der Gemeinschaft die Er, Gott, selbst ist. Er fügt sie zusammen zu einer Kirche. Zu diesem im Pfingstbericht dargelegten Kirchenverständnis sind die Reformatoren im XVI Jahrhundert zurückgekehrt. Sie haben die damalige Bischofskirche mit ihren vielen Missständen hinterfragt und die Kirche als die Gemeinschaft der Gläubigen in welcher in Wahrheit Wort und Sakramente gefeiert werden verstanden. Man kann dies bei Luther, Calvin oder im Augsburger Bekenntnis nachlesen: Es wird auch gelehrt, dass allezeit eine heilige, christliche Kirche sein und bleiben muss, die die Versammlung aller Gläubigen ist, bei denen das Evangelium rein gepredigt und die heiligen Sakramente laut dem Evangelium gereicht werden (CA7). Auf dieses Kirchenverständnis des Pfingstberichtes beruft sich auch die Leuenberger Konkordie. Wie das Augsburger Bekenntnis geht sie noch einen Schritt weiter und spricht von der Einheit der Kirche: Nach reformatorischer Einsicht ist darum zur wahren Einheit der Kirche die Übereinstimmung in der rechten Lehre des Evangeliums und in der rechten Verwaltung der Sakramente notwendig und ausreichend. (LK2). Mit anderen Worten: Wenn meine Kirche in einer anderen Kirche die wahre Feier von Wort und Sakrament feststellt, so ist sie mit dieser Kirche, die durch eine andere Kultur, eine andere Geschichte, eine andere Tradition oder eine andere Frömmigkeit gekennzeichnet ist, in voller Gemeinschaft, in Kirchengemeinschaft. Diese Kirchen bilden eine Kirche und erklären dies. Sie erkennen sich gegenseitig als wahrer Ausdruck der einen Kirche Jesu Christi an. Diese verschiedenen Kirchen sind nicht nur in der Lage gemeinsam Gottesdienst zu feiern sondern bilden mit allen anderen Kirche mit denen sie gemeinsam feiern können, die eine Kirche Jesu Christi die über alle Grenzen hinweg reicht. Als Gemeindeglied bin ich nun auch in dieser anderen Kirche zu Hause, auch als Träger eines kirchlichen Amtes, als Pfarrer, kann ich in dieser anderen Kirche meinen Dienst ausüben. Dies ist das Einheitsverständnis der Signatarkirchen der Leuenberger Konkordie, und heute der GEKE (Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa). Ohne ihre verschiedenen Traditionen, ihre verschiedenen Geschichten, ihre verschiedenen Bekenntnisformulierungen und ihre verschiedenen Kontexte aufzugeben, treten die einzelnen Kirchen in eine neue Beziehung zueinander. Sie bilden eine communio. Aufgrund ihrer Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums: - gewähren sie einander Gemeinschaft in Wort und Sakrament; - erkennen sich gegenseitig als wahrer und voller Ausdruck der einen Kirche Jesu Christi an; - verpflichten sich die neu gewonnene Gemeinschaft zu vertiefen durch ihre Verwirklichung im Leben der Kirchen und Gemeinden, durch stete theologische Weiterarbeit, um zu einer möglichst großen Gemeinsamkeit in Zeugnis und Dienst in der Welt zu gelangen; - ermöglichen sie, aufgrund der gegenseitigen Anerkennung der Ordination, den Austausch ihrer Amtsträger. Dieser Schritt wurde vor vierzig Jahren vollzogen und dies feiern wir heute.

