Liebe Gemeinde! Text: Heidelberger Katechismus Frage 1 und Römer 7,18.34 und 8,38:

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Transkript:

Predigt in den Gottesdiensten der Friedenskirche (Baptisten) am 8. Mai 2011 in Braunschweig Landesbischof Friedrich Weber, Vorsitzender der ACK Deutschland Text: Heidelberger Katechismus Frage 1 und Römer 7,18.34 und 8,38: Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Wenn ich aber tue, was ich nicht will, so tue ich es nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnt. Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leib dieses Todes? Ich danke Gott, durch Jesus Christus, unseren Herrn! Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten, weder Gegenwärtiges, noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch keine andere Kreatur kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist unserem Herrn." Liebe Gemeinde! Die einst so engen Grenzen der Konfessionen sind weiter geworden viel weiter als dass wir noch die Unterschiede zwischen den reformierten und den lutherischen Lehraussagen als trennend empfinden könnten, viel weiter als dass uns noch unsere katholischen Schwestern und Brüder Glaubende einer fremden Kirche wären. Nicht die Grenzen gegeneinander, sondern die Einheit innerhalb all derer, die an Jesus Christus als ihren Herrn und Heiland gebunden sind, ist das maßgebliche. Und diese Einheit macht ja wohl vor den Mauern der Konfessionen keinen Halt mehr. Denn Christus will, dass wir alle eins sind (Joh 17) in Zeugnis und Dienst. Menschen haben aber oft mehr Freude daran, das Trennende zwischen den Konfessionen stark und groß zu machen. In der Ökumene, der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, zu der auch Ihre Kirche gehört, sind wir im Zeugnis des gemeinsamen Glaubens dagegen ganz eng beieinander. In den Kirchen waren es oft die Katechismen, die die Grenzen genau bestimmten. 1

Ich habe als Konfirmand sowohl aus dem Heidelberger Katechismus von 1563 als auch aus Luthers Kleinem Katechismus gelernt. Dieser Tage ist übrigens in der römisch-katholischen Kirche ein neuer Katechismus für die Jugend erschienen. Trotz ihrer mitunter problematischen Verwendung sind mir die Katechismen wichtig. Sie versuchen in ganz enger Anlehnung an das Zeugnis der Heiligen Schrift Antworten auf fundamentale Fragen des Glaubens zu geben. Sie wollen zum Verstehen der Botschaft anleiten, wollen Christen auskunftsfähig machen über ihren Glauben, ihnen Sprache verleihen. Sie wollen in knappen fassbaren Sätzen mit dem Wesentlichen vertraut machen. Sie wollen die Frage nach dem Leben und dem Sterben und nach dem Trost in beidem beantworten. Und sie wollen auch das aussagen, was für die Kirche, die diesen Katechismus herausgegeben hat, wichtig ist. Aber wenn ich diesen letzten Aspekt heute zurückstelle, dann deswegen, weil ich in der Frage 1 des Heidelberger Katechismus, also des Katechismus der reformierten Kirche, eine allgemein christliche Antwort auf die Grundfrage des Lebens finde. Was tröstet mich im Hier und Dann? Was gibt mir Kraft und Zuversicht zum Leben, und wer gibt mir einen Ausblick, der sich nicht von den Grenzen des Lebens beeindrucken lässt? Gewiss, die Antwort ist alt. Aus dem Jahre 1563 stammt sie. Aber muss sie schon deswegen falsch sein. Und die Frage selber, ist sie überholt? Gewiss nicht! Ganz im Gegenteil. Die Grundaussage der Antwort des Katechismus umschreibt das Fundament, auf dem wir leben und arbeiten, die Basis der christlichen Gemeinde gleich welcher Gestalt. Sie vergegenwärtigt die Wahrheit des Pauluswortes aus 1 Kor 3,11: Denn einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, das ist Jesus Christus. Wir hören nun die Worte der 1. Frage des Heidelberger Katechismus: Was ist dein einiger Trost im Leben und im Sterben? Dass ich mit Leib und Seele, beides, im Leben und im Sterben, nicht mein, sondern meines getreuen Heilands Jesu Christi eigen bin, der mit seinem teuren Blut für alle meine Sünden vollkömmlich bezahlt und mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst hat und also bewahrt, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt kann fallen, ja auch mir alles zu meiner Seligkeit dienen muss. Darum er mich auch durch seinen Heiligen Geist des ewigen Lebens versichert und ihm forthin zu leben von Herzen willig und bereit macht. 2