I. 3. Ein letztes aus der Pfingstgeschichte: Hauptakteur damals in Jerusalem war der Heilige Geist, Gott selbst. Er hat diese Kirche des Pfingstages gestiftet, gegründet, die Gemeinschaft gestärkt und stets erneuert. Es war kein Menschenwerk. Die ersten Christen haben sich voll auf Gott verlassen. Dies gilt auch heute für unsere Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa: Die Kirchengemeinschaft ist Werk des Heiligen Geistes. Die Einheit der Kirche ist Gabe Gottes an die Menschen. Gott schenkt den Gläubigen diese Kirchengemeinschaft. Als vorgegebene Wirklichkeit wird sie zur Aufgabe der einzelnen Kirchen und aller Gläubigen. Sie haben als Auftrag diese Kirchengemeinschaft zu gestalten, ihr Sichtbarkeit zu verleihen und sie in diesem Sinne zu verwirklichen. Sie ist wie eine zärtliche, kleine aber schöne Blume; sie ist nicht das Werk der Gärtner sondern ist jenen vorgegeben; sie braucht aber dringend Gärtner damit sie gedeihen kann. Kirchengemeinschaft ist ein Prozess. Das Einheitsmodell Kirchengemeinschaft ist stets im Werden. Dieses Einheitsmodell versteht sich im Dienst aller christlichen Kirchen. Es will und kann nicht allein auf die reformatorischen Kirchen beschränkt bleiben. II. Die Entstehung und die Grundanliegen der Leuenberger Konkordie II. 1. Ausgangspunkt waren die Entwicklungen im reformatorischen Lager im XVI Jahrhundert. Es kam damals nicht zu einer reformatorischen Bewegung. Luther, Calvin, Zwingli haben sich mit ihren Anhängern, jeder auf seiner Seite, von Rom getrennt. Und untern den Bewegungen, welche sich auf die verschiedenen Reformatoren beriefen, kam es zu gegenseitigen Verwerfungen. Das Verständnis der Person Jesu Christi und die Aussagen Calvins über die doppelte Prädestination standen zwischen Lutheranern und Reformierten. Die lutherischen Bekenntnisschriften verurteilten Calvins Lehre in diesen Fragen. Im Blick auf das Abendmahl/Herrenmahl war es noch schwieriger, denn es kam nicht nur zur Trennung zwischen Luther und Zwingli in Marburg 1529, auch innerhalb des reformierten Lagers kam es zur Spaltung zwischen den reformierten aus Zürich, den Zwinglianern, und den reformierten aus Genf und Paris welche sich auf Calvin beriefen, wie es das erste französischen Bekenntnis (Gallicana 1559) belegt. So entstanden verschiedene sich gegenseitig ausschließende Kirchentümer. Erst im XX Jahrhundert kam Bewegung in diese Situation. Neuere theologische Erkenntnisse, - nicht zuletzt die Theologie des schweizer reformierten Karl Barth - verdeutlichten dass die Opposition im Verständnis der Person Christi und die Frage nach der doppelten Prädestination, Fragen des XVI Jahrhunderts waren, die sich heute weitgehend erübrigt haben. In den Ländern Westeuropas wo es am gleichen Ort lutherische und reformierte Kirchen gab kam es zu Begegnungen und dann auch zu offiziellen Gesprächen. Noch vor der Verabschiedung der Leuenberger Konkordie, erklärten lutherische und reformierte Kirchen ihre Gemeinschaft so z. B. in Holland, in der damaligen Tschechoslowakei oder in Frankreich wo es 1968 zu den Thesen von Lyon kam. Schwieriger war es in Deutschland. Die Bekennende Kirche, die sich auf die Barmer Erklärung berufende Kirche, hatte bei ihrer Synode 1934 die Abendmahlsgemeinschaft zwischen Reformierten und Lutheranern ermöglicht. Dies hatte eine scharfe Auseinandersetzung zwischen der Bekennenden Kirche und vielen anderen lutherischen Kirchen Deutschlands zur Folge. Letztere hielten diesen Schritt für falsch da kein Konsens im Abendmahlsverständnis vorlag. Der Streit setzte sich auch nach dem Krieg und erst 1957/ 1962 konnte man sich nach den deutschen Arnoldshainer Gesprächen einigen. Gesamteuropäisch traf man sich ein erstes Mal in der Schweiz 1955. Man war sich bewusst, dass der Streit im Verständnis des Herrenmahles die größte Schwierigkeit darstellte. Erst als

diese Frage in Deutschland geklärt war, kam es dann zu intensiveren Gesprächen an welchen sich alle nationalen Kirchen beteiligten, diese sogenannten Schauenburger Gespräche. Diese wurden 1967 erfolgreich abgeschlossen. Nun stand einer gesamteuropäischen Einigung nicht mehr im Wege und die folgenden Jahren waren der Ausarbeitung der Leuenberger Konkordie gewidmet (Leuenberg ist übrigens der Name eines Tagungsortes neben Basel wo diese Konkordie verabschiedet wurde). Es ist hier nicht der Ort den gesamten Text der Konkordie vorzustellen. Drei Grundentscheide sollen aber angesprochen werden. II.2. Es ging zunächst darum die theologischen Verwerfungen im Dialog zu überwinden. In den drei angesprochenen Fragen (die Person Christi, die doppelte Prädestination und das Herrenmahl) waren die Unterschiede in der Reformationszeit kein Ausdruck des Reichtums einer legitimen Vielfalt sondern sie waren trennende Unterschiede, die die Gemeinschaft, die communio, verboten. Es kam zur Ex-communion (Exkommunizierung). Wie gelangt man nun umgekehrt zur In-communion (Inkommunizierung)? Dies ist nur dann möglich wenn die historischen Verwerfungen überwunden sind. Zweierlei war auszuschließen. Es konnte erstens nicht darum gehen zu behaupten die Protagonisten des XVI Jahrhunderts hätten sich geirrt und wir würden dies heute richtig tun. Sie hatten damals wohl ihre Gründe. Zweitens war es für die Verfasser der Konkordie wichtig, dass eine Glaubenswahrheit nicht an allen Orten mit den gleichen Worten ausgedrückt werden muss. Verschiedene Sprachgestalten sind und müssen möglich sein. So schlug man folgenden Weg ein: in einer kurzen Aussage verständigte man sich über das was in dieser besonderen Frage gemeinsam ausgesagt werden muss und kam dann zur folgenden Schlussfolgerung: Wo solche Übereinstimmung zwischen Kirchen besteht, betreffen die Verwerfungen der reformatorischen Bekenntnisse nicht den (heutigen) Stand, der Lehre dieser Kirchen (LK 20 und 26). Dieses Verfahren der LK war ein Novum, dass von der gesamten modernen ökumenischen Bewegung, bis hin zu Kardinal Ratzinger, begrüßt wurde. Es ist übrigens diese Verfahren, das 25 Jahre später in der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre im Dialog mit Rom angewandt wurde. Ein konkretes Beispiel hilft uns dieses Verfahren besser zur verstehen, das Verständnis des Herrenmahles. Der Streit war im XVI Jahrhundert vielschichtig. Ihn auf die Realpräzens Christi in Brot und Wein zu beschränken ist zu kurz gegriffen. Entscheidend war die Frage ob sich in diesem Mahl Gott selbst den Seinen gibt oder ob dieses Mahl lediglich ein Zeugnis der Gläubigen ist, welche durch diese Feier Gott antworten, Gott der sich ihnen im verkündigten Wort, aber nicht in dieser Feier als solcher, schenkt. Dies war der Streit zwischen Luther und Zwingli aber auch zwischen Zürich und Genf, trotz des Consensus Tigurinus wie die kurz danach von Calvin verfasste - und bereits erwähnte - Gallicana belegt. Die Leuenberger Konkordie sagt folgendes: Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein. So gibt er sich selbst vorbehaltlos allen, die Brot und Wein empfangen... Die Gemeinschaft mit Jesus Christus in seinem Leib und Blut können wir nicht vom Akt des Essens und Trinkens trennen. Ein Interesse an der Art der Gegenwart Christi im Abendmahl, das von dieser Handlung absieht, läuft Gefahr den Sinn des Abendmahls zu verdunkeln (LK 18f.) Wie jede einzelne Kirche dies mit ihren Worten formuliert ist Sache dieser Kirche. Wenn dieses Grundverständnis des Herrenmahles vorliegt, dann ist auch der Konsens gegeben und dann treffen die geschichtlichen Verurteilungen heute nicht mehr zu. II. 3. Neben der Überwindung der Lehrverurteilungen, ja noch wichtiger als diese, ist das reformatorische Verständnis des Evangeliums, welches die LK in wenigen kurzen Sätzen formuliert.