Es wird gefragt nach dem einzigen Trost im Leben und im Sterben. Damit ist nicht nur das Trösten gemeint, wie wir es kennen, wenn unter uns jemand traurig ist. Es wird nach dem gefragt, was dem Leben Bestand verleiht. Solchen Bestand, dass ein Mensch auch dem Tod entgegenleben kann. Unsere reformatorischen Väter haben die jahrhundertealten Erfahrungen von Menschen, die auf der Suche nach ihrer Existenzsicherheit waren, in der These zusammengefasst: Wenn ich Christus zu eigen bin, dann habe ich ein Lebensfundament. Was heißt das: Christus zu eigen sein? Zunächst einmal nicht, wenn ich aus besten Kräften es zu etwas gebracht habe, nicht, wenn ich beruflich erfolgreich arbeite und geschäftlich große Profite erziele, wenn ich Haus und Hof erworben, eine Familie gegründet habe, hat mein Leben ein Fundament, sondern wenn es einem anderen gehört! Wenn ich Christi eigen bin! Unsere Väter und Mütter im Glauben hatten begriffen: das Fundament des Lebens liegt nicht in mir selbst, im eigenen Können und Wollen und Leisten, nicht im Besitz, in der Arbeits- und Geisteskraft. Das Fundament wird mir geschenkt, sola gratia, ganz umsonst, geschenkt dadurch, dass ich Jesu Christi eigen bin. Herrschaftswechsel, so hat man das genannt! Fragen wir einmal nach den Herren, den Mächten, die uns regieren da gibt's in einem jeden Leben genug zu fragen. Der Katechismus entfaltet nun diesen Satz in drei Kreisen. Ich folge ihnen. Der erste heißt: Was Christus für mich getan hat? Er hat mich freigekauft aus aller Gewalt des Teufels. Mit dem Teufel ist doch jene Macht gemeint, die mein Leben mit Beschlag belegt, seien es Gedanken, die mir immer wieder kommen, Gedanken, die ich ganz im Verborgenen denke. Seien es Worte, die ich sage, die andere verletzen, die ich eigentlich gar nicht sagen wollte, die mir über die Lippen rutschen. Mit dem Teufel meinen wir eine Macht in unserem Leben, die uns dazu bringt, anders zu sein als wir möchten. Genau das ist gemeint, wenn der Apostel Paulus im Römerbrief Kapitel 8 schreibt: Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute finde ich nicht. Denn das Gute, das ich will, das tue ich nicht; sondern das Böse, das ich nicht will, das tue ich. Wenn ich aber tue, was ich nicht will, so tue ich es nicht, sondern die Sünde, die in mir wohnt. Er schließt diesen Abschnitt mit den verzweifelten Worten: 3