Die LK beruft sich zunächst auf die Botschaft von der Rechtfertigung, die Botschaft von der freien Gnade Gottes. Es geht dabei um nichts anderes als um die Botschaft des Heils, welche im Neuen Testament auch mit anderen Worten als diejenigen der paulinischen Rechtfertigungslehre formuliert wird. Die paulinische Darstellgung des Heils stand im XVI Jahrhundert im Mittelpunkt der Reformation. Sie formuliert die Grundaussage des Neuen Testaments und ist so für alle Zeit von höchster Bedeutung. Viele finden sie zu schwierig. Das ist sie nicht. Um sie meinen Studenten zu erklären, spreche ich gerne von der Logik Gottes die die Logik der Menschen auf den Kopf stellt. In meinem Beruf und sonst in meinem Alltag bin ich was ich tue. Mein Sein ist die Konsequenz meines Handelns. In der Logik Gottes ist dies umgekehrt. Ich bin sein Kind, ich erhalte von Ihm mein Sein, und nun ist mein Handeln die Konsequenz meines Seins. Anders formuliert: in meinem Beruf muss ich mir einen Namen machen und so existiere ich. Gott hingegen hat mich bei meinem Namen gerufen, mir einen Namen gegeben und nun darf ich als der von Gott für immer genannte, als der von Ihm berufene leben. Und dies alles wurzelt in Kreuz und Auferstehung Jesu, der Ort wo nicht mehr wie im Alltag der Welt, der Tod das Leben beschränkt, sondern ein für allemal das Leben jeden Tod beschränkt. Das Verständnis der Rechtfertigung war nie strittig unter den reformatorischen Kirchen und so beschränkt sich die LK auf wenige kurze Sätze. Sie geht dann einen Schritt weiter und erklärt, dass es nicht nur um eine Heilslehre als solche geht. Diese Botschaft ist nach reformatorischem Verständnis der Schlüssel der alle anderen Glaubenswahrheiten einander zuordnet. Aus ihr ergibt sich was wir über die Kirche, die Wortverkündigung, die Sakramente alles was den christlichen Glauben ausmacht zu sagen haben. Das Heilshandeln Gottes wird der Gemeinde der Gläubigen zuteil. Dort schafft Gott neues Leben und setzt inmitten der Welt den Anfang einer neuen Menschheit (LK 10) Diese Botschaft, die zum Dienst in der Welt aufruft und befreit (LK 11), ist als Botschaft von der freien Gnade Gottes Maßstab aller Verkündigung der Kirche (LK 12). Wie wird uns diese Botschaft zuteil? In Verkündigung, Taufe und Abendmahl ist Jesus Christus durch den Heiligen Geist gegenwärtig. So wird den Menschen die Rechtfertigung in Christus zuteil und so sammelt der Herr seine Gemeinde. Er wirkt dabei in vielfältigen Ämtern und Diensten und im Zeugnis aller Glieder seiner Gemeinde (LK 13). Danach folgt in der LK ein kurzer Abschnitt über die Taufe und über das Abendmahl (LK 14 und 15). Damit ist das Entscheidende in wenigen kurzen Sätzen ausgesagt. Ist der Konsens in diesen Grundthemen und in ihrer Zuordnung gegeben, so sind die Voraussetzungen für die Erklärung und die Verwirklichung der Kirchengemeinschaft vorhanden. Wichtig ist hier die Feststellung, dass die LK Kirche und Amt keineswegs vergisst. Die Kirche ist der Ort wo die Gnade Gottes durch Wort und Sakrament den Menschen geschenkt wird, und gehört daher zentral zur Heilsbotschaft. Ist die wahre Feier von Wort und Sakrament vorhanden, dann kann man daraus schließen dass auch das wahre Amt gegeben ist. An diesem Punkte denkt man in Rom anders. Dort ist das wahre Amt die Vorbedingung für die wahre Feier von Wort und Sakrament. In dieser Frage bedarf es des weiteren Dialogs mit Rom. II. 4. Ein letzter Grundentscheid der LK muss noch erwähnt werden. In der modernen Ökumene betritt die LK Neuland. Sie leitet ein neues Verfahren ein und begeht einen neuen Weg um zur Einheit der Kirche zu gelangen. Sie ist eine Erklärung. Sie ist im strengen Sinne des Wortes kein Dialogergebnis sondern einen Schritt über die Dialogergebnisse hinaus. Dialoge werden von Theologen geführt, ihre Ergebnisse wollen neue Türen öffnen, sind aber letzten Endes nur Texte von Theologen. Auf der Basis von hunderten von Seiten von Dialogergebnisse, wurde in Leuenberg ein kurzer Text, eine abschließende Erklärung, verfasst 6 Seiten. Und dieser Text wurde den Synoden der Kirchen vorgelegt und von denen

verabschiedet. Aus der Verantwortung einzelner Theologen in die Verantwortung der Kirchen! Von Dialogprotokollen hin zu einer verbindlichen Erklärung der Kirchen! Diese erklären sich in Kirchengemeinschaft. Sie verstehen sich als und sind eine Kirche, die je nach Ort, Geschichte und Kultur verschiedene Gesichter haben. Eine Einheit in versöhnter Verschiedenheit, um eine vom Lutherischen Weltbund geprägte Formulierung zu gebrauchen, welche in der Leuenberger Gemeinschaft bald übernommen wurde. Damit betrat die LK Neuland und konnte auf kein Präzedenzmodell zurückgreifen. Sie hat einen neuen Weg zur Einheit der Kirche eröffnet. Dieser Weg hat sich bewährt und es gibt keine andere Einheitsbemühung zwischen christlichen Familien, die ähnliche Fortschritte ermöglichte. Dieser Weg bewährte sich zunächst innerhalb der Leuenberger Gemeinschaft selbst. Es kam zu vielen neuen Beziehungen und Ausdrücken des gemeinsamen Kircheseins. Darüber hinaus führten die Signatarkirchen der Konkordie am Anfang der neunziger Jahre Gespräche mit den methodistischen Kirchen in Europa. Es kam zu einem zusätzlichen Abkommen das, 1997, die Kirchengemeinschaft zwischen den Leuenberger Signatarkirchen und den Methodisten Europas erklärte. Daraus ergab sich logischerweise eine Namensänderung. Aus der Leuenberger Gemeinschaft wurde nun die GEKE, die Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa. Dieser Weg wurde auch, über Europas hinaus nur von anderen lutherischen und reformierten Kirchen, in den USA der im Vorderen Orient beschritten. Auch andere reformatorische Kirchen haben sich auf diesen Weg begeben, nicht zuletzt die anglikanische Weltgemeinschaft. In dem Abschlussbericht des lutherisch/anglikanischen Dialogs auf Weltebene, dem sogenannten Niagarabericht aus dem Jahre 1987, wird die Leuenberger Konkordie als solche nicht erwähnt, doch wird genau dieses Verfahren den lutherischen und anglikanischen Kirchen der ganzen Welt empfohlen und daraufhin von den Weltbünden beider Gemeinschaften verabschiedet. Viele Erklärungen von Kirchengemeinschaft zwischen Anglikanern, Lutheranern Unierten und Reformierten kamen so zustande, in Europa (die Erklärungen von Meissen, Porvoo und Reuilly), in den USA, in Kanada, in Australien. Sie sind alle Erben der Leuenberger Konkordie, auch wenn sie es nicht immer ausdrücklich zugeben. III. Die heutige Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE). Mit der Unterschrift der Erklärung von Kirchengemeinschaft haben die Kirchen vor 40 Jahren einen entscheidenden Schritt getan. Doch damit war nur ein Anfang gesetzt. Die von Gott geschenkte Einheit der Kirche bedarf der Verwirklichung, sie muss Gestalt annehmen, sichtbar werden. Dieses Auftrages bewusst und um zu vermeiden dass es bei einer bloßen formalen Unterschrift bleibt, haben die Verfasser in der Konkordie selbst Orte konkreter Verwirklichung festgehalten. Vier Richtungen wurden dabei angegeben: a) das Bemühen um gemeinsames Zeugnis und Dienst an der Welt, b) gemeinsame theologische Weiterarbeit, c) organisatorische Konsequenzen vor Ort und d) das Einbringen dieses Einheitsmodells in die gesamte ökumenische Bewegung. Letzteres haben wird bereits erwähnt. In drei anderen