Ich elender Mensch, wer wird mich erlösen von dem Leib dieses Todes? Ich danke Gott, durch Jesus Christus, unseren Herrn! Jesus Christus also ist es, der uns von diesem Teufel in uns erlösen kann. Er kann uns befreien, von unserem Übermut, von der Selbstgefälligkeit im Umgang mit anderen, er kann mich erlösen aus meinem menschlichen Hochmut, der mich besser als andere erscheinen lassen will. Christus versöhnt uns mit uns selber, mit unserem Nächsten und mit Gott. Wo hat er das getan? Wie geschieht das? Christus hat mit dem Beispiel seines Lebens, so wie er mit Menschen umging, so wie er sich selber sah, so wie er sich für Menschen geopfert hat, die menschlichen Teufeleien, dieses menschliche Teufelswerk überflüssig gemacht. Er hat gezeigt, dass Versöhnung besser ist als Streit. Er hat gezeigt, dass die Liebe den längeren Atem hat gegenüber allem anderen. Er hat gezeigt, dass die Bereitschaft, die Mitmenschen zu verstehen, ihnen nachzugehen, einen Menschen ganz ernst zu nehmen, dem Leben mehr dient als Selbstüberhebung. Und er hat letzten Endes mit dem Opfer seines Leibes, mit seiner Hingabe für uns, einen Weg geschaffen, der das vom Mensch zerstörte Gottesverhältnis wieder in Ordnung bringt. Jesus starb, damit wir leben. Jesus starb, damit wir uns in unserem Leben, aber auch in unserem Sterben auf ihn berufen können, damit wir einen haben, der sich unserer Sache annimmt. Wenn das so ist, dann sind wir entlastet, dann brauchen wir uns nicht von morgens bis abends um unsere Rechtfertigung zu bemühen. Dann dürfen wir aber auch wissen, wenn einer aus unserer Familie von uns geht, dass dieser nicht für immer sein Leben verloren hat, sondern dass Gott, dass Christus sich seines Lebens annimmt. Nur im Vertrauen darauf, dass Gott etwas für uns getan hat, lange bevor wir etwas tun können, dass er uns annimmt, dass er uns liebt, lange bevor wir seine Liebe erwidern können, dürfen wir in der evangelischen Kirche Kinder taufen. Und nur im Vertrauen darauf, dass Christus dies für uns tat, ganz gleich wie wir dastehen, für einen jeden, ob angesehen oder nicht, dürfen wir die Arbeit in einer Kirchengemeinde betreiben. Wir dürfen in unserer Arbeit keine Unterschiede machen zwischen umgänglichen und schwierigen Leuten, wir dürfen keine Unterschiede machen zwischen Jungen und Alten, Armen und Reichen, Gesunden und Kranken. Wenn Christus für uns eingetreten ist, ist er für uns alle eingetreten, und nicht nur für eine Gruppe, und deshalb müssen wir als Gemeinde, die ihm nachfolgt, auch für alle eintreten. Allein das Wissen um das, 4

was er für uns tat und die Osterzeit hat ja auch den Zweck, dieses Wissen immer wieder neu auszusprechen, kann meinem Leben und Sterben Fundament verleihen. Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom: Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Gewalten, weder Gegenwärtiges, noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch keine andere Kreatur kann uns scheiden von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist unserem Herrn. Es gibt vieles, was uns den Glauben an die Liebe Gottes erschweren will, aber sie ist da, sie ist nicht wegzudiskutieren, sie ist nicht abzuleugnen. Sie ist für uns da, ganz gleich in welcher Lage wir uns befinden. Sie ist durch die Auferstehung Jesu von den Toten ganz gegenwärtig. Damit bin ich beim Zweiten, bei dem, was Christus für mich tut! In der Frage 1 steht es ganz kurz: Er bewahrt mich. Er bewahrt mich so, dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt fallen kann. Das ist ein schwerer Satz. Das ist gerade im Blick auf Tod, auf Trauer ein schwerer Satz. Ist denn unsere Erfahrung nicht anders, dass wir um Bewahrung gebeten haben, und dann geschieht doch etwas, vor dem wir Angst hatten? Ist es nicht die Erfahrung von Eltern, dass sie sich um das Wohl der Kinder sorgen, dass sie Gott um sein Geleit für das Leben der Kinder bitten und sie spüren von dieser Bewahrung nichts? Alle Einwände, die wir machen können und wollen, sind richtig. Sie bringen unseren tiefen Zweifel an dieser universellen Zusage Gottes zum Ausdruck. Wissen wir doch zu genau, dass keiner von uns auch nur eine Minute für sein Leben, für das seiner Freunde und Bekannten garantieren kann. Und nicht nur für das Leben, es gibt ja schon so viel Einfacheres, das sind die Sorgen der Eltern vor schlechtem Einfluss, unter den die Kinder geraten könnten? Wir können nicht mehr tun, als dieses Anbefehlen, aber wir brauchen auch nicht weniger zu tun. Denn, wenn wir die helfende Hand, die Gott uns anbietet, am Tage ergreifen, wenn wir sie ernst nehmen, dann brauchen wir sie in der Nacht des Lebens, wenn wir leiden, wenn wir in Sorgen sind, nicht mehr zu suchen. Gott hat uns keine Garantie für unser Leben gegeben. Er hat uns nicht zugesagt, dass wir eine bestimmt Zahl von Jahren erreichen, aber er hat uns Möglichkeiten zu einem erfüllten Leben gegeben. 5