Bereichen und auch darüber hinaus ist in den letzten vierzig Jahren vieles geschehen. Einige Schwerpunkte können hier genannt werden. III. 1. Es kam an vielen Orten zu einem neuen Bewusstsein des gemeinsamen Kircheseins. Dies gilt insbesondere für die vielen kleinen lutherischen und reformierten Minderheitskirchen in Europa. Nun wurde deutlich dass man zu einer europäischen Kirchengemeinschaft gehört. Insbesondere für die kleinen Kirchen wurde der Horizont um vieles erweitert. Man könnte hier viele Beispiele nennen, ich persönlich könnte von diesem

Bewusstseinswandel im französischen Raum sprechen. Vieles geschah auf gesamteuropäischer Ebene, von den gesamteuropäischen Bibelwochen, die Christen aus ganz Europa zusammen führten bis hin zur konkreten Zusammenarbeit über nationale Grenzen hinweg wie zum Beispiel am Oberrhein wo schweizerische, deutsche und französische Kirchen eine Zusammenarbeit entwickelten die heute beachtliche Früchte trägt. An manchen Orten, da wo reformierte und lutherische Christen in der gleichen Stadt oder in der gleichen Gegend bisher nebeneinander lebten kam es, über die bloße Zusammenarbeit hinaus zu organisatorischen Folgerungen. Man gründete eine gemeinsame evangelische Kirche wie zum Beispiel in den Niederlanden oder in Frankreich, neue Kirchen, die einen nicht leichten Weg eingeschlagen haben welcher sich noch bewähren muss. So ergab sich auch die Notwendigkeit gesamteuropäisch eine Koordinierung der Arbeit dieser Gemeinschaft einzurichten, eine Notwendigkeit die die LK selbst so nicht vorausgesehen hatte. Ein kleines Sekretariat begann zunächst im Straßburger Institut für ökumenische Forschung des Lutherischen Weltbundes. Es wurde später nach Berlin verlegt und arbeitet heute in Wien. Seine Aufgaben haben sich im Laufe der Jahre erweitert. Niemand wollte, und niemand will bis heute, eine neue kirchliche Superstruktur gründen. Man begnügte sich mit dem was für die Begleitung des Wachstumsprozesses der GEKE nötig war und ist. Diese Geschäftsstelle steht unter der Verantwortung eines zehnköpfigen Rates und eines Präsidiums, die aus Vertretern verschiedenster Kirche zusammengesetzt ist. Ernannt wird dieses Rat durch die Vollversammlung der GEKE, die alle fünf /sechs Jahren zusammen kommt und zu welcher alle Kirchen ihre Vertreter delegieren. Die Arbeit dieses Rates ist erheblich und umfasst stets neue Verantwortungen. Wie sich dies alles weiterentwickelt ist eine offene Frage. De Antworten ergeben sich bei den Vollversammlungen aus den jeweiligen Aufgaben, die der Wachstumsprozess der GEKE erfordert. III. 2. Die gemeinsame theologische Weiterarbeit ist wohl die Richtung in welcher man in vergangenen vierzig Jahren, den bedeutendsten Weg gemeinsam zurücklegen konnte. Gleich nach Unterschrift der Konkordie wurden Lehrgespräche organisiert. Es ging darum die Kirchengemeinschaft theologisch zu begleiten damit nicht wieder eine theologische Problematik zu neuen Trennungen führe. In der Zwischenzeit gibt es mehr als 30 Ergebnisse von Lehrgesprächen zu welchen jede Signatarkirche Vertreter entsenden konnte. So entstand eine wahre Bibliothek von Referenztexten in welchen die Kirchen heute gemeinsam ihr Verständnis des Evangeliums darlegen. Dies war seit dem XVI Jahrhundert nicht geschehen. Es ist hier nicht möglich alle diese Lehrgespräche zu nennen. Sie reichen von eher praxisbezogenen Gesprächen über die konkreten Feiern von Taufe und Herrenmahl, welche vornehmlich in Südosteuropa erarbeitet wurden bis hin zu grundlegenden theologischen Texten wie das Kirchenverständnis, das Verhältnis Kirche und Israël oder die Autorität der Schrift und der Bezug auf das biblische Zeugnis. Vor kurzem startete eines neues Lehrgespräch über die Kirchengemeinschaft und ihre Verbindlichkeit für die Signatarkirchen. Auch eine Arbeitsgruppe, die die Beziehungen zu anderen Religionen zum Thema hat, hat in letzter Zeit ihre Arbeit aufgenommen. Die regelmäßigen Vollversammlungen der GEKE geben diese Gespräche in Auftrag und nehmen dann auch ihre Ergebnisse entgegen. III. 3. Im Blick auf das gemeinsame Zeugnis und den gemeinsamen Dienst in Europa ist die Situation vielfältiger. Auch hier wurde vieles getan und erreicht. Themen wie Freiheit oder das Verständnis von Evangelisation wurden bearbeitet. Auch ethische Fragen standen auf der Tagesordnung, als Beispiel sei hier nur genannt die gemeinsame Arbeit über das Verständnis des menschlichen Lebens insbesondere im Blick auf die Begleitung der Sterbenden welche vor einigen Monaten zu einer vielbeachteten Veröffentlichung führte. Schwieriger wird es bei den sozialen, ethischen und politischen Fragen, die in der breiten Gesellschaft heftig debattiert

werden. Sie sind auch in einzelnen Kirchen und zwischen den Kirchen meist sehr umstritten. So müssen auch auf der Tagesordnung der GEKE stehen, auch wenn sie gewiss nicht dadurch gelöst, dass man sie aus den einzelnen Kirchen heraus, auf die gesamteuropäische kirchliche Ebene verlagert. Hier kommt es, auch innerhalb der GEKE, zu erheblichen Spannungen. So manches schwierige gesellschaftliche Problem könnte für die Einheit der GEKE zur Zerreißprobe werden. Herausforderungen dieser Art haben die Kirchengemeinschaft stets begleitet. Ich erinnere mich sehr gut an die zweite Vollversammlung der Leuenberger Signatarkirchen, 1981 in Driebergen (Niederlande). Damals gab es in Europa einen erheblichen Streit über eine eventuelle militärische Aufrüstung (die Perschingraketen). Dieser überschattete die Versammlung und ein Auseinanderbrechen der Gemeinschaft drohte. Heute werden Themen wie Kernenergie, Homosexualität, Familienverständnis, Umweltschutz, Wirtschaftskrise in unseren Kirchen sehr kontrovers diskutiert. Wie soll sich die GEKE verhalten? Die einen sind der Meinung, dass eine Kirchengemeinschaft auch in solchen Fragen zu einer Stimme der evangelischen Kirchen in Europa gelangen muss. Andere wiederum denken, dass dies nicht nötig sei da auch in diesen Fragen eine legitime Vielfalt angebracht sei und die verschiedenen Kulturen und gesellschaftlichen Situationen der verschiedenen europäischen Länder in welchen diese Kirchen leben, durchaus eine legitime Vielfalt von Antworten zulässt. Die Fragen werden angesprochen. Es ist der GEKE aber noch nicht gelungen die geeignete Methodologie zu entwickeln damit sie diesen Auftrag wahrnehmen und vermeiden kann, dass es in solchen Fragen zu Spaltungen innerhalb der Kirchengemeinschaft komme. III. 4. An dieser Problematik wird die Herausforderung deutlich vor welcher die GEKE heute steht. Es geht dabei nicht nur um diese gesellschaftlichen Problematiken, sondern viel allgemeiner auch ad intra um die Art und Weise wie wir gemeinsam evangelische Kirche in Europa sein wollen. Die Beteiligung an der GEKE verpflichtet. Wie weit reicht diese Verpflichtung für jede einzelne an der GEKE beteiligte Kirche? In der GEKE sprechen wir, in diesem Zusammenhang, von der notwendige Verbindlichkeit unserer Kirchengemeinschaft. Die allgemeine Behauptung, dass die LK verbindlich sei, hat nur dann ihren wahren Sinn wenn gleichzeitig verdeutlicht wird, wie die LK oder was in der LK verbindlich ist. Verbindlich sind in erster Linie nicht die Einzelaussagen der LK, verbindlich ist die Erklärung von Kirchengemeinschaft zwischen bisher getrennten Traditionen, die