Gott bewahrt uns nicht so, wie wir uns das vorstellen, nicht so, dass wir im Vertrauen auf seine Bewahrung mit unserem Leben leichtfertig umgehen, aber so, dass er uns seine Liebe, seine Kraft und seinen Beistand in den spezifischen Situationen unseres Lebens zusagt und gewährt. Christen werden wegen ihres Gottvertrauens kein leichteres Leben haben. Sie sind auch keine leichtfertigen Leute, weil sie sich nicht in Sorgen auflösen. Sie wissen aber darum, dass Gott in der tiefsten Nacht des Lebens nicht fern ist, dass er vor dem Sturm der schweren Gedanken und Grübeleien bewahren will. Dass er die Gedanken frei macht für das, was der Tag von uns fordert. Aus diesem Gottvertrauen heraus hat Dietrich Bonhoeffer den berühmten Vers gedichtet: Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag. Dieses Wissen, dass Gott mit uns ist, mit uns sein will, dieses Wissen ist grundlegend für eine Gemeinde. Dieses Wissen muss unter ihr lebendig sein, dieses Wissen muss sie durch Wort und Tat weitergeben wollen. Gott ist mit uns. Er ist uns nahe, er gibt uns die feste Zusage, dass wir nicht tiefer fallen können als in seine Hand. Und weil das so ist, deswegen können wir getrost das Leben leben, deswegen dürfen wir getrost unserem Sterben entgegensehen. Damit sind wir beim Letzten, bei dem, was einem Leben Bestand verleiht. Wenn ich Christi eigen bin, dann versichert er mich des ewigen Lebens. Das ist die große Hoffnung, von der eine Christengemeinde lebt. Diese Hoffnung auf ein ewiges Leben, auf einen neuen Himmel und eine neue Erde muss eine Christengemeinde wach halten, wenn sie auch noch so unglaublich zu sein scheint. Von dieser Hoffnung muss sie erfüllt sein, um sie muss sie beten, und in dieser Hoffnung, dass diese Welt mit ihren Schmerzen und Tränen zu Ende geht, muss sie schon jetzt allen Menschen sich barmherzig und hoffnungsvoll zuwenden und für das Abwischen von Tränen und für die Verringerung von Leid und Geschrei und Schmerz arbeiten. Dies hat auch politische Wirkungen. Das ewige Leben, das Christen verheißen ist, beginnt schon jetzt mitten in dieser Welt. Die Auferstehung Christi ist Zeichen dafür, dass Gott die Gesetzmäßigkeiten unserer Welt, dieses Sterben und Geborenwerden, nicht für immer konservieren will. Deswegen sind wir dieser Welt mit ihren Schmerzen nicht entnommen, im Gegenteil, wir werden für ihre Krankheiten empfindsamer. 6

Das ganz persönliche Leid eines Mitmenschen kann dann nichts Fremdes mehr sein, etwas, das uns nichts angeht. Die körperlichen und seelischen Krankheiten um uns herum fordern den barmherzigen Samariter. Und darüber hinaus die Krankheiten der Menschheit: Hunger, Rassismus, Unfrieden. In ihnen zeigt sich das Böse, der Böse in unserer Welt. Es zeigt sich auch in den mörderischen Anschlägen auf unsere Geschwister in der koptischen Kirche in Ägypten, von denen wir heute morgen gehört haben. Für die Krankheiten der Menschen und ihrer Welt empfindlicher werden, heißt dann, an dem Ort, an den uns Gott als getröstete Menschen gestellt hat, mit den uns verliehenen Kräften und trotz eigener Schwachheiten dem Bösen wehren. Misserfolg und Gelingen gehören auch dabei zusammen. Über alledem steht die Zusage des ewigen Lebens. Sie bekräftigt uns, dass wir in diesem Bemühen nicht mehr den Schrecken des Todes unterliegen müssen. Wir wissen, dass seit Ostern dem Tod die Macht genommen ist, uns zu behalten. Er muss uns abgegeben an den, der ihn besiegt hat. Wie das aussieht, was dann sein wird, darüber gibt es phantastische Gemälde und Visionen. Fest steht nur eins: WIR SIND BEI IHM! Ich meine, mehr können wir als Gemeinde, mehr können wir als Christen in unserer Welt nicht bezeugen und weitersagen, aber mehr wird uns auch niemand anders zu bieten haben. Der einzige Trost im Leben und ihm Sterben, ist das Wissen, dass er bei uns und wir bei ihm sind. AMEN Ludolfusstraße 2-4 60487 Frankfurt am Main Tel.: 069/247027-0 Fax: 069/247027-30 info@ack-oec.de www.oekumene-ack.de 7