sich nun in ihrem Andersein als wahrer Ausdruck der einen Kirche Jesu Christi anerkennen und dies dadurch ausdrücken, dass sie einander Kanzel und Abendmahlsgemeinschaft gewähren. Dies wurde von den Synoden so beschlossen. Dies bedeutet weit mehr als die bloße Unterschrift eines Textes. Durch ihre Unterschrift hat sich meine Kirche diesem ökumenischen Einheitsmodell verpflichtet. In dem Verhältnis meiner Kirche zu den anderen Kirchen enstand eine neue ekklesiale Qualität. Die Situation ist nicht mehr vorkonsiliarisch sondern in konsiliarisch. Wenn die Verbindlichkeit der LK darin besteht, dass Kirchen verschiedenen Bekenntnisstandes aufgrund der gewonnenen Übereinstimmung im Verständnis des Evangeliums einander Gemeinschaft an Wort und Sakrament gewähren und eine möglichst große Gemeinsamkeit in Zeugnis und Dienst an der Welt erstreben (LK 29) so muss es einen Ort geben wo diese Verbindlichkeit verifizierbar ist. Anderenfalls wäre diese Verbindlichkeit nur punktuell oder spirituell oder sogar virtuell. Die Frage der Verbindlichkeit stellt sich in jeder einzelnen Kirche. Sie wird in der Regel dadurch gelöst, dass die einzelne Kirche durch ihre Synoden eine Kirchenordnung oder Kirchenverfassung erarbeitet und verabschiedet, welche die einzelnen Gemeinden dieser Kirche zusammenhält und verpflichtet. Ist dies logischerweise nicht auch auf gesamteuropäischer Ebene wünschenswert? Inwiefern kann es in der GEKE eine gemeinsame

Kirchenordnung geben, die gewiss nicht die Aufgaben der einzelnen Kirchen übernimmt, aber der GEKE als Kirchengemeinschaft die nötige Sichtbarkeit und damit auch Autorität verleiht? Die einen befürworten solch einen Weg, andere wiederum setzen sich für die Autonomie jeder einzelnen an der GEKE beteiligten Kirche ein und warnen vor jeder weiteren Entwicklung, weil sie darin die Gefahr einer supranationalen Kirche sehen. So wurde auch bei der Vollversammlung in Belfast (2001) der Vorschlag einer gesamteuropäischen GEKE Synode mit sehr großer Mehrheit abgelehnt. Auch in dieser Frage gilt es den Wachstumsprozess der GEKE zu respektieren. Die GEKE zeigte immer ihre Klugheit darin, dass sie sich mit kleinen Schritten begnügte und nichts überstürzte. Wir haben in den letzten Jahren vieles gelernt. Wir haben gelernt eine andere Kirche, in ihrem Anderssein als wahrer Ausdruck der einen Kirche Jesu Christi zu anzuerkennen und mit ihr gemeinsam Kirche zu sein. Eine kirchliche Tradition in ihrem Andersein als wahre Kirche anerkennen ist ein ungewöhnlicher Vorgang. Er stellt uns täglich vor neue Aufgaben, die wir nicht durch Rückgriff auf ähnliche Situationen in der Geschichte lösen können, da es letztere nicht gibt. Er verlangt nach Kreativität. Er braucht auch seine Zeit. Wir haben im Bereich der GEKE auf diesem Wege viel mehr Schritte getan als wir es oft selbst vermuten, auch wenn so manches noch zu leisten ist. Unser Glauben bekennt die una sancta catholica et apostolica ecclesia. Dieses Bekenntnis wollen wir in der GEKE verwirklichen und sichtbar machen. Wir gehören gemeinsam zur einen Kirche Christi und sind damit katholisch im theologischen Sinne des Wortes, das heißt Kirche über alle Grenzen hinweg. Unter uns besteht eine neue Beziehungsqualität die es erlaubt, die zukünftigen Arbeiten auf der Grundlage und innerhalb einer gegebenen Gemeinschaft auszuführen. Dieser Tatsache wollen wir gemeinsam entsprechen. Kirchengemeinschaft ist nicht Menschenwerk; die Kirche und ihre Einheit sind eine Gabe Gottes. Es liegt jedoch in unserer Verantwortung der Kirchengemeinschaft die erforderliche Sichtbarkeit zu verleihen und die dafür nötigen Schritte einzuleiten und durchzuziehen.